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Chemische Raketentreibstoffe Teil 5

Dieser Artikel entstand aus zwei Blogs, die ich als Antwort auf Bemerkungen eines gewissen Jewgeni-7 in meinem Blog über die (angeblichen) Neuentwicklungen in Russland für Methan und "Acetam" Triebwerke verfasst habe. Da sie viel Grundlagenwissen enthalten, habe ich daraus einen neuen Grundlagenartikel gemacht, der die bisherigen um dieses Spezialthema ergänzt.

Flüssiges Methan als Raketentreibstoff

Zuerst einmal: Was ist der Vorteil von Methan? Methan ist eigentlich nur ein Kohlenwasserstoff, aber ein besonderer. Normale Kohlenwasserstoffe haben sehr lange Ketten An jedem Kohlenstoffatom sitzen zwei Wasserstoffatome. An den Enden gibt es dann jeweils eines mehr. Aber durch den Gehalt an Alkenen und ringförmigen Molekülen weist Kerosin, der übliche Kohlenwasserstoff in der Summe in etwa die Zusammensetzung CnH2n auf. Auf ein Kohlenstoffatom kommen zwei Wasserstoffatome. Methan hat die Summenformel CH4. Oftmals wird auch von LNG (Liquid natural Gas) gesprochen. Verflüssigtes Erdgas besteht zu 90% aus Methan.

Methan enthält also doppelt so viel Wasserstoff wie Kerosin. Das hat zwei positive Auswirkungen:

Doch was sind die Nachteile? Flüssiges Methan hat eine niedrige Dichte von 0.42 und ist nur zwischen -183 und -162 °C flüssig. Kerosin dagegen hat eine Dichte von 0.8 bis 0,85 g/kg und siedet erst bei rund 180 °C (Werte für JP-1 den meist eingesetzten Treibstoff, Kerosin ist ein Synonym für ein breites Gemisch an Kohlenwasserstoffen, es gibt auch Gemische die erst bei 300°C verdampfen). Es ist also wie flüssiger Wasserstoff ein voluminöser Treibstoff und es ist nicht bei Zimmertemperatur flüssig, bzw. der Temperaturbereich in dem es flüssig bleibt ist nur 21°C groß.

De Fakto habe ich damit einen kryogenen Verbrennungsträger mit denselben Anforderungen an die Technik, wie flüssiger Wasserstoff. Die Frage ist: Lohnt sich der Übergang von Kerosin auf Methan?

Ich muss sagen, dass ich lange Zeit selbst Probleme hatte zu verstehen, warum Wasserstoff so viel mehr Aufwand macht, als flüssiger Sauerstoff, der ja schon immer als Oxydator verwendet wurde. Meine Vorstellung war: Sicher, die Temperatur ist niedriger und man braucht größere Tanks und eventuell verdampft etwas von dem Wasserstoff, weil der Temperatur-Bereich, in dem er flüssig ist, kleiner ist und er eine geringere Dichte hat, also das Verhältnis Oberfläche/Volumen größer ist. Doch was macht das aus? Für die Beanspruchung von Materialen macht es keinen Unterschied ob es -180 oder -250 Grad sind. Bei beiden Temperaturen sind Kunststoffe die bei Raumtemperatur weich sind, hart wie Stein und Metall steif und kaum dehnbar. Mir wurde es erst klar, als ich mich mehr mit der Technik eines Raketentreibwerks beschäftigt habe. Flüssiger Sauerstoff als Oxydator hat in einem Raketentriebwerk einen einfachen Weg: Ein Teil wird im Gasgenerator verbrannt und erzeugt das Arbeitsgas für die Turbine. Der Rest wird durch die Turbopumpe in die Brennkammer gedrückt und dort verbrannt. Das ist nicht viel mehr Aufwand wie für eine Pumpe die auch Wasser fördert (die ersten Turbopumpen der A-4 stammten von Pumpen für die Feuerwehr ab). Durch die große Dichte haben Turbopumpen für flüssigen Sauerstoff auch noch gut beherrschbare Drehzahlen, typisch zwischen 6000 und 13.000 Umdrehungen pro Sekunde.

Der Verbrennungsträger hat mehr Funktionen. Als erstes einmal wird mit dem Verbrennungsträger jedes Lager und jedes bewegliche Teil geschmiert. Die Möglichkeit einen eigenen Schmierstoff zu nutzen, scheidet bei Methan oder Wasserstoff wegen der niedrigen Temperaturen aus. Dann wird mit dem Verbrennungsträger die Brennkammer und Düse gekühlt. Weiterhin hängt die Leistung der Turbopumpe von dem transportierten Volumen ab, nicht vom Gewicht. Die LOX Turbopumpe des Vulcain 2 hat z.B. eine Leistung von 5.1 MW bei 12.600 U/min. Die für den Wasserstoff muss siebenmal weniger Gewicht fördern, hat aber eine Leistung von 14.1 MW bei 35.500 U/min weil Wasserstoff eine 16 mal geringere Dichte als Sauerstoff hat.

Nun zu den Herausforderungen, die Wasserstoff als Verbrennungsträger für die Technik stellt:

Das sind die technischen Herausforderungen bei Wasserstoff. doch wie sieht es bei Methan aus? Nicht viel besser. Der Bereich in dem es flüssig ist, ist ebenfalls nur etwa 20 K groß. Methan verdampft bei niedrigen Temperaturen wenn auch etwas höheren als Wasserstoff. Ein Treibstoff von -180 Grad Celsius muss bewegliche Teile schmieren, wodurch diese aus Materialen hergestellt werden müssen die bei diesen Temperaturen nicht aneinander haften. Etwas besser sind die Anforderungen an die Turbopumpe. Das geförderte Volumen ist nur 60% größer als bei Kerosin.

In der Summe hat man also einen Antrieb mit nahezu den gleichen technischen Anforderungen, die auch den Einsatz von Wasserstoff teurer machen, als den von Kerosin. Aber bringt es wenigstens etwas? Nein, denn der spezifische Impuls ist nur wenig größer. Ich will dies an zwei Beispielen zeigen. Zum einen am Vergleich real existierender bzw. projektierten Triebwerke für Erststufen, Oberstufen oder Satellitenantreiben.

Triebwerk NK-33 RD-170 Vulcain 2 SSME Volga RL-10A-3 RL-10A-3 Methan EADS 500 N Triebwerk Aerojet 445 N Triebwerk
Treibstoff LOX/Kerosin LOX/Kerosin LOX/LH2 LOX/LH2 LOX/LCH4 LOX/LH2 LOX/CH4 MMH/NTO LOX/Methan
Brennkammerdruck 145.7 Bar 300 Bar 118 Bar 220 Bar ? 28 bar 28 bar 11-18 bar 11,2 - 14,4 Bar
spezifischer Impuls Boden 2923 m/s 3030 m/s 3118 m/s 3560 m/s ?        
spezifischer Impuls Vakuum 3247 m/s 3305 m/s 4256 m/s 4462 m/s 3530 m/s 4365 m/s 3400 m/s 3187 m/s 3109 - 3138 m/s

Das zweite sind Berechnungen mit dem NASA FCEA Programm. Diesmal mit folgenden Eckwerten:

Treibstoff LH2/LOX CH4/LOX Kerosin/LOX
Verbrennungsverhältnis 1/6,10 1/3,06 1/2,62
spezifischer Impuls 4225,8 / 4374,8 m/s 3416,8 / 3515,8 m/s 3263,1 / 3356,1 m/s
Verbrennungstemperatur: 3514 K 3505.6 K 3695,2 K


In der Summe erreicht man mit Methan also etwa 200-300 m/s mehr gegenüber Kerosin, aber immer noch 700-800 m/s weniger als mit Wasserstoff/Sauerstoff. Die Frage ist: Ist dies den Aufwand wert? Meiner Meinung nach nein. Der Gewinn von 200 m/s steht in keinem Verhältnis zum Aufwand. Das gilt auch für andere Antriebe, so setzt die NASA ja das RS-68 in der Ares V ein, obwohl der spezifische Impuls dem eines SSME unterlegen ist, aber es ist preiswerter zu produzieren. Ich denke das gilt noch mehr für Methan, das in weiten Teilen die gleichen Herausforderungen wie flüssiger Wasserstoff stellt, ohne das man den Vorteil des hohen spezifischen Impulses als Nutzen hat.

Was derzeit erprobt wird, ist nicht Kerosintriebwerke auf Methan umzurüsten, sondern LOX/LH2 Antriebe auf Methan. Diese sind schon an die kryogenen Treibstoffe angepasst. Beim RL-10 wurde dies schon in den sechziger Jahren erprobt. Der Vorteil liegt in zwei Punkten: Gegenüber Wasserstoff sind die Tanks kleiner (Das Mischungsverhältnis beträgt typisch 2,6 bis 3,5 gegenüber 5,5 bis 6. Selbst unter Berücksichtigung dessen sind die Tanks nur ein drittel so groß wie bei Wasserstoff. Damit sind sie auch leichter.

Das Triebwerk hat einen höheren Schub. Wird gleich viel Sauerstoff gefördert, so resultiert durch das höhere Mischungsverhältnis und die höhere Dichte ein größerer Treibstoffdurchsatz. Beim RL-10 wären es 147 zu 99 kN gewesen.

Zuletzt ist die Temperatur die aufrecht erhalten muss näher an der von Sauerstoff und auch der Bereich in dem Methan flüssig ist, näher an Sauerstoff. Dies ist wichtig wenn man den Treibstoff längere Zeit kühl halten muss wie bei Mondmissionen. Hier wurde das RK-10 in einer abgewandelten Version untersucht. Methan wurde gewählt, weil es problematisch wäre Wasserstoff mit den großen Tanks und niedrigem Siedepunkt / kleinem Temperaturbereich in dem er flüssig ist, flüssig zu halten. Das RL-10 wurde untersucht, weil es im Schub reduzierbar ist, was für Mondlander notwendig ist. Es wurde aber nie mit lagerfähigen Treibstoffen getestet (die man beim Apolloprojekt für dieselbe Aufgabe einsetzte), daher griff man zu LOX/Methan.

Das DLR hat in einer Studie untersucht, ob Methan bei einer widerverwendbaren Erststufe einen Gewichtsvorteil bringt. Da die Tanks größer als bei Kerosin sind, eine Isolation erfordern, stieg dei Leermasse an. Dis hatte bei einer Wiederverwendung dann Auswirkungen auf andere Systeme (Flügelfläche, Treibstoff zum Erreichen des Startplatzes, Schub der triebwerke9, sodass als Folge die stufe schwerer wäre als mit LOX/Kerosin. Dies kann bei einer nicht wiederverwendbaren Rakete anders sein, doch ein höheres Leergewicht wird in jedem falle etwas von dem Gewinn durch den höheren spezifischen Impuls aufzehren.

Links

Fully Reusable Access to Space Technology

100-Lb(f) LO2/LCH4 Reaction Control Engine Technology Development for Future Space Vehicles

Comparative Study of Kerosene and Methane Propellants for - DLR

Acetam und andere neue Treibstoffe

Es ist schon erstaunlich. Obwohl die Chemie der Treibstoffe bekannt ist, alle guten Kombinationen längt identifiziert wurden, tauchen doch regelmäßig neue Kombinationen auf die viel mehr Nutzlast versprechen. Ich bin schon mal auf Methan/LOX eingegangen, nun wird gerade die Actem Kuh durchs Raketenstädtchen getrieben.

Auch ohne das man es genauer durchrechnet kann man eine Einstufung von Acetam, das eine nicht genauer spezifizierte Mischung von Ammoniak mit Ethin (den meisten Nichtchemikern als Acetylen bekannt) machen.

Wir haben bei Acetam die Verbrennung eines Kohlenwasserstoffes mit einem Stickstoffwasserstoff. So etwas gab es schon mal als Kombination LOX/UDMH. Der einzige Unterschied ist, das UDMH Kohlenwasserstoff und Stickstoffwasserstoff in einem Molekül ist. Er entspricht einer Mischung von 50 Ethen und 50% Ammoniak. Ohne die Kondensation hat der Ammoniak noch ein Wasserstoffatom mehr, doch ist das entscheidend? Der Wert von UDMH/LOX ist bekannt unter Normalbedingungen bei denen diese angegeben werden (Brennkammerdruck 7000 kpa, Außendruck 100 kpa) liegt er bei 3010 m/s. Die erste Version der Kosmos (11K63) nutzte diese Kombination in der Oberstufe, die im Vakuum mit einer sehr großen Entspannungsdüse einen spezifischen Impuls von 3450 m/s. erreichte. Das ist hoch, doch erreicht ein LOX/RP-1 Triebwerk wie das RD-0124 auch eine Ausströmungsgeschwindigkeit von 3531 m/s.

Das tolle heute ist, ist das man das nicht mehr ungesehen glauben muss. Man kann nachrechnen. Ich habe mit FCEA2, das sich jeder von der NASA runterladen kann. Die wesentlichen Daten für die Simulation sind als FCEA File diese:

problem    phi,eq.ratio=1.3
    rocket  equilibrium  frozen  nfz=1 
  p,bar=80,
  sup,ae/at=25,
react  
  fuel=C2H2(L) wt=100  t,k=135  
  oxid=O2(L) wt=100  t,k=90  
  fuel=NH3(L) wt=0  t,k=239  
end

Es ist eine Verbrennung bei 80 bar Brennkammerdruck mit einer Düse mit einem Expansionsverhältnis von 25 (typisch für eine Startstufe). Das Treibstoff/LOX Verhältnis habe ich auf 30% Überschuss festgelegt, das ist ein gängiger Wert und entspricht z. B bei LOX/LH2 von 6,15 zu 1 oder LOX/RP-1 von 2,67 zu 1.

Wenn man nun die Mischungsverhältnis von Ethin/Ammoniak anpasst, das eine von 100% auf 0 sinken lässt und das andere von 0 auf 100, so bekommt man folgende Kurven.

LOX/ Acetam

Für alle die nicht so sehr mit der Materie vertraut sind: "Frozen" und "equilibrium" sind zwei mathematische Annahmen über das chemische Gleichgewicht. Frozen liefert zu geringe Werte, equilibrium dagegen zu hohe. Die Wahrheit liegt also irgendwo in der Mitte, meist mehr bei Frozen. Beim RD-180, als einem dieser Treibstoffmischung verwandten Triebwerk sieht es z.B. so aus:

  CEA" "Frozen" CEA2 "equilibrium" RD-180 entspricht
spez. Impuls Boden 3165,1 3366,2 3050 m/s  
spez. Impuls Vakuum 3301,9 3518,2 3315 m/s 94% frozen

Bei einem Bodentriebwerk kommen noch weitere Verluste hinzu, sodass hier der Wert sogar noch unterhalb von "frozen" liegt. Man kann aber anhand des Vakuumwerts annehmen, das die realsten Werte von Acetam mehr bei "frozen liegen".

Nach dem Equilibriumwerten ist es klar - Ethin ist der bessere Treibstoff. Sie sinken bis 30% Ammoniak erst langsam, dann stark an. Bei Frozen ist die Situation komplizierter. Es gibt zwar auch einen Abfall bei hohem Ammoniakanteil, aber ein lokales Maximum, das bei etwa 50-60% Ammoniakanteil Allerdings: Wir reden hier über ein wirklich kleines Maximum. Hier liegt der spezifische Impuls bei 3315 m/s, während es bei 100% Ethin 3280 m/s, also nur 35 m/s weniger sind.

Lohnt sich dafür der Aufwand? Ethin ist bei normalem Druck nicht flüssig, es sublimiert sofort bei -83,8°C. Es wird technisch bei 48 Bar verflüssigt. Damit es flüssig bleibt muss ein Druck von mehr als 1,27 bar aufrechterhalten werden. Etwas unangenehmer ist aber, das flüssiges Acetylen zur Selbstzersetzung in Kohlenstoff und Wasserstoff neigt. Das wird natürlich sehr lustig, wenn das passiert wenn man damit eine Brennkammer kühlt, denn das passiert schon ab 200°C in der Gasform. Meiner Meinung nach ist das ein absolutes k.o Kriterium für den Einsatz als Raketentreibstoff.

Ammoniak ist zwischen -77,7 und -33 Grad flüssig und LOX zwischen -222 und -182 "C. Das bedeutet man hat drei Treibstoff mit unterschiedlichen Temperaturen und braucht eine entsprechende Isolierung.

Was hat man für den Aufwand? Nun man kann die Mischung mal mit den Werten für die gleiche Bedingungen ermittelten für LOX/RP-1 und LOX/Methan vergleichen.

  40% Ethin, 60% Ammoniak LOX/RP-1 LOX/Methan
spez. Impuls Boden (frozen) 3165,7 3044 3182,8
spez. Impuls Boden (frozen) 3315,8 3192,1 3340,8
spez. Impuls Boden (equilibrium) 3324,9 3215,7 3316,2
spez. Impuls Vakuum (equilibrium) 3516,5 3416,7 3509,2

Also unter eingefrorenem Gelichgewicht ist es 120 m/s besser als LOX/RP-1 aber 20 m/s schlechter als LOX/Methan. Bei freiem Gleichgewicht schrumpft der Vorsprung bei LOX/RP-1 auf 100 m/s. Methan/LOX liegt gleichauf mit 10-20 m/s Unterschied.

100-200 m/s bekommt man aber alleine als Gewinn, wenn man effizientere Triebwerke einsetzt, also entweder höherer Brennkammerdruck oder größere (erweiterbare) Expansionsdüsen. Nur als Beispiel: Das Ersetzen des RD-0110 in Block I der Sojus durch das RD-0124 steigerte den spezifischen Impuls von 3187 auf 3521 m/s, also um mehr als 300 m/s. Ein entsprechender Gewinn ist bei den unteren Blöcken möglich, wenn man dort das RD-191 oder NK-33 einsetzt. Hier mal für LOX/RP-1 Impulse für verschiedene Brennkammerdrücke (bei eingefrorenem Gleichgewicht und Vakuum)

Expansionsverhältnis 40 80 160 240
80 Bar Brennkammerdruck 3117,4 3222 3305,1 3345,6
160 Bar 3283,8 3354,7 3429,7 3460,7
240 bar 3306,5 3388,9 3454,7 3486,8

Haupteffekt ist der Brennkammerdruck, danach folgt die Länge der Expansionsdüse. In den sechziger war die Kombination 80 Bar, Entspannungsverhältnis 40 üblich, heute erreichen Hochdrucktriebwerke 270 bar und Expansionsdüsen mit einem Verhältnis von 240 gibt es auch. Im obigen Beispiel entspricht dies einer Steigerung des spezifischen Impuls von 350 m/s - erheblich mehr als man durch die Umstellung auf LOX/Methan oder LOX/Acetam erhalten würde.

Und weil ihr mir nicht glauben müsst (obwohl ihr alles nachrechnen könnt). Es haben auch andere zumindest Methan verglichen mit Kerosin. Für Rückkehrstufen gibt es eine Studie vom DLR. Da die Tanks größer sind und damit schwerer, dann noch eine Isolation dazukommt und dies bei einem wiederverwendbaren Gefährt natürlich auch auf andere Budgets durchschlägt (Treibstoff für den Rückflug, Flügelgröße) war dem so, das das Gefährt schwerer wurde (35.209 t vs 31.914 t Trockengewicht) und auch das Fluggewicht größer war (247.972 vs. 243.809 kg). Das muss bei nicht wiederverwendbaren Trägern nicht so sein, doch an den größeren Tanks (mehr als das doppelte Volumen von Kerosin) und der benötigten Isolation wird es blieben. Das wird einen Teil des Gewinns, der eh nur bei 100-150 m/s liegt auffressen.

Verwundert? Nö ich nicht. De Fakto hat man in den letzten Jahrzehnten, vor allem den fünfziger und sechziger Jahren alle möglichen Treibstoffe ausprobiert. Viele nur theoretisch, viele auch in Experimentaltriebwerken. Die USA haben schon LOX/Methan mit dem RL-10 in den Sechzigern erprobt und nie eingesetzt. Wenn man trotzdem Kerosin durch Methan nicht ersetzt hat, dann muss es einen Grund haben. Es lohnt sich nicht.

Man kann als Laie aber auch leicht erkennen, das an solchen Wundertreibstoffen nichts dran ist. Der Grund für Acetam soll sein, dass der Treibstoff billiger ist als Wasserstoff. Ah ja. Im außerrussischen Ausland, also im Rest der Welt machen die Treibstoffkosten typischerweise 1% des Raketenpreises aus. Es kann höher sein, bei festen Treibstoff oder beim Einsatz von Hydrazinderivaten, aber die Treibstoffkosten bestimmen nicht die Wahl des Treibstoffs. Kerosin müsste in etwa so teuer sein wie Heizöl, Sauerstoff wird großtechnisch hergestellt und dazu braucht man nur Luft. Auch er müsste billig sein, größenordnungsmäßig in der gleichen Kategorie. Wasserstoff ist schwerer zu beziffern. Er wird durch Elektrolyse hergestellt und muss dann verflüssigt werden. Da es bei uns für Brennstoffzellen genutzt wird, nehme ich mal das Ergebnis einer Studie, wonach 40% der reingesteckten Energie in den Brennstoffzellen als elektrische Energie ausgenutzt wird. Wenn das für flüssigen Wasserstoff auch gilt, so sind es bei einem Strompreis von 27 ct/Kwh knapp 3 Euro pro Kilogramm. Wenn es in Russland 67 Dollar, sind ist dort der Strom enorm teuer oder die Verluste (Verdampfen) enorm hoch.

Die Benutzung alternativer Treibstoffe hat in Russland Tradition. LOX/UDMH für die 11K63 wurde schon erwähnt. Die Sojus U2 setzte zum Teil "Sintin" ein, ein Kohlenwasserstoff Gemisch mit höherem spezifischem Impuls. Es war übrigens deutlich teurer, was jedoch damals keine Rolle spielte. Die Einstellung erfolgte, weil die Fabrik in der Zeit des wirtschaftlichen Zusammenbruchs zu machte, nicht weil der Treibstoff zu teuer war.

 Triergole Antriebe

In der Raketentechnik unterscheidet man zwischen Treibstoffen aus einer Komponente, mit zweien oder dreien. Als Komponente gilt dabei ein Treibstoff oder Oxydator in einem eigenen abgeschlossenen Behälter. So ist Aerozin, eine Mischung von UDMH und Hydrazin nur eine Komponente, weil es eine Treibstoffmischung ist. Auch feste Treibstoffe bestehen nur aus einer Komponente, obwohl die aus drei unterschiedlichen Materialien bestehen (einem Kunststoffbinder, Aluminium und Ammoniumperchlorat), wobei man allerdings sagen muss, das die Einteilung in diese drei Gruppen nur bei flüssigen Treibstoffen üblich ist.

Monergole Treibstoffe sind energiereiche Moleküle die man durch Katalysatoren oder Hitze leicht in energieärmere Produkte spalten kann, so Wasserstoffperoxid in Wasser und Sauerstoff oder Hydrazin in Ammoniak und Stickstoff.

Diergole Treibstoffe bestehen aus zwei Komponenten, zumeist einem Oxydator (Sauerstoff, Salpetersäure oder Stickstofftetroxyd) und einem Verbrennungsträger oder Brennstoff wie Kohlenwasserstoffe (Kerosin), Wasserstoff, Hydrazinderivate.

Bei einem triergolen Treibstoff gibt es dann zwei Oxydatoren mit einem Verbrennungsträger oder zwei Verbrennungsträger mit einem Oxydator. Zwei Oxydatoren wurden noch nicht untersucht, zumal die beiden potentesten, Fluor und Sauerstoff mischbar sind, man also nur einen Tank braucht (die Mischung wird als FLOX bezeichnet und für die Verbrennung von Kohlenwasserstoffen vorgeschlagen).

Theoretisch untersucht sind triergole Antriebe auf Basis von LH2 und Kerosin und Sauerstoff als Oxydator. Da Kerosin und flüssiger Wasserstoff unterschiedliche Temperaturbereiche haben in denen sie flüssig sind, kann man sie nicht miteinander mischen und braucht getrennte Tanks

Betrachtet man nur den spezifischen Impuls, so ist die Sache einfach: reiner Wasserstoff hat den höchsten. Das sieht man auch an der unteren Grafik, die den spezifischen Vakuumimpuls ("eingefrorenes Gelichgewicht") eines Triebwerkes mit 0-100% Wasserstoffanteil eines RP-1/LH2 Gemisches aufführt. Auf der anderen Seite hat Wasserstoff auch einige Nachteile. Selbst wenn man die praktischen Probleme bei Triebwerken außen vorlässt und sich nur auf die physikalischen Eigenschaften beschränkt, hat flüssiger Wasserstoff zwei Nachteile:

In der Summe haben Stufen die flüssigen Wasserstoff einsetzen Tanks die rund dreimal mehr wiegen, als wie Stufen, die Kerosin/Sauerstoff einsetzen.

Ein weiterer Nachteil ist durch den höheren spezifischen Impuls die längere Brennzeit einer Stufe. Wenn die Stufe mit der gleichen Startbeschleunigung startet, so braucht sie beim Einsatz von LH2 anstatt RP-1 ein Drittel länger bis der Treibstoff verbraucht ist. So steigen die Gravitationsverluste an.

In theoretischen Berechnungen kann man zeigen, dass eine Rakete, die zuerst Kerosin verbrennt und dann Wasserstoff eine leicht höhere Nutzlast hat, als jede Kombination für sich alleine. Dies beruht vor allem auf den niedrigeren Gravitationsverlusten. Zudem ist bei LOX/Kerosin der Unterschied zwischen spezifischen Impuls auf Meereshöhe und im Vakuum meist geringer. Die praktischen Nachteile überwiegen dies allerdings. So dürfen, wenn der Wasserstoff zu dosiert wird keine Kerosinreste mehr in den Leitungen verbleiben, weil dieses sonst zu Eis gefriert und sie verstopft. Man müsste dafür eine Lösung finden oder das Triebwerk zuerst abschalten, die Leitungen entleeren und dann erneut zünden. Bewegliche Teile müssen unterschiedlich geschmiert sein. Bei Kerosin kann man entweder Schmieröl nehmen oder Kerosin. Bei Wasserstoff kann dies nur mit Wasserstoff erfolgen, wobei die vorherige Schmierung zu Eis erstarren würde und Teile nicht mehr geschmiert wären. Die Kühlung von Brennkammer und Düse hat ein ähnliches Problem. Kerosin kann man über 200°C erhitzen bis es verdampft, flüssigen Wasserstoff nur um 7 Kelvin. Da der gasförmige Wasserstoff viel weniger Energie pro Volumen aufnimmt muss man die Kühlung auf den Wasserstoff ausrichten.

Eine theoretisch nicht untersuchte Möglichkeit will ich heute genauer betrachten, Es ist die gleichzeitige Verbrennung von Wasserstoff und Kerosin.  Die Wasserstoffzumischung erhöht die Energieausbeute und senkt die Molekularmasse ab. Beides steigert den spezifischen Impuls. Man kann das Triebwerk als reines RP-1/LOX Triebwerk auslegen und mit dem RP-1 die Kühlung durchführen. Das führt zu bezahlbaren Lösungen. Der Wasserstoff wird über eigene Leitungen gefördert und erst im Injektor zur Verbrennung mit dem Kerosin vermischt.

Wie man an der Grafik sieht erhöht schon eine kleine Beimischung die Ausströmgeschwindigkeit der Gase. Wenn man es praktisch ausnutzen will, so wird natürlich nur eine Turbopumpe betreiben und nicht derer zwei. ein Grund warum LOX/LH2 Triebwerke so aufwendig sind, ist das Wasserstoff so eine kleine Dichte hat. Selbst wenn man weniger davon fördern muss als bei LOX/RP-1 (Gewichtsverhältnis bei LOX/LH2 typisch 6 bis 5:1, bei LOX/RP-1 typisch 2,8 bis 2,6 zu 1), so ist das Volumen durch die geringe Dichte trotzdem viel höher. Dadurch brauchen die Turbopumpen sehr viel höhere Drehzahlen für den gleichen Förderdruck. Drehzahlen von 30.000 bis 60.000 U/min sind für LH2 Pumpen üblich. LOX und Kerosinpumpen liegen dagegen bei 6.000 bis 15.000 U/min je nach Mischungsverhältnis und Brennkammerdruck.

LOX/RP1+LH2Nimmt man ein LOX/RP-1 Verhältnis von 2,7 so fördert eine Turbopumpe pro Sekunde z. B. :

1 t LOX = 876 l

0.373 t Kerosin = 455 l

0,0319 t LH2 = 455 l

Das ist zwar nur eine Beimischung von 8,2%, aber es erhöht den spezifischen Impuls um 166 m/s. Der Treibstofftank ist dann genauso groß wie der Kerosintank was eine einfache Montage möglich macht. Bei einem Mischungsverhältnis von 2,8 zu erhält man so einen Vakuumimpuls von über 3600 m/s. Der Gewinn ist klein, aber dafür steigt aber auch die Trockenmasse nur um 5%. In der Summe verbleibt bei einer zweistufigen Rakete ein Gewinn von 430 m/s beim Erreichen eines erdnahen Orbits - nicht viel, aber es übersetzt sich in 15% mehr Nutzlast. Eine etwas höhere Mischung würde sich an der Drehzahl der LOX Pumpe orientieren, also hier die LH2 Pumpe über ein Getriebe anbringen. Dann würde die Mischung 14% LH2 enthalten.

Der spezifische Impuls ist fast genauso hoch wie bei LOX/Methan, nur muss man das Triebwerk nicht daran anpassen und das benötigte Tankvolumen ist sogar noch etwas kleiner. Die Zumischung von 14% LH2 würde ihn sogar über das Niveau von Methan anheben. Vielleicht sollte man diese Kombination mal ausprobieren.

Auch das nacheinandergeschaltete Verbrennen wäre möglich, wenn man ein Konzept wie bei der Atlas einsetzt:

Ein kleines zentrales Triebwerk das nur LOX/LH2 Verbrennt, mehrere Außentriebwerke die LOX/Kerosin verbrennen. Die Kerosintanks müsste man dann an der Seite anbringen, nicht wie bisher untereinander. wenn das Kerosin verbraucht ist, so werden die Ventile zu den Außentriebwerken geschlossen und der gesamte Triebwerksrahmen zusammen mit den Tanks abgetrennt. Das wäre sogar gegenüber der Atlas noch günstiger, da man dort nicht die Möglichkeit hatte Tanks abzuwerfen. Wenn das zentrale Triebwerk 15% des Schubs der Außentriebwerke hat, so ist erst ein Viertel des Wasserstoffs verbraucht, allerdings auch 78% des Sauerstoffs.

Artikel zuletzt geändert am 7.7.2013


© des Textes: Bernd Leitenberger. Jede Veröffentlichung dieses Textes im Ganzen oder in Auszügen darf nur mit Zustimmung des Urhebers erfolgen.
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