Ne, also wirklich ….

Ich weis, einige wollen schon nichts mehr davon hören, andere werden nun wieder sagen, ich betreibe „SpaceX-Bashung“. Aber Leute, wenn ihr Fußball spielt, freie Schussbahn auf das Tor habt, der Torwart weit abwärts steht und jemand euch den Ball direkt vor den Fuß spielt, schießt ihr dann nicht auch? Diese Firma wirft ja nur so mit Steilvorlagen für Kritiker um sich.

Also: Dieses Jahr gibt es wahrscheinlich KEINEN einzigen Start. Trotzdem gibt es immer verrücktere Ankündigungen, von Schwelastraketen über Marsmissionen bis nun zu dem neuesten: der vollständig wiederverwendbaren Falcon 9. Dazu gibt es auch ein Video. Also was kann man davon ableiten? Die Falcon 9 Erststufe soll zuerst abgebremst durch drei, dann durch ein Triebwerk landen. Obwohl die Stufe sehr schlank ist und bei einer leeren Stufe schon ein Triebwerk einen zu hohen Schub hat, sind keine Stabilisierungstriebwerke vorgesehen.

Die zweite Stufe soll analog auf Stelzen landen, wobei die Firma meint mit einem kleinen Schild an der Nutzlastseite die Reibungshitze abfangen zu können. (Und dies obwohl durch das Triebwerk, der Schwerpunkt auf der anderen Seite liegen dürfte).

Tatsache ist: Bisher hat nicht einmal das Bergen der ersten Stufe mittels Fallschirmen bei mindestens 5 Versuchen geklappt und nach dem letzten Start wurde beim Wiedereintritt die Stufe regelrecht zerlegt. Das bedeutet, selbst wenn ich davon ausgehe, dass dieses Manöver klappt, die Struktur deutlich verstärkt werden muss. Sie wird also erheblich schwerer werden. Bei der zweiten Stufe sind die Belastungen noch höher und es kommt noch der Hitzeschutzschild dazu.

Das zweite ist, dass die Stufen noch Treibstoff benötigen. Auf dem Video sind keine Fallschirme erkennbar. Das bedeutet dass sie mit hoher Geschwindigkeit, typisch 1000 km/h also rund 300 m/s auf die Erde zurasen. Es wird muss diese Geschwindigkeit vernichtet werden. Dazu kommt noch Treibstoff um zu schweben oder weichzu landen. Wenn man 10 s dafür rechnet ist man bei 400 m/s Geschwindigkeitsbedarf, wofür man entsprechende Treibstoffvorräte vorsehen muss. Auch der Schub des Merlin 1D ist nicht beliebig reduzierbar. derzeit soll es 122 kklbf (543 kN) auf Meereshöhe entwickeln und auf 70% im Schub drosselbar sein. Da der Schub kleiner als g*Gewicht sein muss, wenn die Rakete nicht wieder in den Himmel abheben soll, wird die Stufe bei der Landung also >38 t wiegen. Nach anderen Angaben soll bei der derzeitigen Falcon 9 Heavy das Voll/Leergewichtsverhältnis von 30 vorliegen, was bei einer etwa 400 t schweren Stufe nur 13,3 t entspricht. Die Bergung macht sie also erheblich schwerer, Dazu kommt noch der Treibstoff der benötigt wird.

Noch schwieriger ist das bei der zweiten Stufe, die anders als im Video gezeigt, garantiert nicht mit dem Schub des Haupttriebwerks landen kann – sie ist viel zu leicht dafür. Die zweite Stufe benötigt zusätzlichen Treibstoff um auch noch den Orbit zu verlassen, etwa 200 m/s sind dazu nötig.

Das alles wird Nutzlast kosten. Rechnet man mit einer 50% höheren Stufenmasse bei der ersten und 100% höheren Masse bei der zweiten Stufe und setzt dann noch Treibstoffreserven für 400 bzw. 600 m/s Kurskorrekturen an, so reduziert dies die Nutzlast von 16 auf 9,2 t. (Persönliche Abschätzung des Autors, genaue Daten sind natürlich nicht verfügbar). Wenn, was wahrscheinlicher ist, wir erheblich höhere Lehrmassen haben, dann entsprechend weniger. Die Bergung der ersten Stufe kostet bei diesem obigem Szenario rund 2.600 kg Nutzlast, die der zweiten rund 4.200 kg Nutzlast. Natürlich ist das nur eine Schätzung von mir.

Allerdings kann man vergleichen: Die Kistler K-1 war auch völlig wiederverwendbar ausgelegt. Sie sollte bei 383,1 t Startmasse nur 4,6 t Nutzlast aufweisen und setzte dieselbe Treibstoffkombination wie die Falcon 9 ein. es ist daher anzunehmen, dass diese in etwa den gleichen Nutzlastanteil aufweist, was bei 480 t Startmasse rund 5,8 t sind – sogar noch weniger als meine Schätzung.

Immerhin gibt Elon Musk zu, dass es schwierig ist, aber dann verlässt ihn wie immer der Bezug zur Realität: „If it does work, it’ll be pretty huge,” Musk said. “If you look at the cost of a Falcon 9 … it’s about $50 [million] to $60 million. So obviously, if we can reuse the rocket, say, a thousand times, then that would make the capital cost of the rocket for launch only about $50,000.”. Lieber Elon: alleine der Treibstoff, rund 450 t für deine Rakete wird rund 175.000 $ kosten, wenn Du keine Steuern zahlst und kein Sauerstoff verdampfft und 1000 Flüge? Gabs da nicht mal ein System das auch so billig war und nur 100mal starten sollte? Ich bezweifele dass das Triebwerk dies durchhält. Normale nicht wiederverwendbare Triebwerke kann man etwa zehnmal verwenden, das Shuttle-SSME, das wiederverwendbar sein sollte 55-mal. Wie immer, Elon hat keine Ahnung von dem was er spricht. Und wenn das schon beim Chef so ist, wie muss es dann erst in den unteren Etagen aussehen….?

Mit jeder neuen Ankündigung nimmt mein Respekt vor SpaceX ab. Die Schere zwischen erreichtem und Ankündigungen nimmt immer weiter zu. Die Ankündigungen werden immer futuristischer oder technisch anspruchsvoller bzw. es kann bezweifelt werden ob sie technisch umsetzbar sind. Im Gegensatz dazu gibt es in 6 Jahre gerade mal 6 Flüge, nur einer war nicht ohne Probleme. Irgendwie erinnert mich das an die FDP – auch da vermisst man Taten, stattdessen gibt es laufend neue Ankündigungen und unpassende Kommentare.

16 thoughts on “Ne, also wirklich ….

  1. Dazu kommt noch, daß die Stufen laut Elon Musk zum Startort zurückkehren sollen, was noch weiteren Treibstoff erfordert.
    Wenn man dann betrachtet, welche Probleme sie haben bei nicht wiederverwendbaren Raketen die (mit viel Rummel) angekündigte Nutzlast auch in der Realität zu erreichen, dann bleibt praktisch nichts mehr für die Nutzlast übrig.
    Also mal wieder ein Beitrag für die Witzecke.

  2. Es gäbe enorm viel anzumerken. Vor allem was die Genauigkeit angeht. Die Sojus Landegebiete haben einen Durchmesser von 30 km und erreicht wurden mit Kapseln einige Hundert Meter als Maximalabweichung und nun soll das Ding in einem Kreis von etwa 10-30 m Durchmeser punktgenau niedergehen – ohne Flügel wie beim Shuttle.

  3. Ich muss ja zugeben, dass ich ja sonst zu jenen gehörte, der dir gerne etwas einseitiges SpaceX-Bashing vorwirft – aber mittlerweile, oder sagen wir, seit dieser neusten Ankündigung, stimme ich dir völlig zu.

    Es ist eines, eine neue, vergleichsweise günstige und zuverlässige Raketenfamile zu entwickeln, in grossen und kleinen Varianten, diese geschickt zu vermarkten und über weitere Verwendungsmöglichkeiten nachzudenken. Es ist aber etwas ganz anderes, vollmundig etwas anzukündigen, was so noch niemand geschafft hat, und gleichzeitig den nächsten realen Start immer weiter nach hinten zu verschieben. Mal hiess es, es würden dieses Jahr vier Falcon 9 starten – wo sind die hin? Werden die Kunden nach dem Falcon 1 Muster auf die Falcon Heavy umgebucht? Ich würde ja nichts sagen, wenn diese vollständige Wiederverwendbarkeit angegangen würde, wenn die Falcons regelmässig erfolgreich starten und der Firma die Dollars nur so zufliegen… Aber so riskieren sie, alle Glaubwürdigkeit zu verspielen, bevor sie sich richitg beweisen konnten. Schade, wirklich.

  4. Ich freue mich natürlich wenn ich auch mal von unverhoffter Seite recht bekomme. Schließlich wurde ich wegen meiner Haltung hier und an anderer Stelle angefeindet.

    Meiner Ansicht nach haben diese Ankündigungen vor allem den Zweck den Bekanntheitsgrad vor dem Aktiengang zu erhöhen / Aussichten auf hohe Einnahmen zu suggerieren, und so den Aktienkurs zu steigern. Schlussendlich belohnt die Börse nicht laufende Gewinne, sondern Aussichten auf folgende. Das Spiel hat Elon Musk ja schon zweimal im Softwarebereich durchgezogen als er Unternehmen verkaufte, bevor sie ein Produkt fertigentwickelt hatten aber dieses als profitabel eingestuft wurde. Oder er hofft auf neue Gelder wie der Regierung, wie bei Tesla, das kurz vor dem Börsengang einen Kredit von 465 Millionen Dollar von dem DOE bekam. Bislang hat das bei SpaceX ja auch geklappt.

  5. Bei Tesla kennt man immerhin da sie an der Börse sind die Umsätze und sie haben seit dem Börsengang jedes Jahr nur Verluste ausweisen können. Das trotz des 465 Millionen Dollar Kredits des DOE. Interessant ist auch dass die Marktkapitalisierung des Unternehmens die Unternehmenswerte um den Faktor 10 übersteigt und dem Eigentum genauso viele Verbindlichkeiten gegenüberstehen.

    Trotzdem taucht Tesla immer auf wenn es um Elektroautos geht, das bei gerade mal 1.750 verkauften Autos. Also diverse Parallelen zu SpaceX gibt es schon ….

  6. Ich habe meine Probleme mit der wiederverwendbar Falcon 9

    das Landen ist das kleinste Problem, das große Problem ist frei fall nach Brennschluss.
    der Luftwiderstand bremst die stufe auf „Endgeschwindigkeit“, doch dabei heiz sich die hülle auf
    im Tank steigt die Temperatur und somit der Gasdruck des verdampfen Rest Treibstoffe.
    Dabei Überschlagt die Stufen sich weil sein Schwerpunkt bei Triebwerk liegt.
    Das Video zeigt keinerlei Stabilisator irgendeine Art wahren diese Phase.

    Doch das eigentliche Problem ist die Reduktion von Nutzlast,
    Den die Falcon 9 ist ein festliegen Entwurf, diese zu anderen für wiederverwendbarkeit bedeutet:
    zusätzliche Treibstoffe, Tank Isolation, Hitzeschild, Stabilisatoren, Zünder für Triebwerke,
    Radar für Autopilot und Akkus, was von Nutzlast abgezogen wird.

    Ich glaube nicht das eine wiederverwendbar Falcon 9 eine Dragon Capsel in den orbit bringt
    Das hier sieht mehr nach Billiger Nachfolger für Falcon 1e aus…

  7. Das Ziel der aktuellen Vision von Elon Musk ist klar: Subventionen für neue Entwicklungen zu erhalten.

    Verrückterweise halte ich sogar das gezielte de-orbiting samt Rückflug zum Startplatz für die Oberstufe für einfacher als für die Unterstufe, so denn man aus dem LEO oder GTO kommt, so dass man nicht viel Treibstoff für den Deorbit braucht.

    Ob es reicht, nur mit Thrustern zu steuern, und ob man die Satelliten-zugewandte Seite der Stufe für den Hitzeschild nehmen kann, kann ich nicht ausrechnen. Evtl. könnte man einen Hitzeschild zwischen Haupttriebwerk und Stufentrenner mitführen und beim Wiedereintritt dann irgendwie ausklappen.

    Die Punktlandung mit dem Haupttriebwerk ist extrem ambitioniert, weil es die leere Oberstufe mit 6 bis 10 g beschleunigt. Also müsste man bis fast zu letzt frei fallen (ca. 300 bis 400 km/h) und dann nur zum Abbau der Restgeschwindigkeit ganz kurz zünden. Soweit man bei dem für Vakuumflug optimierten Triebwerk natürlich überhaupt eine stabile Verbrennung bei normalem Luftdruck erreicht!

    Für die Unterstufe weiß ich hingegen nicht, wie man es schaffen soll, zum Startplatz zurückzufliegen, ohne Massen an Treibstoff zu verbrauchen.

    In der Tat muss man SpaceX sagen: Bemüht Euch endlich, die Startrate hochzufahren, statt immer neue tolle Dinge auszuhecken! Den Übergang von der Design-Phase mit Teststarts zur Produktionsphase mit regelmäßigen Starts hatte ich ja schon immer als größte Herausforderung für SpaceX beschrieben.

    Kai

  8. Da kommt noch ein Artikel dazu in den nächsten Tagen. In der Raumfahrt gilt: Erst wenn man es probiert hat und es klappt ist man sicher. Phobos Grunt hat ja jetzt auch ein neues Startverfahren mit integrierter Stufe ohne eigene Steuerung ausprobiert und ist damit gescheitert.

    Die Sache ist die, dass SpaceX seit 2006 versucht ihre erste Stufe zu bergen. Dabei soll diese „nur“ an Fallschirmen wassern und Airbags einsetzen, also etwas was zumindest bei Feststoffboostern erprobt ist. Geschafft haben sie es bei bisher 7 Flügen nie. Nun sollen wir ihnen glauben, dass sie eine viel anspruchvollere Technik, die noch niemand probiert oder nur getestet hat hinbekommen?

  9. SpaceX ist ursprünglich ja angetreten, um es anders als die NASA zu machen. Inzwischen machen sie es aber genau so: Alles anfangen, und nichts fertigkriegen. Möglichst noch mit mehreren Änderungen während das Projekt läuft, die es erst richtig teuer machen. Natürlich nur um zu sparen. 😉

  10. SpaceX testet nichts, das kostet Geld. Sie machen nur Simulationen mit fehlerfreier software (so zumindest die Aussage des Chefprogrammierers als er über die Flugsoftware für COTS-1 gefragt wurde, die daher auch nicht getestet werden muss).

    Es ist bei dieser Firma sinnvoller in der Vergangenheit zu sehen und ihre Prognosen von früher mit der Wirklichkeit zu vergleichen. Nehmen wir folgendes Dokument von der SpaceX Website:
    http://www.spacex.com/FutronDesignReliability.pdf
    Scrollt auf Seite 4 und ihr erfahrt, dass die von SpaceX berechnete Fehlerrate der Falcon 1 2,845% beträgt. In Wirklichkeit scheiterten 3 von 5 Starts, was 60% sind. Ich habe das ja mal in einem Blog hier schon ein bisschen thematisiert, aber in vielem erinnert mich das früher an Ankündigungen für ganz tolle Software die dann verspätet erschien, fehlerhaft war und zigmal nachgebessert wurde.
    Wenn man einfach die Ankündigungen als die einer Softwarefirma sieht, wie die tollen Dinge die die nächste Windows Version tun kann und die dann alle nicht kommen, dann relativiert such alles.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.