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Nukleare Antriebe

Einführung

Auch in der Zukunft werden die meisten Nutzlasten in einen Erdorbit mit einer herkömmlichen Rakete (d.h. mit einem chemischen Antrieb) befördert werden. Dieser Aufsatz soll aufzeigen welche Antriebe es heute oder in nächster Zukunft geben wird, um Nutzlasten von einer niedrigen Umlaufbahn in höhere Bahnen oder zu anderen Planeten zu befördern. Dieser Aufsatz behandelt die thermischen nuklearen Antriebe. Andere Nukleare Antriebe (Zündung von Atombomben oder Wasserstoffbomben) als Antrieb sind wohl als Antriebe in ferner Zukunft denkbar und werden her nicht behandelt.

Nukleare Triebwerke

Nukleares TriebwerkEs gab mal Zeiten in denen man Kernenergie als die Lösung der Energieprobleme ansah, bevor man durch Harrisburg und Tschernobyl auch auf die Gefahren dieser Technologie hingewiesen wurde.

In den sechziger Jahren bis Anfang der siebziger Jahren wurden nukleare Triebwerke in den USA entwickelt. In Russland soll die Forschung erst Anfang der neunziger Jahre eingestellt sein worden.

Nukleare Triebwerke basieren auf einem Kernreaktor als Wärmequelle. Ein Kernreaktor erzeugt eine große Hitze, die dazu benutzt wird Wasserstoff auf über 2000 Grad Celsius aufzuheizen. Zur Durchführung eines nuklearen Triebwerkes muss ein Reaktor wesentlich kleiner als ein herkömmlicher Kernreaktor sein, gleichzeitig sind die Anforderungen an die Arbeitstemperatur sehr viel höher. Daher ist die Entwicklung von nuklearen Triebwerken, die in den USA Anfang der sechziger Jahre begann, nur langsam vorangeschritten. Bedingt durch die geringe Molekülmasse des Wasserstoffs erreichen nukleare Triebwerke sehr hohe Ausströmungsgeschwindigkeiten. Bei dem schon realisierten Versuchstriebwerk NERVA (Nuclear Engine for Rocket Vehicle Application) beträgt der spezifische Impuls 8100 m/s. Damals erreichte dieses Triebwerk einen Schub von 245 kN. Die Leistung des Reaktors betrug 1100 MW. Es ist ausgelegt längere Zeit zu arbeiten und mehrfach wiedergezündet zu werden. Dieses oder eines seiner Nachfolger waren für eine Marsmission vorgesehen. Ein Nerva Triebwerk wäre dann als Oberstufe in einer Saturn V eingesetzt worden. Die angegebene Brenndauer von 1500 Sekunden hätte eine etwa 50-55 t schwere Stufe mit 45 t Treibstoff ergeben. Die Größe eines nuklearen Triebwerkes ist begrenzt. Je größer der Reaktor ist desto gravierender werden die Probleme bei den hohen Temperaturen.

Aufbau nuklearer Triebwerke

Der Festkernreaktor

Vom Aufbau her ähneln Nukleare Antriebe chemischen Antrieben. Sie nutzen auch dasselbe Prinzip: Ein Stoff wird stark erhitzt und durch eine Düse werden die Gase beschleunigt. Beim chemischen Antrieb stammt die Energie von einer chemischen Reaktion, beim nuklearen Antrieb vom Reaktor.

Es gibt also eine Brennkammer - in diesem Falle der Reaktorbehälter. In dieser befindet sich der Reaktor, der wenn die Kontrollstäbe herausgefahren wird sehr heiß wird. Durch Röhren im Reaktor strömt Wasserstoff, der sich dadurch erhitzt. In einer Düse werden die Gase dann beschleunigt. Zur Förderung des Wasserstoffs braucht man eine Pumpe. Die Pumpe wiederum wird von einer Gasturbine angetrieben. Diese kann man mit heißem Wasserstoffgas aus der Verbrennungskammer antreiben, das man mit kaltem Wasserstoff mischt, damit die Turbinentemperatur nicht zu hoch ist. Die Düse muss ebenfalls gekühlt werden. Wegen der langen Brennzeiten ist hier eine regenerative Kühlung sinnvoll.

Dies sind alles Elemente wie man sie auch in chemischen Triebwerken findet. Es gibt Anpassungen, aber vereinfacht kann man sich ein nuklearen Triebwerk als ein chemisches Vorstellen bei dem man in die Brennkammer einen Reaktor eingebaut hat.

Wir verwenden also Wasserstoff als Kühlmittel (in deutschen Kernkraftwerken nimmt man meistens Wasser dazu) und heizen es auf hohe Temperaturen auf. Maximale Temperaturen im Kernreaktor dürften bei 2700 K liegen (dies ist über einige Stunden zu beherrschen). Der Wasserstoff wird etwa 2200 K heiß. Bei solchen Temperaturen hat er eine Ausströmungsgeschwindigkeit von 8100-8200 m/s bei einem Brennkammerdruck von 60-100 Bar.

Die Brennelemente bestehen aus Urancarbid, Urandicarbid, Urandioxid oder Plutoniumdioxid also hochschmelzenden Verbindungen. Moderatoren kommen bei modernen Konzepten zum Einsatz indem man den Innenraum mit Lithium-7 Hydrid auskleidet und dieses Neutronen abbremst und reflektiert, so dass mehr davon eine Kettenreaktion eingehen können. Anfahren und herunterfahren erfolgt mit Cadmium oder Borstäben, welche Neutronen absorbieren.

Typischerweise nutzt man weniger als 1% der Energie im Reaktor. Man könnte ihn also theoretisch öfters anfahren. Dazu müsste man nach dem Herunterfahren aber den Reaktor mit Wasserstoff weiter abkühlen. Der Treibstoffverbrauch ist dann etwas größer. Beim Start ist der Reaktor vergleichsweise strahlungsarm - die meisten hoch aktiven Spaltprodukte entstehen erst bei der Kettenreaktion (frisch hergestellte Kernbrennstäbe aus Uran strahlen auch so wenig, dass die Arbeiter nicht die nach Arbeitsrecht maximal erlaubte Starhlung überschreiten).

Seit man das NERVA Programm in den USA 1971 eingestellt hat, wurde zwar nicht mehr viel an den Reaktoren entwickelt, doch gibt es heute mehr hochtemperaturfeste Materialen, so dass eine neuere Studie von einer maximalen Temperatur von 3300 K ausgeht (3500 K ist die Grenze bei der die Brennelemente sublimieren) und der Wasserstoff auf 2700 K erhitzt wird. Dies ergibt einen spezifischen Impuls von 8722 m/s im Vergleich zu 9090 m/s den man mit NERVA-2 erreicht hatte.

Der Gaskernreaktor

Die Temperatur im Reaktor selbst ist der kritische Punkt. Anders als bei einer Raketenbrennkammer wo die Verbrennungstemperaturen höher liegen können, kann man hier den Reaktor nicht kühlen. Eine Raketenbrennkammer wird an der Wand gekühlt, so dass dort niemals Temperaturen von über 2000 K herrschen. Doch der Reaktor soll ja Energie an den Wasserstoff übertragen und wird so immer heißer sein als dieser. Mit Uran und Plutoniumoxiden als Brennelementen anstatt dem Metall kommt man so auf 3300 K Maximaltemperatur,

Da dies der limitierende Faktor ist gibt es zumindest auf dem Papier eine zweite Art von nuklearen Antrieben,  der Gaskernreaktor. Man lässt hier Temperaturen im Reaktorkern zu, bei welchem das Uran gasförmig ist. An diesem soll dann der Wasserstoff vorbeiströmen und erhitzt werden. Das Eindämmen soll durch einen stabilen Wirbel oder Magnetfelder erfolgen, in jedem Falle kann man aber eine Vermischung mit dem Wasserstoff an den Außenbereichen nicht verhindern, wodurch zum einen der Reaktor laufend Material verliert und zum andern solche Antriebe extrem "schmutzig" sind, sie erzeugen ein hoch radioaktives Abgas. Dies ist auch der Grund warum es sie noch noch nicht als Prototyp gibt.

Theoretisch könnte ein solcher Reaktor extrem hohe spezifische Impulse erreichen, weil man viel höhere Gastemperaturen erreichen kann (bis zu 13000 K) und bei höheren Temperaturen noch die Dissoziation von Wasserstoff in Atome hinzukommt, die weitere Energie bei der Rekombination liefert.

Leistungsdaten

Bei den angegebenen Leistungen sollte man nicht vergessen, dass hier von der thermischen Leistung der Reaktoren die Rede ist und nicht von der elektrischen Leistung. Der Wirkungsgrad von Reaktoren bei der Umwandlung in elektrische Leistung ist sehr gering und liegt bei nur etwa 20 %.

Warum Wasserstoff als Treibstoff ?

Nach der Ziolkowski Formel ist die Geschwindigkeit einer Rakete stark abhängig von der Ausströmgeschwindigkeit der Gase. Bei einer gegebenen Temperatur ist diese um so größer je kleiner die Molekularmasse des Gases ist. Wasserstoff ist das leichteste verfügbare Gas mit einer Atommasse von 2. Wasser, Stickstoff und Kohlendioxid, die Reaktionsprodukte der meisten chemischen Antriebe haben dagegen eine Atommasse von 18, 28 und 44. So braucht man um eine gegebene Nutzlast zu befördern wesentlich weniger Treibstoff als bei chemischen Antrieben.

Aber: Wasserstoff ist auch sehr leicht und die Tanks daher sehr voluminös. Ein Kubikmeter wiegt nur 69 kg. Beim Space Shuttle macht der Wasserstoff nur ein Siebtel des Treibstoffs aus, doch das Volumen des Tanks ist dreimal größer als des Tanks für Sauerstoff, der die restlichen 6/7 ausmacht. Es ist klar, dass die Tanks sehr voluminös und schwer sind. Hier das Gewicht von Tanks für 10 t Treibstoff:

 
Treibstoff Tankgewicht
Sauerstoff/Kerosin 133 kg
Sauerstoff/Wasserstoff 400 kg
Wasserstoff 2100 kg

Will man den Wasserstoff längere Zeit lagern (oder muss man es, weil man z.B. nach Monaten der interplanetaren Reise am Zielplaneten abbremsen muss), so ist in jedem Falle eine Rückverflüssigungsanlage nötig. Das macht das ganze noch schwerer.

Wasserstoff / TemperaturEs gilt folgender Zusammenhang:

V = A*Cf *  (T/MW)

V : Ausströmgeschwindigkeit der Gase
A : Performance Faktor der Düse
Cf : Schubkoeffizient der Düse
T : Temperatur der Gase in Kelvin
MW : Molekulargewicht

Da A und Cf gegeben ist kann man den Zusammenhang reduzieren auf V = c *  (T/MW). Wenn man also anstatt Wasserstoff Wasser einsetzt, mit einer um 9 höheren Atommasse so sinkt die Ausströmgeschwindigkeit um  9 = 3 ab und ist schlechter als bei chemischen Triebwerken. Umgekehrt: Können wir den Wasserstoff so weit erhitzen, dass er in Atome dissoziiert, so steigt die Ausströmgeschwindigkeit um  2 = 1.4. Das soll die Performance eines Reaktors mit gasförmigem Uran erheblich erhöhen.

Mögliche Arten von Reaktoren

Drei Reaktortypen können eingesetzt werden:

Die meisten Reaktoren die man untersucht hat verwenden Graphit als Moderator. Graphit hat einige sehr gute Eigenschaften. Es ist billig (im Vergleich zum Berylliumoxid sogar fast umsonst), es hat einen hohen Sublimationspunkt. Da allerdings Hydride und Oxide mit Graphit reagieren. hat dies einige Konsequenzen. Das Material für die Umhüllungen der Brennstäbe sollte dann auch aus einem Carbid bestehen (Wolfram oder Hafniumcarbid). Auch das Uran sollte als Urancarbid und nicht als Uranoxid vorliegen. Dadurch werden die maximalen Temperaturen wieder etwas abgesenkt, da Urancarbid bei etwa 350 K niedriger Temperatur schmilzt.

Nachteile von nuklearen Triebwerken

Der heiße Wasserstoff trägt Radioaktivität nach außen. Aus diesem Grunde sollten Nukleare Triebwerke erst im Orbit eingesetzt werden. Selbst dann ist eine gute Abschirmung der Nutzlast vor der Strahlung nötig.

Von Nachteil ist das hohe Leergewicht eines Reaktors:

Parameter Größe
Leistung 1000 MW
Leistungsdichte 0.33 MW/kg
Volumen 1.33 m³
Massestrom 22.2 kg/s
Reaktorgewicht 3000 kg
Düse, Turbopumpe 500 kg
Strahlenschutz 2000 kg
Gesamtgewicht 5500 kg
Schub 182 kN
Ausströmgeschwindigkeit 8200 m/s

Wir haben also einen Antrieb der 182 kN Schub liefert und 5500 kg wiegt. Ein chemischer Antrieb mit diesem Schub würde etwa 350 kg wiegen. Unser Reaktor ist also mehr als zehnmal so schwer. Das ist ein großer Nachteil. Noch schlimmer: Das Missverhältnis ist um so größer je kleiner der benötigte Schub ist. Wollen wir nur einen Antrieb mit 30 kN Schub (z.B. für den Transport von Satelliten bauen, so wiegt dieser immer noch 2060 kg (9 mal kleinerer Schub, aber nur 2.7 fach kleinere Masse !). Dagegen würde ein Antrieb mit 1000 kN Schub "nur" 18.5 t wiegen.

Es verwundert daher nicht wenn man nukleare Antriebe immer wieder für Marsmissionen propagiert, denn dann braucht man für die schwere Nutzlast große Antriebe. Wie man sieht ist auch der Treibstofffluss sehr gering. Nukleare Triebwerke arbeiten daher sehr lang, typische Brennzeiten liegen bei etwa einer Stunde. Man muss daher eine etwas größere Endgeschwindigkeit als bei einem chemischen Antrieb erreichen um die Gravitationsverluste auszugleichen.

Andererseits: Dieser Antrieb hat mit 1000 MW Leistung in etwa die Größe eines typischen Reaktorblockes. Macht man ihn viel größer bewegt man sich auch jenseits der Größe in der nun seit Jahrzehnten Erfahrungen mit dem Reaktorbau vorliegen.

Bisher entwickelte Triebwerke

Von der Leistung her wären nukleare Triebwerke dazu geeignet konventionelle chemische Oberstufen zu ersetzen. Von Nachteil ist das der Wasserstoff nur einige Stunden bei -253 Grad lagerfähig ist. Ein Problem der nuklearen Triebwerke ist das der Reaktor nicht vollständig von der Umwelt abgeschottet werden kann, da er vom Wasserstoff in der Brennkammer umflossen wird. Das Risiko bei einem Unfall oder Fehlstart ist daher hoch. Daher wurden die Entwicklungen an nuklearen Triebwerken in den USA 1973 eingestellt. Bis dahin hatten die USA 2 Milliarden USD für die Erforschung dieser Technologie ausgegeben.

Die ersten Projektstudien begannen im Rahmen des ROVER Programms 1955. Die ersten Tests fanden 1962 statt. Bis 1966 hatte man eine flugfähige Version entwickelt. Die ersten Versuche betrafen die Erforschung der grundsätzlichen Technologie. Dies wurde mit dem Kiwi-Motor durchgeführt. Der Kiwi ist ein flugunfähiger Vogel, uns so war es Ziel dieses Tests vor allem Grundlagenforschung zu betreiben, z.B. welche Materialen man einsetzen könnte. Kiwi erzeugte 70 MW an Leistung und produzierte Gase mit einer Temperatur von 2683 K Temperatur. KIWI prüfte unter anderem welcher Reaktortype am sinnvollsten war und welche Materialen am besten sind. Es zeigte sich das der heterogene Reaktor mit Graphit als Moderator und Urancarbid die praktikabelste Lösung ist.

Die erste flugfähige Version war NERVA (Nuclear Energy Reaktor for Vehicle Application). NERVA hatte folgende Eckdaten:

Parameter Größe
Leistung 1500 MW
Temperatur 2500 K
Gesamtgewicht 6500 kg
Schub 250 kN
Ausströmgeschwindigkeit 7450 m/s

Diese Anlage sollte im Weltraum getestet werden (RIFT: Reactor in Flight Test) als Oberstufe einer Saturn 5. Dies wurde 1963 aus Kostengründen gestrichen. Gedacht war der Einsatz für eine bemannte Marsmission, die Wernher von Braun für den Zeitraum 1981-1986 plante. Doch bei den ersten Tests im Jahre 1962 traten Schwingungen auf, die den Reaktor teilweise zerstörten. Testgebiet war ein Wüstengebiet in Nevada. Am 13.5.1964 fand der erste Betriebstest unter realen Flugbedingungen statt, aber nur über 1 Minute. Am 28.8.1964 erprobte man erstmals den mehrfachen Betrieb (8 Minuten) und am 10.9.1964 einen längeren Betrieb (2 Minuten). Bis zum Jahr 1966 hatte man die Brenndauer bis zu der Dauer gesteigert, die man für eine Marsmission brauchte: 1 Stunde. Die Leistung von KIWI wurde im Laufe der Jahre von 70 auf 900 MW gesteigert. eine Ausströmgeschwindigkeit von 7543 m/s wurde erreicht.

NERVA TriebwerkPHOEBUS 2 war als Nachfolger von NERVA mit noch besseren Leistungsdaten vorgesehen. Er sollte 1000 kN Schub bei einer Leistung von 5.5 MW erreichen. Erreicht wurden im Juni 1968 4000 MW Leistung über 12 Minuten. PHOEBUS 2 war damit der größte je gebaute Reaktor. Man baute jedoch aus Phoebus keine Flugversion.

Vorher gab es den Testreaktor Phoebus 1. Er sollte an die Tests von Kiwi anschließen und zum Triebwerk NERVA 2 führen. Der erste Test im Juni 1965 brachte 1090 MW Leistung über 40 Minuten. (Gastemperatur 2370 K). Der zweite im Februar 1967 schon 1500 MW über 30 Minuten. NERVA 2 hätte folgende Leistungsdaten besessen:

Parameter Größe
Leistung 1900 MW
Gesamtgewicht 9000 kg
Schub 350 kN
Ausströmgeschwindigkeit 8090 m/s

Die Daten einer Stufe mit mehreren NERVA-II Geräten als Antrieb sahen so aus:

Parameter Größe
Höhe (gesamte Stufe) 43.69 m
Durchmesser 10.55 m
Leistung 4500 MW
Gesamtgewicht 178.321 kg
Leergewicht 34.019 kg
nutzbarer Wasserstoff 128.600 kg
Schub 867 kN
Ausströmgeschwindigkeit 8090 m/s
Ausströmgesch. Boden 3720 m/s
Brennzeit: 1200 sec

RD-410Bis 1972 sollte eine flugfähige Version vorliegen. Der Flug war für 1975 vorgesehen. Doch anders als bei NERVA 1 kam es nicht mehr zu Bodentests des Triebwerks. Man konzentrierte sich dann eine Zeitlang auf kleinere Reaktoren. Der Pee-Wee Reaktor war für unbemannte Missionen vorgesehen. Die Leistung von Pee-Wee lag bei 300-500 MW und einem Schub von 55-90 kN. Er verwendete Hülsen um die Brennelemente aus Zirkoniumcarbid anstatt Niobcarbid und erlaubte eine höhere Energiedichte im Reaktor.

Ende 1972 stellte man dann in den USA alle Tests ein. In 16 Jahren hatten die USA 20 Reaktoren für den Weltraumeinsatz entwickelt. Es gab dann nochmals in den achtziger Jahren das Programm Timberwind mit dem Ziel eine nuklear betriebene Oberstufe für den Space Shuttle zu entwickeln um damit schwere Nutzlasten des SDI Programms in höhere Bahnen zu befördern.

Die Entwicklung von nuklearen Antrieben war zwar erfolgreich, doch war sie auch teuer.

Über die russischen Entwicklungen weiß man wenig. Von 1962-1969 wurde das YaERD-2200 Triebwerk entwickelt mit 81 kN Schub. Von 1962-1970 das RD-600 mit 200 kN Schub. Beide wurden jedoch nicht fertig gestellt. Das einzige Triebwerk, welches die UdSSR fertig stellte war das Triebwerk RD-410 mit 35.5 kN Schub (eine größere Version mit 68 kN Schub war geplant, wurde jedoch nie umgesetzt).

An dem RD-410 wurde von 1965-1990 gearbeitet. Der erste volle Test fand 1985 statt. Doch danach tröpfelte das Programm aus.

Parameter Größe
Höhe 350 cm
Durchmesser 160 cm
Gesamtgewicht 2000 kg
Schub 35.5 kN
Ausströmgeschwindigkeit 8920 m/s

Ein Vergleich

Was offen ist: Bringen nukleare Antriebe denn einen Vorteil ? Die Antwort: Ja, aber nicht soviel wie erwartet. Es war geplant die S-IVB durch eine Nukleare Stufe zu ersetzen. Diese hätte folgende Daten besessen:

S-IVB NERVA Stufe
Startmasse 121.200 kg 53.694 kg
Leermasse 12.200 kg 10.429 kg
Schub: 912 kN max. 266.8 kN max.
Brennzeit: 475 s 1250 s
spez. Impuls 4.180 m/s 7.840 m/s
Nutzlast Mars 39.000 kg 54.500 kg

Da die Saturn als Zweistufler nur 108 t in einen Orbit transportiert ist die Stufe relativ klein. Doch man könnte die Stufe ja auch zusätzlich mitführen. Dann kann man 130 t in einen Orbit befördern, das ist die Nutzlast einer Saturn V mit drei Stufen. Auch hier wäre dies auch bei einer Saturn möglich. Ich habe mal beide Stufen verglichen:

Stufe mit RL-10 Triebwerken NERVA Stufe
Startmasse 70000 kg 66000 kg
Leermasse 7000 kg 12500 kg
Schub: 266.8 kN maximal 266.8 kN max.
Brennzeit: 1028 s 1601 s
spez. Impuls 4355 m/s 7840 m/s
Nutzlast Mars 46000 kg 64000 kg

Der Zugewinn wird größer, weil der größte Teil der Masse der Stufe auf den schweren Reaktor fällt. Das Verlängern der Tanks würde in der Praxis aber auch Probleme machen. Die Tanks haben nun ein Volumen, das doppelt so groß wie das der S-IVB Stufe ist. In der Praxis bräuchte man einen weiteren Thermalschutz.

Trotzdem ist die Bilanz ernüchternd: Wir erreichen 50 % mehr Nutzlast indem wir einen Kernreaktor starten, der sicher nicht ganz billig ist. Hätte man die Technik der Saturn 5 nur wenig weiter entwickelt, d.h. dieselben Leistungsdaten wie beim Space Shuttle verwirklicht (Hauptstromtriebwerke in den oberen Stufen) so wäre mit einer vierten Stufe auch eine Nutzlast von 54000 kg zum Mars möglich gewesen, also genauso viel wie bei der ursprünglichen NERVA Lösung.

Es soll aber nicht verschwiegen werden, dass die Vorteile um so größer werden, je höhere Geschwindigkeiten man anstrebt. Beim Flug zum Jupiter sind sie offensichtlich. Doch dahin wird man nicht bemannt reisen und für Raumsonden braucht man kleine Reaktoren die wiederum für kleine Oberstufen zu schwer sind.

Weitere Pläne

Die ESA hat inzwischen zumindest theoretische Studien für nukleare Triebwerke einer moderneren Bauweise untersucht. Dabei wird das Abgas induktiv weiter beschleunigt. Der Vorteil ist, das zwar der spezifische Impuls nicht weiter steigerbar ist, aber die Anforderungen an das Material sinken. Die Beschleunigung entspricht einem Nachbrenner. Dadurch kann die eigentliche Temperatur im Reaktor sinken: Von 2700 auf 2200 K. Das bedeutet erheblich geringere Materialbeanspruchung und damit eine längere Betriebsdauer. Das grundsätzliche Problem der radioaktiven Verseuchung bei einem Fehlstart bleibt. Trotzdem sehen einige Techniker darin einen möglichen Antrieb für eine bemannte Marsmission. Man braucht dann jedoch eine Stromversorgung um das Gas zu heizen. Der Reaktor selbst liefert ja keinen Strom.

Dasselbe gilt für einen weitergehenden Vorschlag, die Gase durch einen Lichtbogen zu erhitzen. Lichtbogentriebwerke gehören zu den Ionentriebwerken. Neben der höheren Temperatur wird der Wasserstoff auch in Atome zerlegt. Erheblich höhere spezifische Impulse sind dafür notwendig: Aber die Energie die man dafür braucht ist sehr hoch. Der NERVA I Reaktor hatte eine Leistung von 1500 kW thermisch und lieferte 250 kN Schub. Will man denselben Schub mit einem Lichtbogen erzeugen, so braucht man dafür eine elektrische Leitung von 12500 MW. Da die Reaktoren typischerweise nur etwa 20 % der thermischen Energie in elektrische Energie umwandeln ist dies kein gangbarer Weg. Mittels Lichtbogen sollten Ausströmgeschwindigkeiten von 20000 m/s möglich sein.

Eine weitere Verbesserung wäre der Festbett oder Partikelreaktor. In diesem sind Moderator und Kernbrennstoff in kleinen Kügelchen zusammen gebracht. Im Extremfall ist es sogar feiner Staub. Durch die größere Oberfläche erscheinen etwas höhere spezifische Impulse möglich. Das Gas kann besser erhitzt werden. Bei 2700 °C ist eine Ausströmgeschwindigkeit von 9300 m/s möglich. Die Gefahr ist jedoch, dass der Reaktor noch mehr seine Umgebung verstrahlt, denn das Pulver kann mit dem Gas abgetragen werden (die passiert auch beim herkömmlichen Reaktor, aber in geringerem Maße).

Eine utopische Möglichkeit wäre der Reaktor der den Kernbrennstoff in einem Gaswirbel enthält. Dieser wird dann vom Wasserstoff umströmt. Man erhält ein Plasma, dass man wie bei Fusionsreaktoren durch magnetische Felder von der Wand fernhalten muss. Ausströmgeschwindigkeiten von über 30000 m/s erscheinen damit möglich zu sein. Der Wirbel verliert jedoch laufend Brennstoff und verseucht so die Umgebung massiv. Auf der Erde testen könnte man solche Reaktoren auf keinen Fall. Diese Möglichkeit ist daher als Option für die ferne Zukunft anzusehen.

Für Marsmissionen werden heute keine nuklearen Antriebe mehr favorisiert. Neben der Kritik in der Öffentlichkeit die ein Einsatz hervorrufen würde hat sich auch die Sicht der Dinge geändert. Wernher von Braun plante noch kurze Marsmissionen mit einer Aufenthaltsdauer von 30 Tagen. Solche sind nur mit energetisch ungünstigen Bahnen möglich, d.h. man muss viel mehr Geschwindigkeit aufbringen um vor dem idealen Zeitpunkt am Mars anzukommen. Nukleare Antriebe hätten dies geleistet. Heute plant man auf dem Mars eine Aufenthaltsdauer von über 450 Tagen und startet dann erst zum optimalen Zeitpunkt wieder zurück. Wenn man aber genug Zeit hat, so kann man die unbemannten Teile der Mission mit Ionentriebwerken zum Mars transportieren.

Kleine Antriebe

Ein Reaktor ist nicht beliebig klein zu produzieren. Doch was macht man bei kleinen Raumsonden oder bei Satelliten ? Hier kam man auf die Idee radioaktive Isotope einzusetzen welche zwar pro Kilogramm weniger Energie abgeben als Kernreaktoren (es wird ja keine Kernspaltung forciert sondern nur der normale Zerfall ausgenutzt), aber dafür in beliebig kleinen Mengen eingesetzt werden können.

So wurde vorgeschlagen eine Poloniumquelle als Wärmelieferant zu verwenden. Polonium 210 hat eine Halbwertszeit von 0.38 Jahren. 30 g davon liefern 4 kW an thermischer Energie, damit würde man wie gehabt Wasserstoff thermisch erhitzen. Bei einer Temperatur von 1850 K würde eine Strahlgeschwindigkeit von 7300 m/s resultieren und ein Schub von 0.6 N. Wir haben also ein typisches Niedrigschubtriebwerk, wie bei den Ionenantrieben. Wie diese könnte man es aber länger betrieben. Lässt man es 4.5 Monate lang arbeiten (1 Halbwertszeit) so nimmt der Schub auf 50 % ab, weil die thermische Leistung im gleichen Maße abnimmt. In diese Zeit könnte das Triebwerk einen Gesamtimpuls von 5.39 Millionen N erbringen und 738 kg Wasserstoff verbrauchen. Bei einer Startmasse von 2000 kg wäre das Triebwerk fähig die Geschwindigkeit um 3360 m/s zu verändern.

Doch es gibt große Fragen bei diesem Antrieb. Zum einen: Wie hält man den Wasserstoff bei kleinen Antrieben über Monate hinweg flüssig ? Rückverflüssigungsanlagen sind schwer und lohnen sich erst ab einer gewissen Größe. Was macht man bei einer Startverschiebung? Schon 4.5 Monate Startverschiebung halbiert die Leistung des Antriebs und sie fällt weiter. Natürlich wären andere Isotope denkbar, doch zu welchem Preis? Es verwundert nicht, dass auch dieser Plan aus der Hochzeit der Kernenergie in den siebziger Jahren stammte als diese Kraftwerke wie Pilze aus dem Boden schossen.

Kein Antrieb, aber Stromlieferant

Vergleicht man Ionenantriebe und nukleare Antriebe so gibt es einige Gemeinsamkeiten. Beide nutzen Energie um ein inertes Medium zu erhitzen oder zu beschleunigen. Bei den Elektrothermischen Ionenantrieben verwendet man sogar dasselbe Medium.

Man könnte den Reaktor der ein nukleares Triebwerk antreibt auch nutzen um den Strom für ein Ionentriebwerk zu gewinnen. Ein Vorteil dieser Vorgehensweise ist, dass ein elektrisches Triebwerk eine viel höhere Ausströmgeschwindigkeit erreicht und damit viel weniger Treibstoff verbraucht. Bei Missionen mit einem hohen Antriebsbedarf wie z.B.. zu den Planeten Merkur oder in das äußere Sonnensystem würde so die Startmasse beträchtlich sinken. Zudem kann man dann den Reaktor sicher abschirmen. Falls es zu einem Fehlstart kommt kann dies entscheidend sein, ob eine Region weiträumig verstrahlt wird oder nicht. Nachteilig ist, dass man erst Verluste hat, wenn man Strom gewinnt. Die bei NERVA angegebene Leistung von 1100 MW ist die thermische Energie, die zu 80 % in die Antriebsenergie übergeht. Gewinnt man erst Strom, so beträgt der Wirkungsgrad maximal bei etwa 30-40 Prozent. Ein Ionentriebwerk des heute eingesetzten elektrostatischen Typs hat einen Wirkungsgrad von etwa 50-75 %, so dass der effektive Wirkungsgrad bei unter 15-30 % liegt, also erheblich geringer als bei der direkten Erhitzung von Wasserstoff.

Reaktoren die man in Satelliten eingesetzt hat brauchen jedoch einen so hohen Schutz, dass die spezifische Leistung unterhalb der von Solarzellen liegt. Dies kann sich bei richtig großen Reaktoren verbessern (Reaktoren an Bord von Satelliten haben typische elektrische Leistungen von 10-20 kW). Für den Einsatz in einem Flugzeug wurde einmal ein Reaktor theoretisch untersucht. Dieser hatte eine Masse von 70 t bei 200 MW Leistung. Das wäre eine gute Stromquelle gewesen. (Leistungsdichte von 2850 W/kg, Solarzellen erreichen maximal 300 W/kg, Dünnschichtzellen sollen 1500 W/kg erreichen). Doch wurde dieser nie gebaut. Stand der Technik sind klein gebaute Kernreaktoren in U-Booten. Diese wiegen 500 t bei 70 MW Leistung - Da ist die Leistungsdichte schon unter der von Solarzellen (140 W/kg).

Das Problem von Reaktoren ist die Abschirmung. Die Energie die der Reaktor abgibt steigt mit dem Volumen, also in der Dritten Potenz des Durchmessers. Die Oberfläche, die aber die Masse der Abschirmung bestimmt mit der zweiten Potenz. Als Folge gilt: Je größer ein Reaktor ist, desto günstiger ist das Verhältnis Leistung/Gewicht. Für kleine Leistungen wie man sie für unbemannte Sonden braucht ist das Verhältnis so schlecht, dass man einfacher Solarzellen einsetzt.

Dieser Text stammt von Bernd Leitenberger
© des Textes: Bernd Leitenberger. Jede Veröffentlichung dieses Textes im Ganzen oder in Auszügen darf nur mit Zustimmung des Urhebers erfolgen.
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