Anstatt einem deutschen Mondprogramm

Letzte Woche wurde dem Kabinett ein „deutsches Mond- und Marsprogramm“ vorgestellt. Erstaunlicherweise gibt es darüber keine Details bei der DLR und auch das Kabinett wird erst nach der Wahl darüber beschließen. Gemunkelt wurde ja schon länger darüber, nur war zuerst von einem Mondprogramm die Rede, dass dann auch deutlich preiswerter sein sollte, als die 1.5 Milliarden Euro, die nun veranschlagt werden. Ich habe mich glaub ich schon mal damit im Blog damit beschäftigt, aber weil ich es inzwischen selbst vergessen habe, heute eine Neuauflage. Zuerst einmal: was halte ich davon?

Nun eine Mondsonde könnte ich mir vorstellen, dazu später mehr. Hier kann Deutschland gewiss seine Kompetenzen im Fernerkundungsbereich einbringen. Stichworte: SarLupe, TerraSAR-X und HRSC. Das zweite ist ein nationales Marsprogramm. Das halte ich für überflüssig, weil es vor einiger Zeit die Gelegenheit gab bei Exomars einzusteigen und man dies nicht wollte. Nun ein eigenes Programm ohne Deep Space Netzwerk, parallel zu der ESA aufzuziehen, ist dumm. Stattdessen kann man sich stärker in der ESA einbringen, oder meine Idee: Wenn derzeit jeder zum Mars will, dann gehen wir zur Venus, denn da gibt es auch noch viel zu tun. Dazu im zweiten Teil mehr.

Was sind unsere Kompetenzen? Deutschland hat die HRSC in Betrieb. Sie ist schon einige Jahre alt, aber sie ist immer noch die einzige Kamera ihrer Art die 3D Bilder in Farbe erzeugen kann. Warum setzt man sie (oder einen verbesserten Nachbau) nicht auf dem Mond ein? Das zweite ist die Erfahrung bei Radarsatelliten. Da gibt es das Sarlupe System der Bundeswehr, über das es leider wenige Informationen gibt – schade, denn es sind kleine und leichte Satelliten die trotzdem eine hohe Auflösung liefern. Prädistiniert für die Basis einer Raumsonde. Da gibt es aber auch noch sein ziviles Pendant, den TerraSAR-X, der aus 514 km Höhe auch eine Auflösung von 1-16 m je nach Szenengröße erreicht. Bislang gibt es keine Untersuchung des Mondes mit Radar. Das erlaubt nicht nur das Höhenprofil in hoher Genauigkeit festzustellen, es liefert auch Rückschlüsse über die Oberflächeneigenschaften und Tiefe des Regoliths. So wäre mein Vorschlag den TerraSAR-X nach zubauen und zum Mond zu schicken.

Ergänzt kann er durch eine Kopie der HRSC werden, sowie andere Experimente, sofern dazu noch Gewicht übrig ist. Zuerst einmal eine Abschätzung, wie viel man mit einer Sojus zum Mond befördern kann. Das Arianespace User Manual weist 1600 kg aus. Das ist bei einem Gewicht von 1230 kg für TerraSAR-X zu wenig (es wird auch noch Treibstoff benötigt), aber man kann dies umgehen. Für den GTO Orbit hat die Sojus STK eine Maximalnutzlast von 3280 kg. Dann fehlen noch rund 750 m/s für einen Fluchtkurs. Weitere 800 m/s benötigt man um in eine Mondumlaufbahn einzuschwenken. Danach sollte wegen des hohen Treibstoffverbrauchs zum Aufrechterhalten der Bahn die Lageregelung durch Ionentriebwerke erfolgen (könnte auch schon aus einem elliptischen Orbit um den Mond aus erfolgen, wodurch nochmals Treibstoff gespart wird). Bei 1550 m/s Gesamttreibstoffbedarf und einem spezifischen Impuls von 3187 m/s (von einem EADS Apogäumsantrieb übernommen) entspricht dies einer Mondorbitmasse von 2016 kg. Davon sind rund 216 kg Tanks, Druckgas und Triebwerke. Bleiben also noch 1880 kg übrig. Das sind deutlich mehr als TerraSAR-X wiegt. Also wäre die Mission möglich.

Natürlich muss es Anpassungen geben. Am Satelliten sind es drei:

  • Größere Solarzellen: Der Satellit befindet sich nun nicht mehr auf einer sonnensynchronen Bahn. Dadurch wird mehr Strom gebraucht und auch Batterien die ihn zwischenspeichern. Strom wird auch für den Treibstoff für die Ionentreibwerke benötigt. Annahme: 0,6 kW zusätzliche Leistung für Ionentriebwerke und 800 W für den Betrieb im Schatten. Das macht bei 14.5 % Wirkungsgrad (übernommen von der ISS) 7 m² mehr Fläche mit einem Gewicht von 60 kg notwendig. Dazu kommen 25 kg Batterien um den Strom aufzunehmen (maximale Entladung um 35 %). Zusatzgewicht: 85 kg
  • Ionentriebwerk: Rund 150 m/s muss pro Jahr aufgewandt werden um den Orbit stabil zu halten. Soll ein Mondsatellit mehr als 1-2 Jahre lang arbeiten so resultiert daraus ein hoher Treibstoffbedarf. Das ist mit Ionentriebwerken kein Problem. Wenn sie während 50 % der Zeit arbeiten so reichen zwei RIT-10 Triebwerke mit 285 Watt Stromverbrauch aus um diese 150 m/s aufzubringen. Neben den beiden Triebwerken wird noch Treibstoff, Tanks und Spannungswandler benötigt. Zusammen sollte dies für eine 10 Jahresmission 120 kg wiegen, davon 72 kg Treibstoff.
  • Hochgewinnantenne: TerraSAR-X hat schon einen Ausleger für die Antenne, nur müsste diese durch ein größeres Modell von 1-2 m Durchmesser ersetzt werden um auch aus Monddistanz noch senden zu können. Geschätztes Mehrgewicht: 20 kg.

Das ergibt zusammen dann eine Startmasse von 1.230 + 85 + 120 + 20 = 1.455 kg. Das ist deutlich unter dem Maximalgewicht von 1.880 kg. Daher können noch Experimente zugeladen werden. Mir fallen hier zwei ein:

  • HRSC-2: Die HRSC macht sicher auch auf dem Mond Sinn. Zum einen wegen der 3D Fähigkeit, vielleicht auch wegen der Farbfähigkeit: Zwar ist der Mond ist ziemlich grau, aber vielleicht entdeckt man so gerade farbliche Auffälligkeiten, die dann andere Satelliten mit Multispektralscannern genauer untersuchen. Aber in jedem Falle wegen ihrer 3D Fähigkeit.
  • Italienisches Tiefenradar: Italien hat in den letzten Jahren einige Radarsysteme für Marssonden entwickelt und sollte auch eines für Venus Express stellen. Anders als das TerraSAR System ist es kein hochauflösendes, sondern arbeitet mit langwelligen Radarstrahlen die sehr tief (bis zu mehrere Kilometer) in die Tiefe schauen. Dadurch könnte man den Boden durchleuchten.

Den DLR Wissenschaftlern fallen sicher noch weitere Experimente ein, welche die 400 kg Nutzlast füllen. An Bord würde ich auf jedenfalls das Laser-Kommunikationsterminal lassen und es für Experimente nutzen ob die Technik nicht auch für Raumsonden sinnvoll ist.

Die Mission

Eine Sojus bringt die Sonde in einen GTO Orbit. Dort zündet sie nach einem Umlauf ihren eigenen Antrieb und fliegt zum Mond. Nach drei Tagen schwenkt sie in eine 250 km hohe Umlaufbahn ein, die dann durch den Ionenantrieb aufrecht erhalten wird. Aus dieser Bahnhöhe hat die HRSC eine Auflösung von 10 m und das Radar eine von <8 m. Das Radar hat nach 1000 Szenen von 750 x 50 km Größe und 146 GBit pro Szene den Mond einmal in 8 m Auflösung erfasst. (Datenmenge: 147 TBit). Die HRSC benötigt ebenfalls rund 70 komplette Scans die eine Datenmenge von 3 TBit entsprechen. (Die Auflösung ist niedriger und das Radar liefert viel mehr Informationen pro Bildpunkt). Zusammen sind dies 150 TBit.

  • Der Lunar Reconnaissance Orbiter sendet rund 550 GBit pro Tag an Daten zur Erde und dies sollte auch für Deutschland möglich sein. Genügend große Empfangsantennen stehen der DLR zur Verfügung. So wäre die Primärmission in rund 1 Jahr abgeschlossen: Eine Kartierung des Mondes auf besser als 10 m. Was könnte dann kommen? Es gäbe mehrere mögliche Szenarien. Das Radar hat mehrere Beobachtungsmodi, die bis zu 1 m Auflösung versprechen. So könnte man den nächsten angehen und dann in 4 Jahren die Oberfläche auf 4 m genau erfassen. Die HRSC würde dann mehrmals das ganze Gebiet erfassen oder nur noch ihren Super Resolution Channel nutzen und auch so auf eine Auflösung von 2,3 m kommen.
  • Eine zweite Möglichkeit wäre das gleiche aus einer geringeren Bahnhöhe von 125 km zu erreichen und die alten Modi beizubehalten – auch dann verdoppelt sich die Auflösung und nach 5 Jahren wäre der Mond mit 4-5 m Auflösung kartiert.
  • Eine dritte Möglichkeit wäre es nur noch den Spotmodus des Radars zu benutzen und einzelne interessante Gebiete mit 1 m Auflösung zu erfassen.

Kostenabschätzung:

Ein Nachbau von TerraSAR kostet nach DLR-Angaben rund 85 Millionen Euro. Ein Sojus STK Start nach EADS Angaben 50 Millionen Dollar, also rund 35 Millionen Euro. Dazu kämen noch die Kosten für Umbauten, Experimente und Missionsdurchführung. Insgesamt sollte die Mission für rund 150 Millionen Euro, also einem Zehntel des deutschen Mondprogrammes durchführbar sein. Der Nutzen wäre gegeben: Wir würden die bisherigen Forschungen durch Japan, Indien, China und die USA ergänzen und würden nicht einfach nur eine „Ich auch will“ Mission durchführen, die adhoc wesentlich teurer wäre.

2 thoughts on “Anstatt einem deutschen Mondprogramm

  1. Eine Raumsonde muss keine klassische Bahn zum Mond fliegen. Wurde bei der japanischen Mondsonde Hiten erstmals so gemacht. Anstatt drei Tage fliegt die Sonde dann eben 5 Monate, man spart aber einen Großteil des Einbremsens in den Mondorbit.

    MfG

    Max

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