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Die R-36, FOBS und die R-36O

R-36Im Jahre 1962 kündigte Nikita Chruschtschow eine neue Interkontinentalrakete an, die jeden Punkt der Erde erreichen könnte. Damals wurde dies als Propaganda angesehen. Und doch wurde mit der Interkontinentalrakete R-36 (im Westen als SS-9 „Skean“ bezeichnet) eine Rakete entwickelt, die genau dies konnte. Allerdings war Chruschtschow vorgeprescht, denn 1962 hatte die Entwicklung gerade erst begonnen.

Entwicklung

Als 1962 die sowjetische Führung von der Stationierung der Minuteman und ihre Anzahl (500 Stück bei der ersten Generation) erfuhr, plante sie nicht weniger als vier Gegenmaßnahmen:

Die R-36 ist das 10 MT-FOBS System. Sie wurde entwickelt, um die USA über eine Flugbahn über den Südpol vom Süden aus anzugreifen. Dafür musste der Sprengkopf in einen Orbit gebracht werden und vor dem Wiederein­tritt wieder abgebremst werden. Dies wurde als FOBS (Fractional Orbit Bombardment System) bezeichnet. Da sich alle US-Frühwarnstationen nahe des Nordpols befanden, der kürzesten Strecke zwischen der UdSSR und den USA, erlaubte dies neben der viel geringeren Flughöhe die Vorwarnzeit von 20 bis 30 Minuten auf unter 5 Minuten zu reduzieren. Es wurde neben der FOBS-Version auch eine normale ICBM-Version mit größerem Sprengkopf entwickelt, die schließlich die wichtigere werden würde.

R-36 SiloEs bewarb sich um die Ausschreibung für FOBS auch Koroljows OKB-1 mit der Globalrakete GR-1, das war eine aus der ICBM R-9 entwickelte Rakete mit einer dritten Stufe. Schon die R-9 erfüllte die Anforderungen des Militärs nur teilweise. Es wurde zwar viel Aufwand betrieben, um sie trotz der Verwendung von flüssigem Sauerstoff, der dauernd verdampft schnell einsatzbereit zu bekommen und in Silos zu stationieren, doch das Konkurrenzmodell R-16 von Jangels OKB-586mit lagerfähigen Treibstoffen erfüllte die Bedingungen viel besser.

Ebenfalls bewarb sich Tschelomeis OKB-52 mit der UR-200, einem Konkurrenzmodell der R-16 die rund 16 t wog. Sie wurde bereits entwickelt, jedoch 1965 eingestellt als sich die Streitkräfte für die R-16 entschieden. Erneut unterlag Tschelomei bei dieser Ausschreibung. Die Führung wollte die Aufträge verteilen. Das OKB-52 würde 1.000 UR-100 bauen und die UR-500 entwickeln. Das sprach gegen eine Auftragsvergabe an Tschelomei. Koroljows OKB-1 Vorschlag der GR-1 war deutlich unterlegen und das OKB-1 würde die Feststoffrakete entwickeln. So war klar, das Jangels OKB-586 (heute: KB Juschnoje) das schon die R-16 entwickelt hatte, auch den Auftrag für die FOBS-Rakete bekam. Einige Autoren spekulieren auch, dass die Auftragsvergabe mit dem Sturz Chruschtschows zusammenhing – Jangel soll nach dem Nedelindesaster in Ungnade gefallen sein, dagegen hatte Koroljow einen guten Draht zu Chruschtschow und Chruschtschows Sohn Sergej arbeitete im OKB-52 von Tschelomei. Mit dem Sturz Chruschtschows fielen diese persönlichen Kontakte zum Premier weg. Diese Theorie hat nur den kleinen Nachteil, dass die Entwicklung schon am 16. April 1962 beschlossen wurde, Chruschtschow aber erst am 14. Oktober 1964 als Parteichef und Ministerpräsident abgesetzt wurde.

Die R-36 ent­stand aus der R-16, einer Rakete, die durch die Nedelin Katastrophe (Explosion bei Wartungsarbeiten am 24. Oktober 1960 mit über 100 Toten) traurige Berühmtheit erlangte. Der Unterschied zur R-16 war ein durchgängiger Durchmesser von 3,00 m, wodurch eine schwerere zweite Stufe mitgeführt werden konnte. Weiterhin war sie die erste russische Rakete, die über fünf Jahre in Bereitschaft gehalten werden konnte. Durch Salpetersäure als Bestandteil des Oxidators der R-16, war eine betankte schnell startbare R-16 nur über maximal 30 Tage einsatzbereit, dann musste sie nicht nur enttankt sondern gewartet werden. Die R-36 setzte das nicht so korrosive Stickstofftetroxid ein. Schon aus der R-16 sollte eine Trägerrakete entstehen. Diese bekam den Namen „Zyklon“. Das Projekt wurde aber ab­gebrochen. Die ICBM hätte wegen der kurzen Brennzeiten der Stufen eine Oberstufe benötigt. Die schon gewählte Bezeichnung „Zyklon 1“ wurde nicht neu vergeben und so wurde die Trägerversion der R-36 die „Zyklon 2“.

Die Entwicklung der R-36 begann mit einem Dekret am 16.4.1962. Zu diesem Zeitpunkt war das Vorgängermodell R-16 noch in der Erprobungsphase. Schon in dem Dekret wurde die Entwicklung von drei Versionen gefordert: einer herkömmlichen ICBM, einem FOBS-System und einer Trägerrakete für mittelschwere Satelliten. Die neue Rakete erhielt die Bezeichnung R-36, nicht weil es die 36-ste Rakete der UdSSR war, sondern weil Jangel nach der R-16 die nun folgenden ICBM in Zehnerabständen durchnummerierte. Der eindeutigere Produktcode ist 8K67.

Im Juni 1963 wurde das Design abgeschlossenen. Mit den bekannten Daten konnte am 12. Februar 1964 an die Entwicklung eines Sprengkopf von 18 bis 25 MT Sprengkraft gegangen werden. Startanlagen für Tests wurde in Baikonur beim Launchpad 67 erstellt. Beim Launchpad 68 wurde eine Sendestation für das Radiosteuerungssystem installiert. Später wurden Starts von Silos aus bei LC-80 durchgeführt. Beide Komplexe waren zuvor für die R-16 gebaut worden und wurden nur an die R-36 angepasst. Der Countdown war nach den Erfahrungen mit der Nedelin-Katastrophe nun vollständig automatisiert.

Flugtests fanden schon früh statt, vom 28. September 1963 bis zum 29. März 1966. Der erste Silostart fanden 14. Januar 1965 statt. Die hohe Zahl der Starts (85) und der lange Testzeitraum (für die damalige Zeit) liegt daran dass von den ersten zehn Starts sieben scheiterten. Es musste nachgebessert werden, was Zeit kostete. Schlussendlich scheiterten insgesamt 14 Starts, von den restlichen 75 Starts also genauso viele, wie bei den ersten zehn Starts. Auch im Einsatz gab es Erprobungsstarts um die Streitkräfte zu schulen und später um sicherzustellen, dass die Rakete noch einsatzbereit war. Sie hoben die Gesamtzahl der Starts auf 146 an.

Es wurden auch Maßnahmen entwickelt um sich gegen eine Raketenabwehr zu wappnen. Erprobt wurden Sprengkopfattrappen, eine Beschichtung des Sprengkopfs, die Radarstrahlen absorbieren sollte und ein aktiver Störsender, der dem Sprengkopf folgt. Im Juli 1965 gab es zumindest einen bestätigten Teststart zur Erprobung. Einige Quellen sprechen davon, dass man bei den stationierten ICBM zusätzlich zur Wasserstoffbombe weitere Täuschkörper mitführte.

Der Beschluss der Schaffung eines Satellitenträgers auf Basis der R-36 erfolgte am 16.8.1965. Hier konnte sich die R-36 erneut gegen die UR-200 durchsetzen.

Mit der Einführung von MIRV in den USA wurde ab Dezember 1967 mit Hochdruck eine Modifikation der 8K67 zum Tragen von MIRV entwickelt. Schon am 20. August 1968 fand der erste Teststart der neuen Version 8K67P statt. Insgesamt 20 Teststarts erfolgten bis zum 23. Oktober 1970. Schon drei Tage später wurde die Rakete vom Militär abgenommen und ersetzte ab 1971 die erste Version in einem Teil der Silos. Die drei Sprengköpfe der 8K67P waren noch nicht separat lenkbar. In der kurzen Zeit wurde ein einfaches System entwickelt, bei dem die Sprengköpfe auf Schienen geführt wurden. Sie konnten um einen Zielpunkt herum einschlagen oder ein Sprengkopf konnte auf den Zielpunkt gelenkt werden und die anderen beiden schlugen neben ihm auf.

Vom 15. Juli 1968 bis zum 2. Dezember 1971 fanden 15 Teststarts der 8K67M statt. Dies war eine modernisierte Version der R-36. Sie wurde auch beim letzten FOBS-Test eingesetzt, und bildete die Basis für die spätere Trägerrakete. Die Ersetzung der ersten Version durch eine verbesserte Rakete mit den Erfahrungen aus den Teststarts und dem praktischen Einsatz ist bei russischen ICBM dieser Zeit normal, da die Sowjetunion sich lange Zeit verwundbar sahen, wurden die Raketen schnell entwickelt und noch während die Erprobungsstarts liefen, die Serienproduktion begonnen. Einige Jahre später wurden dann die ersten stationierten Raketen durch die neuen Versionen ersetzt, in denen alle auftretenden Probleme gelöst waren.

Als Trägerrakete füllte die R-36 dabei die Lücke zwischen den Kosmos-Trägerraketen (500 beziehungsweise 1.500 kg Nutzlast) und den Semjorka-Modellen (4.700 – 7.000 kg Nutzlast).

Die R-36 ICBM wurde von 1966 bis 1970 in vier Modellen mit unterschiedlichen Spreng­köpfen stationiert. 1971 wurde eine Maximalzahl von 255 Systemen stationiert. Bis 1979 wurden die meisten aus dem Dienst genommen. Abgelöst wurde die R-36 durch die RS-36M, die nochmals 30 t schwerer war und heute als „Dnepr“ Trägerrakete Satelliten transportiert.

Die R-36 hatte in der ICBM-Version eine Startmasse von 182 bis 183.9 t und war 32,30 m lang bei einem durchgehenden Durchmesser von 3,00 m. Die beiden Stufen nutzten die lagerfähigen Treibstoffe Stickstofftetroxid und Unsymmetrisches Dimethylhydrazin (UDMH). In der technischen Auslegung war die R-36 mit der Titan II vergleichbar. Auch sie hatte anders als die Titan I einen durchgängigen Durchmesser von 3 m und verwendete lagerfähige Treibstoffe, sie war ebenfalls um 30 t schwerer.

SiloDesign

Die R-36 konnte relativ geradlinig aus der R-16 entwickelt werden. Die R-16 ICBM setzte schon lagerfähige Treibstoffe ein und war die erste russische ICBM, die in größeren Stückzahlen (202) stationiert wurde. Durch Vergrößern der zweiten Stufe auf den Durchmesser der ersten Stufe (von 2,4 auf 3,0 m) konnte die R-36 in die Silos der R-16 stationiert werden, was ein weiterer Vorteil war.

Der Oxidator wurde ausgewechselt und dass verflüssigte Gas Stickstofftetroxid (NTO) eingesetzt. Es ist genauso oxidierend wie die Salpetersäure, die die R-16 verwendete, aber es ist keine Säure, damit ist NTO weniger korrosiv. Stickstofftetroxid wurde auch von der amerikanischen Titan II eingesetzt und alle folgenden sowjetischen ICBM (UR100, UR-100N, MR-UR-100) setzten diesen Oxydator ein. Dies garantierte es, dass die Rakete jahrelang aufgetankt im Silo verblieben konnte.

Die obere Stufe hat einen Integraltank mit einem gemeinsamen Zwischenboden. Das spart nicht nur Gewicht ein, sondern reduziert auch die Länge der Rakete und damit die Kosten für die Silos. Die erste Stufe hat dagegen getrennte Tanks. Verwendet wurde die Standardlegierung AMG6, die Russland bei allen ICBM nutzte. Dies ist eine Aluminiumlegierung mit 6 Prozent Magnesiumzuschlag. Alle Tanks sind innendruckstabilisiert. Während des Flugs verdampfen Wärmeaustauscher an den Triebwerken Teile des Treibstoffs und Oxidators und leiten die Gase zurück in die Tanks. Vor dem Start wird Druckluft dazu genutzt. Ventile sorgen für das Einhalten des Normdrucks und entlassen notfalls Druckgas. Beide Stufen haben ein Treibstoffflusskontrollsystem, dass eine möglichst gleichzeitige Entleerung sicherstellen soll. Um Gewicht zu sparen, wurden die Tankwände chemisch geätzt, bis sie nur noch die benötigte Mindestdicke hatten. Ein Waffelmuster ersetzte die bisher übliche Verstärkung durch Stringer und Spanten.

Die Triebwerke der Stufen entstanden aus den Triebwerken der R-16. Es handelt sich in beiden Stufen um Haupttriebwerke mit dem Gasgeneratorantrieb von Gluschkos OKB-456 (heute Energomasch). Die schubschwächeren Steuertriebwerke in den beiden ersten Stufen und das Triebwerk der dritten Stufe stammten von Jangels OKB-586 wie der Rest der Rakete. Das ist relativ einfach an der führenden „8“ in der Nummer erkennbar. Gluschko hatte sich seit Mitte der fünfziger Jahre auf schubstarke Triebwerke konzentriert, sodass die Steuertriebwerke auch bei anderen Trägern von anderen Herstellern kommen.

Die erste Stufe besteht aus einem Triebwerksblock RD‑251. Dieser beinhaltet drei Triebwerke des Typs RD-250 in einem gemeinsamen Rahmen. Jedes Triebwerk besteht wiederum aus zwei Brennkammern mit einer gemeinsamen Turbo­pumpe. So verteilt sich der Schub auf sechs Brennkammern und drei Turbopumpen. Das Triebwerk wurde nur auf die neue Treibstoffkombination angepasst und der Brennkammerdruck erhöht. Da die R-16 mit einem sehr großen Schubüberschuss startete, musste der Schub nicht gesteigert werden.RD-251


Triebwerk RD‑251 in der ersten Stufe

Vergleich: RD-218 der R-16

Erzeugniscode:

8D723

8D712

Brennkammern:

3 × 2

3 × 2

Gesamtschub:

2.365,4 kN Meereshöhe, 2.643,8 kN Vakuum

2.221,4 kN / Meereshöhe 2.610,6 kN Vakuum

Schub pro Brennkammer:

389,2 kN Meereshöhe, 440,5 kN Vakuum

370,1 kN Meereshöhe, 440,5 kN Vakuum

Länge:

1,76 m

2,19 m

Maximaler Durchmesser

2,52 m

2,79 m

Gewicht: (ohne/mit Flüssigkeiten)

1.729 / 1.980 kg

1.920 / 2.200 kg

Brennkammerdruck:

83,3 bar

73,6 bar

Expansionsverhältnis:

14,7

18,8

Spezifischer Impuls:

2,647 m/s Meereshöhe 2.957 m/s Vakuum

2413 m/s Meereshöhe / 2835 m/s Vakuum

Brennzeit:

120 s

130 s

Das RD‑251 ist gemessen am fast zeitgleich entwickelten RD‑253 der Proton eine viel einfachere Konstruktion. Das Triebwerk verwendet nach wie vor das Nebenstromprinzip, der Brennkammerdruck ist niedriger und der Schub von 440 kN pro Brennkammer ist viermal geringer als beim RD‑253. Der Lohn der konservativen Auslegung war eine sehr zuverlässige Rakete. Von 255 Starts aller orbitalen Zyklonvarianten scheiterten nur 11.

Durch die Montage von drei Triebwerken mit sechs Brennkammern in einem festen Triebwerksrahmen sind die Brennkammern nicht schwenkbar. Es werden weitere Triebwerke zur Steuerung benötigt. Wie bei dem Vorgängermodell R-16 setzte man dazu ein weiteres Triebwerk RD‑68M mit vier Brennkammern an einer Turbopumpe ein. Es entstand aus dem RD-68 der R-16, die alternative Bezeichnung ist RD-855. Der für ein Steuertreibwerk vergleichsweise hohe Schub erlaubte auch die Vergrößerung der Masse, da es so das Haupttriebwerk unterstützt.

Die Düsen befinden sich an der Außenseite, versetzt um 90 Grad. Sie sind für Lageänderungen um 41 Grad schwenkbar. Jedes Triebwerk ist in einer Achse schwenkbar. Sie werden pyrotechnisch gestartet. Sie brennen auch nach dem Brennschluss des Haupttriebwerks weiter und gewährleisten so die Stabilität und sorgen eine kleine Beschleunigung. Sie brennen 4,4 s länger als das Haupttriebwerk. Schon 2,6 nach dessen Brennschluss, also während noch das RD‑68M der ersten Stufe arbeitet, wird das Steuertriebwerk RD‑69M der zweiten Stufe gezündet. 0,12 s später die Stufen pyrotechnisch getrennt und 2,6 s später das Haupttriebwerk der zweiten Stufe gezündet. So gibt es keinen Zeitpunkt, in dem kein Triebwerk aktiv ist. Das stabilisiert die Rakete. Zum anderen sind die Stufen schon getrennt, bevor das Haupttriebwerk der zweiten Stufe gezündet wird. Der Betrieb der Steuertriebwerke nach Brennschluss des Haupttriebwerks war auch ein Baustein in dem neuen Treibstoffmanagementsystem, dass die Treibstoffe möglichst simultan bis auf unvermeidliche Reste verbraucht werden. RD-252

Verniertriebwerk RD‑68M / RD‑855 in der ersten Stufe

RD-68 / RD-851 der R-16

Erdzeugniscode:

8D68M

8D63

Brennkammern:

4, um 41 Grad in je einer Achse schwenkbar

4

Schub pro Brennkammer:

268 kN Meereshöhe, 285 kN Vakuum

324,8 kN Meereshöhe, 380 kN Vakuum

Abmessungen:

0,98 m Länge, 3,45 m maximaler Durchmesser

1,7 m Länge, 3,59 m maximaler Durchmesser

Spezifischer Impuls:

2.491 m/s Meereshöhe, 2.864 m/s Vakuum

2.384 m/s Meereshöhe, 2727 m/s Vakuum

Gewicht:

320 kg

403 kg

Brennzeit:

Bis 127 s

Bis 115 s

Mischungsverhältnis Oxidator/UDMH:

1,97 zu 1

2,41 zu 1

Brennkammerdruck:

65,7 Bar

66,2 Bar

Die Länge der ersten Stufe beträgt 18,89 m ohne und 20,10 m mit Stufenadapter. Die Tanks sind getrennt mit einer strukturell verstärkten Zwischentanksektion. Die Treibstoffleitungen des oberen NTO-Tanks laufen durch den UDMH-Tank. Er ist von vier Schutzabdeckungen bedeckt, damit die zweite Stufe ihn bei der Zündung nicht zur Explosion bringt. Darunter sitzen vier Feststoffraketen, die bei Stufentrennung die untere Stufe abbremsen und so eine Kollision verhindern. Der Stufenadapter ist fest an der ersten Stufe angebracht. Hier nimmt ein Verstärkungsring die Kräfte auf und leitet sie auf die Struktur der ersten Stufe.

Die Stufentrennung erfolgte wie bei allen bisherigen sowjetischen Modellen „heiß“, d. h. die Zündung der zweiten Stufe findet statt, wenn die erste Stufe noch brennt. Dazu wird zeitgleich ein Kommando zum Zünden der zweiten Stufe und zum Abschalten der ersten Stufe gesendet. Durch den Schub der zweiten Stufe brechen die Verbindungen zwischen den Stufen. Vier kleine Feststoffraketen drücken dann die erste Stufe von der Oberstufe weg. Die Zyklon verwandte einen Gitterrohradapter, dadurch können die Flammen leicht entweichen.

Die zweite Stufe setzt das Triebwerk RD‑252 mit zwei Brennkammern an einer gemeinsamen Turbopumpe ein. Auch das RD‑252 ist nicht schwenkbar. Auch es entstand aus dem RD-319 der R-16. Es ist im Prinzip ein RD-251 nur in einfacher Ausführung mit Anpassungen an den Vakuumbetrieb. Durch die Steigerung des Brennkammerdrucks und eine längere Expansionsdüse konnten der Schub und der spezifische Impuls leicht gesteigert werden.

Die Lageregelung erfolgt wie bei der ersten Stufe durch ein Steuertriebwerk RD‑69M mit vier Brennkammern und einer gemeinsamen Turbopumpe. Auch dieses entstand aus dem RD-69 der R-16. Es wird pyrotechnisch gestartet. Heute verwendet Juschmasch, aus KB Juschnoje aufgegliederter Hersteller der Verniertriebwerke, die dreistelligen Nummern (RD-855 / RD-856) für die Triebwerke.VErsionen der R-36

Haupttriebwerk RD‑252 in der zweiten Stufe

RD-219 der R-16

Erzeugniscode:

8D724

8D713

Brennkammern:

2

2

Schub pro Brennkammer:

940,5 kN Vakuum

882,5 kN Vakuum

Abmessungen:

2,19 m Länge, 2.59 m Durchmesser

2,03 m Länge, 2,16 m Durchmesser

Gewicht:

715 / 810 kg

700 / 707 kg

Brennkammerdruck:

89,5 bar

73,6 Bar

Expansionsverhältnis:

46,7

25,8

Spezifischer Impuls:

3.115 m/s Vakuum

2.874 m/s

Brennzeit:

163 s

125 s

Die Länge der zweiten Stufe beträgt 9,40 m. Der Tank ist in der zweiten Stufe ein Integraltank mit gemeinsamem Zwischenboden, unterteilt in den oberen Oxydatortank und den unteren Treibstofftank. Auch hier verlaufen die Treibstoffleitungen durch den UDMH-Tank. Das Heck ist durch Abdeckungen gegen das Verbrennungs­abgas der Triebwerke geschützt. Feststoffraketen trennen diese Verkleidung nach der Stufentrennung ab und legen dadurch die Verniertriebwerke frei. Diese werden pneumatisch geschwenkt. Alle Triebwerke der Zyklon, auch die Verniertriebwerke, arbeiten mit klassischem Gasgenerator nach dem Nebenstromverfahren. Feststofftriebwerke bremsen nach dem Brennschluss die zweite Stufe ab um eine Kollision mit dem/n Sprengköpfen zu verhindern. Er ist als Hitzeschutz mit einem Glasfaserüberzug versehen.R-36 ORb

Verniertriebwerk RD‑69M / RD‑856 in der zweiten Stufe

RD-69 / RD-852 der zweiten Stufe der R-16

Brennkammern:

4, um 30 Grad schwenkbar

4

Schub pro Brennkammer:

54,3 kN Vakuum

48,25 kN Vakuum

Abmessungen:

0,90 m Länge, 3,26 m maximaler Durchmesser

2,40 m Länge, 2,95 m maximaler Durchmesser

Spezifischer Impuls:

2.751 m/s

2.501 m/s

Gewicht:

112,5 kg

133 kg

Brennzeit:

Bis 163 s

Bis 143 s

Mischungsverhältnis NTO/UDMH

1,98 zu 1

2,4 zu 1

Die frühen Varianten verwandten eine Radiolenkung und eine Steuerung auf Basis eines Inertialsystems. Es war auch für die operativen R-36 geplant, um eine höhere Zielgenauigkeit zu erreichen. Nach den ersten fünf Testflügen ließ man die Radiolenkung weg, da sich das Inertialsystem als genauso zuverlässig erwies. Das neue Lenksystem erhöhte die Zielgenauigkeit auf 1.300 m und reduzierte die Vorbereitungszeit auf 5 Minuten. Es saß in der zweiten Stufe und wog mit 752 kg relativ viel, entsprechend hat die zweite Stufe auch eine relativ hohe Trockenmasse.

Neu war auch die komplette Fernsteuerung des Abschusses der Rakete durch das Kontrollzentrum. Im Silo selbst musste sich niemand mehr aufhalten. Die R-36 konnte bei Windgeschwindigkeiten bis zu 25 m/s und bei Temperaturen zwischen -40 und +50 Grad Celsius starten. Die Silos verfügten über Vorrichtung mit der die Luft von verdampfenden Gasen gereinigt werden konnte. Erstmals gab es bei der Rakete ein Selbstzerstörungssystem, das automatisch aktiv wurde wenn sie zu stark vom Kurs abwich.

EinsatzR-36O Start

Am 21. Juni 1967 wurde die Rakete formell von den Streitkräften übernommen. Schon vorher wurden die ersten Regimenter aufgestellt. Die ersten R-36 Raketen wurden am 5.11.1966 stationiert. Ab 1971 wurden die erste Generation teilweise zu MIRV Trägern umgerüstet. Die Zahl der Silos wird zwischen 288 und 308 angegeben. Frühe Pläne, die oberirdische Starts und - wie bisher - nahe beieinanderstehende Silos vorhersahen, wurden nicht umgesetzt. Die Produktionskosten einer 8K67 betrugen 9,57 Millionen Rubel.

Die Rakete wurde in drei ICBM-Versionen stationiert und zusätzlich die dreistufige FOBS-Version R-36O entwickelt. Die erste Version, Modifikation 1, mit einem 8F675 Sprengkopf hatte eine Länge von 34,5 m und wog 182 t. Ihr „leichter“ Sprengkopf wog trotzdem 3,95 t und hatte immer noch eine Sprengkraft von 8 MT TNT-Äquivalent. Die Reichweite betrug mit dem „leichten“ Sprengkopf 15.200 km. Allerdings gab es eigentlich kein Ziel das diese hohe Reichweite benötigt hätte. Die Modifikation 2 hatte den schweren Sprengkopf von 5,825 t Masse, wog beim Start 183,7 t und war 31,7 bis 32,2 m lang. Sie hatte immer noch eine Reichweite von 10.200 km.

Nachdem auch die Sowjetunion es verstand, anstatt einem großen Sprengkopf mehrere kleine Sprengköpfe (MIRV) auf einer Rakete unterzubringen, wurde die dritte ICBM-Version die auch eine neue Bezeichnung 8K67P erhielt, stationiert. Ihre 8F676 Sprengköpfe wogen je 1.425 kg und hatten immer noch eine Sprengkraft von 2,3 MT pro MIRV. Die erste Version hatte zwar getrennte Sprengköpfe, aber noch nicht unabhängig voneinander lenkbar, wie es bei „echten“ MIRV der Fall ist. Diese Version wurde in 100 Silos vom Dezember 1971 bis 1974 stationiert. Danach begann das Umrüsten auf die verbesserte Version 8K67PM die nun drei voneinander unabhängig lenkbare MIRV hatte und die bis zur Außerdienststellung 1979 stationiert wurde. Dies war die Modifikation 4. Zu allen Versionen kommen noch Täuschungskörper hinzu, die bei der Einzelsprengkopf-Version 272 kg und bei der MIRV Version 408 kg wogen.

Zwischen diesen drei ICBM Versionen erfolgte vor der MIRV Version der Einsatz der R-36O als FOBS System. Dies war die Modifikation 3.

Ein Komplex bestand aus sechs Silos in großem Abstand und einem Kommandozentrum. Das Kommandozentrum galt als Achillesverse und war daher besonders gut (gegen einen Überdruck von 100 Atmosphären) geschützt, während es beim Silo 20 Atmosphären waren. Ein Silo hatte eine Tiefe von 41,5 m, einen Durchmesser von 8,3 m, wobei der für die Rakete nutzbare Innendurchmesser 4,64 m beträgt. Der Abstand eines Silos zum nächsten betrug 8 bis 10 Kilometer. Dies war mit dem besseren Schutz eine weitere Maßnahme um zu verhindern das ein Angriff zu viele Silos zerstört.

Die Rakete war innerhalb von 4 Minuten startbereit. Die Designlebensdauer von 5 Jahren wurde nach Prüfung der Raketen, die regulär alle zwei Jahre erfolgte auf 7,5 Jahre ausgedehnt. Die Designzuverlässigkeit betrug 0,95. Die reale Zuverlässigkeit (Ergebnis der Teststarts) betrug 0,956 bei der 8K67 und 0,954 bei der 8K67P.

Ereignis

Zeitpunkt

Dekret für die Entwicklung:

16.4.1962

Erster Teststart (8K67) / (8K67P/M)

28.9.1963 / 15.7.1968

Letzter Teststart (8K67) / (8K67P/M):

29.3.1966 / 2.12.1971

Erstes Regiment operationell

5.11.1966

Abnahme durch die Streitkräfte:

21.6.1967

Höhepunkt der Stationierung

1971

Letzte Rakete ausgemustert:

1979

Datenblatt R-36 ICBM Version

Einsatzzeitraum:

Stückzahl:

Abmessungen:

Startgewicht:

Maximale Nutzlast:

Reichweite:

1967 - 1979

270 – 308 Produktionsexemplare, 146+ für Teststarts

3,00 m Durchmesser Tanks, 3,60 m maximaler Durchmesser

31,70 m Länge mit 18 MT Sprengkopf, 32,2 m mit MIRV / kleinem Sprengkopf
179.000 kg mit kleinem Sprengkopf, 183.890 kg mit großem Sprengkopf

5.825 kg + 272 kg großer Sprengkopf,
3.950 kg + 272 kg kleiner Sprengkopf
3 × 1.425 kg + 401 kg MIRV

10.200 km mit großem Sprengkopf / MIRV
15.100 km mit kleinem Sprengkopf


Stufe 1:

Stufe 2:

Länge:

18,89 m

9,40 m

Durchmesser:

3,00 m

3,00 m

Startgewicht:

121.700 – 122.300 kg

48.500 – 49.700

Leergewicht:

6.400 kg

3.700 kg

Schub Meereshöhe Haupt-/Verniertriebwerk:

2.365,4 kN + 268 kN


Schub Vakuum Haupt-/Verniertriebwerk:

2.643,8 kN + 285 kN

940,5 kN + 217,2 kN

Triebwerke (Haupt-/Verniertriebwerk):

1 × RD-251 + 1 × RD-68M (RD-855)

1 × RD-252 + 1 × RD-69M (RD-856)

Spezifischer Impuls (Meereshöhe) Haupt-/Verniertriebwerk:

2,647 m/s + 2.491 m/s


Spezifischer Impuls (Vakuum) Haupt-/Verniertriebwerk:

2.957 m/s + 2.864 m/s

3.115 m/s + 2.751 m/s

Brenndauer Haupt-/Verniertriebwerk:

120 s / 127 s

160 s / 163 s

Treibstoff:

Stickstofftetroxid / UDMH

Stickstofftetroxid / UDMH

R-36O / FOBSOGC

Die dritte Modifikation der R-36 die erprobt, aber nicht stationiert wurde war die FOBS Version. An dieser Stelle eine Beschreibung des Gedanken hinter FOBS. Die englische Abkürzung FOBS von Fractal Orbit Bombard System ist eine direkte Übersetzung des russischen Begriffs Система частично-орбитального бомбометания (System zur Bombardierung aus der Teilumlaufbahn). Das sagt schon viel über die Idee hinter FOBS aus, es ist eine Weltraumwaffe.

Koroljow schlug die Idee für FOBS 1962 Nikita Chruschtschow vor. Er hoffte so auf den Auftrag für die Globalrakete GR-1. FOBS fiel deswegen bei Chruschtschow auf fruchtbaren Boden, weil Russlands Premier zwar damit prahlte, sie würden Raketen wie „Würstchen am Fließband produzieren“, aber wusste, dass er nur wenige einsatzbereite ICBM hatte. Das waren 1962 nur die nicht dauerhaft in Einsatzbereitschaft gehaltenen R-7, die R-16, die länger startbereit gehalten werden konnte, durchlief damals noch ihre Testphase. Die GR-1 (8K713) wurde aber schon in einem frühen Stadium 1964 abgebrochen. Um die USA zu verwirren präsentierte man

Bei FOBS durchläuft eine Rakete nicht wie eine ICBM eine Wurfparabel ,die je nach Reichweite ein Apogäum von 1.000 bis 1.600 km Höhe haben kann. Sie bringt einen Sprengkopf in einen niedrigen Erdorbit. Dieser wird aber nicht komplett durchlaufen, sondern wenn die Rakete sich den Vereinigten Staaten nähert, bremst die am Sprengkopf verbliebene dritte Stufe ihn ab. Das hatte mehrere „Vorteile“:

Als Nachteil braucht man eine wiederzündbare dritte Stufe, denn eine ICBM hat, um die Gravitationsverluste zu reduzieren zu kurze Brennzeiten um einen stabilen Orbit zu erreichen. Diese muss den Sprengkopf nach einem Umlauf auch deorbitieren. Wiederzündbare Stufen hatte Russland bis zu diesem Zeitpunkt noch keine entwickelt.

Die längere Betriebszeit der Steuerung – etwa 90 Minuten anstatt etwa vier bis fünf Minuten bei einer ICBM war bei den damals eingesetzten analogen Steuerungen mit messtechnischen Kreiselplattformen ein Problem, denn diese hatten einen Drift: Durch die Reibung wurden um so ungenauer je länger sie in Betrieb waren. Die Treffgenauigkeit sank so ab, dies konnte man durch einen größeren Sprengkopf kompensieren.

Die Nutzlast ist bedingt durch das Leergewicht der dritten Stufe und des höheren Geschwindigkeitsbedarf kleiner. Bei der R-36 betrug das Gewicht des Sprengkopfs zwischen 1.410 und 1.700 kg, der schwerere Einzelsprengkopf der R-36 Mod. 2 wog dagegen 5.825 kg.

Was die Führung wohl nicht bedachte war die psychologische Wirkung. ICBM gab es ja schon auf beiden Seiten, aber beide Seiten betonten auch, dass man sie nur als Gegenschlagwaffe einsetzen würde. Deswegen wurden sie ja auch in Silos vor einem Angriff geschützt. Das FOBS-System war aber eine Erstschlagswaffe. Für einen Gegenschlag war es nicht nötig, nicht vom RADAR erkannt zu werden, denn Abwehrmöglichkeiten gegen ICBM gab es keine. Bei einem Erstschlag waren aber alle Raketen des Gegners schon abgefeuert. Bei einer Erstschlagswaffe bestand aber die reale Gefahr, das die Zeit in der Kommandokette nicht ausreicht einen Gegenschlag der USA auszulösen. Es muss ja nach einer Radarsichtung zuerst verifiziert werden, dass es tatsächlich ein Angriff ist, was dauert. Dann muss die Nachricht an das Hauptquartier er Luftwaffe gehen, von dort zum Präsidenten der dann wahrscheinlich auch noch erst nachfragt, ob ein Angriff wirklich sicher ist, bevor er den dritten und wahrscheinlich letzten Weltkrieg auslöst und erst dann gehen die Abschusscodes zu den Luftwaffenbasen heraus und werden Bomber startklar gemacht. Auch die Vorbereitung des Starts dauerte, bei einer Titan II ging es schnell, in 58 Sekunden. Wenn es nun aber nur zwei Minuten für die gesamte Kette gab, so war die Wahrscheinlichkeit groß, dass die Sowjetunion die Startsilos und Luftwaffenstützpunkte bombardierte, bevor es einen Startbefehl gab. So war nach Logik der USA ein dritter Weltkrieg gewinnbar. Letztendlich führte dies zu Verhandlungen und zum Weltraumvertrag von 1967, der zum Verbot aller Weltraumwaffen führte.

OGCDie Entwicklung von FOBS begann nach der ICBM. Am 27.10.1967 der erste echte FOBS-Test durchgeführt. Diese Version, R-36O oder R-36Orb, Produktcode 8K69, wurde 18-mal von 1966 bis 1971 getestet. Die meisten Starts fanden 1967 statt. Zehnmal hob 1967 eine R-36O zu einem FOBS-Test ab. Alle Umlaufbahnen hatten eine Inklination von 49,5 Grad und ein sehr nahes Perigäum (112 bis 162 km Höhe). Die Apogäumshöhe schwankte zwischen 133 und 1.046 km Höhe. Ein hohes Apogäum hatten nur die ersten zwei Einsätze, was auf Probleme beim Einschuss hinweist. Alle folgenden Einsätze erreichten dann Bahnen mit einem niedrigen Apogäum: in einem Fall eine 120 × 133 km Bahn. Um den wahren Zweck zu verschleiern wurden die Starts in das Kosmos-Satellitenprogramm eingeordnet. Die Tests waren auch nach dem Weltraumvertrag erlaubt, da dieser nur die Stationierung von Waffen verbot, nicht jedoch die Tests eines System ohne einen echten Sprengkopf zu starten. Erst der SALT-II Start führte zu einem Verbot von FOBS.

Nach weniger als einem Umlauf wurde die Sprengkopfattrappe wieder deorbitiert. Die ungewöhnliche Bahnneigung gewährleistete das das Landegebiet bei Kapustin Yar lag, etwas südlich des Startpunktes in der Steppe Kasachstans. Bis auf einen Start klappten alle, nicht selbstverständlich bei der Einführung einer neuen Trägerrakete oder ICBM in dieser Zeit. Vor diesen Starts in denen ein Orbit erreicht wurde gab es zwischen dem 16.12.1965 und dem 19.5.1966 drei suborbitale Starts für den Test des Sprengkopfs mit Subsystemen OGC. Am 16.3.1966 explodierte eine R-36O bei der Befüllung vor dem Start. Zwischen den orbitalen Starts in der Tabelle gab es zwei weitere suborbitale Tests am 20 und 27. Mai 1968. Es ist offen ob diese bewusst suborbital waren oder nur nicht den Orbit erreichten. Bei Kosmos 316, gestartet am 23. Dezember 1969, ist offen ob es sich um einen Satelliten handelt oder einen OGC der nicht den Orbit verlies.

Nr.

Startnummer

Datum

Uhrzeit

Nutzlast

Trägerrakete

Trägernummer

Startplatz

Nation

Umlaufbahn

Umlaufdauer

Rückkehr

Erfolg

1

1966-088

17.09.1966

22:35

OGCh

R-36O 8K69

U 22500-05L

NIIP-5 LC162/36

Russia

163 × 1046 × 49.63

96.78

11.11.1966

2

1966-101

02.11.1966

00:45

OGCh?

R-36O 8K69

N 22500-06L

NIIP-5 LC162/36

Russia

141 × 879 × 49.60

94.82

06.05.1967

3

1967-005

25.01.1967

13:55

Kosmos-139

R-36O 8K69

N 22500-07L

NIIP-5 LC162/36

Russia

123 × 160 × 49.70

87.31

25.01.1967

4

1967-F02

22.03.1967

14:05

[Kosmos]

R-36O 8K69

N 22500-08L

NIIP-5 LC161/35

Russia

Fehlstart

5

1967-047

17.05.1967

16:05

Kosmos-160

R-36O 8K69

Ya22500-09L

NIIP-5 LC161/35

Russia

139 × 234 × 49.61

88.22

17.05.1967

6

1967-069

17.07.1967

16:45

Kosmos-169 + Kosmos-170

R-36O 8K69

Ya22500-11L

NIIP-5 LC162/36

Russia

135 × 200 × 49.68

87.83

17.07.1967

7

1967-077

08.08.1967

16:05

Kosmos-171

R-36O 8K69

Ya22500-10L

NIIP-5 LC162/36

Russia

120 × 133 × 49.65

87.02

08.08.1967

8

1967-089

19.09.1967

14:45

Kosmos-178

R-36O 8K69

Ya22500-14L

NIIP-5 LC161/35

Russia

137 × 311 × 49.60

88.97

19.09.1967

9

1967-091

22.09.1967

14:05

Kosmos-179

R-36O 8K69

Ya22500-15L

NIIP-5 LC162/36

Russia

139 × 207 × 49.57

87.95

22.09.1967

10

1967-099

18.10.1967

13:30

Kosmos-183

R-36O 8K69

Ya22500-16L

NIIP-5 LC161/35

Russia

130 × 315 × 49.63

88.94

18.10.1967

11

1967-106

28.10.1967

13:15

Kosmos-187

R-36O 8K69

Ya22500-13L

NIIP-5 LC162/36

Russia

114 × 193 × 49.65

87.55

28.10.1967

12

1968-037

25.04.1968

00:45

Kosmos-218

R-36O 8K69

Ya22500-17L(5MO

NIIP-5 LC162/36

Russia

123 × 162 × 49.56

87.33

25.04.1968

13

1968-082

02.10.1968

13:35

Kosmos-244

R-36O 8K69

V 22500-10T

NIIP-5 LC161/35

Russia

134 × 157 × 49.57

87.40

02.10.1968

14

1969-077

15.09.1969

16:00

Kosmos-298

R-36O 8K69

Yu45021-50T

NIIP-5 LC191/66

Russia

127 × 162 × 49.60

87.37

15.09.1969

15

1970-056

28.07.1970

22:00

Kosmos-354

R-36O 8K69

Yu45021-49T

NIIP-5 LC191/66

Russia

137 × 164 × 49.60

87.50

28.07.1970

16

1970-076

25.09.1970

14:05

Kosmos-365

R-36O 8K69M

4502741-260T

NIIP-5 LC191/66

Russia

143 × 173 × 49.50

87.64

25.09.1970

17

1971-068

08.08.1971

23:45

Kosmos-433

R-36O 8K69M

V 22501-07

NIIP-5 LC191/66

Russia

112 × 299 × 49.41

88.60

09.08.1971

OGCDie R-36O unterschied sich von der ICBM-Version durch eine dritte Stufe. Sie brachte die restliche Geschwindigkeit für den Orbit auf und deorbitierte den Sprengkopf. Da die ICBM nur eine Brennzeit von 280 s hatte, konnte sie direkt keinen Orbit erreichen, das Perigäum wäre zu niedrig gewesen. Die über 3 t schwere dritte Stufe senkte allerdings die Nutzlast deutlich ab. Der Sprengkopf wog nur noch 1,4 bis 1,7 t. Einzelsprengköpfe für die ICBM-Version dagegen 3,9 bis 5,8 t je nach Reichweite. Er hatte so nur eine Sprengkraft (je nach Quelle) von 2,3 bis 5 MT, meist werden 3 MT angegeben. Zudem Ausgleich betrug die mittlere Abweichung vom Zielpunkt 1,1 km, ebenfalls weniger bei der ICBM-Version. Westliche Quellen schätzen die Zielgenauigkeit CEP deutlich niedriger auf 1,8 bis 5,5 km ein.

1969 waren die meisten Tests abgeschlossen und 18 Silos wurden für diesen Typ (8K69, die ICBM hatte den Produktcode 8K67) in Baikonur gebaut. Das war für eine neue ICBM wenige Silos und sie wurden nicht dort errichtet, wo die R-36 stationiert waren. So ist offen ob es sich wirklich um ein operatives FOBS-System handelt. Die schnell startbaren Raketen können im Kriegsfall auch andere Funktionen übernehmen wie das Starts von Ersatzsatelliten. Das Militär akzeptierte die R-36O am 19. November 1968. Die Silos waren operational ab dem 18. August 1969.

Nach Abschluss des SALT-II Vertrages wurden 12 Silos von 1982 bis 1983 zerstört. Die anderen sechs wurden für Satellitenstarts umgerüstet. Die ICBM war schon 1979 abgezogen worden. Dies zeigt, wie sehr Russland den Vorsprung der kurzen Vorwarnzeit einstufte. Mit den 18 ICBM hätte man zwar nicht das Atomarsenal der USA ausschalten können, aber wichtige Befehlszentralen, Kommunikationswege und Kommandozentren, ohne die ein Startbefehl gar nicht erst an die Nuclear Forces gegangen wäre, das bedeutet, ein kurz nun folgender massiver Schlag wäre erheblich wirkungsvoller gewesen.

Die dritte Stufe setzte anders als die ersten beiden Stufen kein Verniertriebwerk ein. Die sowjetischen Ingenieure vermieden wie bisher die Wiederzündung indem die ICBM nur den Sprengkopf mit einem integrierten Antrieb in einen Orbit brachte. Dies wurde OGCh (Orbital'noy Golovnoy Chasti) genannt.

Der Sprengkopf hatte ein eigenes Navigationssystem, ein Haupttriebwerk und vier Düsen die Hydrazin/NTO als Treibstoff nutzten. Das Inertialsystem zündete sowohl die Triebwerke um Lageänderungen durchzuführen wie auch den Sprengkopf abzubremsen. Das Haupttriebwerk RD-854 vom OKB-586 wurde pyrotechnisch gezündet und hatte einen hohen Schub um die Geschwindigkeit deutlich zu reduzieren und so den Bremsweg zu verkürzen. Die Verniertriebwerke wurde von der Turbopumpe des RD-854 mit versorgt und hatten einen variierbaren Schub. Sie waren für Korrekturen um die drei Raumachsen verantwortlich. Sie nutzten das Abgas des Gasgenerators, nachdem es die Turbine durchlaufen hatte. Nach der Abbremsung des Sprengkopfs wurde das OGC von diesem abgetrennt. Der OGC mit seiner spitzkegeligen Form verlängerte die Rakete auf 34,5 m.

Das RD-854 wurde dann in verbesserter Form als RD-861 für die dritte Stufe der Zyklon-3 Trägerrakete eingesetzt.R-36 Orb

Haupttriebwerk RD‑854 in der dritten Stufe (OGC) der R-37O

Produktcode:

8D612

Brennkammerdruck:

85,3 bar

Schub:

75,5 kN

Abmessungen:

1,51 m Länge, 1.53 m Durchmesser

NTO/UDMH Verhältnis:

2,02 zu 1

Gewicht:

100 kg

Brennzeit:

70 s

Lageregelung:

4 Düsen, die vom Gasgenerator angetrieben werden.

Spezifischer Impuls (Vakuum):

3.060 m/s

Weitere Änderungen war der Verzicht auf Täuschungskörper und dem Störsender. Alle Verbindungen wurden nun geschweißt. Weitere Ventile erlaubten das vereinfachte Entleeren der Tanks.

Datenblatt R-36O

Einsatzzeitraum:

Stückzahl:

Starts:

Zuverlässigkeit:

Abmessungen:

Startgewicht:

Maximale Nutzlast:

1965 - 1971

23 für Teststarts, 18 Produktionsexemplare

23 Starts, davon 4 Fehlstarts, ein partieller Erfolg

78,2 – 82,6 Prozent

3,00 m Durchmesser Tanks, 3,60 m maximaler Durchmesser, Länge: 34,5 m

183.450 kg mit großem Sprengkopf

1.700 kg 2,3 bis 5 MT Sprengkopf


Stufe 1:

Stufe 2:

Stufe 3: OGC

Länge:

18,89 m

9,40 m

8,30 m (mit Sprengkopf)

Durchmesser:

3,00 m

3,00 m

2,64 m

Startgewicht:

121.700 – 122.300 kg

48.500 – 49.700

3.730 kg

Leergewicht:

6.400 kg

3.700 kg

2.000 kg

Schub Meereshöhe Haupt-/Verniertriebwerk:

2.365,4 kN + 268 kN



Schub Vakuum Haupt-/Verniertriebwerk:

2.643,8 kN + 285 kN

940,5 kN + 217,2 kN

75,5 kN

Triebwerke (Haupt-/Verniertriebwerk):

1 × RD-251 + 1 × RD-68M (RD-855)

1 × RD-252 + 1 × RD-69M (RD-856)

1 × RD-854

Spezifischer Impuls (Meereshöhe) Haupt-/Verniertriebwerk:

2,647 m/s + 2.491 m/s



Spezifischer Impuls (Vakuum)
Haupt-/Verniertriebwerk:

2.957 m/s + 2.864 m/s

3.115 m/s + 2.751 m/s

3.060 m/s

Brenndauer Haupt-/Verniertriebwerk:

120 s / 127 s

160 s / 163 s

70 s

Treibstoff:

Stickstofftetroxid / UDMH

Stickstofftetroxid / UDMH

Stickstofftetroxid / Hydrazin

Nachhall

Die R-36 war die erste ICBM die der Sowjetunion eine echte Gegenschlagfähigkeit verlieh und somit „erfolgreich“. Sie wurde auch viel länger stationiert. Am 5.9.1966 wurde das erste Regiment operationell, in den folgenden Jahren wurden dann immer mehr Raketen stationiert. 1970 war mit 270 bis 288 stationierten Raketen der Höhepunkt erreicht, bis 1979 wurde die Rakete in den Streitkräften belassen, das sind 13 Jahre. Das US-Militär betrachtete die R-36 als erste ernstzunehmende Bedrohung ihrer Raketenstreitkräfte. Die Kombination von hoher Zielgenauigkeit und hoher Sprengkraft erlaubte es der R-36 die Kommandozentren der Minuteman Raketen bei einem Erstschlag auszuschalten. Diese 100 Zentren kontrollierten 1.000 Minuteman Silos. Die USA modernisierten die Zentren und beseitigten die Anfälligkeit.

Die R-36 wurde ab 1979 durch ihren Nachfolger R-36M ersetzt. Ihr Design wurde ab 1968 von Jangel ausgearbeitet, seit dem 2.9.1969 lief die Entwicklung nach einem formellen Dekret. Die neue Rakete erhielt den Buchstaben „M“ der für „modernisiert“ steht. Das bezieht sich darauf, das die Rakete nicht viel größer als ihr Vorgänger war, in die vorhandenen Silos passte und neue Fähigkeiten hatte wie den Transport von MIRV und in den Leistungsparametern wie Lebensdauer, Zielgenauigkeit und Nutzlast besser war. Technisch handelt es auch aber um eine neue Rakete mit neuen Haupttriebwerken. Nach der Abrüstung ab Mitte der Achtziger Jahre ausgemusterte R-36M wurden dann als Dnepr-Trägerrakete eingesetzt. Die R-36M ist bis heute Bestandteil der Raketenstreitkräfte. Ein modernisierter Nachfolger der R-36M unter der Bezeichnung RS-28 „Sarmat“ wurde entwickelt, weil Jangels OKB-586 nun als KB Juschnoje nun Bestandteil der Ukraine ist. Die Sarmat wird seit 2021 eingeführt.

Links

https://en.missilery.info/missile/8k67

http://www.astronautix.com/r/rd-251.html

http://www.astronautix.com/r/rd-252.html

http://www.astronautix.com/r/rd-854.html

http://astronautix.com/r/r-36.html

https://nuke.fas.org/guide/russia/icbm/r-36.htm

https://nuke.fas.org/guide/russia/icbm/r-36o.htm

Krebs, Gunter D. “R-36-O (8K69)”. Gunter's Space Page. Retrieved August 30, 2023, from https://space.skyrocket.de/doc_lau_det/r-36-o.htm

https://www.kosmonavtika.com/satellites/ogtch/ogtch.html

https://www.russianspaceweb.com/r36.html

https://www.globalsecurity.org/wmd/world/russia/r-36o.htm

Artikel verfasst am 31.8.2023


Bücher des Autors über Trägerraketen

Wie man an dem Umfang der Website sieht, sind Trägerraketen eines meiner Hauptinteressen. Es gibt inzwischen eine Reihe von Büchern von mir, auch weil ich in den letzten Jahren aufgrund neuer Träger oder weiterer Informationen über alte Projekte die Bücher neu aufgelegt habe. Sie finden eine Gesamtübersicht aller Bücher von mir bei Amazon und hier beim Verlag.

Ich beschränke mich in diesem Abschnitt auf die aktuellen Werke. Für die in Europa entwickelten Trägerraketen gibt es von mir zwei Werke:

Europäische Trägerraketen 1 behandelt die Vergangenheit (also bei Drucklegung): Das sind die nationalen Raketen Diamant, OTRAG und Black Arrow und die europäischen Träger Ariane 1 bis 4 und Europarakete.

Europäische Trägerraketen 2 behandelt die zur Drucklegung 2015 aktuellen Träger: Ariane 5, Vega und die damaligen Pläne für Vega C und Ariane 6.

Wer sich nur für einen der in den beiden besprochenen Träger interessiert, findet auch jeweils eine Monografie, die inhaltlich identisch mit dem Kapitel in den Sammelbänden ist, nur eben als Auskopplung.

Weiter gehend, alle Raketen die es weltweit gibt, behandelnd, gehen zwei Bände:

US-Trägerraketen

und

Internationale Trägerraketen (im Sinne von allen anderen Raketen weltweit)

Auch hier habe ich 2023 begonnen, die Bände aufzusplitten, einfach weil der Umfang für eine Aktualisierung sonst weder handelbar wäre bzw. an die Seitengrenze stößt, die der Verlag setzt. Ich habe auch bei den Einzelbänden nochmals recherchiert und den Umfang erweitert. Bisher sind erschienen:

US Trägerraketen 1 mit den frühen, kleinen Trägern (Vanguard, Juno, Scout)

US Trägerraketen 2 mit der Titan-Familie

2023 wird noch die erste Auskopplung aus den internationalen Raketen über russische Träger erscheinen. Nach und nach werden alle Raketen dann in einzelnen Monografien geordnet nach Trägerfamilien oder Nationen dann aktualisiert auf den aktuellen Stand, so besprochen.

Für die Saturns gibt es noch einen Sonderband, den ersten in der Reihe über das Apolloprogramm.

Alle bisherigen Bücher sind gerichtet an Leute, die wie ich sich nicht mit oberflächlichen Informationen oder Zusammenfassung der Wikipedia zufriedengeben. Wenn sie sich nicht für Technik interessieren, sondern nette Anekdoten hören wollen, dann sind die bisherigen Bücher nichts für Sie. Für dieses Publikum gibt es das Buch „Fotosafari durch den Raketenwald“ bei dem jeder Träger genau eine Doppelseite mit einem Foto und einer Beschreibung hat. (Also etwa ein Zehntel der Seitenzahl auf den ich ihn bei den beiden obigen Bänden abhandelte). Das Buch ist anders als die anderen Bände in Farbe. Ab und an macht BOD als Print on Demand Dienstleister Mist und verschickt es nur in Schwarz-Weiß, bitte reklamieren sie dann, ich als Autor kann dies nicht beeinflussen.

Als Autor würde ich mich freuen, wenn sie direkt beim Verlag bestellen, da ich da eine etwas größere Marge erhalte. Dank Buchpreisbindung und kostenlosem Versand ist das genauso teuer wie bei Amazon, Libri und iTunes oder im Buchhandel. Über eine ehrliche Kritik würde ich mich freuen.

Alle Bücher sind auch als E-Book erschienen, üblicherweise zu 2/3 des Preises der Printausgabe – ich würde sie gerne billiger anbieten, doch da der Gesetzgeber E-Books mit 19 Prozent Mehrwertsteuer besteuert, Bücher aber mit nur 7 Prozent, geht das leider nicht. Ein Vorteil der E-Books - neben dem einfacher recherchierbaren Text ist, das alle Abbildungen, die im Originalmanuskript in Farbe, sind auch in Farbe sind, während ich sonst - um Druckkosten zu sparen - meist auf Farbe verzichte. Sie brauchen einen pdf-fähigen Reader um die Bücher zu lesen. Sofern der Verlag nicht weiter für bestimmte Geräte (Kindle) konvertiert ist das Standardformat der E-Books ein DRM-geschütztes PDF.

Mehr über meine Bücher finden sie auf der Website Raumfahrtbuecher.de und eine Liste aller Veröffentlichungen findet sich auch bei meinem Wikipediaeintrag.

 

© des Textes: Bernd Leitenberger. Jede Veröffentlichung dieses Textes im Ganzen oder in Auszügen darf nur mit Zustimmung des Urhebers erfolgen.

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