Wieso muss Fleisch abhängen?

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Nach der Schlachtung laufen biochemische Vorgänge ab, die ihre Zeit brauchen. Direkt nach der Schlachtung kann man aus Fleisch Wurst machen, aber es ist nicht besonders gut geeignet, um es zu braten.

Unmittelbar nach dem Tod des Tieres ist der Muskel wich, schlaff und trocken, er kann reversibel gedehnt werden. Dann setzt die Totenstarre ein, der Muskel wird hart und feucht und kann nur unter Kraftaufwand gedehnt werden und dann ist die Verformung irreversibel. Nach einiger Zeit löst sich die Totenstarre und der Muskel kann erneut gedehnt werden, allerdings irreversibel. Das Fleisch ist zart geworden.

Betrachten wir uns die Vorgänge einmal genauer. Mit dem Tod des Tieres bleibt die Sauerstoffversorgung aus. Die Zellen arbeiten aber noch weiter und bauen vorhandene Nährstoffe, vor allem das im Muskel enthaltene Glykogen, ein Kohlehydratspeicher, ohne Sauerstoffzufuhr ab. Es passiert das gleiche, wie wenn man einen Muskel beim Training überlastet: Es bildet sich „Muskelkater“, weil beim Abbau ohne Sauerstoff (anaerob) Milchsäure entsteht, welche den pH-Wert absinken lässt. Dadurch wird der Muskel hart und feucht. Sein Wasserbindungsvermögen sinkt rapide ab. Die Totenstarre bildet sich unterschiedlich schnell aus. Beim Huhn in 2-4 Stunden, bei Schwein in 8-14 Stunden und beim Rind in 10-24 Stunden.

Die Totenstarre löst sich nach einiger Zeit (beim Rind erst nach 2-3 Tagen) und es schließt sich eine Reifungsphase an, bei der es zahlreiche Veränderungen gibt. Der pH-Wert steigt wieder an. Das Wasserbindungsvermögen nimmt etwas zu und der Saftaustritt beim Erhitzen wird geringer. Noch aktive Enzyme bauen teilweise die im Fleisch vorhandenen Kollagenfasern ab, bilden auch durch Abbauprodukte Aromastoffe. Denise Reifephase bis das Fleisch zart und zum Braten geeignet ist, dauert unterschiedlich lang. Bei Kühlschranktemperaturen bei Geflügel 36 Stunden, beim Schwein 60 Stunden, Kalb 7 Tage und Rind 14 Tage. Die lange Dauer führt beim Rind dazu, dass das Fleisch dann an der Oberfläche schon unappetitlich aussehen kann (braun, dunkel, teilweise auch grünlich verfärbt), doch dies ist kein Qualitätsnachteil. Unbeeinflusst ist von diesen Vorgängen allerdings das Bindegewebe außerhalb des Muskels. Es gibt Luxusrestaurants, die lassen das Fleisch noch länger reifen, bis es von Pilzen besiedelt wird. Die Enzyme in dem Mycel spaltet dann auch das Kollagen des Bindegewebes. Wenn die oberste, verschimmelte Schicht abgetrennt wird, ist es normal genießbar.

Stimmt es, dass die Fleischqualität leidet, wenn Tier beim Schlachten gestresst war ?

Ja, das hat mit den Vorgängen bei der Schlachtung zu tun. In der letzten Frage wurde schon beantwortet, was bei der Schlachtung passiert. Wenn nun die Tiere vor der Schlachtung gestresst sind, dann bewirkt dies einen gesteigerten Stoffwechsel im Muskel, bei dem schon Glucose und Glykogen abgebaut werden. Wird nun das Tier geschlachtet, so sinkt durch diese Vorgänge der pH-Wert viel stärker als normal, die Körpertemperatur fällt nicht, sondern steigt durch den angekurbelten Stoffwechsel sogar leicht an. Als Folge denaturieren Proteine im Fleisch. Lösliche Proteine fallen nun aus und reflektieren das Licht, weshalb das Fleisch blasser aussieht. Die Zellmembranen werden geschädigt und Wasser tritt aus und das Fleisch verliert an Struktur. Aufgrund dieser Vorgänge wird dieses Fleisch dann PSE-Fleisch genannt, von (Pale, Soft Exudative – bleich, weich, Wasser abgebend).

Beim Braten verliert PSE Fleisch sehr viel Wasser und wird sehr zäh und schrumpft zusammen. Betroffen ist vor allem Schweinefleisch.

Eine Variation ist desselben Vorganges ist das DFD-Fleisch. Es entsteht ebenfalls durch Stress vor dem Schlachten. Zum DFD-Fleisch kann es kommen, wenn der Stress etwas länger zurückliegt, z.B. schon beim Transport erfolgte. DFD-Fleisch kann auch gleichzeitig mit dem PSE-Fleisch beim selben Tier vorkommen, wenn der Muskel eine höhere Stoffwechselaktivität hat. Dann findet man in diesem DFD-Fleisch und bei weniger stark beanspruchten Muskeln PSE-Fleisch. Beim DFD-Fleisch begann schon lange vor der Schlachtung der Abbau des Glykogens, einem Kohlenhydrat, dass als Energiespeicher im Muskel vorkommt. Als Folge steht nach der Schlachtung kaum noch Glykogen für die anaeroben Prozesse zur Verfügung. Der pH-Wert sinkt während der Totenstarre nur wenig ab. Die Muskelfasern binden viel Wasser, quellen auf und erscheinen dadurch dunkel. Daher bezeichnet man das Fleisch als DFD-Fleisch (dark, firm, dry: dunkel, fest, trocken). Es bleibt praktisch die Totenstarre eingefroren.

Wegen des hohen pH-Werts ist DFD-Fleisch für Wurstwaren nicht geeignet, es ist auch mikrobiell dadurch viel anfälliger.

PSE-Fleisch findet man nicht bei Rindern. Dort enthält das Muskelfleisch etwas mehr Fett und der Fettabbau liefert auch noch Energie, sodass der Abbau von Glykogen und anderen Substanzen langsamer verläuft, daher dauert bei diesen Tieren auch die Totenstarre länger an. DFD-Fleisch kommt dagegen häufiger bei Rindern vor. Da Rinderfleisch sehr lange reifen soll und dabei auch von Mikroorganismen besiedelt werden kann ist dies natürlich sehr unerwünscht. Beim Schwein kommen sowohl PSE-Fleisch wie auch DFD-Fleisch vor, jedoch ist das PSE-Fleisch der häufigere Fehler.

Vermeiden kann man beide Fehler, indem man die Tiere möglichst wenig vor der Schlachtung Stress aussetzt und den Tierkörper nach der Schlachtung sehr schnell abkühlt.

3 thoughts on “Wieso muss Fleisch abhängen?

  1. Wenn man das liest, dann kann man draus schliessen, dass halal Fleisch immer minderer Qualität ist, weil die tiere beim schlachten unnötigen stress ausgesetzt werden.

  2. 1)
    Wie funktioniert das mit Lammfleisch und Ziegenfleisch?
    In warmen Ländern werden Schafe und Ziegen teilweise erst am Zubereitungstag geschlachtet, in Deutschland läßt man das Fleisch in der Regel, aber nicht immer abhängen.

    2)
    In den 60ern wurden Schweine beim Hausschlachten nur eine Nacht abhängen lassen.
    Funktionierte das, weil die Temperatur höher war? (Anfang November, draussen, aber im Schatten.)

  3. 1.) Genau gleich, das funktioniert bei jedem Säugetier so. Bei Lämmern wird als Dauer der totenstarre 10 Stunden angegeben.

    2.) aus den Schweinen hat man Wurst gemacht da sie viel länger hält und hier gilt genau das Gegenteil: das beste Fleisch ist schlachtwarm. Wenn Du einen Tag weiter gesurft wärst
    http://www.bernd-leitenberger.de/blog/2012/10/24/sind-wurste-ungesund/
    hättest Du auch das nachlesen können. Bei uns wurde übrigens nichts hängen gelassen. So wie meine Mutter mir das schilderte wurde das Schwein innerhalb von Stunden in Köstlichkeiten umgewandelt.

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