SpaceX CRS-1 Nachlese

Hallöchen. Wie ihr an der Lücke gestern gemerkt habt, hatte ich wieder viel zu tun. Eine Besprechung an der DHBW über den Kurs beim Informatikunterricht, dann zwei Tage Programmierung beim Kunden und dann hat sich mein Bruder (schon wieder) einen Virus am Computer eingefangen, der diesmal das gesamte Programmverzeichnis löschte. Da konnte ich dann gestern Windows komplett neu aufsetzen und bis alle Programme installiert, der mitgelieferte Kruscht deinstalliert und die Benutzerdaten restauriert waren, war der Tag auch gelaufen. Heute gibt es einen Ausschnitt aus meinem Artikel über die Berichterstattung zur Falcon 9, denn ich nach den letzten Ereignissen aktualisiert habe. Da ich ja strikt zwischen Blog (Meinung) und Website (Sachargumentation) trenne kommt er sicher für den einen doer anderen etwas nüchtern rüber. Ich erwähne es nur, weil ich immer wieder feststelle, dass einige meinen Blog mit einer Nachrichtenzentrale verwechseln.

Am 7.10.2012 fand der zweite Start der Falcon 9 statt, der erste der ohne Probleme im Vorfeld und auf Anhieb stattfand. Dafür gab es eine „Anomalie“, wie SpaceX es ausdrückte. 79 s nach dem Start veränderte sich die Rauchfahne um ein Triebwerk, es waren deutlich Teile zu sehen die weg flogen  Weder bei der NASA noch bei dem SpaceX Kommentaren gab es aber einen Hinweis, dass etwas passiert sein könnte. Das einzige was verblüffte war dass die erste Stufe deutlich länger arbeitete. Auch die zweite Stufe arbeitete 8 s länger. Die Dragon wurde aber im vorgesehenen Orbit ausgesetzt.

Das etwas nicht stimmte konnte aber auch ein Laie beim SpaceX Webstream sehen, als bei 3:12 der Sprecher sagte „Pass the MECO Point“ und 3 s später „First Stage MECO“ – nur sah man die auf dem Stream noch brennen. Drei Sekunden später kam dann die Kollegin mit „Stage Seperation confirmed“ und auf dem geteilten Bild (links Blick von unten auf die zweite Stufe, rechts Blick nach unten auf die Triebwerke) hatte sich gar nichts getan. Bei 3:28 ging die Flamme aus, während der Sprecher sagte „And that Ignition confirmed“- man fragt sich wirklich ob die Leute nur Sätze nach einer Zeitlinie ansagen oder wirklich irgendwelche Informationen haben. Bei 3:35 konnte man erst die Zündung sehen, die schon 6 Sekunden früher erfolgen sollte. Der Brennschluss erfolgte dann bei 9:50. (Alle Daten nach dem Videostream von der mitlaufenden Uhr. Keine Daten wurden von SpaceX veröffentlicht).

Natürlich entfachte das sofort Diskussionen in diversen Internetforen. Wie die Firma darauf reagierte zeigt exemplarisch, wie viel SapceX noch in Öffentlichkeitsarbeit tun muss. Das Startvideo wurde zuerst auf „Privat“ gesetzt, also für die Öffentlichkeit gesperrt. Danach wurde es um genau die 3 s um den Vorfall gekürzt erneut ins Netz gestellt. Erst Stunden später wurde es ungekürzt erneut ins Netz gestellt.

Nach dem Start gab es dann nur die Meldung: Es gäbe eine „Anomalie“. Eine Anomalie war auch der vorzeitige Brennschluss beim COTS-Demoflug 1 sowie das vorzeitige Abschalten des Triebwerks beim zweiten Falcon 1 Start. Man darf also davon ausgehen, dass eine „Anomalie“ der SpaceX Ausdruck für ein Triebwerksversagen ist. Die acht Triebwerke hätten ausgereicht und der Bordcomputer hätte eine alternative Aufstiegsbahn errechnet. Also sei doch alles in Butter, die „engine-out capability“ hätte sich bewährt. Doch auf den Videobildern sah man ja etwas wegfliegen. Später wurde gesagt: Das Triebwerk hätte „Druck verloren“ und wäre nicht explodiert, man hätte „weiter Telemetrie von ihm erhalten“. Nun verlieren aber Triebwerke bei denen im Falle des Merlin 1C 67,7 bar Brennkammerdruck herrschen nicht so einfach Druck. Die Trümmer seien wegfliegende Teile der aerodynamischen Verkleidung gewesen. Wenn der Druckverlust bzw. Gasstrom so stark ist, dass er diese absprengen konnte, dann ist es eigentlich unwesentlich ob das Triebwerk explodierte. Es ist dann in jedem Falle stark beschädigt.

Nach SpaceX Angaben arbeiteten dann acht Triebwerke weiter. Doch passiert dies nicht zu dem Angaben des Presskit:

Stufe Vorgabe Presskit Real COTS 2/3
Brenndauer erste Stufe 180 s 208 s 183 s
Brenndauer zweite Stufe 359 s 374 s 372 s

Würde ein Triebwerk nach 79 s ausfallen, so müsste sich die Brenndauer auf 192,6 s erhöhen. Bei zwei Triebwerken sind es dagegen auf 208,9 s, was zu dem obigen Tabellenwert passt. Das Abschalten eines gegenüberliegenden Triebwerks ist die einfachste Möglichkeit der Kompensation des Verlustes, denn auch die N-1 einsetzte. Eine Alternative ist die Schubvektorsteuerung also das Drehen der Triebwerke. Das kann jedoch an Grenzen kommen, wenn ein Ecktriebwerk ausfällt. Daher wurde wohl erstes gewählt.

Der Verlust an Schub (die Falcon 9 startet mit (855.000 klbf, das sind 3804 kN bei 314 t Startmasse) bei nicht besonders hohem Schub/Gewichtsverhältnis führte dann zu erhöhten Gravitationsverlusten. Dies glich die zweite Stufe durch eine um 15 s längere Brennzeit aus. (Videoauswertung, Spaceflightnow (siehe Quellen) gibt für beide Stufen zusammen 38 s aus, es können also auch 10 s sein) Doch dies hatte noch Folgen. Als Sekundärnutzlast sollte ein Prototyp der Orbcomm 2M Generation ein einen Orbit befördert werden. Dazu sollte 45 Minuten nach der Dragon im Apogäum die zweite Stufe erneut zünden und die Bahn anheben. Eine Prüfung ergab dass die Treibstoffreserven zwar ausreichend für eine weitere Zündung waren, aber nicht ausreichend, damit keine Gefahr besteht dass die Stufe danach nicht der ISS gefährlich nahe kommen kann. Die Zündung erfolgte daher nicht und der Satellit verblieb in einem Orbit von rund 200 x 320 km (die angaben differieren hier etwas). Geplant waren 350 x 750 km. Durch den erdnächsten Punkt verglühte er schon am 11.10.2012.

Auch zu der Dragon gibt es etwas zu bemerken. Sie transportierte nur 900 kg Nutzlast, davon 450 kg Güter für die ISS, der Rest „Umverpackungen“. Das ist deutlich unter der von SpaceX publizierten Maximalnutzlast von 6000 kg. Selbst wenn diese für die kommende Falcon 9 „v1.1“ mit 13,23 t Maximalnutzlast gilt, so sollte die derzeitige mit 10,45 t Maximalnutzlast über 3 t transportieren. Offensichtlich verdankt SpaceX dieser geringen Nutzlast, dass nicht auch die Dragon verloren ging, denn es reichte ja schon für einen sehr niedrigen Orbit, der mehr Treibstoff von der Dragon für die Anhebung erfordert. Dieser führte noch in einen 297 x 347 km Orbit, diesmal war es nur ein 197 x 318 km Orbit, also deutlich niedriger. Noch 20 km weniger im Perigäum und die Dragon wäre beim ersten Umlauf verglüht. Für diese Deutung spricht auch, dass die Dragon mit weniger Treibstoff als bei COTS 2/3, aber fast gleicher Nutzlast einen niedrigeren Orbit erreichte, aber beide Stufen längere Brennzeiten aufwiesen. Pro Sekunde verbraucht ein Merlin Vakuum rund 126,8 kg Treibstoff. 15 Sekunden mehr entsprechen dann schon 1,9 t Resttreibstoff der normalerweise verblieben wäre oder eben 1,9 t Nutzlast. Es muss sehr wenig Resttreibstoff gewesen sein, denn um von der Bahn in eine 350 x 750 km Bahn zu gelangen braucht man nur eine Geschwindigkeitsänderung von 164 m/s. Bei einer angenommenen Masse von 3 t für Satellit und Oberstufe (das meiste für die Stufe) braucht man nur 156 kg Treibstoff. Wenn nicht einmal diese kleine Restmenge zur Verfügung steht, dann war die Mission nahe am Scheitern.

Insgesamt zeigte sich zwar, dass die „engine-out capability“ sich zwar bewährte, aber eine große Portion Glück im Spiel war. Wäre eine Dragon mit höherer Nutzlast gestartet, so hätte sie wohl das Schicksal des Orbcomm 2 Satelliten geteilt. Anders als bei der der Saturn V arbeitet SpaceX anscheinend nicht mit entsprechenden Treibstoffreserven die auch nötig sind um den Ausfall abzufangen und es scheint auch nicht möglich einen defekt vorher zu erkennen, wie dies bei der Saturn V und dem Shuttle der Fall war, wo mehrmals Triebwerke abgeschaltet wurden, bevor Teile durch „Druckverlust“ abfielen. Technisch gesehen ist dies durch Überwachung der Parameter heute auch kein Problem mehr.

Aussagen von Elon Musk, er hätte schon explodierende Triebwerke bei Testläufen gesehen wo „dann nichts mehr übrig bleibt“ lassen darauf schließen, dass Explosionen zumindest bei den Tests vorkamen. Auch dies ist heute eher ungewöhnlich, während es in den fünfziger und sechziger Jahren sehr häufig vorkam. Während der gesamten Entwicklung des Vulcain 1+2 mit Gesamtbetriebszeiten von mehr als zwei Tagen gab es keine Explosion eines Triebwerks.

Ob das Merlin 1D besser wird? Es bleiben Zweifel. Ein Merlin 1C hat ein Schub/Gewichtsverhältnis von 67, es wiegt 630 kg bei 422 kN Bodenschub. Das ist ein typischer Wert für ein Triebwerk dieser Größe. Dagegen soll das Merlin 1D ein Schub/Gewichtsverhältnis von 150 aufweisen, was ein Rekordwert wäre, vor allem für ein Triebwerk im mittleren Schubbereich. Bei einem Maximalschub von 161 klbf entspricht dies einem Gewicht von 477 kg. Also trotz mehr als 50% mehr Schub wiegt das Triebwerk deutlich weniger. Da damit natürlich auch weniger strukturelle Integrität einhergeht ist fraglich, ob dieses zuverlässiger ist. Eher scheint das Gegenteil wahrscheinlich. Die Saturn F-1 waren obwohl viel schubstärker waren (im Normalfall sind schubstärkere Triebwerke gemessen am Schub leichter, weil die Oberfläche und damit das Gewicht im Quadrat ansteigt, das Volumen, wesentlich für den Schub dagegen in der dritten Potenz) erreichten sie nur einen Wert von 82.

Insgesamt sind nun bei zwei Falcon 9 Starts schon zwei Triebwerksausfälle zu verzeichnen. Bei 40 eingesetzten Triebwerken sind dies nur 95% Zuverlässigkeit. Wenn andere Typen wie das Vulcain mit Werten weit über 99% erreichen, so ist dieser Wert sehr schlecht, auch bei der Absicherung für einen Ausfall. Schlussendlich könnte das Triebwerk auch früher ausfallen. Würde es in den ersten 47 s nach dem Start ein Triebwerk ausfallen, so würde die Beschleunigung unter den Startwert fallen, was gravierende Probleme für die Stabilität hätte. Bei einem Ausfall innerhalb der ersten 13 s sinkt die Beschleunigung unter 1g, die Rakete würde zurück auf die Startrampe fallen.

Quellen für die geplanten Zeiten:
http://www.spaceflightnow.com/falcon9/004/121008engine/ (38 s Gesamtverspärung)
http://spaceflightnow.com/falcon9/004/launchtimeline.html (Brennzeit erste Stufe 180 s, zweite Stufe 365 s)
http://www.youtube.com/watch?v=-Vk3hiV_zXU (Video zur Feststellung der korrekten Brennzeit)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.