Warum gibt es immer (noch) Angaben in Kalorien und Kilojoule?

So, ich habe noch selbst nach einigen möglichen Fragen gesucht (die meisten kamen ja von euch) und nun mit der 151.sten die Recherche abgeschlossen. Die letzte will ich euch nicht vorenthalten:

Nun ja, eigentlich ist es sehr einfach. Seit dem 1.1.1978 ist im amtlichen und geschäftlichen Verkehr die Kennzeichnung nach dem Internationalen Einheitensystem SI vorgeschrieben. Es basiert auf nur sieben Basiseinheiten, von denen alle anderen abgeleitet sind. Das erlaubt es, Einheiten sehr einfach umzurechnen und sich auf wenige, physikalisch bedingte, Umrechnungsfaktoren zu beschränken. Vorher gab es einen viel größeren Wildwuchs, so wurde die Energie in unterschiedlichen Einheiten angegeben: Wärmenergie in Kalorien, elektrische Energie in Kilowattstunden, mechanische in Kilopondmetern, chemische in erg. Nun gibt es nur eine, das Joule.

Für eine Übergangsfrist (leider ohne zeitliche Beschränkung) ist auch die Angabe von Kalorien in Klammern nach Kilojoule erlaubt. So die Regelung vom 1.1.1978, fünfunddreißig Jahre später sind wir noch nicht weiter. Die Kalorie ist die einzige nicht gesetzlich zugelassene SI-Einheit, die man noch im Alltag vorfindet (einige andere, wie Celsius für die Temperatur sind amtlich abgesegnet). Die meisten Nicht-SI-Einheiten wie Millibar für den Druck oder sogar die von Autoherstellern so geliebten PS-Angaben (viel plastischer vorstellbar ist die Leistung von 75 Pferden vor dem Auto, als die von 5 Herd/Backofenkombinationen mit derselben Leistung) sind längst aus dem Alltag verschwunden.

Warum die Kalorie so ein langes Leben hat, kann man nur spekulieren. Meine persönliche Theorie: Mit Kalorien hat man so viel im täglichen Leben zu tun, dass viele, auch Ältere, die Einheit kennen und mit einer Angabe, wie „500 Kilokalorien“ auch eine Abschätzung der Energiemenge machen können. Also ob dies z.B. eher in einem Apfel oder einem Stück Torte enthalten ist (das Letztere ist der Fall). Wenn die Jugend konsequent in der Schule mit Joule aufwächst, wie dies schon beim Autor der Fall war, dann sollte die Einheit eigentlich aussterben, weil immer weniger Personen nur sie kennen.

Das Hauptproblem ist, dass auch die Medien an ihr festhalten. Liest man Artikel oder schaut man sich Fernsehsendungen an, dauernd hört man von der Kalorie, und zwar im Unterschied zu den Verpackungsangaben nur von der Kalorie. So bekommen aber viele den Eindruck die Einheit wäre zulässig. Der Grund dafür ist relativ einfach. Nimmt man nur Kilojoule, so kann man damit rechnen, dass sich Leute beschweren, die mit der Einheit nichts anfangen können. Das hat der Autor in seinem ersten Buch über Lebensmittelkennzeichnung selbst erlebt. Redaktionen machen diesen Trubel nur einmal mit. Daneben sind haben die Personen, die Artikel oder Moderationstexte schreiben, auch meistens keine naturwissenschaftliche Vorbildung oder gar Ausbildung genossen, sonst wären sie schon dort nur mit der Einheit Kilojoule in Kontakt gekommen (sie wird ausschließlich in der Fachliteratur und im akademischen Bereich fächerübergreifend verwendet). Im Fernsehen kann auch niemand kontrollieren, was der Moderator oder Koch von sich gibt, besonders bei Köchen hat der Autor schon profundes Halbwissen vorgefunden, das gefährlicher ist, als nichts zu wissen. Denn dann wird Richtiges mit Falschem vermixt und so oft man es kann wiedergegeben. Alfons Schubeck ist hier ein sehr bekanntes Negativbeispiel für Köche mit Halbwissen.

Es ist schade, dass die sonst so berüchtigten Abmahnvereine nur bei veralteten Einheiten im wirtschaftlichen Verkehr (Prospekten, Verpackungsangaben), nicht aber bei bei Veröffentlichungen in den Medien zuschlagen können, denn diese haben eine erstaunliche Effizienz. So findet man heute bei Elektronik fast nur krumme metrische Angaben, obwohl die aus dem US-System stammenden Zollangaben viel einprägsamer sind (so z.B. bei den Größen von Festplatten (2,5 / 3,5 Zoll oder 6.35 / 8.89 cm) oder Bildschirmgrößen (24, 32, 40 Zoll oder 60.96, 81.28 und 101.6 cm).

An und für sich ist es ganz einfach:

1 Kalorie sind 4.1868 Joule

1 Joule sind 0.2388 Kalorien.

Wer die Kilojouleangaben durch 4 teilt, kommt mit einem Fehler von unter 5% auf die Kalorienangaben.

4 thoughts on “Warum gibt es immer (noch) Angaben in Kalorien und Kilojoule?

  1. Ein Grund könnte auch noch sein, das die Zahl in kJ eben um den Faktor 4,1868 kleiner ist kcal. Natürlich wäre es besser, die Menschen endlich zur vernünftigeren Einheit umzuerziehen. Schließlich haben sie sich auch schon an andere Einheiten und Währungen gewöhnen können, ohne das die Welt untergegangen ist. Aber hier gehts eben um Ernährung (und die Menschen essen eben gern) und um Werbung (eine mächtige Waffe).
    Meiner Meinung nach geht es nur, wenn von gesetzlicher Seite Druck gemacht und die Übergangsfrist limitiert würde. Und damit es auch wirkt müsste es international geschehen (wenn es im (europäischen) Ausland nicht sowieso schon vorschrift ist).
    Übrigens, die Einheit bar wird auch noch verwendet, Reifendrücke werden immer noch so angegeben, auch die Reifendrucksttionen an den Tankstellen, das Handbuch des Autos und der Hinweisaufkleber im Tankdeckel verwenden bar.

  2. Hallo Sebastian,
    in dem ersten Satz deines Kommentars hast du einen typischen Fehler gemacht: kJ ist nicht im 4,18 kleiner sondern größer als kcal.
    Dieser Zahlendreher in einer technischen Berechnung macht einen Fehler um den Faktor 16!!!
    Die Einheit bar für den Druck gibt es in zwei varianten: bar(a) und bar(ü) – das steht für Absolutdruck und Überdruck. In der Technik wird fast nur mit bar(ü) gerechnet – in der Physik dagegen fast nur in bar(a). Auch dies ist eine schöne Fehlerquelle.
    In meinem Job habe ich oft mit der „Einheit“ % (Prozent)zu tun: da gibt es m%, Vol% und Mol% (Masseprozent, Volumenprozent und Molprozent). Wenn man zum Beispiel Gasgemische berechnet, muss man die tunlichst auseinanderhalten, sonst berechnet man Quark. (Ich weiß, dass Prozent keine Einheit ist, aber es geht in die gleiche Richtung)
    Wie mein seeliger Physiklehrer sagte: keine Berechnung ohne Einheitenrechnung!
    Bei allen Problemen sind wir hier in Europa mit den SI-System gut aufgehoben. In unserer Firma haben wir schon Angebote für den amerikanischen Markt geschrieben (für Kunden im landwirtschaftlichen Bereich). Da mussten die Einheiten in die angloamerikanischen Einheiten umgerechnet werden und umgekehrt – die Assistenz brauchte eine Woche, um nur die Zahlen korrekt zu „übersetzen“. Wenn man sich mal ein Bild des amerikanischen Chaos machen will:
    http://de.wikipedia.org/wiki/Angloamerikanisches_Maßsystem

    mfg
    Uwe

  3. Ja, das mit dem Faktor ist mir dann auch aufgefallen, da konnte ich aber schon nichts mehr korrigieren. War wohl noch etwas müde, …

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