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Was versteht man unter „Geografische Angaben“?

Die Europäische Union steuert über ihre Verordnungen die Verbrauchergesetze der beteiligten Staaten. Sie kümmert sich aber auch um die Agrarproduktion. Schon seit 1992 gibt es die EU-Verordnung über geografische Angaben. Sinn dieser ist es, bestimmte Regionen und Produkte zu fördern, aber auch Qualität statt Quantität zu produzieren. Sie soll Produkten einen Vorteil schaffen, indem ihre Bezeichnung geschützt ist. Produkte mit einer besonderen Zusammensetzung, Herstellungsverfahren oder Herkunft aus einem geografisch eng begrenzten Gebiet werden besonders geschützt.

Bis 2006 bedeutete dies, dass eine Produktbezeichnung besonderen Schutz genießt. Produkte derselben Art, die nicht aus derselben Region stammen, dürfen sie nicht verwenden, ebenso wie Produkte ähnlicher Art aus derselben Region.

Das bekannteste Beispiel ist der Champagner. Er darf nur aus Weinen aus der Region Champagne im Flaschengärungsverfahren herstellt werden. Schaumweine aus anderen Regionen, die nach demselben Verfahren hergestellt werden, auch wenn dieselben Traubensorten und das gleiche Kelterungsverfahren eingesetzt werden, dürfen sich nicht Champagner nennen, sondern Schaumwein oder Sekt. In Deutschland ist die Bezeichnung „Frankfurter“ für eine Brühwurst geschützt. Diese dürfen nur aus dem Frankfurter Wirtschaftsraum (rund um die Stadt Frankfurt) hergestellt werden. Würstchen derselben Art aus anderen Regionen heißen dann Wiener oder Saitenwürstchen.

Seit 2006 ist der Schutz geografischer Angaben noch verbessert worden. Es gibt nun noch zwei weitere Möglichkeiten einen Schutz zu erreichen. Das Erste ist eine geschützte Ursprungsbezeichnung. Wenn ein Produkt bestimmte Eigenschaften hat, aber die Herstellung nicht regional eingegrenzt werden kann, so kann dieser Schutz angestrebt werden. Das Zweite ist der Schutz eines traditionellen Produktes mit bestimmter Zusammensetzung oder Herstellung. Traditionell bedeutet: dass dieses Produkt in dieser Form seit mindestens 25 Jahren produziert wird. Derzeit gibt es noch kaum Produkte, die diesen Schutz anstreben. Zumal 25 Jahre nach nicht unbedingt für eine lange Tradition sprechen.

Seit 2006 gibt es auch Symbole, mit denen ein Lebensmittel auf der Verpackung werben kann, und die geschützten Lebensmitteln vorbehalten sind. In der Strenge gibt es drei Abstufungen:

Die geschützte Ursprungsbezeichnung (g.U.)

Die komplette Erzeugung, Verarbeitung und Herstellung eines Produktes muss in einem bestimmten, geografisch abgegrenzten Gebiet erfolgen. Dies sind die höchsten Anforderungen: So kann zum Beispiel „Parma Schinken“ nur als solcher bezeichnet werden, wenn auch das Schneiden des Schinkens in Parma erfolgt.

Neben Parmaschinken gehören in diese Kategorie zahlreiche Käsesorten, wie Feta Käse, Allgäuer Emmentaler, aber auch zahlreiche Mineralwässer. Der Champagner ist das bekannteste Beispiel. Da die komplette Beschriftung mit „geschützter Ursprungsbezeichnung“ recht sperrig ist hat sich eingebürgert neben dem Produktnamen eine Abkürzung anzugeben:

Bisher stammen die meisten Produkte aus Italien, Frankreich und Spanien, sodass die Abkürzungen DOP und AOP wichtig sind.

Geschützte geografische Angabe (g.g.A)

Bei der nächstniedrigeren Abstufung des Schutzes müssen nicht alle Herstellungs- und Verarbeitungsschritte in der Region durchgeführt werden, die deklariert wird. Es reicht, wenn eine der Stufen in dieser Gegend stattfindet. Im Extremfall reicht es also aus, wenn das Produkt in der Region verpackt wurde.

Zu dieser Gruppe gehören zum Beispiel Thüringer Rostbratwürste, Nürnberger Lebkuchen, Schwarzwälder Schinken und zahlreiche Biersorten, wie zum Beispiel Kölsch.

Gegen diese Kategorie wendet sich der Verein Foodwatch e.V. dessen Vorsitzender, der Politologie Thilo Bode nicht nur sehr medienpräsent ist, sondern auch immer dasselbe Beispiel des Schwarzwälder Schinkens und einer bekannten norddeutschen Firma, welche diesen herstellt in Talkshows erwähnt. Nach Ansicht von Foodwatch ist es eine Verbrauchertäuschung, weil die Schweine aus Norddeutschland und Dänemark stammen. Nach Foodwatchs Angaben stammen die Schweine aus Massentierhaltung. Es werden die Schinken dann in den Schwarzwald gebracht, wo die Räucherung nach traditionellem verfahren erfolgt.

Nun ist aber das charakteristische an Schwarzwälder Schinken, das Räucherverfahren über Fichten und Tannenholz, mit Zusätzen von Wachholder und Gewürzen und das diese sehr lange dauert. Die Räucherung, Portionierung und Verpackung muss nach der Zulassung im Schwarzwald erfolgen. Ich kann hier keine Verbrauchertäuschung erkennen, da die Qualität des Schinkens auf dem Verfahren und nicht der Herkunft des Fleisches beruht. Selbst wenn es eine geschützte geografische Angabe wäre, so wäre immer noch Fleisch aus Massentierhaltung erlaubt, da die EU-Verordnung nicht Bioware als Rohstoff vorschreibt. Ich hatte auch die Gelegenheit mit einem Mitarbeiter von Foodwatch zu telefonieren. Die Intention des Vereins ist es kleine Produzenten in den Regionen zu schützen vor Konkurrenz mit Massenprodukten. Das ist sicher eine redliche Absicht, nur sollte man dann dies auch ehrlich und die Folgen klar sagen: Da im Schwarzwald durch die Mittelgebirgslage kaum Landwirtschaft möglich ist, würde das den Schwarzwälder Schinken stark verknappen und entsprechend teuer machen. Die besondere Räucherung entstand ja dadurch, dass Schweine knapp waren und nur selten geschlachtet wurde, also man lange mit dem Fleisch auskommen musste. Die Frage ist, ob der Verbraucher das auch will, denn an der Qualität ändert es nichts, der einzige Unterschied wäre, das Schwarzwälder Schinken wahrscheinlich noch teurer als Parmaschinken wäre, der je nach Qualität 5-13 Euro/100 g kostet. Denn in der Region Parma ist es viel einfacher möglich, Schweine zu züchten. Im Schwarzwald gibt es nur kleinere bäuerliche Betriebe.

Garantiert traditionelle Spezialität (g.t.S)

Dies ist die niedrigste Schutzstufe, die derzeit von der EU geregelt ist.

Demnach muss das Lebensmittel nur nach einem traditionellen Verfahren hergestellt werden. Es gibt keinerlei Beziehung zu einem regionalen Ursprung. Da schon eine 25 Jahre alte Rezeptur als „traditionell“ angesehen werden kann, dürfte die Anzahl der Produkte mit diesem Logo in der Zukunft noch ansteigen.

Ein weiterer Fallstrick liegt darin, dass es bei garantiert traditionellen Spezialitäten (gtS) zwei mögliche Bezeichnungen gibt. Es kann der Name selbst geschützt sein. Dann muss das Produkt den bei der Zulassung vorgelegten Spezifikationen oder Herstellungsweisen entsprechen. Wenn der Name selbst nicht schützbar ist, weil es schon verschiedene Rezepturen gibt, so kann der Name um den Zusatz „garantiert traditionelle Spezialität“ ergänzt werden.

Traditionelle Spezialitäten sind zum Beispiel Mozarella Käse, Serrano Schinken und Pizza Napoletana. Aber auch „Non Food“ Erzeugnisse können sich damit schmücken, wie zum Beispiel echt kölnisch Wasser.

Nach Produktkategorien entfallen die meisten geschützten Produkte auf Fleisch und Fleischerzeugnisse, gefolgt von Obst, Gemüse und Getreide, Käse und Ölen. Nach EU Staaten gibt es die meisten Zulassungen für Italien, gefolgt von Frankreich, Spanien, Portugal und Griechenland. Deutschland liegt auf Platz sechs mit einem Fünftel der Zulassungen von Italien.

Kritik

Von im Juli 2012 ingesamt 1391 Zulassungen und Anträgen entfallen 674 auf geschützte Ursprungsbezeichnungen, 659 auf geschützte geografische Angaben und nur 58 auf die geschützten traditionellen Spezialitäten. Vor drei Jahren waren es noch 800 Zulassungen. Am stärksten haben die geschützten geografischen Angaben zugelegt (von 123 auf 659), die Zahl der geschützten Ursprungsbezeichnungen verdoppelte sich (von 338 auf 674), während die geschützten traditionellen Spezialitäten eine Randgruppe bleiben.

Aufgrund der vielen zugelassen Produkte und der Tatsache, dass manche verwandte Produkte in dieses System passen und manche nicht, ist dieses System eher dazu geeignet die Verbraucher zu verwirren, anstatt aufzuklären.

Hierzu ein Beispiel: Prosciutto, luftgetrockneter Schinken aus Italien, ist nur teilweise geschützt. Prosciutto di Norcia hat eine geschützte geografische Angabe. Prosciutto di Carpegna, Prosciutto di Modena, Prosciutto di Parma, Prosciutto di S. Daniele, Prosciutto Toscano und Prosciutto Veneto Berico-Euganeo sind dagegen geschützte Ursprungsbezeichnungen. Andere Prosciutto Sorten sind derzeit noch nicht geschützt.

Produkte mit diesen geschützten Bezeichnungen lassen sich mit erheblich höherem Profit verkaufen. Das führt zu Blüten wie dem Lebensmitteltourismus. Da es bei geschützten geografische Angaben reicht, dass eine Verarbeitungsstufe in der Region stattfindet, wird das Produkt in einer anderen Region hergestellt und dann in die Region transportiert, in welcher der letzte Schritt – das Portionieren und Verpacken – stattfindet. So fand der Autor schon Serraner Schinken, der in Italien aus italienischen Schweinen luftgetrocknet wurde und dann in Serrano (Spanien) verpackt wurde. Dieser Schinken ist 50% teurer als vergleichbarer Schinken ohne diese Auszeichnung im Regal daneben. Ob das der entscheidende Schritt des Verfahrens in der Region durchgeführt werden muss doer nicht kann der Verbraucher nicht erkennen, dies muss nicht angegeben werden.

Für den Verbraucher ist es recht schwer zu beurteilen, ob eine geschützte Bezeichnung für ein Produkt steht, das einzigartig ist oder nicht. Dafür sind umfangreiche Kenntnisse in Lebensmittelchemie und Technologie notwendig. Champagner ist zum Beispiel ein einzigartiges Produkt, da selbst bei gleicher Rebsorte und Herstellung der Boden und die Lage großen Einfluss auf die Qualität und das Aroma des Weines haben. Die Frankfurter Würstchen dagegen haben nur eine bestimmte Herstellungsart. Brühwürste gleicher Qualität und demselben Geschmack können auch woanders hergestellt werden.

Da die Anzahl der zugelassenen Produkte zudem stark zunimmt, so um 75% in drei Jahren, nutzt sich das Siegel auch ab, es steht immer weniger für ein besonderes Produkt, wenn im Regal dutzende von Produkte diese Auszeichnung haben. 

Bücher vom Autor

Zum Thema Ernährung, Lebensmittel und Lebensmittelchemie/recht sind bisher vier Bücher von mir erschienen:

Das Buch „Was ist drin?“ wendet sich an diejenigen, die unabhängige Informationen über Zusatzstoffe und Lebensmittelkennzeichnung suchen. Das Buch zerfällt in vier Teilen. Es beginnt mit einer kompakten Einführung in die Grundlagen der Ernährung. Der zweite Teil hat zum Inhalt eine kurze Einführung in die Lebensmittelkennzeichnung - wie liest man ein Zutatenverzeichnis. Welche Informationen enthält es? Ergänzt wird dies durch einige weitere Regelungen für weitergehende Angaben (EU Auslobung von geografischen Angaben, Bio/Ökosiegel etc.).

Der größte der vier Teile entfällt auf eine Beschreibung der technologischen Wirkung, des Einsatzzweckes und der Vorteile - wie auch bekannter Risiken - von Zusatzstoffen. Der letzte Teil zeigt beispielhaft an 13 Lebensmitteln, wie man ein Zutatenverzeichnis sowie andere Angaben liest, was man schon vor dem Kauf für Informationen aus diesem ableiten kann, die einem helfen, Fehlkäufe zu vermeiden und welche Tricks Hersteller einsetzen, um Zusatzstoffe zu verschleiern oder ein Produkt besser aussehen zu lassen, als es ist. 2012 erschien eine Neuauflage, erweitert um 40 Seiten. Sie trägt zum einen den geänderten Gesetzen Rechnung (neue Zusatzstoffe wurden aufgenommen, Regelungen über Lightprodukte beschrieben) und zum anderen ein Stichwortregister enthält, das sich viele Leser zum schnelleren Nachschlagen gewünscht haben.

Wie sich zeigte, haben die meisten Leser das Buch wegen des zentralen Teils, der die Zusatzstoffe beinhaltet, gekauft. Ich bekam auch die Rückmeldung, dass hier eine Referenztabelle sehr nützlich wäre. Ich habe daher 2012 diesen Teil und den Bereich über Lebensmittelrecht nochmals durchgesehen, um die neu zugelassenen Zusatzstoffe ergänzt und auch um neue Regelungen, wie bei der Werbung mit nährwertbezogenen Angaben. Ergänzt um eine Referenztabelle gibt es nun die zwei mittleren Teile als eigenes Buch unter dem Titel "Zusatzstoffe und E-Nummern" zu kaufen.

Nachdem ich selbst über 30 kg abgenommen habe, aber auch feststellen musste wie wenig viele Leute von Ernährung oder der Nahrung wissen, habe ich mich daran gemacht einen Diätratgeber "der anderen Art" zu schreiben. Er enthält nicht ein Patentrezept (wenn auch viele nützliche Tipps), sondern verfolgt den Ansatz, dass jemand mit einer Diät erfolgreicher ist, der genauer über die Grundlagen der Ernährung, was beim Abnehmen passiert und wo Gefahren lauern, Bescheid weiß. Daher habe ich auch das Buch bewusst "Das ist kein Diätratgeber: ... aber eine Hilfe fürs Abnehmen" genannt. Es ist mehr ein Buch über die Grundlagen der Ernährung, wie eine gesunde Ernährung aussieht und wie man dieses Wissen konkret bei einer Diät umsetzt. Es ist daher auch Personen interessant die sich nur über gesunde Ernährung informieren wollen und nach Tipps suchen ihr Gewicht zu halten.

Das Buch "Was Sie schon immer über Lebensmittel und Ernährung wissen wollten" wendet sich an alle, die zum einen die eine oder andere Frage zu Lebensmitteln und Ernährung haben, wie auch die sich für die Thematik interessieren und auf der Suche nach weitergehenden Informationen sind. Während andere Autoren zwar auch populäre Fragen aufgreifen und diese oft in einigen Sätzen beantworten und zur nächsten Frage wechseln, habe ich mich auf 220 Fragen beschränkt, die ich mehr als Aufhänger für ein Thema sehe, so hat das Buch auch 392 Seiten Umfang. Jede Frage nimmt also 1-2 Seiten ein. Sie sind nach ähnlichen Fragestellungen/Lebensmitteln gruppiert und diese wieder in vier Sektionen: zwei Großen über Lebensmittel und Ernährung und zwei kleinen für Zusatzstoffe und Lebensmittelrecht/Werbung. Man kann das buch daher von vorne bis hinten durchlesen und so seinen Horizont erweitern, aber auch schnell mal nach einer Antwort suchen. Ich habe sehr viele positive Rückmeldungen bekommen, vor allem weil der Stil nicht reißerisch ist und ein Dogma verbreiten will, sondern aufklärend ist.

Sie erhalten alle meine Bücher über den Buchhandel (allerdings nur auf Bestellung), aber auch auf Buchshops wie Amazon, Libri, Buecher.de und ITunes. Sie können die Bücher aber auch direkt bei BOD bestellen.

Mehr über diese Bücher und weitere des Autors zum Themenkreis Raumfahrt, finden sie auf der Website Raumfahrtbucher.de.


© des Textes: Bernd Leitenberger. Jede Veröffentlichung dieses Textes im Ganzen oder in Auszügen darf nur mit Zustimmung des Urhebers erfolgen.
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