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Eine Rakete für verschiedene Nutzlasten

Atlas 401In diesem Artikel geht es weniger um ein theoretisches, als vielmehr ein praktisches Problem: Je nach Mission kann die Nutzlast schwanken. Es gibt bei jeder Weltraumnation einmal kleinere Satelliten mit begrenzten Aufgaben und einmal sehr große Satelliten wie astronomische Teleskope oder Bauteile für eine Raumstation. Andererseits haben unterschiedliche Bahnen unterschiedlichen Energieaufwand. Bei Erdbahnen beträgt die von der Erdoberfläche aufzubringende Geschwindigkeit 7,8 km/s. Für den GEO-Orbit sind es schon 4 km/s mehr. Die bisher höchste Geschwindigkeit, die jemals ein Objekt erreichte, war New Horizons mit über 16 km/s.

Eine Rakete die höhere Geschwindigkeiten erreichen soll muss naturgemäß anders konstruiert sein, als eine die nur einen energiearmen Erdorbit erreichen soll. Vor allem aber ist man interessiert möglichst verschieden schwere Raketen mit einer Rakete zu starten. In diesem Artikel geht es um die technischen Möglichkeiten, die man bei der Konstruktion hat eine Rakete wechselnden Anforderungen anzupassen, sowie den Einschränkungen, wirtschaftlicher und technischer Art. Die Bilder auf dieser Seite zeigen alle ein und dieselben Raketentyp mit Variationen der Booster und Nutzlastverkleidung: Die Atlas V Serie als ein Beispiel für die Anpassung an die benötigte Nutzlast.

Eine historische Betrachtung

Die ersten Trägerraketen waren umfunktionierte Mittelstreckenraketen (Thor, Jupiter, SS-4) oder ICBM (Atlas, Titan, R-7). Eine ICBM erreicht zwar fast die Geschwindigkeit die man braucht um einen niedrigen Orbit zu erreichen, aber sie beschleunigt sehr rasch. Damit muss sie einen Aufstiegskurs einschlagen, der energetisch ungünstig ist. Eine ICBM hat daher eine geringe Nutzlast. Bei der R-7 und Atlas betrug sie ohne Oberstufe nur 1300 bis 1300 kg.

Mittelstreckenraketen erreichen keinen Orbit. Sie benötigen in jedem Falle mindestens eine weitere Stufe. Sowohl in der damaligen Sowjetunion, wie auch in den USA, machte man sich daran relativ schnell Oberstufen für die vorhandenen ICBM zu konstruieren. Diese ersten waren oft Notlösungen, schnell entwickelt weil sich mit dem Start von Sputnik 1 ein Wettlauf ins All begonnen hatte. Die folgende Tabelle enthält die Daten einer Oberstufen für Atlas und R-7 und die Nutzlast für einen niedrigen Erdorbit:

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Nutzlast LEO Oberstufengewicht Nutzlast
R-7 ohne Oberstufe 0 1327 kg
R-7 + Block E 7.775 kg 4.730 kg
R-7 + Block I 25.400 kg 7.770 kg
Atlas 0 1.380 kg
Atlas + Agena A 3.790 kg 2.300 kg
Atlas + Agena B 6.667 kg 2.720 kg
Atlas + Agena D 5.821 kg 3.600 kg
Atlas + Centaur 15.400 kg 4.670 kg


Mitte der sechziger Jahre hatte sich die Situation soweit geändert, dass beide Nationen nur die leistungsfähigsten zwei oder nur die leistungsfähigste Oberstufe einsetzten. Während die Träger in Russland dann nahezu unverändert eingesetzt wurden, begann man in den USA die Leistung zu steigern, indem man Starthilfsraketen (Booster) an die Delta montierte. Die Titan erhielt sogar zwei größere Booster als erste Stufe. Bei der Titan verdreifachte dies die Nutzlast, bei der Delta stieg sie auf das doppelte an.

Eine weitere Anpassung war bei der Delta und Atlas die Einführung leicht schubgesteigerter Triebwerke und die Verlängerung der Tanks, um so mehr Treibstoff aufzunehmen.

Die Ariane 4 setzte erstmals einen Mix an Boostern ein. Neben Feststoffboostern entwickelte man auch Booster die nur ein Triebwerk der ersten Stufe (diese hat vier) einsetzt. Es konnten keine, zwei oder vier Booster eingesetzt werden. Zusammen mit den zwei verschiedenen Typen gab dies sechs Versionen der Ariane 4 die einen Nutzlastbereich von 2.200 bis 4.900 kg in den GTO abdeckten.

Bei Ariane 5 wiederholt sich die frühe Phase der Trägerraketenentwicklung. Einer kleinen und leistungsschwachen Oberstufe konnte sie 6.800 kg in den GTO transportieren. Mit einer größeren kryogenen Oberstufe 10.000 kg und die nächste Oberstufe mit dem Vinci Triebwerk wird nochmals doppelt so schwer sein und die Nutzlast auf 12 t steigern. Bei einer Steigerung der Startmasse von 767 auf 790 t verdoppelte sich so fast die Nutzlast.

China setzt zwei Basisraketen ein, die Basis für die Langer Marsch 2 und 4 sind. Zwei Oberstufen für die Langer Marsch 3 und 4 wurden konstruiert und Booster aus den Triebwerken der ersten Stufe können zusätzlich angebracht werden (zwei oder vier Stück). In zweistufiger Version (Langer Marsch 2) wurden dann nur die ersten Stufen dieser beiden Trägerraketen eingesetzt. Aus insgesamt 6 stufen entstanden so acht verschiedene Trägerraketen die zwischen 3.400 kg in einen LEO und 5.500 kg in einen GTO transportieren.

Atlas 421Eine finanzielle und technische Betrachtung

Ohne in die genauen Fertigungskosten einzusteigen, die auch meistens nicht bekannt sind, gibt es einige Erfahrungswerte, die es erlauben einige der Konzepte zu beurteilen. Da ist es zuerst die Nutzlast durch den Einsatz verschiedener Oberstufen zu modifizieren. Nun ist eine Oberstufe zwar pro Tonne Masse teurer als eine Erststufe. Das liegt zum einen an den höheren Anforderungen (sie kann nicht vor dem Abheben getestet werden oder wie eine Erststufe vor dem Abheben abgestellt werden, muss also zuverlässiger sein, man muss Vorkehrungen für die Zündung unter Schwerelosigkeit treffen), zum anderen wirkt sich ihre Leistung viel stärker auf die Nutzlast aus als die der Basisstufe. Daher treibt man mehr Aufwand die Energieausbeute aus dem Treibstoff zu erhöhen oder die Leermasse zu senken. Beides verteuert die Stufe.

Dennoch wird wenn eine neue Oberstufe die Nutzlast um ein Drittel erhöht nicht die gesamten Startkosten um ein Drittel ansteigen. Sinn macht der Einsatz mehrerer Oberstufen parallel meist nur, wenn man unterschiedlich schwere Nutzlasten transportieren muss, dann kann man bei Einsatz einer kleineren Oberstufe etwas Geld sparen. Sehr oft waren Oberstufen mit Satelliten gekoppelt. In den USA war die Agena Oberstufe verbunden mit den Satelliten der Baureihe KH 1-8. Sie zog mit den Satelliten von Trägerrakete zu Trägerrakete. Mit dem Auslaufen des Einsatzes eines Satelliten der Serie auf einer Trägerrakete endete auch der Einsatz der Agena auf dieser Trägerrakete. Analog verwendete die R-7 den Block I sehr lange für den Start von Zenit Spionagesatelliten die von den Wostokkapseln abgeleitet waren und zu leicht für die Sojus waren.

Ein zweiter Grund, warum der Einsatz vieler Oberstufen auslief war in den USA auch, das lange Zeit die Basisraketen sehr preiswert waren. Anfangs wurden die Mittelstreckenraketen aus der laufenden Produktion der Militärraketen genommen. Es wurden (inklusive Testexemplaren) über 100 Exemplare in wenigen Jahren hergestellt, das machte die ICBM und MRBM preiswert. Die kosten der Oberstufe schlugen so deutlich auf den Preis durch. So kostete 1963 eine Atlas Agena 8,5 Millionen Dollar, eine Atlas Centaur dagegen 15 Millionen Dollar. Mit der Produktion eigener Trägerraketen sank zum einen die Produktionsrate ab zum anderen legte man erheblich mehr Wert auf Zuverlässigkeit und die Produktionskosten steigen an.

Atkas 431Die Auslegung einer Nutzlast auf eine bestimmte Kombination von Träger und Oberstufe ist praktikabel bei einer Weltraumorganisation, da man dann meist nur auf die eigenen Trägerraketen einsetzt. Für Firmen die vor allem kommerzielle Kommunikationsdienste anbieten, ist dies nicht praktikabel. Seit Ariane auf dem Markt auftauchte gab es immer mindestens zwei Träger, die eine bestimmte Nutzlast transportieren können. Heute sind noch mehr. Betreiber von Satelliten achten heute darauf dass ihre Nutzlast mit mehreren Trägern transportiert werden kann. So gibt es im Jahr 2013 wenige GTO-Nutzlasten mit mehr als 6 t Gewicht, weil 6 t das Maximum sind das Proton oder Zenit transportieren kann. Darüber hinaus wäre nur noch Ariane 5 fähig einen Satelliten zu starten.

Kommerzielle Anbieter setzen daher in der Regel nur eine Oberstufe ein. Sie entspricht der maximalen Nutzlast bei den geringsten Kosten pro Nutzlast.

Die zweite Variation der Nutzlast ist das Anbringen von Zusatzboostern. Sie sind ein auch finanziell attraktiver Weg die Nutzlast zu variieren. Denn wird die erhöhte Nutzlast nicht benötigt, so kann man sie weglassen. Zu Unterscheiden ist zwischen Boostern mit festen Treibstoffen und mit flüssigen Treibstoffen. Die letzteren werden oft mit denselben Triebwerken wie die erste Stufe bestückt, so bei der Ariane 4 oder der Langen Marsch 2E/F und 3B/C. Sie sind in der Regel nicht schwenkbar um Kosten zu sparen. Bei diesen Boostern muss man ähnliche Kosten erwarten wie bei einer ähnlich großen Stufe. Deutlich preiswerter können Feststoffbooster sein, vor allem weil  angeflanschte Booster keine schwenkbare Triebwerke brauchen und nicht sehr leichtgewichtig sein müssen. Das erlaubt es eine einfache, robuste Bauweise umzusetzen.

Technisch muss man drei Fälle unterscheiden:

Atlas 501Die optimale Strategie ist abhängig von der Brennzeit der ersten Stufe. Wenn Booster und erste Stufe ähnliche Brennzeiten haben, und dies war bei der Titan gegeben, ist die beste Strategie die Booster als eigene Stufe einzuschieben. Man vermeidet dadurch zum einen eine Beschleunigungsspitze. Zum anderen erhält man bessere Stufenverhältnisse. Ideal wäre wenn gilt: Startmasse/Masse nach Brennschluss der Booster = Masse nach Brennschluss der Booster / Masse bei Brennschluss der Zentralstufe.

Wenn die Brennzeit der Zentralstufe bedeutend länger als die der Booster ist (mindestens doppelt so lange), so ist es besser beide gelichzeitig am Boden zu zünden. Man verringert so die Gravitationsverluste.

In jedem Falle ist es sinnvoll die Erststufe zu verlängern. Der Schub des Triebwerks wird wenn leistungsstarke Booster angebracht sind (vor allem Feststoffbooster) erst benötigt wenn diese ausgebrannt sind. Bis dahin hat die stufe schon einen Teil des Treibstoffs verbraucht. Durch verlängern der Tanks kann man diesen verbrauchten Treibstoff zusätzlich mitführen. Das verlängern von Tanks ist sehr preiswert. Bei der Delta wurde die erste Stufe daher in mehreren Schritten verlängert. Bei Ariane 4 ebenso. Da diese Version auch ohne Booster starten soll, wird in diesem Falle die erste Stufe nur zum Teil betankt.

Bei den preiswerten Feststoffboostern ergibt sich nur das Problem, das Versionen mit wenigen Boostern zwar deutlich an Leistung verlieren, aber nur wenig billiger sind. Bei der Delta 2 mit nur drei Boostern sank der Preis von 58 auf 44 Millionen Dollar, aber die Nutzlast nahm auf die Hälfte ab.

Der neueste Trend ist es die Zentralstufe mehrfach einzusetzen, einmal als Zentralstufe einmal als Booster. Im Einsatz ist Delta 4 Heavy, projektiert ist die Angara Familie und Falcon Heavy. Da hier bei gleicher Brenndauer von erster Stufe und Booster eine sehr hohe Beschleunigung am Ende der Brennzeit resultieren würde muss das Triebwerk im Schub reduzierbar sein. Das ist der Fall bei den eingesetzten Triebwerken in diesen Stufen. In der Regel wird kurz nach dem Start der Schub des Zentraltriebwerks gedröselt, sodass bei Brennschluss der Booster noch Treibstoff in der Zentralstufe verbleibt.

Atlas 551Wenn man so mehrere Booster einsetzt kann man einen sehr großen Nutzlastbereich abdecken. Zusätzliche Booster an der Zentralstufe können die Nutzlast in etwa verdoppeln. Sehr große Feststoffbooster die eine eigene Stufe darstellen, sogar verdreifachen. Bei der Angara, die ohne Booster mit zwei, vier oder sechs Boostern (jeweils die Zentralstufe) eingesetzt wird erhält man dagegen einen Nutzlastbereich von 3,7 bis 40,6 t ab, wobei allerdings auch leistungsfähige und leistungsschwache Oberstufen eingesetzt werden.

Das voll modulare System

Eine bisher nicht erwähnte Variante ist das voll modulare System. Technisch gesehen besteht eine Stufe aus den Komponenten Stufenadapter (zur Oberstufe/Nutzlast), dem integralen Tank oder zwei Tanks, verbinden durch eine Zwischentanksektion, dem Schubgerüst das den Schub gleichmäßig auf die Tanks verteilt und in dem die Triebwerke angebracht sind. Dort befinden sich auch die Treibstoffleitungen. Zuletzt gibt es noch die Triebwerke selbst. Die Masse der Trägerrakete und damit bei gegebener Ausströmgeschwindigkeit der Gase auch die Nutzlast hängt dann nur von dem Gesamtschub der ersten Stufe ab. Da die Triebwerke du teuerste Teilkomponente sind, kann man leicht durch Variation der Triebwerkszahl einen breiten Nutzlastbereich abdecken und bei weniger benötigter Nutzlast Kosten durch weggelassen von Triebwerken einsparen. Bei weniger Triebwerken kann man auch die Tanks weniger stark betanken Das ist bei LOX/Kerosin oder NTO/UDMH ohne großen Nachteil, da hier die Tanks relativ klein und leichtgewichtig sind. Mit modernen Legierungen wiegt heute ein Kerosin/LOX Tank nur noch ein Achtzigstel bis Hundertstel seines Inhalts. Da große Tanks aus mehreren Einzelteilen bestehen kann man aber auch leicht durch Weglassen von zylindrischen Segmenten sie auf die benötigte Länge verkürzen.

Hat der Triebwerksblock Positionen für die Triebwerke wie die "5" auf einem Würfel, so ist jede mögliche Belegung mit Triebwerken symmetrisch zum Schwerpunkt:

Atlas 521Tankleitungen zu den nicht benötigten Triebwerken würden abgedichtet werden. Analog kann man bei den Oberstufen verfahren, wobei wegen des geringeren Schubs dort drei Positionen ausreichen würden. Daraus würden sich fünf Unterstufen und drei Oberstufen mithin 15 Kombinationen ergeben. Eine Reihe davon wäre nicht sinnvoll, aber es würde einen großen Nutzlastbereich abdecken. Nimmt man dann noch die Möglichkeit dazu diese Stufen als Booster an der Seite anzubringen so kann ein sehr großer Nutzlastbereich mit vielen Zwischenstufen abgedeckt werden. In einem durchgerechneten Beispiel sind es z.b. zwischen 4,3 und 27,8 t Nutzlast.

Bislang gibt es noch keine Rakete die dieses System einsetzt. Es wäre der technisch optimalste Weg, da es sehr viele Möglichkeiten der Kombination gibt und die Leermasse nur gering erhöht wird: Man hat in jedem Falle einen Schubrahmen der für fünf Triebwerke ausgelegt ist, aber im Extremfall nur eines aufnimmt. Ein Schubrahmen für größere Triebwerke wiegt etwa 40% dieser. Das würde die Leermasse also nicht sehr stark erhöhen

Am ehesten entspricht diesem System die Lange Marsch 5 Familie, die eine gemeinsame Zentralstufe und zwei Booster mit einem oder zwei Triebwerken einsetzt. Diese Booster sind unterschiedlich groß. Daneben sind zwei oder vier Booster möglich. So sind 6 Varianten möglich die zusammen mit einer optionalen Oberstufe einen sehr gro0en Nutzlastbereich (Faktor 3) abdecken.

Der finanzielle Aspekt

Eine Weltraumagentur die mehrere Starts pro Jahr durchführt steht in einem Dilemma. Als Weltraumnationen die viele eigene Starts pro Jahr heute durchführen muss man die USA, China und Russland einstufen. Die ESA, ISRO und JAXA führen nur wenige Starts pro Jahr durch. Diese Nutzlasten sind unterschiedlich groß, am weitesten gefächert ist das Spektrum bei den USA, die zwischen der Delta 4H mit über 20 t LEO Nutzlast und der Pegasus mit 450 kg Nutzlast fast den Faktor 50 haben. Aus finanziellen Gründen, ist man interessiert möglichst wenige Träger einzusetzen oder wenn es mehrere sein müssen (das ist bei so unterschiedlich schweren Nutzlasten der Fall) möglichst viele Bauteile gemeinsam zu nutzen. Das sind vor allem Triebwerke, aber auch Stufen, Booster. So kommt man auf hohe Stückzahlen.

Idealerweise würde man daher nur ein Triebwerk einsetzen und dieses bündeln. Die Falcon 1e sollte z.B. ein Merlin 1C einsetzen. Sie hätte eine Nutzlast von 1 t gehabt, die Falcon 9 "v1.0" hatte dann mit 9 Triebwerken 10,4 t Nutzlast und eine Falcon 9 Heavy mit 27 Triebwerken 29 t Nutzlast. Das wäre eine solche Lösung (durch das Merlin 1D haben die heutigen Versionen andere Leistungsdaten). Was gegen einen Einsatz von sehr vielen Triebwerken spricht ist das das Ausfallrisiko höher ist. Man kann in Grenzen dies durch die engine-out Capability abfangen, d.h. ein Triebwerk darf ausfallen. Bei den meisten Trägern ist dies aber erst einige Zeit nach dem Start der Fall, weil sonst die Rakete schon mit Schubüberschuss starten müsste. Weiterhin ist trotz sinkenden Stückpreises durch höhere Produktionszahlen (nach betriebswirtschaftlicher Erfahrung kosten N Stück eines Guts mit dem Herstellungskosten X für ein Einzelexemplar nicht K= N * X sondern K = X * N 0,7 bis 0,8/N) es immer billiger anstatt vier schubschwachen Triebwerken ein schubstarkes einzusetzen. Daher haben die meisten Träger die in den letzten 20 Jahren neu entwickelt wurden nur ein Triebwerk pro Stufe.

Atlas 541Mit der Angara Familie und der Langer Marsch 5 Serie versuchen Russland und China gerade zwei Raketenfamilien zu entwickeln die einen sehr großen Nutzlastbereich abdecken. Die USA leisten sich dagegen den Luxus, einige Träger einzusetzen die fast dieselbe Nutzlast haben so Atlas V und Delta 4 oder Minotaur/Pegasus bzw. Taurus/Minotaur 4. Gründe sind neben der Trennung von rein militärisch und militärisch/zivil genutzten Trägern auch die Besorgnis, ein Träger könnte durch einen Fehlstart längere Zeit nicht zur Verfügung stehen, dann könnte man theoretisch wechseln. Dieser Vorteil ist durch Fertigungszeiten von 2 Jahren für einen Träger und der Tatsache dass diese nicht auf Vorrat produziert werden aber eher theoretischer Natur.

Kleine Übersicht aktueller Trägerraketen die sich an die Nutzlast mit verschiedenen Varianten anpassen können

Angara: Geplant sind vier Basisvarianten. Sie haben eine, drei, fünf oder sieben identische Stufen die am Boden gezündet werden. Bei den Varianten mit mehreren Boostern besteht die Möglichkeit die zentrale Stufe im Schub zu reduzieren. Bei der Version mit sechs umgebenden Boostern ist dies in jedem Falle geplant. Als Oberstufen stehen die schon existierenden Oberstufen Breeze-KM (Rockot, nur bei einem Modul), Block I (Sojus, 1-5 Module) und Breeze M (Proton, 3-5 Module). Auf Basis des Triebwerks RD-0146, das auch in der indischen GSLV eingesetzt wurde sind für die Angara 5 und 7 weitere Oberstufen geplant, die Wasserstoff und Sauerstoff als Triebstoffe nutzen. Die Angara nutzt daher sowohl die Variation der Boosterzahl wie auch die der verwendeten Oberstufen. Die Versionen mit 5 und 7 Boostern sollten auch ohne Oberstufen einen Erdorbit erreichen.

Atlas: Die Atlas setzt eine Zentralstufe ein die von 0-5 Feststoffboostern unterstützt wird. Die Oberstufe Centaur kann ein oder zwei Triebwerke einsetzen. Dies steigert nicht die Nutzlast, sondern kann bei schweren Nutzlasten nötig sein, da sonst kein Orbit erreicht wird. Die Unterteilung in die Atlas 400 und 500 Serie bezieht sich nicht auf die Stufen, sondern die Nutzlastverkleidung. Eine Version mit zwei Zentralstufen als Booster könnte entwickelt werden, wenn es Bedarf gäbe.

Ariane 5: Die Ariane 5 setzt derzeit zwei Oberstufen ein. Die EPS Stufe mit lagerfähigen Treibstoffen. Sie wird für ATV Missionen eingesetzt, da hier eine Wiederzündung notwendig ist. zudem brächte die ESC-A Oberstufe, die sonst als Standard eingesetzt wird, keinen Nutzlastvorteil. Geplant ist auch ein Einsatz der EPS für Transporte der Galileo Satelliten. Die Standard-Oberstufe ist die ESC-A die Wasserstoff/Sauerstoff als Treibstoff einsetzt. Dieser Treibstoff hat eine höhere Energiedichte und durch ein schubstärkeres Triebwerk kann auch mehr Triebstoff zugeladen werden. So steigt die Nutzlast von 7,7 auf 10,3 t. Eine weitere Oberstufe die ESC-B mit dem dreimal schubstärkeren Vinci Triebwerk und verdoppelter Treibstoffzuladung wird ab 2017 die Nutzlast auf über 12 t anheben.

Atlas 551Delta 4: Die Delta 4 setzte sowohl die Variation der Booster wie auch Oberstufe ein. Die zweite Stufe gibt es in einer Version mit 4 und 5 m Tankdurchmesser. Die erste Stufe kann von keinen, zwei oder vier Feststoffboostern unterstützt werden. Bei der Delta 4H werden anstatt Feststoffbooster zwei weitere Zentralstufen eingesetzt. Hier wird die Zentralstufe nach dem Start im Schub gesenkt und brennt nach Abtrennen der Booster noch einige Zeit.

Falcon: Die Falcon 9 und Falcon Heavy setzen im Prinzip das Konzept der Delta 4H um. Addiert man zur Falcon 9 zwei Erststufen einer Falcon 9 so erhält man die Falcon Heavy. Ein Feature, das bei keiner anderen Rakete eingesetzt wird ist das Cross-Feeding. Dabei liefern die beiden Booster teilweise oder ganz den Treibstoff für die zentrale stufe und diese setzt ihren Treibstoff erst ein, wenn die Booster ausgebrannt sind. Der Vorteil ist, das man so eine dreistufige anstatt zweistufige Rakete erhält (erste Stufe = Booster) während es sich bei der Delta 4H um eine zweieinhalbstufige Rakete handelt (die Zentrale Stufe hat schon den Großteil des Treibstoffs verbraucht). Auch muss der Schub der Zentralstufe nicht reduziert werden. Das verringert die Aufstiegsverluste, die entstehen wenn die Rakete erst mal senkrecht beschleunigt werden muss, damit sie überhaupt die nötige Höhe für einen Orbit erreicht. Nach SpaceX kann eine Falcon Heavy mit Cross-Feeding 53.000 kg in einen Orbit bringen, und ohne 45.000 kg. Diese Technik erhöht die Nutzlast also um fast 18%.

H-2: Die H-2 setzt eine sehr interessante Anpassung an die Nutzlast ein. Die H-2A kann durch zwei verschiedene Booster unterstützt werden. Zum einen die von der H-II übernommenen größeren Boostern, zum zweiten von Thiokol gefertigte neue Booster die etwa fünfmal leichter sind. Zwei SRB werden immer eingesetzt. Sie können durch keine, zwei oder vier SSB ergänzt werden. So kann die Nutzlast von 4100 bis 5000 kg GTO variiert werden. Die H-IIB übernimmt die SRB, setzt aber vier ein, genauso ist die Oberstufe identisch. Die Zentralstufe hat aber einen größeren Durchmesser und ist verlängert worden. Sie hat auch zwei Triebwerke anstatt einem. Die GTO Nutzlast beträgt so 8.000 kg.

Langer Marsch: Die Lange Marsch hat heute drei Familien die Lange Marsch 2, 3 und 4. Die Lange Marsch 2 startet vor allem Nutzlasten in einen erdnahen Orbit mit mittlerer Bahnneigung. Die Lange Marsch 3 dagegen Nutzlasten in den GTO und die Lange Marsch 4 Nutzenlasten in sonnensynchrone Umlaufbahnen. Alle Träger stammen von der ICBM DF-5 (Dong Feng 5) ab. Die Serie Langer Marsch 4 hat aber etwas verlängerte Stufen. Die Lange Marsch 2C ist die aktuelle Version mit zwei Stufen. Mit den etwas verlängerten Stufen der Langer Marsch 4 heißt dasselbe Modell mit zwei Stufen Langer Marsch 2D. Die Lange Marsch 2E/F sind weitgehend identisch nur ist die "F" Version man rated und wird ausschließlich für bemannte Starts verwendet. Beide haben vier Booster die jeweils ein Triebwerk der ersten Stufe (sie hat 4) haben. Durch diese Booster war es möglich die zweite Stufe zu verlängern. Die "E Version wird seit einigen Jahren nicht mehr eingesetzt und wurde wohl inzwischen von der 2F abgelöst. Die Lange Marsch 3 gibt es in 3 Versionen. 3A, 3B und 3C. Die 3A verwendet die Stufen der Langer Marsch 2C die 3B und C jeweils die Stufen der Langer Marsch 2D, die mehr Treibstoff aufnehmen. Allen gemeinsam ist eine dritte kryogene Oberstufe. Die 3B hat jedoch vier Booster und die 3C zwei Booster. Lange Marsch 4B und 4C als aktuelle Modelle der Serie haben gegenüber der 4A verlängerte Stufen. Sie unterscheiden sich nur durch die Nutzlastverkleidung und Wiederstartfähigkeit der dritten Stufe bei der 4C. Diese dritte Stufe verwendet wie die ersten beiden Stufen lagerfähige Treibstoffe. Die insgesamt derzeit acht in Dienst befindlichen Modelle (CZ-2C,"D,"F,3A,3B,3C,4B,4C) setzen nur zwei verschiedene Triebwerke in den ersten zwei Stufen und Boostern ein. Die Booster der CZ-2F,3B und 3C sind identisch, die ersten zwei Stufen der CZ-2C und 3A sind ebenfalls identisch, die erste Stufe der CZ-2D,2F,3B,3C,4B und 4C sind ebenfalls identisch, genauso die zweiten Stufen der CZ-2D,3B,3C,4A und 4B. Nur die CZ-2F hat eine stark verlängerte zweite Stufe die sonst nirgendwo verwendet wird. Die kryogene Oberstufe der CZ-3A bis C ist identisch genauso die lagerfähige Oberstufe der CZ-4B und C. Diese letzten beiden Versionen unterscheiden sich nur in Details wie der Nutzlastverkleidung, Elektronik und der wiederzündbaren Oberstufe.

Minotaur: Die ersten drei Stufen der Minotaur 4 findet man auch in der Minotaur 5. Nur hat diese noch eine vierte Stufe und wird für Hochenergiemissionen eingesetzt. Die Minotaur 6 wiederum erhält man wenn man die Minotaur 4 auf eine erste Stufe der Minotaur 4 setzt. Das geht, weil die Rakete Feststoffantriebe mit hohem Schub einsetzt. Die Nutzlast steigt so um 50% an.

Pegasus / Taurus: ein ähnliches System finden wir bei der Pegasus und Taurus. Eine Taurus ist nichts anderes, als eine Pegasus die auf einen Castor 120 Feststoffantrieb gesetzt wurde, und bei der die Flügel bei der ersten Stufe entfallen.

Artikel erstellt am 30.12.2013


© des Textes: Bernd Leitenberger. Jede Veröffentlichung dieses Textes im Ganzen oder in Auszügen darf nur mit Zustimmung des Urhebers erfolgen.
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