Bigelow – Teil 3

So und nun zum dritten und letzten Teil zu Bigelow, ich mache weiter bein der Erörterung der Strategie und den Geschäftsaussichten.

Das zweite ist, dass das Modul selbst alleine nutzlos ist. Es wird ja noch die Inneneinrichtung benötigt. Vor allem schwere Teile wird man erst nach dem Start zur Station bringen müssen. Bei der Forschung die Racks, bei Wohnteilen sperrige Dinge, die man nicht zusammenfalten kann oder nicht beim Start aus Gewichtsgründen transportieren kann. Industrieunternehmen werden ihre Fragestellung mit eigener Hardware untersuchen wollen, auch diese muss erst transportiert werden.

Diese wird man mit einem Transporter wie der Cygnus oder Dragon transportieren müssen, eher mit der Cygnus, weil die Dragon durch ihre Kapselform für sperrige Güter eine ungünstige Form hat. Doch dann handelt man sich einen weiteren Nachteil ein: Dieses kostet ungleich mehr, als gleich ein voll ausgestattetes kleines Modul zu starten. Eine Dragon als günstigstes Gefährt kostet 133 Millionen Dollar und transportiert im Druckbehälter maximal 3 t. Ein Falcon Start ohne Dragon dagegen 59 Millionen Dollar mit etwa 12 t Nutzlast für die ISS-Bahn. Also für den doppelten Preis kann ich nur ein Viertel der Nutzlast starten. Ökonomisch sinnvoller sind daher voll ausgerüstete kleine Labore anstatt ein ausblasbares Modul, dass man dann erst nachrüsten muss.

  Dragon Cygnus
Kosten Transporter (nach COTS Kontrakt) 133 Millionen Dollar 237,5 Millionen Dollar
Nutzlast: (nur Druckmodul) 3.000 kg 2.700 kg
pro Tonne Nutzlast: 44,3 Millionen Dollar 88 Millionen Dollar
Startpreis nur Trägerrakete 59 Millionen Dollar 100 Millionen Dollar
Nutzlast Trägerrakete (ISS Bahn) 15 6 t
Pro Tonne Nutzlast 4 Millionen Dollar 16,6 Millionen Dollar

Wie die Daten zeigen, ist es viel sinnvoller eine Station gut ausgestattet zu starten, anstatt sie nachher auszurüsten. Das geht bei dem BA-330 Konzept aber eigentlich gut nur bei dem Kern, der nicht entfaltet werden muss. Denkbar ist es immerhin, andere Ausrüstung beim Start an diesem anzubringen, und dann später an den Wänden zu montieren. Zwischenböden sind ja nicht vorgehen. So gesehen wäre eine kleinere Station (Sundancer) sinnvoller als eine größere (BA-330), da diese nur mehr Volumen bietet, aber keinen echten Zusatznutzen und sie dafür schwerer ist.

Wenn die Module für die zukünftigen bemannten Transporter ausgelegt sind, dann ist der Kopplungsadapter aber einer für bemannte Missionen mit einer vergleichsweise kleinen Luke (maximal 80 cm Durchmesser). Die für von der Besatzung gesteuerte Ankopplung vorgesehenen CBM Anschlüsse, wie sie HTV, Dragon und Cygnus haben, erlauben dagegen bis zu 2 m große Teile zu transportieren. Nur mit Letzteren wäre ein Innenausbau überhaupt möglich.

Für wissenschaftliche Forschung steht vom ganzen Volumen der BA-330 nur der Mittelteil mit versteifter Struktur zur Verfügung. Er war beim Transhab in etwa so lang wie ein kleineres Labormodul, z.B. Columbus. Das bedeutet, dass gemessen an der möglichen Besatzungsstärke nur ein Drittel des Volumens der ISS für Experimente zur Verfügung stehen, wobei ich hier nur die für Experimente vorgesehene Racks zähle (die Labors, wie auch andere Knoten der ISS, enthalten noch andere Racks die Umweltkontrollsysteme, Computer, Stromverteiler etc. aufnehmen und die es auch bei der BA-330 geben muss).

Der dritte Punkt ist, das gemessen an den laufenden Kosten die Startkosten des Moduls minimal sind. Die ISS wird 2012 mit insgesamt 24 t Fracht versorgt werden. Dies ist schon deutlich weniger als ursprünglich geplant, weil es gelang Wasser und Luft in höherem Maße wiederzugewinnen. Die ISS hat sechs Personen, diese Anzahl könnte auch die Dragon als günstigster Zubringer zur Bigelow-Station bringen. Nur benötigt diese dann auch in etwa so viel Fracht, vor allem im Druckmodul (bei der NASA macht Fracht die außen an der Station befestigt werden, vor allem Ersatzteile, nur ein Viertel der Gesamtmenge aus, und die Partner, die auch die Station versorgen, transportieren fast keine dieser Fracht. Es kann bei der BA-330, wenn der Austausch von Hardware in der Station wegfällt und man ihre Bahn auf geringen Treibstoffverbrauch minimiert (siehe unten) etwas weniger sein, doch die Größenordnung stimmt.

Nimmt man eine nutzbare Frachtkapazität von 4 t pro Dragon (3 t intern, 1 t extern) an, so braucht man sechs Versorgungsflüge pro Jahr. Bei zwei Mannschaftswechseln pro Jahr kommen zwei weitere Flüge hinzu. Damit würde die Raumstation jährliche Kosten von 1064 Millionen Dollar bedeuten, die von den Nutzern erbracht werden müssten. Dazu kämen noch die Gerätschaften der Nutzer, die auch befördert werden müssten. Verglichen dazu sind die einmaligen Startkosten und die Herstellungskosten gering, schließlich soll eine Station 12 Jahre lang betrieben werden. Nimmt man die Ankündigungen von Gesamtinvestments und geplanten Investments von Bigelow, so rechnen sie mit 860 Millionen bis zum ersten Start. Das erste Jahr Betrieb würde aber viel teurer werden. Das ist kein Einzelfall, auch bei der ISS machen die Module nur ein Viertel der Gesamtkosten bis 2015 aus. Wie die Firma dies mit 23 Millionen Dollar für 30 Tage finanzieren will, ist mir ein Rätsel. Eine Dragon kann maximal 7 Astronauten befördern. Nur wenn alle bezahlte Kunden sind (ohne einen „Profi“ an Bord ein durchaus hohes Risiko) ist ein Dragonstart pro Person billiger als diese 23 Millionen Dollar (19 Millionen). Dann werden dann noch Verbrauchsgüter benötigt, die auch transportiert werden müssen. Die Dragon wird dies zwar vom Gewicht her noch können, doch der Platz wird dafür in der kleinen Kapsel (10 m³ Innenvolumen, in etwa soviel wie Apollo für drei Personen bot) fehlen.

Eine Rückblende: 2001 waren NASA und ESA noch zuversichtlich, einen guten Teil ihrer Unterhaltskosten durch „Vermietung“ der ISS zurückzuerhalten. Es gab von der NASA einen Katalog der Kosten für die Nutzung der Station. Ein Standardrack hätte inklusive 86 Crewstunden Arbeitszeit 20,8 Millionen Dollar pro Jahr gekostet. Der Transport wäre noch extra hinzugekommen. Bei einem Standardrack wären das weitere 10 Millionen Dollar gewesen. Das Interesse der Industrie war für diesen Preis gleich Null. Es gibt immer wieder kommerzielle Experimente an Bord der ISS, doch ist es nur ein Teil der Gesamtkapazität, der von der Industrie genutzt wird, und dafür gibt es heute Sonderkonditionen.

Auf der ISS gibt es 33 Racks, die mit Experimenten bestückt werden können. In der Bigelow werden es weniger sein, ich vermute so viele nutzbare wie Columbus, da der Mittelteil in etwa gleich groß ist. Das wären 10 Racks. Da die gesamte Station für 88 Millionen Dollar zu mieten ist, wären dies nur 8,8 Millionen Dollar pro Rack. Doch das ist nur die eine Seite. Wie bei der ISS muss das Rack in den Orbit gebracht werden. Eine Dragon kann zwei Racks neben anderer Fracht befördern. Das macht bei bis zu 1 t Gewicht pro Rack schon Startkosten von 33 Millionen Dollar, womit schon die Summe schön höher ist wie bei der ISS (30,8 zu 40,8 Millionen Dollar). Nehmen wir mal den günstigsten Fall aller Fälle, die Mannschaft würde nur einmal pro Jahr gewechselt werden und die Kosten würden sich auf 10 Racks aufteilen, so macht dies bei 6 Personen und 24 t Fracht weitere 66,5 Millionen Dollar aus. Der Betrieb eines Racks über ein Jahr würde einen Interessenten also nahezu 110 Millionen Dollar kosten, rund dreimal teurer als das NASA-Angebot, das kein Interesse fand. Zu dem Preis den Bigelow angibt kann man es nur durchführen, wenn der Nutzer fest installierte Experimente nutzt und z.B. nur Materialproben gewinnt und wenn kein eigener Transporter für die Versorgung gestartet werden muss.

Für die Industrie wird es nur attraktiv, wenn sie die Arbeit der Besatzung nicht zahlen muss, also z.B. Astronauten aus Drittländern sie erledigen und sie die Forschung mit vorhandenen Apparaturen durchführen kann oder nur wenig Fracht hochtransportieren muss.

Sehr schwierig zu beurteilen ist die Nachfrage nach Drittländern.

Für uns ist ein Flug eines weiteren Deutschen ins All sicher nur eine kleine Bemerkung in den Nachrichten, für ein Entwicklungsland kann es dagegen eine Schlagzeile sein. Das bedeutet, dass sicher für das eine oder andere Land es ein Ziel sein kann, einen Astronauten ins All zu bringen, das zeigte Yi So-yeon, die als Forschungskosmonautin von Südkorea den Flug in einer Sojus bezahlt bekam – für die Konditionen eines Weltraumtouristen, denn Südkorea ist nicht an der ISS beteiligt.

Das ist die eine Seite der Medaille. Auf der anderen Seite sind von vielen Ländern schon mit Shuttles und Sojus viele Astronauten, die nicht aus den USA und Russland stammen, ins All befördert worden. Vom saudi-arabischen Ölprinz bis zum israelischen Armeeangehörigen. So viele Staaten, die es sich leisten können (siehe oben bei den Kosten) gibt es nicht. Die finanzkräftigsten Staaten sind an der ISS beteiligt oder streben ein eigenes, bemannten Raumfahrtprogramm wie China und Indien an. Es bleiben Zweifel, ob damit auch nur eine Station ausgelastet werden kann. Bei weniger Astronauten pro Start steigen die Kosten pro Astronaut an, bei Reduktion der Aufenthaltsdauer kann man immerhin an den Versorgungskosten sparen. Hier mal eine kleine Tabelle welche Kosten beim Einsatz einer Dragon nur für Flüge und Versorgung anfallen.

Kosten pro Person  Dragon mit 3 Mann Dragon mit 7 Mann
30 Tage Aufenthalt 45 Millionen Dollar Startkosten + 11 Millionen Dollar Fracht = 56 Millionen 19 Millionen Dollar Startkosten + 11 Millionen Dollar Fracht = 30 Millionen
60 Tage Aufenthalt 45 Millionen Dollar Startkosten + 22 Millionen Dollar Fracht = 67 Millionen 19 Millionen Dollar Startkosten + 22 Millionen Dollar Fracht = 41 Millionen
90 Tage Aufenthalt 45 Millionen Dollar Startkosten + 33 Millionen Dollar Fracht = 78 Millionen 19 Millionen Dollar Startkosten + 33 Millionen Dollar Fracht = 52 Millionen
180 Tage Aufenthalt 45 Millionen Dollar Startkosten + 66 Millionen Dollar Fracht = 111 Millionen 19 Millionen Dollar Startkosten + 66 Millionen Dollar Fracht = 85 Millionen
360 Tage Aufenthalt 45 Millionen Dollar Startkosten + 133 Millionen Dollar Fracht = 178 Millionen 19 Millionen Dollar Startkosten + 133 Millionen Dollar Fracht = 152 Millionen

Es bleiben noch die „Weltraumtouristen“. Die ISS besuchten bis zum Vollausbau, als Russland dies einstellen musste, durchschnittlich ein bis maximal zwei Weltraumtouristen pro Jahr, die zwischen 10 und 25 Millionen Dollar dafür zahlten. Gäbe es eine deutlich höhere Nachfrage, so hätte Russland sicher mehr gestartet, denn die Kapazitäten hatten sie ja. Stattdessen nahmen sie dann ESA-Astronauten für Kurzzeitflüge mit. Das kann daher nur eine Ergänzung sein. Eine Dragon kann sechs bis sieben Personen transportieren, eine CST-100 von Boeing ebenfalls. Die Mitnahme wäre kein Problem, wenn die Stammbesatzung z.B. 6 Personen beträgt, kann der siebte Sitz von dem Touristen genutzt werden, der dann nach wenigen Tagen mit der alten Besatzung zurückkehrt. Theoretisch denkbar wäre es auch mehr Touristen zu befördern, doch würde dies sukzessive die Stammbesatzung absenken. Als Weg nur gangbar, wenn die Nachfrage gegeben ist oder die Besatzung eh nur 30-60 Tage an Bord bleibt. Dann gäbe es auch die Astronauten für die Industrieexperimente, denn die Touristen würden sicherlich keine eigenen Experimente mitführen.

Was auch die Station nicht ändern kann, ist dass bemannte Raumfahrt teuer bleibt. Dies ist alleine dadurch gegeben, dass man ein Raumfahrzeug der 10 t Gewichtsklasse konstruieren muss, um rund 7 Personen ins All zu befördern und sie dann auch noch Versorgungsgüter benötigen. Wie ist dies zu minimieren?

Nun die obige Rechnung basiert auf der ISS, es gibt aber einige Unterschiede und hier Möglichkeiten zur Optimierung:

Bei den Verbrauchsgütern erscheint es kaum noch möglich weiter einzusparen. Wasser wird auf der ISS schon zu 93% recycelt. 6 kg Verbrauchsgüter pro Tag (2190 kg pro Person/Jahr) sind das Minimum. Möglich ist es noch, den Treibstoffverbrauch zu senken. Die BA-330 wird wie die ISS in einer erdnahen Bahn ihre Kreise ziehen. Bedingt durch die große Oberfläche wird sie sogar stärker als die ISS abgebremst. Eine höhere Bahn, wie die von Genesis I+II, 100 km höher, würde den Treibstoffverbrauch drastisch absinken lassen. Es würde reichen, mit den angekoppelten Besatzungstransportern sie kurz anzuheben. Das würde rund 1-2 t Treibstoff pro Jahr einsparen. Etwa ein Viertel bis ein Drittel der Nutzlast der heutigen Transporter sind Ersatzteile und neue Experimente. Kann man diese reduzieren, so kann mehr gespart werden, doch auch bei „Null Ersatz“ bleibt ein Bedarf von rund 2,2 t Fracht pro Person/Jahr.

Mein persönliches Fazit

Die letzten 30 Jahre zeigten, dass bemannte Raumfahrt primär eines ist: ein Prestigeunternehmen. Die Zahl der Beispiele, bei denen zu vertretbaren Kosten Forschungsergebnisse gewonnen wurden, die von der Industrie in Produkte umgesetzt werden konnten, sind an den Händen abzuzählen. Daher verwundert es nicht, wenn das industrielle Interesse an der ISS gering ist, obwohl mittlerweile die Anlagen weitaus günstiger vermietet werden, auch um eine Existenzberechtigung der ISS zu begründen. Die Firma Nanoracks zahlte z.B. nur 1,5 Millionen Dollar für 10 Racks von 40 x 10 cm Größe, das ist gemessen an den Abmessungen, nur ein Drittel des Preises, der noch 2001 verlangt wurde.

Bigelow kann also da Kunden gewinnen, wo das Prestige wichtig ist. Entweder bei Einzelpersonen (Weltraumtouristen) oder kleineren Ländern, bei denen noch ein eigener Astronaut eine Bedeutung hat. Nur ist deren Zahl auch begrenzt. Für Entwicklungsländer ist auch dieser Trip noch zu teuer. Für kleinere industrialisierte Staaten mit einer gut gebildeten Bevölkerung wie z.B. Holland, Belgien, Schweiz ist es zwar finanzierbar, aber das Prestige nur als Passagier von anderen befördert zu werden und auf einer fremden Station zu arbeiten, ist nicht gegeben. Bleiben noch die Schwellenländer, die es sich leisten können bei denen aber noch ein Großteil der Bevölkerung nicht dieses Selbstbewusstsein hat. Ob sich hier so viele finden, dass dieses Konzept tragfähig ist, wird sich zeigen. Ich bein eher skeptisch.

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