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Rendezvousmanöver

Einleitung

Bislang nur von Bedeutung bei bemannten Projekten, doch wahrscheinlich in Zukunft auch bei unbemannten Missionen, sind Rendezvousmanöver. Darunter versteht man die Annäherung, beziehungsweise die Kopplung von mehreren Raumschiffen, wobei sich eines im Orbit befindet, das zweite aber erst in diesen gelangen muss. Die Problematik ist universell und tritt so nicht nur bei Erdumlaufbahnen auf, sondern auch wenn ein Mondlander in einem Mondorbit mit einem Kommandomodul koppelt oder eine Marsmission in einem Marsorbit mit einer Rückkehrmission koppelt.

Die Problematik

Jeder Körper der sich in einem Orbit befindet, kann in seiner Bahn durch sechs Zahlenwerte beschrieben werden. Dies soll hier nicht detailliert beschrieben werden. Ich verweise hier auf die Wikipedia. Es sind drei Parameter, welche die Bahnform beschreiben (z.B. erdnächster, erdfernster Punkt und Bahnneigung) und zwei Ortskoordinaten, welche z.B. die genaue geographische Lage eines besonderen Bahnpunktes (z.B. des Perigäums) beschreiben (die Höhe steht durch die Wahl des Perigäums fest, da dieses ja einer der Bahnparameter ist) und das letzte ist ein Zeitindex, z.B. zu welchem Zeitpunkt ein Körper diesen Punkt durchfliegt.

Dies sind nur ein Beispiel der Bahnparameter, es sind auch andere Größen denkbar, die anders zusammen hängen, immer jedoch mindestens sechs.

Es reicht also nicht, wenn der gleiche Orbit erreicht wird, wie ein Rendezvouskörper, sondern man muss ihn auch an den gleichen Koordinaten zum gleichen Zeitpunkt im Raum platzieren. Das klingt kompliziert, ist in der Praxis jedoch einfach zu lösen. Die Anforderungen werden nur sehr hoch, wenn man dafür wenig Zeit hat.

So funktioniert es - im Allgemeinen

GroundtrackIm Prinzip kann man zu jedem beliebigen Zeitpunkt starten. Die einzige wichtige Bedingung ist, dass der Orbit die gleiche Bahnneigung aufweist wie der Zielorbit. Da man sehr viel Energie braucht um die Bahnneigung zu ändern (v = 2 * sin (Differenz/2) - v beträgt bei niedrigen Erdbahnen zwischen 7500 und 7800 m/s) sollte die Bahnneigung schon beim Start sehr genau erreicht werden. Heutige Raketentypen erreichen eine Genauigkeit von unter 0.1 Grad, so dass man für die Korrektur weniger als 15 m/s benötigt. Hat ein Satellit eine andere Bahnneigung so werden sich die Umlaufbahnen jeweils nur in zwei Punkten pro Umlauf schneiden.

Der Körper befindet sich doch dann in der Regel in einer anderen Umlaufbahn und an einer anderen Position im Orbit. Doch durch die unterschiedliche Geschwindigkeit wird eine Positionsdifferenz schnell aufgeholt. Eine 200 km Kreisbahn hat z.B. eine um 1 Minute kleinere Umlaufszeit als eine 250 km Kreisbahn. Bei 90 Minuten Umlaufszeit würde also in 45 Umläufen jeder Körper, der sich maximal einen halben Orbit von der Startposition entfernt befindet, eingeholt werden.

Eine Problematik ist aber die Position quer zur Bewegungsrichtung. Anders als die Position in der Bewegungsrichtung verändert sich diese nicht. Analog wie ein Auto das ein Zweites überholt zwar sich von diesem immer weiter entfernt, aber sich eben immer auf der Parallelspur befindet, ändert ein anderer Orbit nicht die Distanz quer zur Bahnebene.

Die Abbildung links zeigt einen Bodenpfad (Ground Track) eines fast polar umlaufenden Wettersatelliten. Es ist eine Sinuskurve, die um die Erde gewickelt ist. Wie zu sehen ist, erreicht der Satellit nach einem Tag fast die Ursprungsposition, aber nicht genau. Im Prinzip wird jeder Satellit irgendwann einen Startort senkrecht überfliegen, so dass man dann einen Rendezvouskörper starten kann, der sich dann hinter dem Satelliten befindet, aber nicht neben ihm.

Idealerweise wird die Bahn des Rendezvouskörpers aber eine solche sein, die mit der Erdrotation in einem einfachen Verhältnis steht, z.B. eine Umlaufszeit von 1/15 eines Erdtages, so dass nach genau 15 Orbits (oder einem Erdtag) der Zielkörper den Startort wieder überfliegt. Dies ist z.B. bei einer rund 275 km hohen Erdumlaufbahn der Fall, bei der die Umlaufszeit ziemlich genau 1/16 eines Tages beträgt und in solche Umlaufbahnen wurden auch die Agena Zielsatelliten des Gemini Programmes geschossen. Bei den meisten Mondmissionen befanden sich die Kommandokapseln in einem äquatorialen Orbit, also einem über dem Mondäquator. In diesem überfliegen sie jeden Punkt am Äquator einmal pro umlauf - Daher lagen dei Landeplätze der meisten Apollo Missionen auch am Mondäquator.

Dann muss der Verfolgungskörper eigentlich nur starten, kurz bevor der Zielkörper den Startort überfliegt (kurz bevor, weil natürlich auch eine gewisse Zeit benötigt wird, um die Orbitgeschwindigkeit zu erreichen - solange ist der Zielkörper schneller und muss eingeholt werden).

Das Annähern

Annäherung aTVDer Verfolgungskörper soll nun in einer Umlaufbahn sein mit denselben Bahnparametern wie der Zielkörper, nur eben hinter ihm. Wie holt er ihn ein? Hier musste man teures Lehrgeld zahlen. Die Ankopplung an unbemannte umgerüstete Agena Stufen war eines der Ziele des Gemini Programmes. Anfangs experimentierte man sogar mit den Zweistufen der Titan, die mit den Raumschiffen in einen Orbit gelangten. Man musste eigentlich nur die Kapseln drehen und diese wieder anfliegen. Eine leichte Aufgabe, wie es für die Piloten schien, schließlich hatten diese alle mehrere Tausend Flugstunden absolviert und derartige Manöver hundertfach in der Luft absolviert. Man nimmt Geschwindigkeit auf und ist schneller und verringert so den Abstand. Im Orbit bedeutet aber jede Geschwindigkeitsänderung Bahnänderung. Nehmen wir an beide Körper befinden sich anfangs in einer 300 km Kreisbahn. Nun beschleunigt der Verfolgungskörper um 10 m/s. Die Folge ist ein elliptischer Orbit mit einem erdfernsten Punkt von 334 km und einer um 21 Sekunden höheren Umlaufszeit. Von dem verfolgenden Körper aus passieren nun zwei Dinge: da man sich nun in einem Orbit befindet, dessen erdnächster Punkt höher liegt, taucht der Zielkörper nach unten weg, da man eine höhere Umlaufbahn einschlägt. Nach einem halben Umlauf hat man das Apogäum erreicht und man nähert sich wieder der Erde und die Höhendifferenz (die maximal 34 km beträgt) sinkt wieder.

Das zweite ist die unterschiedliche Geschwindigkeit: Die (anfangs) höhere Geschwindigkeit wird in potentielle Energie umgewandelt, also einer Anhebung des Orbits. Sie sinkt nun laufend, bis sie beim Apogäum ein Minimum erreicht, die rund 30 m/s niedriger liegt als beim Zielkörper. Nach einem Umlauf hat der Zielkörper den Startpunkt des Manövers schon 21 Sekunden vorher passiert. Das entspricht einer Distanz von rund 162 km. Anstatt also die Distanz zu verringern, hat man sie erhöht.

Das wurde bei allen frühen Gemini Missionen beobachtet. Obwohl diese über deutlich mehr Treibstoff (pro Kilogramm Raumschiff) verfügten als der heutige Space Shuttle, war Treibstoffknappheit immer ein Problem. Der erstmals eingesetzte Bordcomputer bekam daher für die späteren Missionen (ab Gemini 8) ein Programm, das dem Piloten eine numerische Anzeige des Vektors und der Geschwindigkeit vorgab. Der Pilot musste nun nur noch den Steuerknüppel in die richtige Richtung drehen und drücken, bis die Anzeige "0:00" erreichte. Als Folge davon, gab es bei Apollo und allen folgenden Missionen, gar keine manuelle Steuerung bis der Nahbereich erreicht wurde, sondern der Computer steuerte das Raumschiff nach den vorliegenden Navigationsdaten und Bahntrajektorien.

Wie holt man dann einen Körper ein? Durch das genaue Gegenteil: Man beschleunigt nicht, sondern bremst ab. Dadurch fällt man auf einen niedrigeren Orbit. Auf diesem hat man eine höhere Bahngeschwindigkeit, verringert also die Distanz. Man befindet sich aber ständig unterhalb des Zielkörpers. Erst wenn man auf dessen Position ist, hebt man den Orbit erneut an. Dieses Manöver ist hier bei der Ankopplung des ATV wieder gegeben.

Die Genauigkeit

Sofern man genügend Zeit hat ist diese Vorgehensweise kein Problem. Bei bemannten Missionen hat man diese in der Regel nicht. So war eine Aufgabe im Gemini Programm die Ankopplung immer schneller durchzuführen. Zuerst nach 3-4 Umläufen, dann nach zwei und zuletzt nach einem Umlauf. Entsprechend musste die Startdistanz immer kleiner sein und der Startzeitpunkt sich immer mehr an einem immer engeren Zeitfenster orientieren. Das Startfenster betrug am Anfang noch eine Minute, was einer maximalen Distanz von rund 200 km entspricht und sank dann auf wenige Sekunden, was dann etwa 20 km entsprach. Bei unbemannten Missionen kann man sich viel mehr Zeit lassen und entsprechend länger ist das Fenster. In der Regel ist es jedoch einfacher, bei einer längeren Verschiebung einfach den Start bis zum nächsten Überflug zu verschieben.

Das ankoppeln

Wie erläutert nähert sich das Raumfahrzeug von unten an den Zielkörper. Die Endankopplung muss dann relativ schnell erfolgen und die Relativgeschwindigkeit muss dabei immer kleiner werden - nicht so sehr um den Zielkörper zu beschädigen, sondern weil eine höhere Relativgeschwindigkeit einen anderen Orbit entspricht. Das ATV benötigt für die letzten 250 m etwa 21 Minuten, wobei sich die Relativgeschwindigkeit von 0.4 m/s auf 0.07 m/s reduziert. Die erste Geschwindigkeitsdifferenz entspricht immerhin noch einem 0.7 km niederen Orbit, der letztere ist noch 100 m niedriger. Daher hat ein Raumfahrzeug nicht unendlich viel Zeit zum Ankoppeln, sondern muss wenn diese nicht möglich ist, sich wieder auf einen anderen Orbit zurückziehen.


© des Textes: Bernd Leitenberger. Jede Veröffentlichung dieses Textes im Ganzen oder in Auszügen darf nur mit Zustimmung des Urhebers erfolgen.

Bücher vom Autor über Raumsonden

Lang Zeit gab es von mir nur ein Buch über Raumsonden: die beiden Mars-Raumsonden des Jahres 2011, Phobos Grunt und dem Mars Science Laboratory. Während die russische Raumsonde mittlerweile auf dem Grund des Pazifiks ruht, hat für Curiosity die Mission erst bekommen. Das Buch informiert über die Projektgeschichte, den technischen Aufbau der Sonden und ihrer Experimente, die geplante Mission und Zielsetzungen. Die Mission von Curiosity ist bis nach der Landung (Sol 10) dokumentiert. Einsteiger profitieren von Kapiteln, welche die bisherige Marsforschung skizzieren, die Funktionsweise der Instrumente erklären aber auch die Frage erläutern wie wahrscheinlich Leben auf dem Mars ist.

2018 wurde dies durch zwei Lexika, im Stille der schon existierenden Bücher über Trägerraketen ergänzt. Jedes Raumsonden Programm wird auf durchschnittlich sechs bis acht Seiten vorgestellt, ergänzt durch eine Tabelle mit den wichtigsten zeitlichen und technischen Daten und Fotos der Raumsonde, bzw., Fotos die sie aufgenommen hat. Ich habe weil es in einen band nicht rein geht eine Trennung im Jahr 1990 gemacht. Alle Programme vorher gibt es in Band 1. Die folgenden ab 1990 gestarteten dann in Band 2. In Band 2 ist ein Raumsonden Programm meist eine Einzelsonde (Ausnahme MER). In Band 1 dagegen ein Vorhaben das damals zumeist aus Doppelstarts bestand, oft auch mehr wie z.B. neun Ranger oder sieben Surveyor. Beide Bänder sind etwa 400 Seiten stark. In Band 1 gibt es noch eine gemeinsame Einführung für beide Bände über Himmelsmechanik und Technik der Instrumente. Beide Bände haben einen Anhang mit Startlisten, Kosten von Raumsonden und Erfolgsstatistiken. Band 2 hatte Redaktionsschluss im Januar 2018 und enthält die für 2018 geplanten Missionen über die es genügend Daten gab.

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