Sind Testpiloten die besseren Astronauten?

Wer einmal die Biographien von den Apollo Astronauten liest, der findet eines Gemeinsamkeit: Eine gewisse Abneigung gegenüber der 4.ten Gruppe aus Wissenschaftlern, die 1965 rekrutiert wurden. Sie vertraten die Meinung, Raumschiffe sollten durch Piloten, besser Testpiloten geflogen werden. Doch stimmt dies? Nun ein Argument ist dass Testpiloten einen kühlen Kopf auch in kritischen Situationen bewahren. Das mag so sein. Doch zum einen waren nicht alle Astronauten Testpiloten, sondern viele auch reguläre Piloten mit großer Erfahrung und zum anderen gab es während jedes ganzen Programmes kaum Situationen die ein sofortiges, reflexartiges Handeln erforderten: Im Gegenteil. Das Bestreben der Missionskontrolle war es solche Situationen zu vermeiden und Zeit zu gewinnen, auch um die Situation vom Boden aus zusammen mit der Mannschaft lösen zu können.

Das nächste Argument ist das Raumschiffe besser durch Piloten gesteuert werden, die sich mit solchen Systemen ja auch besser auskennen. Doch gerade hier zeigte die Wirklichkeit, dass dem nicht so wahr. Zum einen hatten die Raumkapseln recht wenig mit einem Flugzeug zu tun. Zu den Kontrollen die ein Pilot kannte, kamen mehr und mehr Schalter, Regler und Knöpfe. Im Apollo CSM sollen es über 300 in der Konsole gewesen sein. So viele, dass die Apollo 12 Besetzung einige Zeit brauchte als sie nach dem Blitzeinschlag einen Schalter umlegen musste und der wohl bislang nie in den Simulationen zum Einsatz kam.

Der zweite gravierende Einwand ist aber dass sich ein Raumschiff komplett anders fliegt als ein Flugzeug. Die ersten Erfahrungen gab es schon recht für im Gemini Programm, als McDivitt an die ausgebrannte Core 2 Stufe der Titan andocken sollte. Er machte es wie beim Flugzeug: Beschleunigen um den Abstand aufzuholen. Doch was passierte? Er entfernte sich von der Stufe und sie tauchte nach unten weg. Wer im Orbit beschleunigt erhält mehr Fliehkraft, weitet den Orbit zu einer Ellipse auf (Effekt 1: Core Stufe taucht nach unten weg, weil man einen höheren Orbit erreicht). Weiterhin bedeutet ein ausgeweiteter Orbit eine höhere Umlaufzeit – die Stufe hat auf dem niedrigeren Orbit eine höhere Umlaufgeschwindigkeit und umrundet die Erde schneller. Als Folge konnte die Stufe so nicht eingeholt werden. Der richtige Weg war abzubremsen, einen niedrigeren Orbit einzuschlagen wo man schneller war, bis man an der Stufe ankam und dann schnell den Orbit wählte. Das genaue Gegenteil wie beim Fliegen. Zu geringe Treibstoffvorräte und dadurch abgebrochene Manöver waren ein Dauerproblem bei Gemini, obwohl die Gemini Kapseln mehr Treibstoff als ein Space Shuttle hatten, der einen Teil dessen braucht um überhaupt den Orbit zu erreichen. Später gab es Computerunterstützung: Der Computer gab eine Vorgabe (Winkel und Betrag) und die Besatzung verfolgte Anzeige und hörte auf wenn sie auf Null sprang.

Bei Apollo hatte man nicht den Luxus, dass die Besatzung wertvollen Treibstoff mit ihren Flugkünsten verpulverte: IM CSM konnten die Astronauten noch die Programmnummer einrasten und dürften dann auf „Proceed“ drücken – Das gesamte Manöver führte der Computer aus der die Geschwindigkeit, Vektor und die Zeit überwachte. Beim LM steuerte der Computer das LM über 8.5 Minuten bis es in 600 Fuß Höhe angekommen war. Dann  dürften die Astronauten übernehmen wenn sie wollten und den Endanflug durchführen – schon in geringer Höhe und geringer Geschwindigkeit angekommen. Beim Rückstart lief alles gesteuert durch den Computer. Mit fliegerischem Können hatte es gar nichts mehr zu tun.

Dabei wären bei den Apollo Missionen auf dem Mond durchaus Wissenschaftler von Nutzen gewesen um die besten Bodenproben zu finden. Für die Experimente benötigte man Ingenieure, aber diese Fachkenntnis konnten sich sowohl Piloten wie auch Wissenschaftler aneignen. Trotzdem schaffte es nur ein Wissenschaftler auf den Mond: Harrison Schmidt, bei der letzten Mondmission. Und dies auch nur durch massiven Druck seitens höherer NASA Ebenen, die den Eindruck verwischen wollten, Apollo wäre ein Selbstzweck. Drei weitere Wissenschaftler flogen auf Skylab mit und einer dieser dreien auch auf dem Space Shuttle.

One thought on “Sind Testpiloten die besseren Astronauten?

  1. Mal andersherum.
    Welche Wahl hatte die Nasa?
    Gruppe 1 bis 3 wurde in den frühen 60ern ausgewählt. Als die praktische Erfahrung der Nasa = Null wahr. Mercury war flugausbildungstechnisch im Prinzip learning by doing. Erst in Gemini hat man die Bahnmechaniken wirklich begriffen. Und vorher auch garnicht die nötige Avionik für anspruchsvollere Bahnmanöver gehabt.
    Das Apollo also in erster Linie von Astronauten mit Testpilotenhintergrund geflogen wurde ist also kein Wunder.
    Das dann auf Apollo 17 endlich Jack Schmidt mitgeflogen ist, ist in der zunehmend bürokratisierten NASA und mit dem Hintergrund, daß die sonstige Ausbildung eines Asronauten auch noch Jahre dauert fast ein Wunder.
    Nicht zu Vergessen, das spätestens ab Apollo 15 um Himmels Willen nichts mehr schief gehen durfte. Wäre ein polititsche Katastrophe gewesen. Immerhin war es immer ein politisches Programm. Das die erfolgreiche Landung schon bei Apollo 11 gelang war in der Planung in der ersten Hälfte der 60er nie erwartet worden. Allerdings war da der Zeitplan auch noch viel straffer und das ganze Programm bzw. der „Verbrauch“ der bestellten Hardware sollte viel früher stattfinden.

    Bernd

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