So wird das nichts!

Die ESA hat das ATV entwickelt. Von allen Transportern ist es der vielseitigste, aber dadurch auch komplexeste und teuerste. Das japanische HTV, das sowohl weniger verschiedene Typen an Fracht transportiert, wie auch weniger ambitioniert hinsichtlich automatischem Andocken ist, kam sowohl in den Entwicklungskosten wie auch den Transportkosten erheblich billiger.

Die ESA hat dies immer gerechtfertigt, dass dies auch Investitionen für ein neues Vehikel wäre, das auch Fracht zurück zur Erde bringt (heute ARV genannt). Durch das modulare Design des ATV könnte dies dann preiswerter entwickelt werden, so könnte man den vorderen Frachtbehälter einfach durch eine Kapsel ersetzen. In einem zweiten Schritt könnte diese sogar bemannt sein.

Nun lese ich, dass die ESA das tatsächlich vorhat. Also alles Paletti?

Nein, wer den Bericht genauer liest merkt, dass von dem Versprechen nichts übrig bleibt. Zahlreiche Subsysteme müssen ersetzt werden, so bekommt es einen neuen Kopplungsadapter. Das Servicemodul muss in vielen Teilen upgraded werden, so soll die Stromversorgung verstärkt werden, eine aktive Kühlung eingebaut usw. Besonders lustig fand ich die Passage: „need improved power generation systems and newer avionics to replace obsolete equipment on the ATV.“ – Lustig deswegen weil die gleiche Avionik Hardware der neue Bordcomputer der Ariane 5 und Vega sein wird, also für diese Träger gerade erst neu eingeführt wird.

Schon alleine die Summe – 150 Millionen Euro für Phase B, die meisten Kosten fallen eigentlich erst in Phase C+D an, zeigt dass es nicht billig werden wird.

Vor allem aber sehe ich keinen Nutzen. Aus zwei Gründen. Zum einen stellt sich die Frage der Notwendigkeit. Die ESA selbst bezifferte den gesamten Bedarf an Gütern die zur Erde zurück gebracht werden soll auf 1.000 bis 1.500 kg pro Jahr. Es gibt schon ein System dass fähig ist Fracht zur Erde zurückzubringen – die Dragon Kapsel von SpaceX die viermal pro Jahr starten soll und jedes Mal (da schwanken die SpaceX Angaben zwischen 1.200 und 3.000 kg zur Erde zurückbringen kann). Der Bedarf für ein zweites System existiert also nicht.

Man investiert also nochmals neue Entwicklungskosten in ein System das nicht benötigt wird und das man auch nicht bezahlt bekommt – es gibt nur eine Vertragliche Verpflichtung einen festgesetzten Frachtanteil zu liefern. Es wird nicht festgelegt dafür ein Technikwunder zu bauen, sondern wenn die ESA einen unnötig teuren und komplexen Transporter baut, dann ist das ihr Bier. Und hier wird das ARV die Nutzlast deutlich senken: Auf 2000 kg zur Station und 1.500 kg zurück. Selbst wenn dann noch Reboosttreibstoff dazukommt ist das deutlich weniger als beim ATV – ist auch klar. Die massive Kapsel kostet Nutzlast.

Vor allem aber: Es kommt zu spät! Nach dem Bericht soll es 2017 fliegen – drei Jahre vor Stationsende. Was soll das? Dann werden vielleicht 2-3 Stück gebaut und dafür wird wieder viel Geld ausgegeben (Schätzungen für das ARV beliefen sich auf weitere 800 – 1000 Millionen Euro Entwicklungskosten). Es würde vielleicht noch Sinn machen, wenn man 2006, als die Entwicklungsarbeiten am ATV abgeschlossen wurden dann an das ARV gegangen wäre. Dann wäre es 2013 zur Verfügung gestanden und eine größere Zahl wären bis 2020, dem derzeit geplanten Betriebsende der Station eingesetzt worden. Aber die damals unsichere Zukunft sprach gegen diese Idee und die gleichen Argumente zogen auch 2008, als bei der letzten Ministerratskonferenz nur 21 Millionen Euro für die Phase B Studie bewilligt wurden. Deutschland wollte erheblich mehr, in etwa ie Größenordnung um die es jetzt geht.

Die Zeit ist verloren und kann nicht kompensiert werden. Daran ist die ESA nicht schuld, das lag an der damaligen Politik der USA. Aber dann wäre es in meinen Augen konsequenter wenn die ESA nun zur Industrie sagen würde: Wir brauchen noch vier bis fünf ATV, wir nehmen die euch ab. Seht zu dass ihr sie billiger produzieren könnt oder sie noch etwas leistungsfähiger und flexibler sind. Also graduelle Verbesserungen die finanzierbar sind. Mehr zum Thema ATV Evolution in meinem Aufsatz über das Thema.

Ansonsten: Hätte nicht gedacht das Kevins Rätsel so schwierig ist. Vielleicht hätte er fragen sollen, was am 21.7.1969 passierte, das ist ja noch viel schwieriger… Huuh ist das schlimm wenn man mal selbst ein Rätsel stellen muss und dazu ein paar Sätze als Erklärung, wenn man richtig auflöst. Da am besten nicht antworten. Menschen wollen wohl nicht auffallen. Das war in der Schule so, beim Studium war ich auch einer der wenigen der sich freiwillig meldete und bei meinen Studenten beobachte ich dasselbe. Aber beim Blog? Hier sind doch alle mit Vornamen oder Pseudonyme unterwegs. Es gibt sicher einige Tausend „Hans“, „Arne“ und „Alexander“ in dieser Republik. Also wovor habt ihr Angst? Was soll ich da erst dagegen sagen, wenn ich (fast) jeden Tag einen Blog unter meinem Realnamen verfasse?

7 thoughts on “So wird das nichts!

  1. Ich finde es schön, dass es weiter geht.

    Aber SOO, unser lieber Bernd, geht es auch nicht:
    VERORDNUNG zur Aktivität ging schon in der DDR in die Hose, nach deren Untergang bleibt das Gesetz dazu: wer will, tut es. Wer nicht, darf es lassen ohne Beschimpfung/Druck.

    Dass da jemand gehustet hat, wusste wohl jeder Interessierte aus dem Handgelenk-Gedächtnis.

    Dass auf dem berühmtesten Space-Archiv/-Info-Blog der westlichen Hemisphäre aber in Bild-Manier von „Überleben“ von Bakterien gefaselt wird mit „Dunkelheit“, hat selbst mir die Fußnägel angehoben.
    Ok, dachte ich, der Bernie kocht auch nur mit Wasser, mal gucken was da kommt.

    Ok, die Kurve hat er aktuell – aber etwas mehr Sensibilität wär schon angebracht.
    Wären seine Gäste Sabbler wie er – hätten die alle einen eigenen Blog 😀

    CNR 🙂

  2. @Keiner: Da hast Du Dich wohl beim Beitrag vertan…

    @Bernd: Nur mit den Informationen dieses Beitrags: Ich denke, dieser Plan der ESA könnte noch ein anderes Ziel verfolgen, ausser die Raumfahrtindustrie zu subventionieren. Um 2017 herum dürfte nämlich die Diskussion los gehen, ob man die Betriebszeit der ISS über 2020 hinaus verlängert. Und dann will man für weitere Transporte gerüstet sein. Wenn parallel dazu tatsächlich eine Manschschaftstransportkapsel daraus entwickelt wird, ist man im Personaltransport auch unabhängig von Russen und Amerikanern, d.h. die können einem die Preise für die Fahrkarten nicht nach belieben diktieren.
    Zur Kapsel von SpaceX: Wie sieht es denn da mit der Umsetzung aus? – Haben die die Kapsel denn schon fertig? – Oder zumindest einen Prototyp in der Erprobung? Über diese Firma liesst man hier ja meisst nur, das da die Taten den Worten immer sehr weit hinterher hinken, deshalb bin ich da recht skeptisch. Ansonsten gilt auch hier: Ein zweites System dürfte mittel- bis langfristig den Preis drücken, d.h. SpaceX wird die Preise für Rücktransporte nicht beliebig bestimmen können.

  3. @Hans: Klar die Partner planen schon 2028 an. Das Problem ist nur: Funktioniert dann noch die ISS? An Bord der Mir häuften sich nach etwa 12 Jahren mehr und mehr die Probleme und immer mehr Zeit wurde für die Wartung benötigt. 2020 sind die ältesten Module schon 22 Jahre im All.

    Selbst wenn die ISS langlebiger ist, würde ich mich nicht drauf verlassen wie lange sie lebt.

    Ich wurde ja immer gescholten mich über SpaceX negativ ausgelassen zu haben. Aber selbst ich denke dass sie (wenn sie nicht vorher bankrott gehen) sie bis 2017 eine Kapsel hinbekommen. Das wäre 10 Jahre nach Entwicklungsbeginn. Genügend Zeit dafür.

  4. Aus aktuellem Anlass zu SpaceX:
    http://www.spacex.com/updates.php
    Es geht offensichtlich voran! Auch wenn dieser ersten Mission noch vieles fehlt (z.B. Solarzellen, …) hat SpaceX doch einen gewissen Vorsprung gegenüber Anderen.
    Ich bin durchaus Skeptisch, was einige Angaben auf der Homepage angeht. Trotzdem bin ich optimistisch, dass die Ziele der Versorgungsflüge erreicht werden können. Man darf auch nicht vergessen, dass jeder der Versorgungsflüge ein Testflug einer bemannbaren Kapsel ist und die dafür notwendigen Dinge (v.A. Lebenserhaltung) können auf diesen Flügen schrittweise integriert und getestet werden. So gesehen sind das „gratis“ Testflüge.
    Wenn die ESA dann 2017 das ARV wirklich gebaut und in Betrieb genommen hat, halte ich es für Möglich, dass Dragon bereits bemannt fliegt.

  5. Aufgrund des modularen Aufbaus der Station kann man ja auf die Idee kommen, jene Module, die die meissten Probleme machen, weil sie am längsten im All sind, auszutauschen. Allerdings weis ich auch, dass das bei der derzeitigen Struktur der Station eher nicht funktionieren wird, weil zuvieles an einzelnen Modulen dran hängt. Aber evtl. wäre es für nachfolgende Stationen eine Überlegung wert, eine Trägerstruktur zu entwerfen, die auch den späteren Austausch von Modulen erlaubt. Das dürfte langfristig sogar billiger werden, weil man wegen überhöhter Wartung eines einzelnen Moduls nicht die ganze Station aufgeben muss.
    Wenn man es geschickt anstellt, könnte man das Modul dann evtl. in eine Art Rückkehr-pack stecken, um es wieder zur Erde zurück zu bringen, und dort weiter zu untersuchen, insbesondere an jenen Stellen, die im All nur schwer zugänglich sind, beispielsweise weil sie aussen liegen. – Ja ich weis, ich phantasiere schon wieder…

  6. Die ältesten Module sind die Kernmodule – aufgrunddessen sind sie nicht so einfach auswechselbar, weil dann die ganze Station auseinanderfliegt. allerhöchstens Swesda und Sarja könnten so ausgewechselt werden, auch weil sie einen eigenen Antrieb zum Abkoppeln haben. Ob aber Sarja noch funktioniert (das Modul ist seit 1999 inaktiv und wird nur als Stauraum benutzt) wage ich zu bezweifeln.

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