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Wird man von Selbstgebranntem blind?

Schön wäre es, wenn die alkoholische Gärung immer genau so verlaufen würde, wie wir sie wollen. Wenn wir von Alkohol reden, so meinen wir den Ethylalkohol, chemisch Ethanol genannt. Er ist das primäre Abbauprodukt von Zucker. Er ist jedoch nicht das Einzige. Die Hefen bilden in weiteren Reaktionen aus dem Alkohol weitere Verbindungen, sie vergären aber nicht nur den Zucker. Sie bauen auch Eiweiß ab und auch Kohlenhydrate, die für uns unverdaulich sind, wie z.B. das Pektin. Es entstehen zahlreiche flüchtige Verbindungen, die charakteristisch für das Aroma sind und von Spirituose zu Spirituose schwanken. Manche dieser Verbindungen kann man daher auch nutzen, um die Lagerzeit oder Verfälschungen festzustellen. Besonders arm an flüchtigen Verbindungen sind Getreidebranntweine und besonders reich sind Obstbranntweine. Diese flüchtigen Verbindungen kommen bei den primären Gärungsprodukten vor (Wein, Bier, Maische), aber sie reichern sich bei der Destillation an.

Die meisten Nebenprodukte sind auch in höherer Konzentration harmlos. Die toxischen Wirkungen beschränken sich zumeist auf einen Brummschädel, da unser Körper zuerst den Ethylalkohol entgiftet und solange dieser nicht vollständig abgebaut ist, können diese Gärungsnebenprodukte wegen ihrer Fettlöslichkeit durch die Blut/Hirnschranke diffundieren und dort als Lösungsmittel die Nervenleitung durcheinanderbringen.

Eine Sonderrolle nimmt der Methanol ein. Dieser einfachste Alkohol erzeugt beim Abbau den Formaldehyd, der stark toxisch ist. Er denaturiert Eiweiß und wirkt so akut toxisch in der Leber, wo die Entgiftung erfolgt. Die Erblindung und bei größeren Mengen auch der Tod kommt jedoch durch die aus dem Formaldehyd gebildete Ameisensäure zustande. Der Mensch kann Ameisensäure nur sehr langsam abbauen. Es kommt zu einer Azidose, einer lebensbedrohlichen Verschiebung des pH-Wertes von Körperflüssigkeiten wie dem Blut ins Saure. Am empfindlichsten reagieren die Nerven auf die Azidose. Daher als erste Symptome Kopfschmerzen, dann Erblindung durch Zerstörung des Sehnervs. Der Tod kommt dann durch eine Atemlähmung zustande, wenn diese Nerven ausfallen.

Methanol wirkt ab 0,1 g/kg Körpergewicht toxisch, mehr als 1 g/kg (entsprechend 6 g bzw. 60 g bei einer 60 kg schweren Frau) sind tödlich. Die meisten Branntweine enthalten kaum Methanol. Eine Ausnahme sind Branntweine aus Kernobst, bei dem die Maische größere Mengen an Zellbestandteilen enthält, wie bei der Herstellung von Apfelbranntwein, Cidre oder Birnenbranntwein. Das Methanol entsteht durch die Spaltung und Vergärung des Pektins. Wird die Maische vor dem Brennen filtriert, sodass sie kaum Zellwände enthält, so sind die Brände arm an Methanol. Für Spirituosen, die im Handel sind, gibt es eine Obergrenze von 10-13,5 g Methanol/l Ethanol. Isoliert betrachtet wären diese Grenzen schon so hoch, dass man sich damit vergiften könnte. Da aber gleichzeitig immer Ethanol aufgenommen wird, bewirkt dieser durch die Hemmung des Methanolabbaus das diese Menge vertragen wird.

Anders sieht dies bei selbst gebranntem aus. Methanol siedet bei 65°C, Ethanol bei 78°C. Wird die Destillation langsam durchgeführt, so wird man im Vorlauf zuerst eine stark methanolhaltige Fraktion erhalten, die man verwerfen sollte, dann den eigentlichen trinkbaren Teil und im Nachlauf dann weitere höhere Alkohole und höhere Ester mit noch höheren Siedepunkten. Auch den Nachlauf verwirft man. Beachtet man dies nicht, entweder aus Nichtwissen oder aus Gewinnmaximierung, dann enthält der Schnaps viel Methanol. Auch bei der Behandlung der Maische kann man die Bildung des Methanols reduzieren.

Was kann man tun, wenn man den Verdacht hat, dass eine Vergiftung vorliegt? Nun, wenn man erst blind ist, dann ist es zu spät, aber vorher gibt es die Möglichkeit den Abbau zu verzögern. Dazu müssen die Betroffenen reinen Ethanol zu sich nehmen (oder ein Getränk das kaum Methanol enthält wie z.B. Wodka). Vorgeschlagen werden 0,7 g Ethanol/kg Körpergewicht, was bei einer 60 kg schweren Frau etwa fünf bis sechs Schnapsgläsern Wodka entspricht. Dieser Pegel muss dann über Tage aufrechterhalten werden. Der Ethanol genießt Vorrang beim Abbau, das bedeutet der Methanol wird langsam abgebaut was dem Körper Zeit gibt die Ameisensäure abzubauen. Den Abbau der Ameisensäure kann man durch die Zugabe des Vitamins Folsäure steigern. Gegen die Azidose kann die Aufnahme einer Natriumhydrogencarbonatlösung (Infusion) helfen, bei starken Vergiftungssymptomen hilft allerdings meist nur eine Dialyse.

Der Körper kommt mit kleineren Mengen an Methanol sehr gut zurecht, so entsteht im Stoffwechsel z.B. täglich zwischen 300 und 600 mg Methanol und kleinere Mengen an Methanol sind auch in Fruchtsäften und -nektaren enthalten, hier durch Enzyme die zugesetzt werden um die Zellwände aufzuspalten und die Saftausbeute zu erhöhen. Fruchtsaft enthält bis zu 200 mg Methanol/l (Mittelwert 40 mg/l). Bei Wein sind es 180 mg/l (Mittelwert 80 mg/l) und bei Likören 220 mg/l (Mittelwert 107 mg/l). Das ergab die Auswertung von über 200 Proben durch die Landesuntersuchungsämter in Baden-Württemberg 2009.

Bücher vom Autor

Zum Thema Ernährung, Lebensmittel und Lebensmittelchemie/recht sind bisher vier Bücher von mir erschienen:

Das Buch „Was ist drin?“ wendet sich an diejenigen, die unabhängige Informationen über Zusatzstoffe und Lebensmittelkennzeichnung suchen. Das Buch zerfällt in vier Teilen. Es beginnt mit einer kompakten Einführung in die Grundlagen der Ernährung. Der zweite Teil hat zum Inhalt eine kurze Einführung in die Lebensmittelkennzeichnung - wie liest man ein Zutatenverzeichnis. Welche Informationen enthält es? Ergänzt wird dies durch einige weitere Regelungen für weitergehende Angaben (EU Auslobung von geografischen Angaben, Bio/Ökosiegel etc.).

Der größte der vier Teile entfällt auf eine Beschreibung der technologischen Wirkung, des Einsatzzweckes und der Vorteile - wie auch bekannter Risiken - von Zusatzstoffen. Der letzte Teil zeigt beispielhaft an 13 Lebensmitteln, wie man ein Zutatenverzeichnis sowie andere Angaben liest, was man schon vor dem Kauf für Informationen aus diesem ableiten kann, die einem helfen, Fehlkäufe zu vermeiden und welche Tricks Hersteller einsetzen, um Zusatzstoffe zu verschleiern oder ein Produkt besser aussehen zu lassen, als es ist. 2012 erschien eine Neuauflage, erweitert um 40 Seiten. Sie trägt zum einen den geänderten Gesetzen Rechnung (neue Zusatzstoffe wurden aufgenommen, Regelungen über Lightprodukte beschrieben) und zum anderen ein Stichwortregister enthält, das sich viele Leser zum schnelleren Nachschlagen gewünscht haben.

Wie sich zeigte, haben die meisten Leser das Buch wegen des zentralen Teils, der die Zusatzstoffe beinhaltet, gekauft. Ich bekam auch die Rückmeldung, dass hier eine Referenztabelle sehr nützlich wäre. Ich habe daher 2012 diesen Teil und den Bereich über Lebensmittelrecht nochmals durchgesehen, um die neu zugelassenen Zusatzstoffe ergänzt und auch um neue Regelungen, wie bei der Werbung mit nährwertbezogenen Angaben. Ergänzt um eine Referenztabelle gibt es nun die zwei mittleren Teile als eigenes Buch unter dem Titel "Zusatzstoffe und E-Nummern" zu kaufen.

Nachdem ich selbst über 30 kg abgenommen habe, aber auch feststellen musste wie wenig viele Leute von Ernährung oder der Nahrung wissen, habe ich mich daran gemacht einen Diätratgeber "der anderen Art" zu schreiben. Er enthält nicht ein Patentrezept (wenn auch viele nützliche Tipps), sondern verfolgt den Ansatz, dass jemand mit einer Diät erfolgreicher ist, der genauer über die Grundlagen der Ernährung, was beim Abnehmen passiert und wo Gefahren lauern, Bescheid weiß. Daher habe ich auch das Buch bewusst "Das ist kein Diätratgeber: ... aber eine Hilfe fürs Abnehmen" genannt. Es ist mehr ein Buch über die Grundlagen der Ernährung, wie eine gesunde Ernährung aussieht und wie man dieses Wissen konkret bei einer Diät umsetzt. Es ist daher auch Personen interessant die sich nur über gesunde Ernährung informieren wollen und nach Tipps suchen ihr Gewicht zu halten.

Das Buch "Was Sie schon immer über Lebensmittel und Ernährung wissen wollten" wendet sich an alle, die zum einen die eine oder andere Frage zu Lebensmitteln und Ernährung haben, wie auch die sich für die Thematik interessieren und auf der Suche nach weitergehenden Informationen sind. Während andere Autoren zwar auch populäre Fragen aufgreifen und diese oft in einigen Sätzen beantworten und zur nächsten Frage wechseln, habe ich mich auf 220 Fragen beschränkt, die ich mehr als Aufhänger für ein Thema sehe, so hat das Buch auch 392 Seiten Umfang. Jede Frage nimmt also 1-2 Seiten ein. Sie sind nach ähnlichen Fragestellungen/Lebensmitteln gruppiert und diese wieder in vier Sektionen: zwei Großen über Lebensmittel und Ernährung und zwei kleinen für Zusatzstoffe und Lebensmittelrecht/Werbung. Man kann das buch daher von vorne bis hinten durchlesen und so seinen Horizont erweitern, aber auch schnell mal nach einer Antwort suchen. Ich habe sehr viele positive Rückmeldungen bekommen, vor allem weil der Stil nicht reißerisch ist und ein Dogma verbreiten will, sondern aufklärend ist.

Sie erhalten alle meine Bücher über den Buchhandel (allerdings nur auf Bestellung), aber auch auf Buchshops wie Amazon, Libri, Buecher.de und ITunes. Sie können die Bücher aber auch direkt bei BOD bestellen.

Mehr über diese Bücher und weitere des Autors zum Themenkreis Raumfahrt, finden sie auf der Website Raumfahrtbucher.de.


© des Textes: Bernd Leitenberger. Jede Veröffentlichung dieses Textes im Ganzen oder in Auszügen darf nur mit Zustimmung des Urhebers erfolgen.
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