Ballonforschung in der Troposphäre: Project Vortex

Hallo miteinander. Heute wieder ein Gastblog, diesmal von einem neuen Autor: Kevin Glinka. In den nächsten beiden Tagen werden noch die Teile 2+3 seines Konzeptes folgen. Ich hoffe mal ihr seid an der Atmosphärenforschung genauso interessiert wie an der Raumfahrt und postet auch hier fleißig Kommentare!

Teil 1: Geschichtliches

Von Kevin Glinka

Geschichte:

Im 19. und frühen 20. Jahrhundert gab es eine relativ große Zahl von Ballonaufstiegen zu wissenschaftlichen Zwecken. Zu den größeren Unternehmungen gehören die 28 Aufstiege von James Glaisher in England (1862-66) und die weit über einhundert Aufstiege in Deutschland (1888-1934). Dazu kommen noch die eher kleineren Aufstiegsserien, wie z.B. die beiden Aufstiege von Gay-Lussac (1804), die vier Aufstiege von John Welsh (1852), die beiden Aufstiege von Barral und Bixio in Frankreich (1850) und die neun Fahrten von Salomon August Andrée in Schweden (1893-95). Bei fast allen dieser Fahrten (bis vielleicht die aus Deutschland und Schweden, die auf die Erfahrungen der früheren Fahrten aufbauten), gab es z.T. schwerwiegende Fehler bei der Durchführung der Versuche. Ich möchte kurz auf das eingehen, was bei den Glaisher’schen Fahrten nicht gut gemacht wurde.

Glaishers Fehler:

Zum Einen findet man oft in den Aufzeichnungen, dass viele Ablesungen in kürzester Zeit gemacht wurden, bei einer Fahrt hatte er pro Beobachtung nur 6,9 Sekunden Zeit, in denen er u.a. ein Daniell’sches Hygrometer, ein Regnault’sches Hygrometer und ein Quecksilberbarometer bedienen musste, allesamt Instrumente, welche doch einige Zeit für die Einstellung benötigen. So kam es dann auch dazu, dass Glaisher bei einigen Fahrten auf Abstiegsgeschwindigkeiten von bis zu 40 m/s kam, physikalisch unmögliche Werte also, die aber auf Ungenauigkeiten bei der Ablesung des Barometers beruhen (als Assmann und Berson später (in ihrem Werk „Wissenschaftliche Luftfahrten“) seine Höhen in größeren Zeitabständen zusammenfassten, kamen sie auf realistischere Geschwindigkeiten, wie z.B. 1,3 m/s).

Der nächste Fehler, welcher von ihm begangen wurde, war, dass er alle Apparate auf einem Brett montierte, welches quer über den Korb verlief. Auf den ersten Blick ist dies ja eine praktische Aufstellung. Aber auf den zweiten Blick hat sie einen schwerwiegenden Fehler. Glaisher hatte nämlich bereits in Betracht gezogen, dass er seine Thermometer vor der Sonne schützen müsse, und die Thermometerkugeln mit polierten (konischen) Silberschirmen abgedeckt. Nun scheint die Sonne natürlich auf den Tisch und erwärmt diesen. Die erwärmte Luft wird unter den Schirmen „gefangen“ und die Thermometer zeigen einen höheren Wert an, als normal. Als 1898 einmal in Deutschland von Berson diese Thermometeraufstellung mit dem Assmann’schen Aspirationspsychrometer verglichen wurde, lag das Glaisher’sche Thermometer z.T. 30 Grad über dem Psychrometer!

Das Assmann’sche Psychrometer war dabei 1,6 Meter vom Korbrand entfernt aufgehangen und wurde mit einem kleinen Fernrohr abgelesen. Dies, und auch die polierte Verkleidung desselben, sowie die Aspiration der Luft sorgten dafür, dass es in der Lage war, die wahre Lufttemperatur anzuzeigen.

Bei einer der späteren Fahrten (im Jahre 1864) hatte Glaisher auch ein Thermometer mit geschwärzter Kugel an Bord, mit dem die Stärke der Sonneneinstrahlung gemessen werden sollte. Im Vergleich zum normalen Thermometer kam er aber in fast allen Fällen auf eine „aktinometrische Differenz“ von 0°C (die größte Differenz die einmal beobachtet wurde lag bei +8.3°C) Wiederum in Deutschland wurden mit dem Schwarzkugelthermometer manchmal Differenzen von +50°C beobachtet.

Weiterhin befanden sich in Glaishers Programm, welches 1862 aufgestellt wurde, elektrische Messungen der Atmosphäre. Bei seinem ersten Aufstieg am 17. Juli 1862 war dann auch ein Thomson’sches Elektrometer an Bord, welches aber leck war, sodass die „Ballonladung“ bei jeder Messung neu bestimmt werden musste. Im Bericht, der auf die Fahrten 1863/64 eingeht (sowie im darauffolgenden für 1864/65) heißt es, dass ein Instrument gebaut worden sei, welches aber leider auf der Basis einer offenen Flamme arbeiten würde, und deshalb nicht für den (ja mit Wasserstoff gefüllten) Ballon geeignet sei. Man würde aber an einem Instrument mit einem Wassertropf-Kollektor arbeiten. Der Text findet sich in beiden Berichten mit ungefähr den selben Wortlaut, was andeutet, dass drei Jahre an einem entsprechenden Gerät gearbeitet wurde, aber es bis zum Ende der Fahrtenserie nicht fertig wurde, obwohl dieser Programmpunkt von Anfang an festgeschrieben war.

Der größte Fehler passierte Glaisher dann bei der Auswertung seiner Fahrtergebnisse. Er trug nämlich die Ablesungen der Thermometer (und nicht etwa immer das „normale“ trockene Thermometer, sondern willkürlich (!) auch das aspirierte und ein sogenanntes „Gridiron“- Thermometer (ein Thermometer mit einem Gitter anstatt einer Kugel am unteren Ende, um es besonders empfindlich zu machen)) gegen die Höhe in Diagrammen auf. Dann hat er in diesen Diagrammen alle die Bereiche, wo er eine Temperaturzunahme mit größerer Höhe beobachtet hatte, ignoriert. Dafür hat er einfach die Temperaturen, die er von der Ausgleichskurve abgelesen hatte, als „Adopted Temperatures“ für seine weiteren Arbeiten verwendet. So kam es beispielsweise dazu, dass eine beobachtete Temperatur von +4,2°C zu -8,2°C wurde! Glaisher hat sich also von der Vorstellung leiten lassen, dass die Temperatur mit der Höhe immer abnimmt. In der Wissenschaft ist es so, dass man eben unvoreingenommen seine Ergebnisse betrachten soll, und nicht unerwartete Ergebnisse automatisch als „Falsch“ erachtet.

Was ist Project Vortex?:

Project Vortex hat das Ziel, selbst eine oder mehrere Fahrten in einem Gasballon zu unternehmen, und dabei wissenschaftliche Messungen durchzuführen. Dabei sollen natürlich alle Fehler von damals vermieden und moderne Messtechnik verwendet werden. Zuerst etwas zu der technischen Seite. Ich habe Kontakt mit dem Ballonpiloten Volker Kuinke aus Düsseldorf aufgenommen, welcher sich bereit erklärt hat, solche Fahrten mit mir durchzuführen. Er besitzt zwei Ballone, einen mit einem Rauminhalt von 650 und einen mit einem Rauminhalt von 1.050 Kubikmetern. Er veranschlagt für eine Fahrt mit dem kleineren Ballon einen Preis von ca. 600 Euro, für eine Fahrt mit dem größeren Ballon 1.000 Euro. Er selbst empfiehlt für eine Fahrt in größere Höhen (ca. 5.000 Meter) den größeren Ballon, hat mich aber auch schon darauf hingewiesen, dass ein Sauerstoffgerät ab einer Höhe von 3,000 Metern gesetzlich vorgeschrieben ist. Wenn Herr Kuinke und ich die einzigen Personen im Ballonkorb sind, ist es sicher möglich eine gute Anzahl an Instrumenten mitzunehmen.

In einem folgenden Teil werde ich beschreiben, was genau auf dieser/n Ballofahrt(en) gemessen werden soll.

2 thoughts on “Ballonforschung in der Troposphäre: Project Vortex

  1. Hallo Kevin,
    mich würde mal den Grund für diese Messungen interessieren. Wetterballone werden ja schon standardmäßig genutzt. Wozu soll also diese alten Flüge wiederholt werden? Um zu zeigen, was man damals hätte besser machen können?
    Ist das ein privates Projekt?

    grüße,
    Christian

  2. Hallo Christian,

    zunächst einmal danke für die Fragen! Zunächst zu deiner letzten Frage: Ja, das Projekt ist privat, und wird von mir geleitet. Ich versuche aber momentan, für verschiedene Messungen professionelle Partner zu interessieren, so z.B. für Ozonmessungen die Drägerwerke, für Strahlungsmessungen eine tschechische Forschungsgruppe (die bereits einen solchen Versuch auf den Ballonen BEXUS 7 und 9 gemacht haben/durchführen werden), für die Wettermessungen den DWD.

    Die normalen Wetterballone messen ja mehrmals täglich die vier meteorologischen Elemente Druck, Temperatur, Luftfeuchte und Wind. Sie sind sehr günstig und ohne Frage für Wettervorhersagen unerlässlich. Nachteile bei diesen Ballons sind, dass sie, einmal aufgelassen, ohne Pause höher und höher steigen, bis sie zerplatzen. Weiterhin müssen die Messgeräte natürlich besonders klein und leicht sein (obwohl das heutzutage nicht so ein Problem ist). Mit einem bemannten Ballon kann man verschiedene Luftschichten mehrmals aufsuchen, von einer großen Höhe herabsteigen, wieder aufsteigen, usw. (natürlich so lange der Ballast reicht).

    Die Fahrten sollen nicht nur dazu da sein, um aufzuzeigen, was man hätte verbessern können. Die im Text angesprochenen Fahrten des „Deutschen Vereins zur Förderung der Luftschifffahrt“ 1888-1906 in Berlin haben schon viele Fehler ausgemerzt, z.B. alle die, die Glaisher begangen hatte. Trotzdem haben wir heute noch bessere Messgeräte als zur Jahrhundertwende. Wo damals Magnetfelder nur durch Beobachtungen der Schwingungsdauer einer Magnetnadel bestimmt werden konnten, können wir heute Magnetometer einsetzen. Wo Glaisher nur Ozonpapiere (Papiere mit einer Beschichtung aus Kaliumiodid, die sich in Anwesenheit von Ozon verfärbt) hatte, haben wir heute Analyseröhrchen, die uns die Ozonkonzentration in ppm angeben können.
    Die Berliner Ballonfahrten haben sich leider nur auf meteorologische und einige elektrische Messungen konzentriert, wenn morgen der zweite Teil kommt, sieht man, dass ich ein viel weiteres Programm geplant habe.

    Es geht also nicht nur darum, „besser zu sein“, sondern auch präzisere Daten mit einer Messplattform zu gewinnen, die m.E. ihresgleichen sucht. Raketen können nicht in einer bestimmten Höhe verharren. Flugzeuge vibrieren, sind laut und haben noch andere störende Eigenschaften. Der Gasballon ist so schnell wie der Wind, bewegt sich kaum, ist geräuschlos und beeinflusst die Messinstrumente kaum. Weiterhin möchte ich gerne zeigen, dass man auch als junger Wissenschaftler ein größeres wissenschaftliches Projekt durchführen kann (Ich bin 19 Jahre alt und werde in den nächsten Tagen mein Physikstudium beginnen).

    Ich hoffe, dass diese Antwort deine Fragen beantwortet, und ich würde gerne jede weitere Frage beantworten!

    Grüße,
    Kevin

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