Das äußere Sonnensystem – Terra icognita?

Im Jahre 1975 veröffentlichte ein Gremium der NASA folgende "Roadmap! für die zukünftige Erforschung der Planeten:

  • 1981/82: Start eines Jupiter Orbiters mit Atmosphärensonde (das spätere Galileo Projekt)
  • 1982/83: Start eines Venus Orbiters der mit Radar 35 % Derr Oberfläche abtastet (das spätere Magellan Projekt)
  • 1983/84: Start eines Mars Rovers der die Oberfläche des Planeten erkunden sollte (die späteren Mars Exploration Rovers)
  • 1985/86 Vorbeiflugsonden an Saturn und Uranus (Ankunft 1988 bzw. 1992)
  • 1988: automatischer Rücktransport von Marsgesteinsproben zur Erde
  • Nach 1990: Start eines Saturn Orbiters mit Titan Atmosphärensonde eventuell Titan Orbiter (die spätere Cassini/Huygens Sonde).
  • Nach 1990: Uranus Orbiter mit Atmosphärensonde

Betrachtet man diese Liste aus 30 Jahren Abstand, so fallen nicht nur die enormen Verzögerungen bei den angegangenen Projekten auf (Ausnahme Cassini/Huygens). Es ist vor allem die Ausrichtung auf das äußere Sonnensystem, welche auffällt. In der Tat erschien dieser Schritt logisch: Venus hat eine unwirtliche Umgebung, Landesonden sind hier nicht möglich und die Beobachtung der Oberfläche geht nur mit Radar. Merkur ist schwer zu erreichen. Man braucht zu ihm fast die Geschwindigkeit die man für einen Jupiterflug braucht, und er ist geologisch genauso tot wie der Mond. Der Mars ist gut bekannt gewesen und auf Basis der damaligen Technologie wäre eine Nachfolgemission von Viking recht teuer geworden. Dagegen kannte man wenig von den äußeren Planeten und hatte hier in den letzten Jahren enorme Fortschritte gemacht: Den einfachen Pioneers waren die komplexeren Voyager Sonden gefolgt und Galileo als erster Orbiter um einen Gasplaneten stand am Horizont.

In der Tat sind die Gasplaneten sehr interessant. Um sie tummeln sich auch Monde die ein Planetensystem im kleinen darstellen. Aber sie sind auch schwer zu erreichen. Die Startenergien sind hoch und das macht die Sonden klein. Mehr noch: Am Ziel muss man die gleiche Geschwindigkeit wieder abbauen um in einen Orbit einzuschwenken.

Aerodynamische Abbremsung wäre eine Möglichkeit dies zu vermeiden, sie ist jedoch noch nie in diesem Maße erprobt worden. So verwundert es nicht, dass Uranus, Neptun und Pluto noch auf einen Orbiter warten müssen. doch bei Saturn und Jupiter sieht die Situation anders aus. Sie sind in 2 beziehungsweise 6 Jahren auf Bahnen erreichbar, bei denen man nur wenig Geschwindigkeit vernichten muss um in einen Orbit einzuschwenken. Trotzdem gab es, seitdem dieses Pamphlet veröffentlicht wurde, nur Galileo und Cassini, 2011 soll Juno folgen, um die Plasmaumgebung von Jupiter zu untersuchen. Das ist verglichen mit der Anzahl an Marssonden recht wenig: Zzu Mars starteten seit 1997 insgesamt 12 Sonden, davon 9 aus den USA. Woher das Desinteresse?

Nun ich meine es ist kein Desinteresse an den Planeten, es ist schlicht und einfach das Desinteresse an "Großunternehmen". Sonden zu den äußeren Planeten werden einfach erheblich teurer als andere Unternehmungen. Nehmen wir die kleine New Horizons Sonde. Sie wiegt nur 480 kg, hat nur wenige Experimente an Bord, trotzdem kostet sie 723 Millionen Dollar. Warum? Nun sie braucht:

  • die leistungsstärkste Trägerrakete der USA, eine Atlas 551 mit Star 48V Oberstufe. Kosten dafür alleine 223 Millionen Dollar
  • RTG produzieren Strom aus Plutonium 238, das man in Kernreaktoren erbrütet (aus Neptunium, einem Abfallprodukt der Gewinnung von waffenfähigem Plutonium). Mit dem Rückgang der Kernwaffenproduktion ist dieses enorm teuer geworden. ein neuer RTG kostet 90 Millionen Dollar, ein wieder aufgearbeiteter wie ihn New Horizons verwendete, immerhin noch 75 Millionen Dollar. Dabei liefert dieser nur 285 Watt Leistung.
  • Bei den großen Distanzen gibt es brauchbare Datenraten, nur bei Verwendung der 70 m Antennen des DSN, die natürlich etwas mehr kosten als die sonst verwendeten 34 m Antennen.
  • Flüge dauern lange. Zu Pluto ist New Horizons 9 Jahre unterwegs. Selbst mit Hibernationsperioden kostet es natürlich Geld. ein Kernteam von Wissenschaftlern und Missionsspezialisten über diese Zeit zusammen zu halten.

Juno wird einen der Kostenfaktoren eliminieren: Die RTG. Sie benutzt 3 riesige Solarpanel um den Strom zu gewinnen. Doch dies klappt nur noch bei Jupiter und ist schon dort deutlich schwerer als ein RTG. Für Expeditionen weiter nach außen ins Sonnensystem ist dies nicht praktikabel.

Doch es gibt Entwicklungen, die es erlauben würde nicht nur Uranus und Neptun zu erreichen, sondern auch Pluto und andere KBO, und dabei nicht nur einen Vorbeiflug durchzuführen, sondern in einen Orbit einzuschwenken. Die drei Schlüsselelemente sind:

  • neuartige RTG
  • Antrieb mit Ionentriebwerken
  • Miniaturisierung der Sonde

Neuartige RTG: Derzeit werden Sterling-Motoren als Wandler für die Wärme in elektrische Leistung erprobt. Diese haben einen höheren Wirkungsgrad von 25 %, gegenüber die etwa 6 % die derzeitige RTG aufweisen. Das erlaubt es diese leichter zu bauen und die Plutoniummenge zu reduzieren. Sie liefern den Strom für die Ionentriebwerke. Dawn setzt diese schon ein um Vesta und Ceres zu erreichen. Bei den Missionen wird man sie einsetzen um zuerst zu beschleunigen um die Reisezeit zu verkürzen und dann vor dem ziel wieder abzubremsen.

Trotzdem geht dies nur mit relativ kleinen Sonden. ein Technical Memorandum geht von 127-307 kg Sondenmasse aus (plus dem Antrieb und den RTG), je leichter desto schneller ist man am Ziel. Vor allem sind so aber auch so Missionen möglich die sonst ausgeschlossen sind, wie Orbiter um einen Uranusmond (zu wenig Masse für das Abbremsen durch Fly-Bys) oder ein Vorbeiflug an einem der äußeren KBO in Zeitskalen die erträglich sind.

Damit eine so kleine Sonde nennenswerte Datenmengen übertragen kann, braucht man dann wieder die 70 m Antennen und das macht es teuer. Trotzdem werden die Sendeantennen wegen der Masserestrinktionen klein sein und die Datenraten wie bei New Horizons bei einigen Kilobit/s liegen wenn man erst bei Neptun angekommen ist. Ein Ausweg wäre das K Band zu benutzen. Bei fast 4 mal höheren Sendefrequenzen kann man 14 mal mehr Daten übertragen. Es gibt zudem die Möglichkeit der optischen Datenübertragung die man nun im Erdorbit erprobt. (Meine Versuche hier mehr Informationen zu bekommen wurden zurückgewiesen, da diese der Geheimhaltung unterliegen – In Deutschland laufen die Versuche derzeit natürlich beim System SARLupe und TerraSAR und da ist die Anwendung recht offensichtlich…).

Richtig preiswert werden die Missionen nicht werden, eine Atlas 551 wird in den meisten Untersuchungen vorausgesetzt und auch die RTG werden Plutonium enthalten. Aber …. und das ist es was ich wichtig finde: Es gibt die reale Chance Orbiter zu jedem der äußeren Planeten zu senden. Selbst Pluto/Charon wäre möglich, auch wenn dann die Flugzeit mit 15.3 Jahren (bei einer 307 kg Sonde) recht lang wird. Das letzte wird man wohl deswegen nicht umsetzen, weil einfach der technische Fortschritt in 15 Jahren noch wesentlich leistungsfähigere Instrumente möglich macht.

Mehr dazu findet man in dem Artikel über RTG und Ionentriebwerke, da findet man auch unten eine Linkliste zu den NASA Technical Memorandoms.

One thought on “Das äußere Sonnensystem – Terra icognita?

  1. Neulich habe ich ein pdf von der letzten OPAG-Tagung Anfang November (http://www.lpi.usra.edu/opag/nov_2007_meeting/agenda.html) gefunden, in dem Solarpanels statt RTG für eine Saturn-Mission diskutiert werden (http://www.lpi.usra.edu/opag/nov_2007_meeting/presentations/solar_power.pdf). Vielleicht wären Solarzellen möglicherweise doch eine Möglichkeit?

    Wo kann ich denn eigentlich diese alten NASA-Roadmaps finden? Finde ich immer wieder spannend, die alten Vorstellungen von der Erforschung des Sonnensystems mit der historischen Realität zu vergleichen.

    Nebenbei, vielleicht ist es interessant: Neulich habe ich in einem anderen blog einen Artikel über eine geplante sowjetisch-französchische Mission zu Vesper in den 80ern gefunden (http://spacefiles.blogspot.com/2007/11/pre-dawn-french-soviet-vesta-mission.html)

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