Die Sache mit dem Melamin

Vor einigen Tagen wurden in China die Verantwortlichen des Milchpanschskandales zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt. Wie vielleicht dem einen oder anderen bekannt, hatten diese Melamin der Milch zugesetzt um einen höheren Eiweißgehalt vorzutäuschen. Es ist mal an der Zeit sich dem anzunehmen. Zuerst einmal: Warum Melamin? Ich denke es hat mit der Analysenmethode zu tun. Eine der ältesten Analysenmethoden ist die Bestimmung des Gesamtstickstoffs nach Kjehldahl. Wie der Name sagt, ist es keine spezifische Analysenmethode. Sie wird aber auch bei uns noch durchgeführt und ist zwar etwas arbeitsintensiv, aber apparativ sehr einfach und der Arbeitsaufwand ist für viele Proben nicht viel größer als für eine einzelne Probe. Die Methode beruht darauf, dass jede Stickstoffverbindung durch konzentrierte Schwefelsäure zerstört wird und mit einem Katalysator, egal in welcher Oxidationsstufe er vorliegt, zu Ammonium reduziert. Dieses wird dann durch Destillation ausgetrieben und aufgefangen und bestimmt wird.

Eiweiß wird so nicht bestimmt. Es wird berechnet. Das basiert darauf dass im Mittel Eiweiß einen Stickstoffanteil von 16 % hat. Der Anteil variiert je nach Zusammensetzung. Weiß man welches Lebensmittel man untersucht, so kann man den genauen Multiplikationsfaktor einsetzen. (er beträgt z.B. bei Weizeneiweiß 5.7 anstatt 6.25) Es spricht viel dafür dass in China diese einfache Summenbestimmung verwendet wird.  Melamin hat nun gar nichts mit Eiweiß zu tun. Es ist ein Monomer für die Kunststoffherstellung. Seine Summenformel ist C3H6N6. Das bedeutet, dass 66.7 % der Molekülmasse vom Stickstoff gebildet werden. Es enthält also etwa 4 mal mehr Stickstoff als Protein. 1 g Melamin kann also (wenn nur der Stickstoff bestimmt wird), die Anwesenheit von 4 g Eiweiß vortäuschen.

Allerdings ist Melamin giftig. die letale Dosis ist zwar recht hoch, doch es führt auch, wenn die Kinder nicht direkt an dem Melamin sterben zu Nierensteinen und Nierenversagen. Egal ob dies der/die Verantwortliche wussten: Sie haben Melamin zugesetzt weil sie einen hohen Eiweißgehalt vortäuschen mussten. Sie wussten also wie Stickstoff bestimmt wird und dass Melamin viel Stickstoff enthält, aber nichts aber auch gar nichts mit Eiweiß zu tun hat. Das ist schon eine ziemliche kriminelle Energie. wobei ich vermute, dass dies nur eine Manipulation ist. Der Eiweißgehalt von Milch ist relativ konstant. Schwankend ist eigentlich der Fettgehalt, der stark vom Futter abhängt. Da es unwahrscheinlich ist, dass die Milch nur auf Eiweiß untersucht wird, müsste eine Manipulation leicht auffallen. Ich vermute sehr stark, dass in analoger Weise auch der Milchzuckergehalt und Fettgehalt manipuliert wurde z.B. durch Zusatz von Rübenzucker und Fett (wegen der Summenbestimmung bei Fett vermute ich, dürfte wohl eher Paraffin als Pflanzenöl zugesetzt werden).

Woraus das Milchpulver dann wirklich besteht kann man nur mutmaßen. Es gibt leider auch bei uns viele Schlupflöcher. Die Frage die sich nicht stellt, ist die ob es nicht möglich ist bestimmte Verfälschungen nicht nachzuweisen. Über Isotopenanalyse ist es z.b. heute möglich festzustellen aus welcher Region ein Lebensmittel stammt. Ob Spargel also aus Griechenland oder Deutschland stammt ist nachprüfbar. Genauso ist nachprüfbar ob ein Whiskey tatsächlich 30 Jahre alt ist oder nur Stoffe zugesetzt wurden, die dies vortäuschen sollen. Dabei handelt es sich nicht einmal um Fremdstoffe sondern der Verbraucher wird nur pekuniär geschädigt, indem er für ein Produkt einen hohen Preis zahlt, aber es in Wirklichkeit ein viel billigeres ist. Das Problem ist, dass diese Untersuchungen sehr aufwendig sind und nur stichprobenartig durchgeführt werden. Das gilt für viele Bestimmungen, sei es auf Rückstände wie auf besondere Inhaltsstoffe. Diese einfachen Summenbestimmungen wie Stickstoff nach Kjehldahl oder Fett durch Extraktion, werden heute ja noch durchgeführt, weil sie sich gut für die Verarbeitung von vielen Proben eignen. Die Chancen, dass jemand davon kommt sind also auch bei uns gegeben.

Ein Missverständnis, das ich oft höre ist dass, das man eine Probe nur in ein Gerät geben muss, das dann die Zusammensetzung raus spuckt. Leider ist dem nicht so. Die Aufarbeitung hängt bei vielen Verfahren von der Matrix ab, also dem konkreten Lebensmittel. Das nächste ist, dass es zwar eine Menge Tests gibt, aber nur wenige Analysenverfahren sich dazu eignen, verschiedene Substanzen parallel zu bestimmen. Gaschromatographen können z.B. ein Substanzgemisch auftrennen und die einzelnen Substanzen können dann über ein Massenspektrometer detektiert werden. Doch bei Substanzen die nicht leicht verdampfbar sind – und das sind die meisten die es gibt, kann man diese Methode nicht einsetzen oder muss die Substanzen erst isolieren und dann chemisch umsetzen. So kann man z.B. die Zusammensetzung von Fett analysieren – aber erst nachdem das Fett isoliert, in Fettsäuren aufgespalten und diese zu Methylestern umgesetzt wurden.

Aber das ist auch gut so, denn sonst bräuchte man keine Lebensmittelchemiker und es würden sich auch in dieser Zunft selbsternannte Experten herumtreiben, so wie dies schon bei der Ernährungslehre der Fall ist.

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