Kommunikation über interstellare Distanzen

Nun um die Frage schnell zu beantworten: natürlich, es kommt nur auf die Datenrate an. Doch betrachten wir es genauer. Nehmen wir an, wir haben eine interstellare Raumsonde entwickelt, wie müsste ihr Sendesystem aussehen, damit sie beim nächsten Stern, Alpha Centauri in 4,3 Lichtjahren Entfernung noch mit 1 Bit/s senden kann?

Zuerst mal zu den Grundlagen. Die sind relativ einfach:

  • Die Datenrate ist proportional zur Sendeleistung: das ist relativ einfach bei doppelter Leistung entfallen bei doppelt so vielen Bits die gleiche Energie pro Bit
  • Die Datenrate steigt quadratisch zum Durchmesser der Empfangsantenne: Die Fläche steigt im Quadrat und damit auch die Leistung die empfangen wird.
  • Die Datenrate steigt quadratisch zum Durchmesser der Sendeantenne: Diese hat parabolische Form. Je größer sie ist, so kleiner ist der Raumwinkel. Doppelter Durchmesser = Halber Raumwinkel. Bei einem halbierten Raumwinkel verteilt sich die Sendeleistung auf ein Viertel der Fläche. Also kann man bei gleicher Leistung pro Bit viermal so viele Daten senden.
  • Die Datenrate steigt quadratisch zur Sendefrequenz: Die Bündelung ist auch von der Sendefrequenz abhängig. Daher kann man auch mit Licht viel mehr Daten übertragen als mit Radiowellen. Aus demselben Grund werden seit Beginn der Raumfahrt immer höherfrequente Frequenzbänder eingesetzt.
  • Bei doppelter Entfernung sinkt die Datenrate auf ein Viertel, da sich die Senderleistung über eine vermal höhere Fläche verteilt

Vision einer 60 m AntenneAufgrund dessen kann man von bekannten Datenübertragungsraten leicht berechnen, was heute in 4,3 Lichtjahren Entfernung übertragen werden kann. Voyager 2 sandte aus Neptunentfernung (4,5 Milliarden mit maximal 19.200 Bit/s. damit diese Datenrate möglich war kombiniert man auf der Erde zwei 64 m Antennen. Voyager sandte bei 8330 MHz mit 28,3 Watt Sendeleistung.

Alpha Centauri ist 4653 Milliarden Kilometer entfernt. Bei den obigen Zusammenhängen würde die Datenrate Voyagers dort angekommen auf 0.000235 Bit/s sinken. Also was kann man tun?

Nun auf der Erde wird man kaum noch größere einzelne Empfangsantenenn bauen können. Die Masse steigt in der dritten Potenz und es wird sehr schwer sie dann zu bewegen, bzw. man kommt an Grenzen der Materialbelastung an der Basis durch die Masse die bewegt wird, es handelt sich ja um keine fest Konstruktion. Das größte frei drehbare Radioteleskop hat 100 m Durchmesser, das bringt verglichen mit dem 70 m Teleskop einen Gewinn von 2, aber schon die Datenrate von 19200 Bit wurde beim Vorbeiflug an Neptun durch die Kombination von zwei Antennen erreicht. Und dies ist eine Technik die man auch in Zukunft anwenden kann, denn auch die Kosten für eine Antenne steigen ab einer bestimmten Größe mit der Dritten Potenz zum Durchmesser. Anstatt einer 70 m Antenne ist es daher ökonomischer 50 Antennen mit 10 m Durchmesser zu bauen. Sofern es umsetzbar ist die Signale tausender Antennen zu kombinieren ist dies ein Weg die Fläche zu vergrößern. unter bestimmten Umständen, die vor allem von der Position des Zielsterns abhängen, ist es auch möglich natürliche Mulden mit einem Teleskop auszufüllen. Das Ercibo Teleskop mit 304,8 m Durchmesser sitzt z.b. in einem Tal, ist dann aber nicht mehr beweglich.

Kommen wir zum Space-Segment. Natürlich können wir hier auch eine große Antenne einsetzen. Als man in den Siebzigern noch nach sinnvollen Verwendungsmöglichkeiten für das Shuttle gesucht wurde war darunter auch ein Kommunikationssatellit mit einer 67 m Antenne und 280 kW Leistung. Auch wenn das nicht gebaut wurde, so ist es sicher technisch möglich, sonst hätte man es nicht untersucht.

Doch kommen wir zurück, was heute möglich ist, was möglich sind sind entfaltbare Antennen, wie sie von ATS 6 und der ersten TDRS Generation demonstriert wurden. Bei Galileo klappte das Entfalten nicht, sodass sie heute wieder verschwunden sind, doch einige Kommunikationssatelliten wollen auf die Technologie zurückgreifen, weil die Antennengröße sonst auf den Durchmesser der Nutzlasthülle minus einem Sicherheitsabstand beschränkt ist. Zudem sind die Antennen aus einem Drahtgittergeflecht viel leichter. Dagegen kann der Durchmesser einer entfaltbaren Antenne zweimal die Höhe der Nutzlasthülle betragen. Bei der SLS wird sie 36,4 m hoch sein, das lässt also maximal eine 72 m große Antenne zu. Bei ATS-6 wog die 9,14 m Antenne nur 100 kg, so dass die 72 m Antenne bei etwa 6,4  Tonnen liegt.

60 m Radarantenne und ShuttleDas zweite ist die Sendeleistung. 28,3 Watt sind nun ja nicht gerade viel. Heute gibt es an Bord von Satelliten schon Sender mit 1 kW Leistung und irdische Radioteleskope senden mit bis zu 1000 kW Leistung. Nahe des Sterns sollte eine Stromversorgung kein Problem sein, Solarzellen kann man mitführen, ansonsten braucht man einen Kernreaktor für die interplantare Reise.

Das effizienteste dürfte es sein, die Sendefrequenz zu erhöhen. Voyager sandte im X-Band. Heute senden auch Raumsonden im K-Band bei vierfacher Frequenz, entsprechend 16-Facher Datenrate. Das Problem ist: je höher man bei den Frequenzen geht, desto stärker ist die Dämpfung durch die Atmosphäre. Sie war im X-Band noch vernachlässigbar. Vor allem Wasser und andere mehr als zweiatomige Moleküle stören ab 11 GHz, da die Frequenzen dann die Moleküle zum Schwingen und rotieren. Ab 63 GHZ werden auch zweiatomige Moleküle angeregt. Bei 30 GHz liegt die Dämpfung noch bei 0,1 dbm/km, Bei 90 GHz  gibt es das letzte Minimum mit 0,3 dbm/km. Danach steigt die Dämpfung stark an. 0,3 dbm ist eine Abschwächung um 7,2 % pro Kilometer Distanz. Berücksichtigt man dass die Atmosphäre immer dünner wird, so entspricht die Dachte am Boden einer Schichtdichte von 8 km bei Bodendruck. Das Signal wird daher um 75% gedämpft, dafür setzt man die 12-fache Frequenz gegenüber dem X-Band ein, was einer 144-fachen Flächenenergie durch einen kleineren Öffnungswinkel entspricht.

Das Grundproblem, das gegen diese Überlegung spricht ist, dass die Dämpfung sehr stark witterungsabhängig ist. So ist schon das K-Band nur zu 70% der Zeit verfügbar, weshalb es noch immer nicht primäre Frequenz von Raumsonden ist. Dabei gibt es bei Raumsonden eine einfache Lösung: alles nochmals senden wenn man es nicht empfangen konnte. Bei Signallaufzeiten von über 4 Jahren für die einfache Strecke ist das jedoch keine Lösung. Man könnte mit den Empfängern auf den Weltraum ausweichen und beliebig hohe Frequenzen einsetzen.

Das leitet über zur Laserkommunikation. Das Grundproblem dieser ist, dass von der Erde aus gesehen der Laser direkt neben dem Stern liegt. Selbst bei monochromatischem Licht wird es dann schwer das Signal von dem Licht des Sterns zu unterscheiden. Die Lösung ist relativ einfach: Die Kommunikation geschieht durch eine Sonde in einem Orbit um den Stern in größerer Entfernung. In 1 Milliarde Kilometer Entfernung ist die Signalquelle 5 Bogensekunde von der Sonne entfernt und leicht in einem Teleskop unterscheidbar. Beim Lunar Ranging Experiment weitet sich ein Laser auf 384400 km Entfernung auf 6,5 km aus, dass sind 0.000987 Grad. Bei 90 GHz bräuchte man eine 500 m große Antenne um dieselbe Bündelung zu erreichen. Laserkommunikation wäre also definitiv vorzuziehen.

So nach dieser Erörtung können wir einige Szenarien entwerfen:

Mit heutigen Technologien erprobt und existent:

  • Empfangsantennen wäre das VLA mit 27 Antennen zu je 25 m Größe = 130 m bei einer Antenne
  • Sendeantenne wäre die größte im Weltraum erprobte Drahtstruktur von ATS-6 (9,14 m Durchmesser)
  • Sendeleistung wäre 1000 Watt, Soviel erreichen die stärksten Sender an Bord von Satelliten
  • Frequenzband wäre das Ka-Band bei 32 GHZ

Unter diesen Bedingungen könnte man 2,65 Bit/s von Alpha Centauri aus übertragen.

Optimierte Version mit heutigen Technologien:

  • Empfangsantennen wäre ein Array von 1000 Antennen zu je 12 m Durchmesser = 380 m Antennenfläche
  • Sendeantenne wäre eine 65 m Antenne mit 280 kW Leistung
  • Sendefrequenz wäre 90 GHz, Dämpfung um 75% beim Empfang

Datenrate wäre dann 5 kbit/s

Nun die Alternative, eine Laserkommunikation. Annahme: Energie pro Bit gleich hoch wie bei Radiowellenkommunikation.

  • Empfänger: ein 10 m Teleskop auf der Erde. Sender: ein 1 m Teleskop mit einem 10 Watt Laser. Auffächerung: 0,00098 Grad.
  • Die Datenrate beträgt dann 3 kbit/s.

Zum Schluss noch etwas anderes. Die Aercibo Botschaft wurde am 16.4.1974 mit 10 Bit/s von dem 304,80 m großen Aerecibo RADAR gesendet. Die Sendefrequenz betrug 2380 MHz die Leistung 1000 kW. Ziel war ein 250000 Lichtjahre entfernter Sternhaufen. Eine 70 m Empfangsantenne wie wir sie bei Voyager verwenden könnte basierend auf den Voyagerdaten die Signale aber nur noch in 94 Lichtjahren Entfernung sauber vom Hintergrundrauschen trennen. In 25000 Lichtjahren Entfernung müsste eine Zivilisation eine riesige Empfangsantenne aufweisen oder erheblich bessere Verstärker als wir haben. Ohne bessere Verstärker müsste die Zivilisation mit einer 18 km Empfangsantenne zufällig in unsere Richtung schauen (eine solche Antenne hat bei 2,38 GHz nur noch einen Öffnungswinkel von einem Tausendstel Grad, müsste also sehr genau auf uns ausgerichtet sein. ein Tausendstel Grad ist z.b. zwanzigmal kleiner als der Durchmesser des Jupiters von der Erde aus gesehen).


2 thoughts on “Kommunikation über interstellare Distanzen

  1. Interessanter Beitrag! Für die Laser-Übertragung einen zusätzlichen Relais-Satelliten mit in die Nähe der Ziel-Sonne zu schicken, halte ich aber für nicht gerade einfach.

    Mein Favorit ist eine 20-Meter-Antenne bei der Raumsonde, 1 kW Sendeleistung bei 90 GHz und eine Segment-Antenne mit effektiv 1 km Durchmesser in einem geeigneten Erdorbit. Das ergibt dann um die 500 Bit/s.

    Kai

  2. wie wär’s mit Aldebaran? NASA schätzt, dass Pioneer10 in ca. 2Mio yrs in sein Schwerefeld eintritt. Ein wenig später könnt‘ er ja seine Batterien wieder aufladen; we are QRX
    73 Ling DL7VRA

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.