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Die RT-23

Rt-23Die Entwicklung der sowjetischen ICBM folgte über Jahrzehnte dem der USA, auch wenn es Unterschiede gab. Die Fünfziger und Sechziger Jahre waren geprägt von einer Aufholjagd. Die USA waren in dieser Zeit immer führend, sowohl bei der Technik, wie auch bei der Anzahl der installierten Systeme.

In den Siebziger Jahren hatte sich die Situation entspannt. Die Sowjetunion führte zwar neue Typen ein, vornehmlich aber deswegen, weil die Systeme aus den Sechziger Jahren am Ende ihrer Soll-Betriebsdauer angekommen waren und nutzte die Gelegenheit zu Modernisierung, führte z.B. MIRV ein, einen Schritt, denn die USA schon vollzogen hatten.

Die Situation änderte sich drastisch mit dem Amtsantritt des 40-sten US-Präsidenten Ronald Reagan. Während sein Vorgänger Jimmy Carter bestrebt war, eine Entspannungspolitik zu verfolgen und unter anderem 1979 den SALT-II Vertrag zur Rüstungsbegrenzung bei Atomwaffen mit der UdSSR abschloss, ging Ronald Reagan auf einen Konfrontationskurs. Unter ihm wurde überall aufgerüstet, er schuf das Programm der Navy mit 600 Schiffen, wofür sogar alte Schlachtschiffe aus dem Zweiten Weltkrieg reaktiviert wurden, bei ihm wurden auch sehr teure Rüstungsprogramme wie Tarnkappenjäger und -bomber erforscht. Er bezeichnete zudem die Sowjetunion als "Das Reich des Bösen" (Evil Empire) und scherzte bei einer Mikrofon-probe, dass in "5 Minuten Moskau bombardiert werde".

Unter diesem Klima nahm es die sowjetische Führung ernst, das die USA ein neues Waffensystem einwickelten die LGM-118 "Peacekeeper" oder MX-Missle. Das MX steht für Missle Experimental. Die MX war nach US-Ansicht eine Antwort auf die R-36M. Die R-36M war und ist (neuere Exemplare heißen RS-28 Sarmat) die größte jemals gebaute ICBM mit einer Startmasse von 200 t. So konnte diese Rakete so Sprengköpfe mit hoher Sprengkraft transportieren, die durch ihre Sprengkraft die Minuteman-Silos "knacken" könnten, so die Befürchtung der US-Militärs.

Die MX sollte ursprünglich mobil sein, um sich dieser Bedrohung zu entziehen, daraus wurde aufgrund der hohen Kosten nichts, doch als dies feststand, hatte die Entwicklung der RT-23 schon begonnen. Die Mobilität zusammen mit der Fähigkeit 10 MIRV nicht nur zu transportieren, sondern auch sie auf völlig unterschiedliche Ziele zu lenken (die Minuteman III als Vorgänger hatten nur drei MIRV und diese konnten nur nahe beieinanderliegende Ziele ansteuern) sahen die sowjetischen Militärs als genauso große Bedrohung an, wie die US-Militärs die R-36M. (Diese "Logik führte schließlich dazu, dass es zum Ende des Kalten Krieges auf beiden Seiten über 20.000 Atomsprengköpfe gab, also einen pro 10.000 Einwohner, dabei hatten selbst die kleinsten eine Sprengkraft, die um ein Vielfaches größer als die Hiroshima-Bombe war, die eine ganze Stadt zerstörte und 60.000Menschen tötete).

Die Peacekeeper verletzte den Start-II Vertrag, doch dieser war vom US-Kongress nie ratifiziert worden. Zudem hatte die Sowjetunion auch den Betrag gebrochen, indem sie neue Raketen stationierte, diese aber nach ausgemusterten Exemplaren benannte, obwohl sie keine Weiterentwickelung dieser waren. Das galt auch für die R-36M, die eben keine modernisierte Version der R-36 aus den sechziger Jahren war. So fühlte sich die Sowjetunion auch nicht mehr an Start-II gebunden und suchte nach einer Antwort auf die MX. Das war die RT-23. Wie die LGM-118 hatte sie zehn MIRV, wie die Peacekeeper war sie mobil - untersucht wurde eine silogestützte Version, eine mit einem Zug transportierte und eine mit einem Transporter über Straßen bewegte Version. Umgesetzt wurde die letzte Version nicht, wahrscheinlich, weil die Rakete dafür einfach zu schwer war. Es wurden aber zwei Transporter entwickelt, welche die 105 t schwere Rakete transportieren konnten, beide kamen aber über das Prototypenstadium nicht hinaus.

Die Entwicklung

Bis zur Entwicklung der RT-23 hatte die Sowjetunion einen langen Weg zurückgelegt, um Feststoffraketen mit interkontinentaler Reichweite zu bauen. Die ersten Versuche scheiterten. Es begann mit der RT-1, die nur die Reichweite einer Mittelstreckenrakete hatte und die primär als Technologiedemonstrator diente. Schon ihre Tests verliefen schlecht, mit vielen Versagern. Auf ihr basierte die RT-2, die interkontinentale Reichweite hatte und die in kleinen Stückzahlen (maximal 60 operative Exemplare) in Silos stationiert wurde. Technisch war sie aber den früher entwickelten Minuteman unterlegen.

Schon früh versuchte die SU durch Mobilität die Unterlegenheit in der Zahl der Sprengköpfe auszugleichen. Der erste Versuch, die RT-20, mit einer hybriden Architektur (die erste Stufe verwandte feste Treibstoffe, die zweite flüssige Treibstoffe) erreichte nicht die Sollreichweite und wurde ebenfalls eingestellt. Der zweite Versuch, die RT-21, war die erste sowjetische ICBM, die zu der Technik aufschloss, welche die USA schon in den Minuteman einsetzten. Sie war straßenmobil, mit einem eigens entworfenen Transporter, verletzte aber schon den SALT-II Vertrag und wurde, nachdem nur kleine Stückzahlen (etwa 50) gebaut wurden, Ende der Achtziger Jahre verschrottet.

Siloversion im StartkanisterDie RT-23 baute nun auf dem Design der RT-21 auf. Es war ein langer Weg von den ersten Studien bis zur Stationierung. Von Anfang an war eine mit Zügen transportierte Version vorgesehen. Am 13. Januar 1969 begann ein langjähriges Forschungsprogramm für die Rakete, die später die RT-23 werden würde. Züge wurden untersucht, weil sie viel größere Nutzlasten transportieren konnten, als motorisierte Fahrzeuge. So waren die schwersten mobilen Geschütze des Zweiten Weltkriegs allesamt Eisenbahngeschütze. Man kam zu dem Schluss, dass man für ein Regiment sechs Spezialwaggons für die Raketen, vier Wagen für die nuklearen Sprengköpfe und fünf Waggons für die Unterstützung benötigte. Das war wesentlich besser als bei der RT-21, bei der auf sechs Raketen insgesamt 30 Unterstützungsfahrzeuge kamen. Intern hatte die Rakete die Bezeichnung 15Zh44.

Fertigen sollte die Rakete das OKB-586, dass früher von Jangel geführt war, der zu diesem Zeitpunkt aber schon verstorben war. Das OKB-586 hatte schon vorher Studien für den Raketenstart von Zügen aus durchgeführt, so für die SS-12 und RT-20. Es war das OKB Russlands, dass die meisten ballistischen Raketen entwickelt hatte und somit über die größte Erfahrung verfügte.

Im Oktober 1975 begann man mit der Fertigung der ersten Stufe, die auch bei der R-39 U-Boot Rakete zum Einsatz kam. Damit erschien die RT-23 technisch umsetzbar und am 23. Juli 1976 ordnete ein Dekret die Entwicklung der mobilen und silobasierten Version an. Die Masse der neuen Rakete wurde auf 100 bis 150 t geschätzt. Das Design der silobasierten und LKW-basierten Versionen wurden im März 1977 abgeschlossen, am 1. Juli 1979 wurde zusätzlich gefordert, das die RT-23 drei bis vier unabhängig steuerbare MIRV transportieren sollte.

Die Basisvariante, die silobasiert war und im ersten Entwurf nur einen Sprengkopf einsetzte, war naturgemäß zuerst fertig. Im Dezember 1979 wurde das Design der 15Zh44 abgeschlossen. Der erste Start erfolgte am 26. Oktober 1982 von Plessezk aus. Der letzte von acht Erprobungsflügen erfolgte am 16. Februar 1984. Alle acht Starts waren erfolgreich, die volle Reichweite erreichten aber nur vier. Schon am 10. Februar 1983 hatte das Militär die Rakete abgenommen. Stationiert wurde sie aber nie, da inzwischen die Doktrin des Militärs den Transport von MIRV vorsah. Diese Version mit einem Einzelsprengkopf hatte eine Reichweite von 8.000 km und wog 80 t.

Das Design der ersten zugbasierten Version 15Zh52 wurde im Juni 1980 abgeschlossen. Mit ihr wurden die ersten Tests ab dem 18. Januar 1984 durchgeführt. Der letzte Testflug erfolgte am 15. April 1985. Auch ihre zehn Testflüge waren allesamt erfolgreich. Diese erste zugbasierte Version konnte wie die Siloversion nur einen Sprengkopf von 3.200 kg Gewicht über eine Distanz von 10.000 km befördern. Das Zugsystem war schon früher fertig und hatte seinen ersten Probeeinsatz am 10. Juli 1982. Gefordert war, dass sich die Züge bis zu 200 km von der Basis entfernen konnten. Demonstriert wurden in der Erprobungsphase Fahrten in bis zu 1.500 km Distanz.

Auch die Version 15Zh52 wurde nie stationiert, denn schon am 10. Juli 1983 forderte ein neues Dekret die Entwicklung der RT-23UTTKh mit MIRV und einer ökonomischen Zuginfrastruktur. Die NATO führt diese Version trotzdem auf, als SS-24 Mod 0.

Inzwischen hatte man die Zahl der Varianten reduziert und verfolgte die mit einem Spezialtransporter über Straßen verlegte Version nicht mehr. Zwei überschwere Transporter für den Straßentransport wurden aber zumindest entwickelt: Der MAZ-7907 mit 12 Achsen und 28 m Länge, der bei einer Gesamtmasse von 215,2 t bis zu 150 t transportieren konnte und der MAZ-7904, der mit 250 t Gewicht und einer maximalen Nutzlast von 220 t noch größer war.

Die RT-23UTTKh mit MIRV wurde wiederum in einer silobasierten und mobilen Version entwickelt. Sie war nicht einfach eine Erweiterung der RT-23, sondern beinhaltete zahlreiche Verbesserungen. Sie war auch deutlich größer: die beiden Vorgänger wogen 80 t bzw. 95 t, die neue Version 104,55 t. Damit ist dies die größte je gebaute militärische Feststoffrakete. Das System umfasste die Rakete und den "Schienenkomplex" 15Zh61. Schlussendlich wurde eine RT-23 in drei Waggons untergebracht. Drei RT-23 bildeten mit sieben weiteren Waggons die nötige Infrastruktur und ein Waggon enthielt den Treibstoff und Schmierstoffe für den Zug selbst, der von zwei Diesellokomotiven gezogen wurde. Gebaut wurden bis 1991 insgesamt 12 dieser Züge für 36 RT-23. Die Tests dieser Version begannen am 27. Februar 1985 und wurden am 10. Dezember 1986 abgeschlossen. Am 20. Oktober 1987 wurde das erste Regiment operationell und am 28. November 1989 war der Zug bei seinem Einsatzort angekommen. 12 Trägerraketen wurden in Kostroma (400 km östlich von Moskau), 9 Trägerraketen in Bershet (1.250 km östlich von Moskau) und 12 Trägerraketen in Krasnojarsk in Sibirien stationiert. Diese Version erhielt den NATO-Code SS-24 Mod-1.

Kanister der mobilen versionDie silobasierte Version wurde in den 15Zh60 Raketenkomplex stationiert. Die Rakete selbst bekam die Bezeichnung 15G60. Neben der drehbaren Düse in der ersten Stufe unterschied sie sich vor allem durch verschiedene Maßnahmen, welche die Oberfläche und Kabelbäume besser vor den beim Start entstehenden Flammen schützen sollten. Die silobasierte Version wurde deutlich nach der schienenbasierten entwickelt. Zum einen, weil der Mobilität hohe Priorität eingeräumt wurde, zum anderen, weil die Silos nicht neu gebaut wurden, sondern aus umgebauten SS-17 "Sego" Silos entstanden. Dau mussten diese aber erst einmal frei werden. Tests der Silo-MIRV Version gab es vom 31. Juli 1986 bis zum November 1988. Am 28. November 1989 wurde die Rakete von den Streitkräften abgenommen. Schon am 19. August 1988 wurde aber das erste Regiment operationell. Stationiert wurden 10 RT-23 in Silos in Tatischtschewo in Russland und 46 in Perwomajsk in der Ukraine. Die silobasierte Version war nach NATO-Nomenklatur die SS-24 Mod-2.

Die Stationierung

Russland vergab der UTTKh-Version auch einen echten Namen "Molodets". Er ist gebräuchlicher, als die Eingruppierung in das Namenssystem der Raketenstreitkräfte, wo die Rakete RS-22 heißt. Die drei Subversionen haben dann die Bezeichnung RS-22A bis C. Die NATO vergab ihr, nachdem sie die Rakete entdeckt hatte, das Kürzel SS-24 und den Codenamen "Scalpel". Entdeckt wurde der Eisenbahnkomplex, der viel auffälliger als eine Rakete ist und der nicht in einem Hangar versteckt werden kann, schon 1985. Ab 1989 erfolgte die Stationierung. Bis 1991 wurden 36 Raketen auf Zügen und 56 in Silos stationiert, davon 46 in der Ukraine, die nach dem Zerfall der Sowjetunion unabhängig wurde. US-Geheimdienste vermeldeten, dass bis September 1991 90 RT-23 gefertigt wurden.

Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion war es nun so, dass die Ukraine über 46 RT-23 ICBM mit Atomsprengköpfen verfügte. An dem Abschreckungspotenzial hatte die Ukraine aber kein Interesse - sie schloss die Produktionslinie 1995 und stellte bis 1996 alle RT-23 außer Dienst. Russland beließ sie noch bis 2005 im Einsatz, obwohl die Rakete den START-II Vertrag verletzte, doch der wurde nie vom US-Kongress ratifiziert, sodass sich auch Russland nicht an ihn gebunden fühlte. Die Abrüstung erfolgte erst durch die Reduktion der Arsenale beider Seiten durch den INF-Vertrag. Die stationierte Version hatte zehn MIRV mit je 400 bis 550 kT Sprengkraft. Die Zielgenauigkeit wurde je nach Quelle auf 185 bis 500 m geschätzt. Geplant war ursprünglich, die RT-23 in größeren Zahlen zu stationieren. Die silobasierte Version sollte die SS-19 "Stiletto", russisch UR-100N ersetzen. Diese Rakete mit flüssigen Treibstoffen wurde in großen Stückzahlen in Silos stationiert - 790 Exemplare. Doch die Abrüstungsverhandlungen hatten zumindest den Effekt, dass nur ein Bruchteil der UR-100N ersetzt wurde. Allerdings hatte Russland nach 1991 aber auch kaum Geld, die Wirtschaft brach zustande und erholte sich erst nach der Jahrtausendwende.

Im April 2008 wurde die letzte Stufe einer RT-23 in Perm abgebrannt. Das Vernichten der großen Erststufen war sehr aufwendig, da diese kontrolliert abbrennen mussten, aber viel Schub entwickelten. Anders als bei der RS-12M Topol wurde keine der Raketen zu einer Trägerrakete umgewandelt.

Erste StufeDas Design

Die erste Version hatte eine erste Stufe mit einem maximalen Schub von 2.353 kN, der stieg bei der zweiten Version auf 3.040 kN an. Um die Baulänge zu verkürzen, war die Düse teilweise in das Motorgehäuse eingezogen. Die Schubvektorsteuerung erfolgte bei der ersten Version bei der ersten Stufe alleine durch Einspritzen von Flüssigkeiten in die Düse, weshalb sie auch in die Brennkammer eingezogen war. An diesem Design blieb man auch bei der zweiten Version für MIRV-Köpfe.

Ein Unterschied zwischen der silobasierten und zugbasierten Version ist, dass die verbesserte Version der ersten Stufe bei der Siloversion eine drehbare Düse hatte, die zugbasierte eine nicht drehbare Düse. Dies ergibt sich daraus, dass die Version auf dem Zug zuerst aufgerichtet wird, dabei kann man sie gleich so drehen, dass sie in den Flugpfad zeigt, sie benötigt so viel kleinere Schubkräfte. Kleinere Abweichungen können die oberen beiden Stufen mit beweglichen Düsen ausgleichen. Die drehbare Düse wurde durch ein kreisförmiges elastisches Gelenk ermöglicht. Die fest eingebaute Düse verwandte das schon in der ersten Version erprobte System der Einspritzung von Flüssigkeiten in den Düsenhals (Schubvektorsteuerung).

Die beiden oberen Stufen sollten ausfahrbare Düsen haben. Dabei ist die Düse geteilt und der untere Teil mit der Düsenmündung sitzt beim Start über dem Teil, der an der Brennkammer anfängt. Nach der Stufentrennung drücken Federn diesen Teil nach unten und er rastet über dem ersten Kegelstumpf ein. Diese Konstruktion verkürzt den Stufenadapter und spart Gewicht ein, ist aber selten. Das RL-10B Triebwerk setzte lange Zeit eine solche Verlängerung ein, die neueste Version verzichtet aber auf dieses Feature. Für eine silobasierte Rakete ist von Vorteil, dass so die Rakete kürzer wird.

Zweite StufeDie erste Stufe wird durch die drehbare Düse gesteuert, die beiden oberen Stufen durch aerodynamische Stabilisatoren und die Drehung der ganzen Stufen. Dies geschieht durch die Injektion von Heißgas in den Düsenhals. Der Brennschluss wird wie bei vorherigen Typen durch das Freisprengen von Öffnungen am Ende der dritten Stufe ausgelöst. Der absinkende Brennkammerdruck führt zum Verlöschen des Treibsatzes. Die aerodynamischen Stabilisatoren waren vor allem nötig, um die Rakete während der kurzen Phase der Stufentrennung zu stabilisieren. Zusätzlich verfügten die Stufen noch über einen MIRV-Bus mit flüssigen Treibstoffen. Dies war eine Neuerung, vorherige Modelle nutzten im MIRV Bus dazu Feststoffantriebe. Als Treibstoff wurde NTO mit UDMH eingesetzt.

Der MIRV Bus setzte ein Haupttriebwerk des Typs RD-866 ein. Dazu kamen zur Lageregelung 16 kleinere Steuertriebwerke. Das RD-866 hatte einen Schub von 5,20 kN und wurde von zwei Turbopumpen angetrieben. Die Steuerdüsen waren dagegen druckgefördert und konnten auch im Pulsbetrieb arbeiten. Sie waren für die Lageregelung in allen drei Raumachsen verantwortlich. Diese Steuertriebwerke waren auch während der Freiflugphasen nach Brennschluss der unteren Stufen aktiv, um die Lage zu stabilisieren. Während der Arbeit der dritten Stufe sorgten sie für die Rollachsenkontrolle. Die Turbopumpen der Triebwerke lieferten auch die Flüssigkeiten für die Bewegung der Düsen der unteren Stufen.

Das Triebwerk RD-9866 im MIRV Bus setzt zwei Turbopumpen und einen Gasgenerator ein, die zwei Fördersysteme antreiben. Eine Turbopumpe pro Oxidator und Verbrennungsträger für die Hauptbrennkammer und eine Druckförderung für die 16 Lageregelungstriebwerke die je 116 N Schub aufweisen. Beide zusammen bilden das Triebwerk RD-866. Die Druckförderung bediente dann auch andere Systeme mit Druck wie die hydraulischen Aktoren zum Schwenken oder die Einspritzsysteme für die Düsen. Die Lageregelungstriebwerke konnten kontinuierlich oder in Pulsen mit einer Frequenz von maximal 10 Hz betrieben werden. Beim Abschalten des Haupttriebwerks und Betrieb der Steuerdüsen die gegen die Flugrichtung wiesen konnte der MIRV-Bus mit Sprengköpfen auch abgebremst werden.

Beide Versionen wurden in hermetisch abgeschlossenen Kanistern ausgeliefert, aus denen sie beim Start verschossen wurden. Dabei erzeugte ein schnell abbrennender Feststofftriebsatz genügend Gas um die Rakete aus dem Kanister herauszuschleudern, erst dann etwa 10 bis 20 m über dem Boden wurde die erste Stufe gezündet. Diese Vorgehensweise war zu diesem Zeitpunkt schon der Standard bei sowjetischen ICBM Starts.

RD-866

Schub:

5,20 kN + 16 x 116 N

Brennkammerdruck:

40,7 / 5,56 Bar

Brenndauer:

330 s, 1.200 s Steuerdüsen

Spezifischer Impuls:

2.997 m/s / 2.403 m/s Steuertriebwerke bei kontinuierlichem Betrieb, 1.726 m/s im Pulsbetrieb

Gesamtmasse:

125 kg

NTO/UDMH Verhältnis

2,03, 1,85 Steuerdüsen

Starts: 14 Haupttriebwerk, 10.000 Steuertriebwerke

Datenblatt

Aufgrund der militärischen Natur der Rakete und ihres jungen Datums gibt es nur wenige Informationen über die RT-23. Bei der dritten Stufe gibt es unterschiedliche angaben über den Schub.

Datenblatt RT-23 UTTKh, SS-24 Mod 1, RS-22

Einsatzzeitraum:

Gebaute Exemplare::

Abmessungen:

Startgewicht:

Maximale Nutzlast:

Reichweite:

18.1.1982 - 2005

92 operationelle, 41 Testexemplare

2,40 m Durchmesser, 23,30 m Länge, 18,00 m ohne Sprengkopf

104.500 kg

4.020 kg, 10 MIRV von je 400 kt Sprengkraft

10.110 - 10.450 km


15D305

15D339

2M32

MIRV Bus

Länge:

8,40 m

5,90 m (mit ausgefahrener Düse 6,70 m)

3,60 m


Durchmesser:

2,40 m

2,40 m

2,40 m

2,40 m

Startgewicht:

53.700 kg

26.000 kg

15.000 kg


Trockengewicht:





Schub Meereshöhe:

2.746 kN

1.050 kN



Schub Vakuum:

3.040 kN

1.460 kN

206 kN / 430 kN*

5,20 kN

Triebwerke:




RD-866

Spezifischer Impuls (Meereshöhe):





Spezifischer Impuls (Vakuum):




2.997 m/s

Brenndauer:




330 s

Treibstoff:

Ammoniumperchlorat / Aluminium / Butylkautschuk

Ammoniumperchlorat / Aluminium / Butylkautschuk

Ammoniumperchlorat / Aluminium / Butylkautschuk

NTO / UDMH

Rt-23Fazit

Die Entwicklung einer auf Zügen beweglichen ICBM war so ein typischer Effekt des kalten Krieges. In diesem arbeiteten Militärs auf beiden Seiten des Atlantiks mit dem Begriff der "Lücke" (gap), der Irrsinn dahinter wurde sogar von Stanley Kubrick aufgegriffen in seinem Film "Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben". Das bedeutet, jedes Militär schaute nicht auf die Gesamtstärke einer Waffengattung, hier also die der nuklearen Streitkräfte, sondern wollte bei jedem einzelnen System überlegen sein. Da führte natürlich zu einem Rüstungswettlauf, weil so der Gegner die Überlegenheit übertreffen wollte, was eine "Nachrüstung" (wer in den achtzigern groß wurde der kennt den Begriff sicher noch zu gut) nach sich zog.

Die Entwicklung von an Land mobilen ICBM war eigentlich überflüssig. Zum einen gab es als die Entwicklung der RT-23 startete, auf beiden Seiten jeweils über 10.000 Atomsprengköpfe, selbst wenn ein Erstschlag 90 oder gar 99 % zerstören würde, blieben noch genügend, um auf der Gegenseite neben allen militärischen Einrichtungen noch praktisch alle Städte zu zerstören und damit nicht nur Hunderte von Millionen Menschen zu töten, sondern das gesamte System der Infrastruktur, Versorgungsketten etc. zum Zusammenbruch zu bringen, was im Prinzip gleichbedeutend mit dem Auslöschen der Rest der Bevölkerung ist.

Russland begann mit der RT-23 als Gegenreaktion auf die angekündigte Entwicklung der Peacekeeper ICBM, die wiederum erfolgte, weil Spionagesatelliten bewegliche ICBM der Sowjetunion (die RT-20 und Temp 2S) gesichtet hatten. Dass es mit auf U-Boot stationierten Raketen schon mobile Raketen mit hoher (wenn auch nicht interkontinentaler) Reichweite gab, wurde völlig ignoriert.

Als der INF Vertrag Ende der Achtziger Jahre ratifiziert wurde, wurden ausgerechnet die jüngsten Entwicklungen Peacekeeper und RT-23 zuerst verschrottet. Weitaus ältere Systeme wie die R-36M / UR-100N auf russischer oder Minutemen II auf US-Seite sind dagegen bis heute im Dienst.

Links:

http://www.astronautix.com/r/rt-23.html

https://en.missilery.info/missile/15g60

https://nuke.fas.org/guide/russia/icbm/rt-23.htm

Artikel verfasst am 27.12.2023


Bücher des Autors über Trägerraketen

Wie man an dem Umfang der Website sieht, sind Trägerraketen eines meiner Hauptinteressen. Es gibt inzwischen eine Reihe von Büchern von mir, auch weil ich in den letzten Jahren aufgrund neuer Träger oder weiterer Informationen über alte Projekte die Bücher neu aufgelegt habe. Sie finden eine Gesamtübersicht aller Bücher von mir bei Amazon und hier beim Verlag.

Ich beschränke mich in diesem Abschnitt auf die aktuellen Werke. Für die in Europa entwickelten Trägerraketen gibt es von mir zwei Werke:

Europäische Trägerraketen 1 behandelt die Vergangenheit (also bei Drucklegung): Das sind die nationalen Raketen Diamant, OTRAG und Black Arrow und die europäischen Träger Ariane 1 bis 4 und Europarakete.

Europäische Trägerraketen 2 behandelt die zur Drucklegung 2015 aktuellen Träger: Ariane 5, Vega und die damaligen Pläne für Vega C und Ariane 6.

Wer sich nur für einen der in den beiden besprochenen Träger interessiert, findet auch jeweils eine Monografie, die inhaltlich identisch mit dem Kapitel in den Sammelbänden ist, nur eben als Auskopplung.

Weiter gehend, alle Raketen die es weltweit gibt, behandelnd, gehen zwei Bände:

US-Trägerraketen

und

Internationale Trägerraketen (im Sinne von allen anderen Raketen weltweit)

Auch hier habe ich 2023 begonnen, die Bände aufzusplitten, einfach weil der Umfang für eine Aktualisierung sonst weder handelbar wäre bzw. an die Seitengrenze stößt, die der Verlag setzt. Ich habe auch bei den Einzelbänden nochmals recherchiert und den Umfang erweitert. Bisher sind erschienen:

US Trägerraketen 1 mit den frühen, kleinen Trägern (Vanguard, Juno, Scout)

US Trägerraketen 2 mit der Titan-Familie

2023 wird noch die erste Auskopplung aus den internationalen Raketen über russische Träger erscheinen. Nach und nach werden alle Raketen dann in einzelnen Monografien geordnet nach Trägerfamilien oder Nationen dann aktualisiert auf den aktuellen Stand, so besprochen.

Für die Saturns gibt es noch einen Sonderband, den ersten in der Reihe über das Apolloprogramm.

Alle bisherigen Bücher sind gerichtet an Leute, die wie ich sich nicht mit oberflächlichen Informationen oder Zusammenfassung der Wikipedia zufriedengeben. Wenn sie sich nicht für Technik interessieren, sondern nette Anekdoten hören wollen, dann sind die bisherigen Bücher nichts für Sie. Für dieses Publikum gibt es das Buch „Fotosafari durch den Raketenwald“ bei dem jeder Träger genau eine Doppelseite mit einem Foto und einer Beschreibung hat. (Also etwa ein Zehntel der Seitenzahl auf den ich ihn bei den beiden obigen Bänden abhandelte). Das Buch ist anders als die anderen Bände in Farbe. Ab und an macht BOD als Print on Demand Dienstleister Mist und verschickt es nur in Schwarz-Weiß, bitte reklamieren sie dann, ich als Autor kann dies nicht beeinflussen.

Als Autor würde ich mich freuen, wenn sie direkt beim Verlag bestellen, da ich da eine etwas größere Marge erhalte. Dank Buchpreisbindung und kostenlosem Versand ist das genauso teuer wie bei Amazon, Libri und iTunes oder im Buchhandel. Über eine ehrliche Kritik würde ich mich freuen.

Alle Bücher sind auch als E-Book erschienen, üblicherweise zu 2/3 des Preises der Printausgabe – ich würde sie gerne billiger anbieten, doch da der Gesetzgeber E-Books mit 19 Prozent Mehrwertsteuer besteuert, Bücher aber mit nur 7 Prozent, geht das leider nicht. Ein Vorteil der E-Books - neben dem einfacher recherchierbaren Text ist, das alle Abbildungen, die im Originalmanuskript in Farbe, sind auch in Farbe sind, während ich sonst - um Druckkosten zu sparen - meist auf Farbe verzichte. Sie brauchen einen pdf-fähigen Reader um die Bücher zu lesen. Sofern der Verlag nicht weiter für bestimmte Geräte (Kindle) konvertiert ist das Standardformat der E-Books ein DRM-geschütztes PDF.

Mehr über meine Bücher finden sie auf der Website Raumfahrtbuecher.de und eine Liste aller Veröffentlichungen findet sich auch bei meinem Wikipediaeintrag.

 

© des Textes: Bernd Leitenberger. Jede Veröffentlichung dieses Textes im Ganzen oder in Auszügen darf nur mit Zustimmung des Urhebers erfolgen.

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