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Die großen Ernährungsirrtümer 2 - Was ist heute giftig?

Einleitung

Die Idee für diesen Aufsatz hatte ich als bei Quark & Co eine Sendung über das Abnehmen und auch im ersten Programm sich zu der Zeit sich Tim Mälzer gerade wieder durch eine Reihe von Ernährungssendungen moderierte. Das lieferte mir den Aufhänger für den heutigen Artikel Es geht um die Moden der Ernährung. Ich hatte schon mal einen Artikel zu dem Thema geschrieben. Dies dient mehr als "aktuelle Ergänzung" zu diesem.

Moden kennt ja jeder. Also klar die Mode an sich. Mal ist Minirock modisch, dann wieder lang. Mal soll es verspielt sein, dann wieder strenge Linie. Angeblich kommt ja alles wieder, selbst Modesünden wie Neonfarben, Schulterpolster und Hochplateauschuhe.

Doch auch sonst gibt es Moden. Bei Autos habe ich das Gefühl ist es gerade der Trend zu immer größer. Im Audiobereich ist gerade wieder die Schallplatte angesagt.

Ich habe auch das Gefühl es gibt so Moden bei der Ernährung. Fangen wir mal mit dem Grundsätzlichen an. Dem Schönheitsideal. Ich muss sagen ich tue mich da schwer, es nur für eine Mode zu halten. Mir kann man sicher nicht nachsagen, dass ich mich viel beeinflussen lasse. Ich mache eine Menge Trends nicht mit und eigentlich schon immer mein Ding. Was andere über mein Aussehen und mein Verhalten denken, juckt mich recht wenig. Aber trotzdem finde ich, dass es so was, wie absolute Kriterien für die Schönheit gibt. Jetzt mal nur von der Figur zu sprechen. Muskeln beim Mann, runde, weibliche Figur bei der Frau sieht besser aus als die Extreme keine Muskeln / dürr bzw. nur Fettpolster/dick. Irgendwie fühlt man sich dann auch bestätigt, wenn man dann klassische griechische Figuren anschaut – obwohl die Frauen würden heute keinen Job bei GNTM bekommen und die Männer keinen Job als Pornostar (damals waren kleine Penisse en vogue). Aber das kann auch nur an der Zeit liegen. Zufällig hatten eben die Griechen das gleiche Ideal wie wir. Im Barock war Dicksein in. Rubens Bilder sind der stehende Beweis. Auch bei uns hat sich im Nachkriegsdeutschland niemand an den Dicken gestört. Nicht zuletzt muss man nur einen Blick über den Tellerrand werfen und sehen, was in anderen Völkern "schön" ist. Das geht los von durchbohrten Lippen über mehrere Kilo Metall am (optisch verlängerten) Hals bis hin zu eingeschnürten, verkrüppelten Frauenfüßen in China bis vor 100 Jahren. Und auch bei uns waren mal Wespentaille, zusammengeschnürt mit Korsett ganz „modern“. Kurzum: auf das Gefühl, das man weiß, was "gesund" aussieht, kann man sich nicht verlassen.

Doch die Ernährungswissenschaft unterfüttert unsere heutige Vorstellung ja mit Fakten. Demnach lebt man eben im BMI-Bereich von 20 bis 25 am längsten – ist aber auch schon wieder in der Diskussion. Nach aktuellem Stand gilt das nur für Jugendliche. Je älter man wird, desto höher darf der BMI sein. Und das zeigt schon das Problem: Irgendwie ist die Wissenschaft dauernd im Wandel. Zeit mal die Ernährungsmoden durchzunehmen, sprich welches Lebensmittel hat man nun gerade mal verteufelt.

Also bin ich mal in mein Regal gespurtet und habe mein Buch aus dem LK Ernährungslehre, aufgelegt 1982 rausgeholt (Cornelia Schlieper: Grundlagen der Ernährung) und mal verglichen mit dem, was derzeit gerade mal verteufelt wird.

Salz

Nach meinem Buch leiden 10- 20 % der Bevölkerung unter Bluthochdruck. Das ist schlimmer geworden. Ein Abruf beim Statistikportal ergab 36,5 % gefährdete, 26,1 % behandelte und 7,8 % beaufsichtigte Personen mit Bluthochdruck. 1980 galt es als ausgemacht: Salz verursacht Bluthochdruck. Man sollte weniger 3 g Salz pro Tag zu sich nehmen. Zu Unterstützung noch Reis-Obst, Obst und Safttage. Hmm, da graust mir schon die Beschreibung. Das Ganze beruht auf einer Veröffentlichung eines amerikanischen Arztes aus den Fünfziger Jahren mit nur 100 Patienten. Wer sich etwas mit Statistik auskennt, weiß, dass diese Personenzahl viel zu klein ist, um einen echten Nachweis durchzuführen. Wenn man heute den Nachweis über die Wirkung von Vitaminen oder anderen Ernährungsformen wissenschaftlich untermauern will, dann fasst man Studien zusammen, sodass man auf 10.000 oder mehr Teilnehmer kommt. Die Auswahl von nur 100 Patienten bedeutet nicht nur, dass der Zufall eine viel größere Rolle spielt. Sie ist auch selektiv, denn es wurden ja nur Personen genommen, die Bluthochdruck hatten. Ob viel Salz auch anderen, die keinen Bluthochdruck haben, schadet darüber liefert diese Studie gar keine Daten.

Das Salz den Blutdruck steigert hielt sich aus zwei Gründen. Das Erste ist, das Salz tatsächlich in den Körperflüssigkeiten vorhanden ist die außerhalb Zellen fließen. Gemäß chemischen Gesetzen strömt aber Wasser zum salzhaltigeren Medium, um die Konzentration auszugleichen. Das erschien also bedingt logisch (wenn man ignoriert, das Kalium als Antagonist in den Zellen ist und die Nieren natürlich auch Salz ausscheiden). Das zweite ist, das es nicht ganz aus der Luft gegriffen ist. Von den Personen, die Bluthochdruck haben sind ein Teil natriumsensitiv, das heißt, bei einem Teil der Bluthochdruckpatienten hilft der Verzicht auf salzhaltige Ernährung tatsächlich. Nur bekommt man aber keinen Bluthochdruck alleine vom Salz und auch bei den meisten mit Bluthochdruck nützt salzarme Nahrung nichts.

Zuletzt noch eine andere Zahl. Wäre der Zusammenhang gegeben, so müsste es heute weniger Patienten geben. Das Buch gab als durchschnittliche Aufnahmemenge 1980 12 g Salz pro Tag an, heute sind es noch 8,4 g bei Frauen und 10 g bei Männern. Die Aufnahme an Salz ist also gesunken, der Anteil der Personen mit Bluthochdruck dagegen angestiegen. Er muss daher andere Ursachen haben – heute wird Stress als Hauptfaktor genannt. Der taucht im Ernährungsbuch von 1982 nicht auf.

Zucker

Das Buch erschien zu früh um Zucker als großen Schädling anzuführen. Zucker wird in dem Buch zwar auch bei den ernährungsbedingten Krankheiten aufgeführt, aber nur weil er Karies verursachen soll. Das ist inzwischen auch widerlegt. Es ist nicht relevant, wie viel Zucker man aufnimmt, sondern wie lange er in Kontakt mit den Zähnen ist. Da sind klebrige Kaubonbons viel schlimmer als Schaumgebäck, das nur aus Zucker und Eiweiß besteht. Daneben hat man heute die Säuren in Getränken im Verdacht Karies zu verursachen, egal ob die Getränke mit Zucker oder Süßstoff gesüßt sind.

Seitdem hat der Zucker jedoch rapide an Renommee verloren. Inzwischen machen ihn viele für Übergewicht und Diabetes verantwortlich. Klar, Diabetes heißt im Volksmund ja auch „Zuckerkrankheit“. Natürlich ist Zucker bei Diabetes nicht in größerer Menge angeraten, da er schnell aufgenommen wird und den Blutglucosespiegel schnell ansteigen lässt. Das war es aber schon. Es gibt weder den Heißhunger nach Zuckerkonsum, noch andere Hormonschwankungen, die ihm nachgesagt werden. Das einzige Verbrechen des Zuckers ist, dass er nicht sättigt, weil er schnell, teilweise in der Mundschleimhaut, quantitativ im Zwölffingerdarm aufgenommen wird. Damit isst man leichter mehr als man essen sollte, da eine Sättigung erst nach einiger Zeit sich einstellt und die noch dazu von der Füllung des Magens abhängt, zuckerhaltige Speisen passieren den Magen aber schnell. Doch dieses „Verbrechen“ haben auch andere Lebensmittel, die leicht verdaulich sind, begangen.

Süßstoff

Wenn Zucker so schlecht sind, dann steigen wir doch einfach auf Süßstoffe um. Ha! Nicht ohne die Ernährungsprofis. Süßstoffe werden seit einigen Jahren madig gemacht. Nachdem sich inzwischen rumgesprochen hat, dass die These „Süßstoffe verursachen Krebs“ auf eine Verunreinigung in den 70-ern Jahren bei einem US-Hersteller bezog, in Europa nie die Gefahr bestand (anderes Herstellungsverfahren) haben es nun einige ganz schlau gemacht: Sie schreiben einfach alle negativen Wirkungen des Zuckers dem Süßstoff zu. Also auch hier sollte dann Heißhunger entstehen, der Blutglucosespiegel würde stark schwanken, weil der Körper durch den Süßgeschmack auf Zucker einstellt, der dann nicht kommt und es würde Insulin ausgeschüttet werden, was dann langfristig zu Diabetes führt. Das Dumme nur: Niemand hat das jemals beobachtet. Man kann ja Glucose und Insulin im Blut bestimmen und die ändern sich durch Süßstoffaufnahme gar nicht. Logisch, der Körper hat zwar auf der Zunge Rezeptoren für Süßgeschmack, doch die Rezeptoren in den Zellen, die verantwortlich für die Hormonausschüttung sind, reagieren nur auf Glucose und kein anderes Molekül. Warum die Leute drauf kommen? Weil in Ferkelmastfutter Süßstoff ist. Ferkel sollen es ja fressen und die sind süße Muttermilch gewöhnt und würden ungesüßtes Futter weniger konsumieren. Man hat eine Beobachtung vom Tier, noch dazu „Kleinkinder“ auf den Menschen übertragen. So weit hätte man nicht mal gehen müssen. Auch menschliche Babys und Kinder mögen Dinge die süß sind lieber. Kinderprodukte sind süßer, auch weil die Kinder Süße nicht so stark empfinden wie erwachsene, dafür nehmen sie bitter viel stärker wahr, was die Abneigung gegen Spinat und anderem Gemüse erklärt. Das ist evolutionär sinnvoll. Bittere Dinge sind oft giftig. Süße Früchte fast nie. So schützt sich der Körper, schlussendlich hatte man damals erst als Erwachsener die Lernphase durchgemacht, zu wissen, welche Pflanzen genießbar ist und welche nicht.

Fructose

In meinem Buch und bis vor wenige Jahre galt Fructose als die Alternative für Zucker bei Diabetikern. Bis vor wenigen Jahren waren alle Diabetikerprodukte mit Fructose hergestellt, anstatt Zucker. So Schokolade, Marmelade, Kuchen. Das war bequem. Fructose hat ähnliche Eigenschaften wie Zucker, anders als Süßstoffe auch dieselbe Masse, so muss man Rezepte nicht abändern. Untersuchungen bei Ratten ergaben, dass Fructose noch negativer als Glucose das Sättigungsgefühl beeinflusst. Ratten, die soviel Fructose zu sich nehmen konnten, wie sie wollten, wurden dicker als eine zweite Gruppe, die so viel Glucose essen konnte, wie sie wollte. Zudem gab es bei den Ratten typische ernährungsabhängige Krankheiten wie Gicht, Fettleber, Bluthochdruck und eine Insulinresistenz.

Gefunden wurde beim Menschen, dass Fructose die Plasmakonzentration von Tri­glyceriden und LDL-Cholesterin erhöht. Beide Parameter begünstigen die Entstehung von Arteriosklerose und erhöhen das kardiovaskuläre Risiko. Beobachtet wurden bei Diabetikern auch nichtkrankhafte Fetteinlagerungen in die Leber, die nach Reduktion der Fructoseaufnahme wieder verschwanden. Inwieweit Fructose an der Entstehung der nicht alkoholbedingten Fettleber beteiligt ist, ist noch nicht geklärt. Man stellte fest, dass die Hormone Leptin, Insulin und Ghrelin, welche die Nahrungsaufnahme regulieren, auf Fructose anders ansprechen als auf andere Kohlenhydrate wie Haushaltszucker. Deshalb soll die Sättigungsregulation geringer sein, und dies führt zu einer erhöhten Aufnahme.

2010 wurde Fructose aus der Diätverordnung gestrichen und ist seitdem nicht mehr Produkte für Diabetiker zugelassen, die nun eigentlich auch Früchte meiden sollten – dort kommt Fructose natürlicherweise am häufigsten vor.

Daneben gibt es eine Fructoseintoleranz, die wie die bekanntere Laktoseintoleranz auf einem zu wenig aktiven Enzym beruht.

Kohlenhydrate

Relativ neu und im meinem alten Buch nur gestreift war 1980 der „Low Carb“ Trend. Wie man an dem englischen Wort sieht, kommt das aus dem Land der unbegrenzten Ernährungsirrtümer. Robert Atkins hat diese Ernährungsform propagiert. Ohne wissenschaftliche Absicherung, einfach nur als Postulat. Das biochemische Grundprinzip ist, das unser Körper auf eine Grundversorgung mit Kohlenhydraten angewiesen ist. Bekommt er diese nicht, so muss er diese aus Eiweiß bilden, das ist aufwendig und mit Energieverlusten verbunden. Zudem nutzt er bei Eiweiß schon einen größeren Teil der Energie nicht bei der Nahrungsaufnahme. Daher soll man, wenn man kohlenhydratarm lebt, essen dürfen so viel man will, ohne zuzunehmen. Dazu kommt, dass die vor allem eiweißreiche und fettreiche Nahrung gut sättigt. Ob es dem Körper gut tut, ist eine andere Frage. Wer sowieso schon Probleme mit Blutfettwerten hat (siehe weiter unten bei Arteriosklerose) bei dem gehen diese Werte nun durch die Decke und wer eine Veranlagung zu Gicht hat, kommt ebenfalls mit der hohen Proteinmenge nicht zureicht. Bei allen anderen geht das ganz gut, auch wenn die Leute durch die entstehenden Ketokörper ihr Risiko für eine Azidose, ein Umkippen des pH-Wert des Bluts deutlich erhöhen. Nach Ansicht von Ernährungsexperten sollte man eine Mindestmenge an Kohlenhydraten – das Gehirn, aber auch einige Organe benötigen Kohlenhydrate als Energiequelle – von etwa 70 bis 90 g nicht unterschreiten.

Ich habe allerdings nie verstanden, warum jemand so eine Diät macht. Da Kohlenhydrate tabu sind, fällt alles weg, was Zucker und Stärke enthält: nicht nur jede Art von Süßigkeiten auch Brot, Reis, Nudeln, Kartoffeln. All das ist verboten von pflanzlichen Nahrungsmitteln bleiben nur Öle und Gemüse übrig. Schon Obst hat zu viel Zucker. Ich mache einmal in der Woche einen Fastentag. An diesem Tag esse ich nur Suppe, Gemüse, Obst. Doch selbst der fällt mir leichter als ein Atkinstag. Morgens ein Frühstück ohne Brot und ohne Müsli? Was kann man da noch essen? Wurst und Käse ohne Brot, Rühreier oder geratenen Speck. Selbst Naturjogurth geht wegen der enthaltenen Laktose nicht. Ganz lecker aber nicht ohne Brot. Dann Mittags ein Steak – ohne Beilagen. Kein Nachtisch, keine Schokolade, nicht Mal Zucker in den Kaffee und abends dann nochmals das Programm, wie beim Frühstück - nein danke. Die meisten nehmen mit Atkins ab, weil sie bald schon die erlaubten Lebensmittel nicht mehr essen, man bekommt dann schnell einen Widerwillen gegen das, was man essen darf.

Fett

Erstaunlicherweise kam man erst nach den Kohlenhydraten auf das Fett als Verursacher von Übergewicht – dabei lagert unser Körper doch Fett und nicht Kohlenhydrate ab. Also war nun das Fett der Bösewicht. Dazu kam , dass natürlich Arteriosklerose mit Fett zusammenhängt, allerdings nur tierischem Fett und dem hohen Gehalt an gesättigten Fettsäuren und Cholesterin. Anders als auf Kohlenhydrate zu verzichten fällt es vielen leicht, auf Fett zu verzichten. Wer eine vegetarische oder gar vegane Ernährung betreibt, ernährt sich meist fettarm, den Pflanzen haben viel weniger Fett als tierische Nahrungsmittel. Das grundsätzliche Problem der „Low fat“-Kampagne: Obwohl nun seit einigen Jahrzehnten in den USA eine "Low Fat" Kampagne läuft, indem sich Lebensmittelhersteller darin überbieten, dass ihre Produkte wenig Fett enthalten (inzwischen als „Light-Welle“ auch zu uns geschwappt, hat sich die Zahl der Übergewichtigen stetig erhöht. Der Grund ist relativ einfach und leider zu banal: es ist völlig Wurst ob man seine Kalorien in Form von Fett oder Kohlenhydraten zu sich nimmt. Es zählt die Gesamtmenge und wer zu viel isst, egal von was wird dick.

Eiweiß

Als Ableger der Atkinsdiät gab es dann noch für besonders Harte die Dukan-Diät. Besser bekannt als „Hollywood-Diät“, da angeblich viele Stars auf sie schwören. Ist bei Atkins nur Eiweiß und Fett erlaubt, so ist es bei Dukan nur noch Eiweiß, wegen der hohen spezifisch-dynamischen Wirkung, sprich der schlechten Effizienz unseres Verdauungssystems, das Eiweiß nur zu 80 bis 86 % verwertet. Das Ganze ist noch einseitiger als Atkins, noch schwerer durchzuhalten, weil nun nur noch eiweißreiche und fettarme Produkte erlaubt sind wie mager Fisch und Filet. Zudem geht die Diät, da diese Produkte in der Regel teuer sind, so richtig auf den Geldbeutel. Entsprechend verheerender ist Lehrmeinung zu diesem Diätkonzept.

Eiweiß ist aber auch so in Verruf gekommen, zumindest einige Eiweißprodukte wie Wurst oder „rotes Fleisch“. Das soll das Krebsrisiko erhöhen. Das ist auch der Fall, nur muss man sich die Studienlage anschauen. Es ist nicht so, dass man nun gleich Krebs bekommt, weil man Wurst isst, sondern das Risiko für eine Unterart des Darmkrebs, ist signifikant, aber nicht extrem erhöht. Das ist wie wenn man beim Lotto zwei anstatt eines Tippscheins ausfüllt. Man hat nun eine um 100 % höhere Chance auf einen Sechser – das man ihn gewinnt ist trotzdem extrem unwahrscheinlich.

Cholesterin

Arteriosklerose begünstigt Koronalkrankheiten und damit schlussendlich einen Herzinfarkt. Die primäre Ursache sind Ablagerungen an den Blutgefäßen, die durch eine dauerhafte Entzündung entstehen und die Cholesterin enthalten.

Darum wird seit Jahrzehnten prognostiziert Cholesterin zu vermieden. Das Paradoxe: Cholesterin wird von Körper selbst gebildet. Von dem Cholesterin, das vom Darm aufgenommen wird, stammt etwa 80 % vom Körper selbst. Es wird mit den Gallensäuren zur Fettverdauung ausgeschüttet. Nur an den oberen 20 % kann man mit de Ernährung etwas drehen. Da wäre für mich die Diskussion schon am Ende gewesen, denn selbst wenn ich viel in der Ernährung tue, z.B. den Cholesteringehalt der Nahrung halbiere, kann ich die Aufnahme nur um 10 % reduzieren. Doch der Arzt misst ja nicht die Aufnahme, er misst den Cholesteringehalt des Blutes und der hängt von der Menge von mehreren Lipoproteinen (Proteine, die Fett im Blut transportieren) ab und diese hängen nur bedingt von der Cholesterinaufnahme ab. Es gibt zahlreiche Faktoren, die sie beeinflussen, so Stress oder Bewegung. Schlussendlich sind es hormonelle Regelungen, die bei inzwischen auch hormonell behandelt werden. Cholesteinsenker gehören in den USA zu den meist verkauften Medikamenten. Trotzdem hat man den Spiegel, ab dem die deutsche Ärztekammer ein Eingreifen für notwendig hält, in 35 Jahren von 260 auf 190 mg/l gesenkt. In meinem Buch von 1980 stand noch das der „normale Spiegel“ bei 150 bis 200 mg/dl liegt, das heißt: Was 1980 noch „normal“ war, ist heute therapiebedürftig. Die Folge: Wendet man das Kriterium an, so sind schon bei den 20 Jährigen rund ein Drittel therapiebedürftig, und da der Cholesteringehalt im Blut auch ohne Änderung der Lebensweise ansteigt, nimmt dieser Anteil mit steigendem Alter deutlich zu. Bei den über 40 jährigen liegt im Mittel das Gesamtcholesterin bei über 240 mg/dl – da sind dann fast alle betroffen. Schon alleine die Logik sollte einem Sagen, das da was nicht stimmen kann. Es kann ja nicht die ganze Bevölkerung ab einem bestimmten Alter krank sein.

Man möge einem Blick auf diese Karte einer Herstellers einer cholesterinsenkenden Margarine werfen. Nach der haben 2013 mehr als 50 % der Bevölkerung einen zu hohen Cholesterinwert. Der „Niedrigste“ Wert von Hessen liegt auch schon bei 48,5 %. Wo bitte bleiben dann die ganzen Folgeerkrankungen von Cholesterin, die müssten dann doch auch enorm zugenommen haben (mein Buch von 1980 spricht von 10 bis 20 % der Bevölkerung). Auf das Konto von Koronalen Herzkrankheiten (KHK) gehören mit Abstand die meisten Todesfälle in Deutschland. Würden die Krankheiten genauso zunehmen wie die Einstufung des Cholesterins als Risikofaktor, so müsste die Lebenserwartung in Deutschland sinken. Das tut sie aber nicht.

Ergänzung: Als letzte große Organisation hat die FDA im Februar 2015 nun auch die Empfehlung sich cholesterinarm zu Ernährung gestrichen

Fettsäuren

Zurück zur Arteriosklerose. Die Ablagerungen enthalten nicht nur Cholesterin. Cholesterin wird zusammen mit Fettsäuren befördert, vor allem gesättigten Fettsäuren, also sind die auch im Verruf gekommen. Dagegen hat man lange Zeit mehrfach ungesättigte Fettsäuren empfohlen, die würden den Cholesterinspiegel senken. So steht es auch in meinem Buch als Empfehlung. Inzwischen ist man wieder schlauer und empfiehlt nur noch Omega-Fettsäuren, die sich in der Nahrung aber recht selten finden. Diese sind Vorstufen von entzündungshemmenden Hormonen – eine Entzündung der Blutwand ist ja der Grund, warum sich überhaupt etwas ablagern kann. Die normalen, mehrfach ungesättigten Fettsäuren wie die in pflanzlichen Ölen häufige Linolsäure dagegen sind Vorstufen von entzündungssteigernden Hormonen und damit sollte man sie heute auch meiden.

Der zweite Gewinner sind einfach ungesättigte Fettsäuren, sprich die Ölsäure und das wird alle Liebhaber von Olivenöl freuen, hat aber auch schon dazu geführt, dass es nun für Rapsöl fast nur noch Rapssorten mit wenig mehrfach ungesättigten Fettsäuren und viel Ölsäuren verwendet werden. Der normale Raps gehört eigentlich zu den Ölfrüchten mit viel Linolsäure.

Fluorid

Inzwischen in Verruf gekommen ist Fluorid. Fluorid ist für die Härte des Zahnschmelzes notwendig, aber auch in kleiner Menge in einigen Enzymen vorhanden. Es ist aber eigentlich kein essenzielles Element. Fluorid hat es geschafft, in 30 Jahren von fast einem essenziellen Nahrungsbestandteil fast zu einem Nahrungsgift zu werden.

Dabei ist die Faktenlage nicht neu. Das grundsätzliche Problem bei Fluorid ist, das die Aufnahmemenge die gewünscht ist und die die schon schädlich ist sehr nahe beieinanderliegen. Zu hohe Mengen führen zur Knochenentkalkung bei Erwachsenen. Kinder sind noch empfindlicher. Die optimale Dosis liegt derzeit bei 1mg/Tag. Ab 2 mg/Tag kommt es schon zu ersten Schäden (Ablagerungen auf den Zähnen, die aber noch ein kosmetisches Problem sind). Weiterhin ist Fluorid sehr ungleichmäßig verteilt, vor allem Wasser kann sehr fluoridreich sein, weshalb Trinkwasser maximal 1,5 mg Fluorid/l enthalten darf. Daneben wird Salz teilweise fluoridiert. Wegen der besonderen Bedeutung für die Kariesprophylaxe ist es in Zahnpasta (0,145 % die Menge von 1 mg Fluorid sind in 0,67 g Zahnpasta enthalten) enthalten. Die Gefahr der Überdosierung wird heute aber stärker gesehen als noch vor 30 Jahren. Schluckt man die Zahnpasta z. B. immer runter, trinkt Mineralwasser mit hohem Fluoridgehalt (für dieses gilt die Trinkwasserverordnung nicht) und salzt noch mit fluoridiertem Salz, so kann man leicht ein Vielfaches der optimalen Menge aufnehmen. So ist im Gespräch von Fluorid in Zahnpasta zu warnen (sollte nicht geschluckt werden) und die in anderen Ländern praktizierte Trinkwasserfluoridierung ist auch rückläufig.

Ausgestorbene Ernährungskrankheiten

Mein Buch verzeichnet noch Jodmangel (Kropfbildung) und Obstipation (Ballaststoffmangel) als ernährungsabhängige Krankheit. Davon habe ich lange Zeit nichts mehr gehört. Iod ist deswegen außer der Diskussion, weil seit den Achtzigern der Verbrauch von iodiertem Salz, auch im Gewerbe massiv zugenommen hat. Den Jodmangel gibt es damit nicht mehr.

Verstopfung gibt es immer noch, der Ratschlag mehr ballaststoffreich zu essen, um Obstipation zu vermeiden ist auch der gleiche geblieben, aber anscheinend gilt es nicht mehr als echte Krankheit, dafür ist die Fernsehwerbung allerdings voll mit Werbung für Medikamenten gegen Verstopfung.

Ganz groß im Kommen: Allergien

Allergien gab es schon immer, wobei wir hier eher von Nahrungsmittelintoleranzen sprechen sollten, zu denen mehr als nur Allergien gehören. Die meisten sind erblich und der Anteil der Bevölkerung, der betroffen ist, ist konstant. In meinem Buch kommen sie gar nicht vor. Glaubt man der Werbung, so scheint sich der Kreis der Betroffenen jedoch drastisch erhöht zu haben. Es wird geworben mit:

„ohne Laktose“ - in Deutschland haben 10 – 20 % der Bevölkerung eine zu wenig aktive Laktase, das ist das Enzym, das Laktose in seine Bausteine Glucose und Galactose spaltet. Sie vertragen aber trotzdem Laktose, nur eben nicht so viel auf einmal. Das heißt: fermentierte Produkte wie Käse oder Joghurt sind kein Problem, frische Milch oder Sahne dagegen eines. Die Laktose kann man enzymatisch spalten und so gibt es inzwischen auch laktosefreie Milch und andere Produkte zu kaufen. Der Sinn von laktosefreien Schokoriegeln oder Nuss-Nugatcremes (dort wird Milchpulver zugesetzt) erschließt sich mir jedoch nicht, denn wie oben angesprochen ist es ja ein Mengenproblem – die kleine Menge an Milchpulver in einem Nutellabrot verträgt der Darm ohne Problem. Hauptbestandteil von Nutella sind ja Öl und Zucker und nicht Milchpulver.

„ohne Gluten“ - Gluten, eine Proteinfraktion, die in Weizen und Roggen vorkommt, verursacht eine schwere Autoimmunkrankheit die Zöliakie. Die Betroffenen müssen glutenhaltige Lebensmittel lebenslang meiden. Das betrifft vor allem Brot, andere Waren, die man nicht nur aus Mehl sondern auch aus Stärke herstellen kann, wie Kuchen oder Nudeln konnte man schon immer glutenfrei produzieren. Betroffen sind jedoch nur 0,2 bis 0,5 % der Bevölkerung.

„Ohne Zusatzstoffe“ - es gibt Allergien gegen Zusatzstoffe, am häufigsten gegen einige Konservierungsstoffe, relativ selten gegen einige Azofarbstoffe. Doch verglichen mit den Allergien gegen Nahrungsmittel sind nur wenige betroffen, die Datenlage ist wegen der geringen Zahl der bekannten Fälle dürftig. Zwischen 0,01 bis 0,2 % wird geschätzt. Trotzdem kann man mit der Werbung „ohne Konservierungsstoff“ (auch wenn gesetzlich vorgeschrieben ist, dass das Lebensmittel gar keine Konservierungsstoffe enthält) heute noch die Verbraucher für dumm verkaufen.

Inzwischen müssen auch alle allergenen Lebensmittel gekennzeichnet sein – außer gegen diese einzelnen Stoffe haben 2-3 % der Bevölkerung eine Allergie gegen bestimmte Lebensmittel. Die häufigsten müssen seit 2005 im Zutatenverzeichnis hervorgehoben werden. Der Effekt dieser Maßnahmen ist vor allem der, das sehr viel mehr Menschen glauben, sie haben eine Allergie, als noch vor 30 Jahren, obwohl der prozentuale Anteil gleich geblieben ist. Vor allem kann man damit toll werben. So kann ein Lebensmittel, das gar kein Weizen oder Roggenmehl verwendet, wie ein Öl oder ein Schinken damit werben, „glutenfrei“ zu sein.

Das Paradoxe der Ernährungsirrtümer

Noch nie gab es so viele Dinge, die man bei der Ernährung falsch machen kann. Irgendwie muss sich das doch auch an den Statistiken ablesen lassen. Doch die geben den Protagonisten von „Alles ist Gift“ nicht recht. Die Lebenserwartung steigt an. Trotz zunehmender Zahl an Übergewichtigen, obwohl inzwischen nach Grenzwertabsenkung ein Großteil der Bevölkerung behandlungsbedürftige Cholesterinwerte hat. Daran ist sicher auch die medizinische Versorgung schuld, aber nicht alleine. Noch nie war es so leicht seinen Tagesbedarf zu decke. Dank Vitaminisierung von Lebensmitteln sogar, wenn man sich einseitig ernährt. Natürlich leben dann die Leute länger. Denn riskant sind weniger Junk-Food und Süßigkeiten, als vielmehr Mangelernährung und einseitige Ernährung wie nach Atkins oder Dukan.

Artikel zuletzt geändert: 26.3.2019



Bücher vom Autor

Zum Thema Ernährung, Lebensmittel und Lebensmittelchemie/recht sind bisher vier Bücher von mir erschienen:

Das Buch „Was ist drin?“ wendet sich an diejenigen, die unabhängige Informationen über Zusatzstoffe und Lebensmittelkennzeichnung suchen. Das Buch zerfällt in vier Teilen. Es beginnt mit einer kompakten Einführung in die Grundlagen der Ernährung. Der zweite Teil hat zum Inhalt eine kurze Einführung in die Lebensmittelkennzeichnung - wie liest man ein Zutatenverzeichnis. Welche Informationen enthält es? Ergänzt wird dies durch einige weitere Regelungen für weitergehende Angaben (EU Auslobung von geografischen Angaben, Bio/Ökosiegel etc.).

Der größte der vier Teile entfällt auf eine Beschreibung der technologischen Wirkung, des Einsatzzweckes und der Vorteile - wie auch bekannter Risiken - von Zusatzstoffen. Der letzte Teil zeigt beispielhaft an 13 Lebensmitteln, wie man ein Zutatenverzeichnis sowie andere Angaben liest, was man schon vor dem Kauf für Informationen aus diesem ableiten kann, die einem helfen, Fehlkäufe zu vermeiden und welche Tricks Hersteller einsetzen, um Zusatzstoffe zu verschleiern oder ein Produkt besser aussehen zu lassen, als es ist. 2012 erschien eine Neuauflage, erweitert um 40 Seiten. Sie trägt zum einen den geänderten Gesetzen Rechnung (neue Zusatzstoffe wurden aufgenommen, Regelungen über Lightprodukte beschrieben) und zum anderen ein Stichwortregister enthält, das sich viele Leser zum schnelleren Nachschlagen gewünscht haben.

Wie sich zeigte, haben die meisten Leser das Buch wegen des zentralen Teils, der die Zusatzstoffe beinhaltet, gekauft. Ich bekam auch die Rückmeldung, dass hier eine Referenztabelle sehr nützlich wäre. Ich habe daher 2012 diesen Teil und den Bereich über Lebensmittelrecht nochmals durchgesehen, um die neu zugelassenen Zusatzstoffe ergänzt und auch um neue Regelungen, wie bei der Werbung mit nährwertbezogenen Angaben. Ergänzt um eine Referenztabelle gibt es nun die zwei mittleren Teile als eigenes Buch unter dem Titel "Zusatzstoffe und E-Nummern" zu kaufen.

Nachdem ich selbst über 30 kg abgenommen habe, aber auch feststellen musste wie wenig viele Leute von Ernährung oder der Nahrung wissen, habe ich mich daran gemacht einen Diätratgeber "der anderen Art" zu schreiben. Er enthält nicht ein Patentrezept (wenn auch viele nützliche Tipps), sondern verfolgt den Ansatz, dass jemand mit einer Diät erfolgreicher ist, der genauer über die Grundlagen der Ernährung, was beim Abnehmen passiert und wo Gefahren lauern, Bescheid weiß. Daher habe ich auch das Buch bewusst "Das ist kein Diätratgeber: ... aber eine Hilfe fürs Abnehmen" genannt. Es ist mehr ein Buch über die Grundlagen der Ernährung, wie eine gesunde Ernährung aussieht und wie man dieses Wissen konkret bei einer Diät umsetzt. Es ist daher auch Personen interessant die sich nur über gesunde Ernährung informieren wollen und nach Tipps suchen ihr Gewicht zu halten.

Das Buch "Was Sie schon immer über Lebensmittel und Ernährung wissen wollten" wendet sich an alle, die zum einen die eine oder andere Frage zu Lebensmitteln und Ernährung haben, wie auch die sich für die Thematik interessieren und auf der Suche nach weitergehenden Informationen sind. Während andere Autoren zwar auch populäre Fragen aufgreifen und diese oft in einigen Sätzen beantworten und zur nächsten Frage wechseln, habe ich mich auf 220 Fragen beschränkt, die ich mehr als Aufhänger für ein Thema sehe, so hat das Buch auch 392 Seiten Umfang. Jede Frage nimmt also 1-2 Seiten ein. Sie sind nach ähnlichen Fragestellungen/Lebensmitteln gruppiert und diese wieder in vier Sektionen: zwei Großen über Lebensmittel und Ernährung und zwei kleinen für Zusatzstoffe und Lebensmittelrecht/Werbung. Man kann das buch daher von vorne bis hinten durchlesen und so seinen Horizont erweitern, aber auch schnell mal nach einer Antwort suchen. Ich habe sehr viele positive Rückmeldungen bekommen, vor allem weil der Stil nicht reißerisch ist und ein Dogma verbreiten will, sondern aufklärend ist.

Sie erhalten alle meine Bücher über den Buchhandel (allerdings nur auf Bestellung), aber auch auf Buchshops wie Amazon, Libri, Buecher.de und ITunes. Sie können die Bücher aber auch direkt bei BOD bestellen.

Mehr über diese Bücher und weitere des Autors zum Themenkreis Raumfahrt, finden sie auf der Website Raumfahrtbucher.de.


© des Textes: Bernd Leitenberger. Jede Veröffentlichung dieses Textes im Ganzen oder in Auszügen darf nur mit Zustimmung des Urhebers erfolgen.
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