Solarzellen im äußeren Sonnensystem

Das war die Frage dich ich gestern in einem Kommentar fand. Heute gibt es einen Doppelblog, weil ich den gestrigen zwar in der Mittagspause geschrieben habe, aber dann nicht mehr Zeit hatte ihn aufzuspielen, da unsere Weihnachtsfeier anstand. Ich stelle auch an den Kommentaren fest, dass ich mich wohl immer mehr wiederhole und vielleicht weniger schreiben sollte oder den Blog wieder einstellen: Sooo viel über Raumfahrt gibt es nicht zu sagen, mein tägliches Leben halte ich für nicht besonders interessant und über Gebiete in denen ich mich nicht auskenne, vermeide ich es mich auszulassen, da artet dann meist in Schwadronieren aus.

Doch kommen wir zurück zum heutigen Thema: Kann man RTG (Radioisotopen Thermogeneratoren) durch Solarzellen im äußeren Sonnensystem ersetzen? Antwort on Radio Eriwan… Ja, aber…

Nun zuerst mal etwas Physik: Die Leistung von Sonnenzellen nimmt quadratisch mit steigender Entfernung ab. Bei Jupiter mit 5.2 facher Erdentfernung steht so nur noch 1/5.2² = 3.7 % der Leistung bei der Erde zur Verfügung. Bei Saturn sind es nur noch 1.1 % der Leistung bei der Erde.

Man braucht also enorm große Solarzellen für dieselbe Leistung. Gegenüber RTG gibt es auch noch einige andere Nachteile:

  • Als erstes erhöhen sie die Masse des Raumfahrzeugs, das macht mehr Treibstoffreserven notwendig.
  • Sofern die Raumsonde nach Entfaltung der Panels noch größere Geschwindigkeitsänderungen durchführen muss, muss die Struktur auch dafür ausreichen diese Kräfte aufzufangen, es reichen nicht leichtgewichtige Konstruktionen die nur im Weltraum unter Kräftefreiheit funktionieren. (Entrollbare Dünnfilm Generatoren)
  • Die große Masse, in großem Abstand von dem Schwerpunkt, macht mehr Treibstoff zur Lageregelung oder größere (schwere) Reaktionsschwungräder nötig. Analog muss die Struktur an denen die Panels sitzen verstärkt werden um die Last aufzunehmen.
  • Für Zeiten, in denen die Panels nicht beschienen werden, sind Batterien notwendig.
  • Es gibt keine thermische Abwärme von RTG, die man zum Heizen nutzen kann, man benötigt dafür zusätzlichen Strom -> noch größere Panels.
  • Der Wirkungsgrad nimmt bei steigender Sonnenentfernung aufgrund der immer geringeren Einstrahlung ab.
  • Sonnenzellen verlieren etwa doppelt so viel Leistung pro Jahr wie RTG.
  • Das einzig positive: Bei niedrigen Temperaturen wie sie im äußeren Sonnensystem vorkommen gibt es keine Verluste durch Überhitzung der Solarzellen.
  • Es kann unter Umständen Probleme beim Verstauen in der Trägerrakete geben.

Was kann man dagegen tun? Nun zum einen den Wirkungsgrad steigern. Solarzellen für Satelliten bestehen aus Silizium oder Gallium-Arsenid. Silizium erreicht 16-19 % Wirkungsgrad, Galliumarsenid bis zu 24 %, dafür sind die Zellen aber 10 mal teurer, so dass es auch bei Satelliten nicht so häufig eingesetzt wird (bei den neuesten Intelsat !0 Satelliten z.B. nur auf einem Teil der fläche damit man mit vorgegebener Gesamtfläche eine bestimmte Leistung erreicht). Wenn man diese Zellen übereinander legt, und dann vielleicht noch ein drittes Material, wie Indium-Phosphid einsetzt, so bekommt man einen höheren Wirkungsgrad, da jedes Halbleitermaterial einen anderen Wellenlängenbereich ausnutzt. Es ist keine additivie Wirkung, da sich diese Bereiche überlappen und die Zellen natürlich auch so Licht schlucken, doch sogenannte "Multiple-Junction Zellen" sollen in 3 Jahren 30-33 % Wirkungsgrad erreichen. 35-40 % erscheinen nach der Studie,  auf die mich Klimper aufmerksam machte, möglich sein.

Man benötigt fürs äußere Sonnensystem spezielle Tieftemperaturzellen. Leider ist deren Wirkungsgrad kleiner als in Erdnähe, selbst wenn man berücksichtigt, dass sich Solarzellen in Erdnähe durch ihren geringen Reflexionsgrad stark aufheizen. Die Lösung ist es das Sonnenlicht zu konzentrieren. Entweder man bringt auf die Panels Linsen auf, und sammelt das Licht so (man bedeckt dann natürlich nicht die ganze Fläche sondern platziert nur eine Zelle im Brennpunkt der Linse). Die zweite Möglichkeit, etwas schwieriger mechanisch umzusetzen, aber erheblich leichter ist es neben die Panels dünne Spiegel zu platzieren und dann mit diesen das Licht auf die Solarzellen zu spiegeln. "Spiegel" ist ein vornehmer Ausdruck, denn die Fläche kann sehr dünn sein. Eine ESA Studie für einen Jupiter-Europa Orbiter geht z.B. nur von einem Flächengewicht von 0.15 kg/m² aus, also so schwer wie 2 Blatt Papier.

Immerhin soll mit diesem Trick die Leistung pro Kilogramm von 2.2 auf 4.7 Watt/kg ansteigen. Zum vergleich: Ein GPHS RTG erreicht  4.9 Watt/kg und die neueren RTG, mit Sterling Motoren, sollen bis zu 8.0 Watt/kg erreichen.

Die Studie zeigt deutlich wo man heute ist. Das derzeit leistungsfähigste erprobte leichtgewichtige Panel ist SLASR mit Massen von 179 kg für 211 m². Doch selbst damit bräuchte man 4 Panels mit 237 kg Masse um bei Saturn 335 W Strom zu bekommen (nach 15 Jahren). Entsprechend ist die Masse des Raumfahrzeugs kleiner. Anstatt 1000 kg wie bei RTG sind es nur 550 kg – Das Mehrgewicht bewirkt natürlich auch dass man mehr Treibstoff braucht um in einen Orbit einzuschwenken.

Die Studie meint, dass man bei Saturn mit Verbesserungen auf 420 Watt bei 233 kg Masse kommen kann – aber das ist immer noch 4 mal schlechter als RTG.

Warum untersucht man es trotzdem? Nun es gab ja eine Verbesserung in den letzten Jahren. Vor Rosetta hätte man nicht gedacht, dass man bis Jupiter mit Solarzellen kommt und Rosetta verwendet sie bis in diese Entfernung auf einer elliptischen Umlaufbahn. Juno und Dawn verwenden sie bis in 3 beziehungsweise 5 AE Entfernung  bei kreisförmigen Umlaufbahnen und bei Jupiter ist man heute schon fast so gut wie RTG.

Es gibt natürlich eine Reihe von Gründen die für Solarpanels sprechen. Gegen die RTG sprechen vor allem die hohen Kosten. Sie waren nie wirklich preiswert, doch in den letzten beiden Jahrzehnten sind sie richtig teuer geworden. Das Plutonium wird in Brutreaktoren erzeugt, die primär nicht der Stromerzeugung dienen, im Gegenteil, das Uran wird so kurz darin verwendet, dass man kaum Energie aus ihm zieht. Das wichtigste ist es, Spaltisotope zu erzeugen und diese aus den Brennstäben zu extrahieren. Diese Reaktoren wurden nicht für die Produktion von Pu-238 gebaut, sondern für die Produktion von Pu-239 für Atombomben. Das dabei auch entstehende Np-237 wird abgetrennt und dann in anderen Kernreaktoren durch Neutronenstrahlung zu Pu-238 umgewandelt. Die Abrüstungsverhandlungen haben dazu geführt, dass man die beiden Reaktoren welche die USA dafür haben nun nicht mehr in diesem Maße benötigt und so wird die Produktion von RTG recht teuer. Als Voyager 1977 startete, kosteten die RTG 17.736 Millionen Dollar. (Mit Entwicklungskosten 23.6 Millionen Dollar). Ein neuer GPHS RTG kostet dagegen heute 90 Millionen Dollar, obwohl man dafür nur ein Drittel des Plutoniums braucht. Pro Kilogramm Pu-238 sind die RTG also in 30 Jahren um den Faktor 15 teurer geworden – weitaus stärker als die Kosten von Raumsonden angestiegen sind.

Es ist daher nur eine Abwägung was billiger kommt: Eine schwerere Raumsonde mit einer stärkeren Trägerrakete zu starten, oder eine kleinere mit einer preiswerteren Trägerrakete und einem RTG. Darüber hinaus arbeitet man ja auch wie schon erwähnt an Sterling-RTG, die zwar nicht leichter sind, aber nur ein Viertel des Plutoniums eines Thermoelektrischen Wandlers brauchen, weil der Wirkungsgrad bei ihnen etwa 25 % beträgt, anstatt etwa 6 %.

Eventuell kann man aber noch einen weiteren Vorteil ausnutzen: Bedingt durch die große Fläche liefern Solarzellen in Erdnähe sehr hohe Leistungen. Ein Panel das 300 Watt bei Saturn liefet z.B. 33 kW in Erdentfernung. Dies kann man nutzen, um über einige Monate lang die Sonde mit Ionentriebwerken zu beschleunigen und so mit einer geringeren Energie zu starten. Das erlaubt dann wieder eine größere Sonde. Doch derartige Pläne habe ich noch nicht gesehen.

Vor allem aber: Es gibt keinerlei Pläne ins äußere Sonnensystem. Schon der Nachbau von New Horizons zu einem Uranus / KBO Kurs war zu teuer, obwohl man damit die Möglichkeit verpasste zur Tag/Nachtgleiche Uranus zu passieren und damit den einzigen Zeitpunkt in den nächsten 42 Jahren, in denen man die ganze Oberfläche der Monde fotografieren kann. Wenn es nicht mal reicht eine Sonde 1:1 nachzubauen, für eine einmalige Gelegenheit, wer glaubt dann an Saturn/Enceladus Orbiter?

One thought on “Solarzellen im äußeren Sonnensystem

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.