Gibt es eine gesellschaftliche Intelligenz oder Moral?

In zwei Jahren jährt sich der siebzigste Todestag von Adolf Hitler. Das ist ein Datum, dass nun nicht nur Nazis bemerken, sondern auch eines das etwas politischen Staub aufwirbeln wird. 70 Jahre nach dem Tod erlöschen nämlich die Urheberrechte. Nach Hitlers Tod fiel der gesamte Besitz an den bayrischen Staat, der zum Beispiel darauf verzichtete, Lizenzeinnahmen durch das Drucken von „Mein Kampf“ zu erzielen. Das hinderte natürlich niemand im Ausland daran das Werk zu drucken, doch in Deutschland ist es legal nicht zu bekommen.

Das ist eine Folge von Gesetzen nach dem Krieg die die Deutschen vor neuen „Verführern“ schützen sollten. Unter anderem sind ja auch Nazisymbole verboten, wenn es in Spielfilmen Hakenkreuze gibt, dann muss man dafür jedes Mal eine Ausnahmegenehmigung beantragen.

Die Frage die ich mir stelle ist, sind diese Gesetze und diese Regelungen noch nötig? Also wenn man Reden und Gesten von Hitler im Fernsehen sieht wirkt das für mich und die meisten meiner Generation unfreiwillig komisch. Jeder nur halbwegs begabte kann Hitler mit dem rollenden „R“ nachmachen und die Hasstiraden die heraus geschrieen werden, auf die würden heute die wenigsten hereinfallen. Schon wegen dem Ton. Sicher es gibt immer einige Trottel die auf jeden Verführer hereinfallen, es gibt ja auch genügend Idioten die die FDP wählen (Brüderle entwickelt wenn er in Rage gerät, eine ziemliche Ähnlichkeit zu Hitlers Ton).

Dasselbe befremdliche Gefühl habe ich bei Kaiser Wilhelms Radiodurchsage bei Beginn des ersten Weltkriegs: „Mitten im Frieden überfällt uns der Feind, darum auf zu den Waffen“ (gesamte Rede ist fast noch schlimmer, siehe hier). Also wenn nun Krieg ist dann kann es vorher schlecht mitten im Frieden sein. Trotzdem gab es damals, man glaubt es kaum eine Kriegsbegeisterung. Die Leute haben sich freiwillig für das Militär gemeldet.

Die Frage ist nun: waren die Leute damals dümmer, oder sind sie heute schlauer, oder – meine Vermutung – was wir als normales Verhalten ansehen und wie viel Kritikfähigkeit wir haben, hängt von der Gesellschaft ab. Natürlich auch von der Erziehung und auch der Möglichkeit wie man sich informieren kann. Wenn alle Zeitungen pro Krieg und pro Kaiser sind, dann beeinflusst das sicher viele.

Wir müssen da nicht in die Vergangenheit schauen, sondern auch in der Welt uns umsehen. In Ägypten gab es nach dem „arabischen Frühling“ ja die Hoffnung es würde dort Demokratie einziehen – und was wählen die Leute vornehmlich: Muslimbrüder. Dagegen gehen nun Studenten und andere auf die Straße, aber die Mehrheit steht zu diesen Fundamentalislamisten. So was ähnliches kann man in vielen Ländern beobachten. Viele Dinge die wir von Hitler kennen finden wir auch dort, wie die Hetze gegen Minderheiten (Christen in Ägypten und Indonesien, Muslime in Burma und Sri Lanka, Krieg zwischen Schiiten und Sunniten in Irak). Und spätestens wenn Leute getötet werden sollten doch etliche aufwachen. Doch hat man das damals nicht bei uns getan und so sieht es in den obigen Staaten heute auch nichts aus.

Also irgendetwas muss den Verstand abschalten, denn mit geringer Bildung oder gesellschaftlicher Norm kann ich mir nicht erklären, das man gut findet wenn Leute umgebracht werden. Andererseits finden wir in der Geschichte genügend Beispiele wo Leute zu Hinrichtungen, Hexenverbrennungen oder Gladiatorenspielen kamen und selbst in den USA scheint trotz vieler Toten durch Schusswaffengebrauch es unmöglich zu sein, ein Verbot durchzusetzen. Vielleicht gibt es eine gesellschaftliche Moral, die dann den Verstand weitgehend abschaltet.

Was meint ihr dazu?

10 thoughts on “Gibt es eine gesellschaftliche Intelligenz oder Moral?

  1. Mein Kampf ist in Deutschland legal zu bekommen.
    Ich kenne einen alten, befreundeten Pfarrer, der Mein Kampf noch aus seiner Kindheit im zweiten Weltkrieg hat und mir das Buch geborgt hat.

    Hab es teilweise gelesen. Meiner Meinung nach gibt es keinen Grund das Buch unter Verschluss zu halten. Die Rechten werden dadurch keinen Zulauf bekommen (es ist zu schwer zu lesen und teilweise zu wirr geschrieben), würde aber einigen anderen Politikern, Werbefachleuten und auch Journalisten die Augen öffnen, wenn sie ihre Handlungsanweisungen teilweise wortwörtlich in dem Buch wiederfinden.

  2. Ich finde es grundsätzlich unpassend aktuelle politische Ereignisse und Personen mit Nazi- oder Hitlervergleichen zu belegen. Das ist für mich noch eine ganz andere Größenordnung! Selbst z.B der Vergleich Saddam Husseins mit Hitler durch Bush war ideotisch. Bei differenzierter Betrachtung sehe ich bei Hitler ganz andere Dimensionen und kriminelle Energie. Der 2. Wk. war rassenideologisch motiviert, mit dem Ziel jüdische Menschen weltweit zu eliminieren. Das war das Hauptziel.
    Insofern bitte auch keine Vergleiche Brüderle / Hitler auch wenn es nur den überzeichneten Redestil betrifft. Kein Politiker des demokratischen Spektrums hat es verdient mit diesem Massenmörder verglichen zu werden.

    Den letzten Redeausschnitt von Brüderle auf einem Parteitag sah ich in der „Heute Show“. Ich vermute der hatte da schon etwas zuviel dem Wein zugesprochen, da rollte auch kein „R“ mehr…..

    Ich verfüge auch über ein Erbstück „Mein Kampf“, hab auch drin gelesen. Ich weis nicht, was passiert, käme es als Neuauflage in den Buchhandel. Es würde sicher antideutsche Ressentiments befeuern. Das Ausland kann noch schlechter mit der Nazivergangenheit umgehen als wir. Ich war jedenfalls entsetz, als die Kanzlerin mit Hakenkreuz und Bärtchen dargestellt wurde. Nicht wegen der Kanzlerin als Person oder Politikerin, sondern weil alle Deutschen damit beleidigt werden sollten.
    Ich glaube zudem, es gibt sogar so etwas wie eine gesellschaftliche Psyche. Mein Beispiel wäre da Israel. Deren agressive Aussenpolitik erscheint mir so, als seine die noch heute durch die Verbrechen im III. Reich traumatisiert.

  3. Ich kann den ganzen Rummel der um „Mein Kampf“ gemacht wird nicht nachvollziehen.

    Wer hat das Buch den wirklich gelesen?
    Da ja noch genug Erbstücke im Umlauf sind habe ich es mal versucht….
    So schnell habe ich noch bei keinem Buch aufgegeben. Deartig wirres und schlecht geschriebenes Zeug ist mir bis dahin noch nicht untergekommen. Wer tut sich das ernsthaft an?

    Meiner Meinung nach könnte man es durchaus freigeben, meinetwegen auch in einer kommentierten Fassung. Das Verbot erzeugt nur künstlich einen Mythos um das Buch, der zeimlich schnell zerbricht bei jedem der mal versucht es zu lesen.

  4. Ich habe vom Ton gesprochen, nicht vom Inhalt. Brüderle setzt das bewusst als Stillmittel ein. Die ganze Rede gibts auf Youtube nur an einer stelle redet er so, der Rest ist in normaler Weise. Was ich damit meine ist: wer schreit hat unrecht bekommt man als Kind erzählt. Heute würde man kaum auf diese Art der Rede in der viel geschriehen wird reinfliegen, sie ist aber in anderen Ländern wo es durchaus noch Redner mit diesem Stil gibt noch weit verbreitet.

    Zu Mein Kampf: Das ganze Machwerk ist ziemlich wirr, das war mir schon bei den Ausschnitten klar die ich in der schule im Geschichtsbuch gefunden habe. Aber gerüchteweise soll es ja keiner vor 1945 gelesen haben.

  5. Wenn ich mir die Kommentare zu aktuellen politischen Themen in der Onlinepresse ansehe (Hartz4, Euro, Steuern…), dann merke ich, dass auch im heutigen Deutschland noch genug Leute auf Propagandameldungen der Presse reinfallen. Leider befindet sich die Presse in der Hand nur weniger Familien, so dass die Pressefreiheit sich meistenteils durch wirtschaftliche Gegebenheiten erübrigt.

  6. „Also irgendetwas muss den Verstand abschalten, denn mit geringer Bildung oder gesellschaftlicher Norm kann ich mir nicht erklären, das man gut findet wenn Leute umgebracht werden. Andererseits finden wir in der Geschichte genügend Beispiele wo Leute zu Hinrichtungen, Hexenverbrennungen oder Gladiatorenspielen kamen und selbst in den USA scheint trotz vieler Toten durch Schusswaffengebrauch es unmöglich zu sein, ein Verbot durchzusetzen. Vielleicht gibt es eine gesellschaftliche Moral, die dann den Verstand weitgehend abschaltet.“
    —–> Ich möchte an das Milgram-Experiment aus dem 60er Jahren erinnern, bei dem bewiesen wurde, dass 65-85% der Normbevölkerung in der Lage ist einen Mord zu begehen, wenn dies durch eine (vermeintliche) Autorität angeordnet oder gerechtfertigt wird.
    Außerdem gibt es da noch die (meiner Meinung nach nicht ganz von der Hand zu weisende) Formel von Terry Pratchett zur Gruppenintelligenz: IQ des Dümmsten geteilt durch die Anzahl der Gruppenmitglieder.

  7. Sklaverei war früher allgemein üblich, heutzutage ist sie verpönt. So etwas nennt sich Fortschritt. Dieser Fortschrittsglaube war früher weit verbreitet, aber die Diskussionen um Atombombe und Umweltschutz haben dies geändert.

  8. Moin Thomas,

    > Sklaverei war früher allgemein üblich, heutzutage

    … heist sie nur anders.

    Beispiele:
    – In der USA ist es üblich illegale Einwandere unter Sklavenähnlichen Schuldknechtschaft Verhältnissen in der Landwirtschaft zu beschäftigten.
    – In Indien wird eine Sklavenähnliche Schuldknechtschaft in Backsteinherstellungen sogar vererbt.
    – In China wird im Knast für den Export produziert. Diese spezielle Form der Umerziehung durch Arbeit, kann von der Polizei oder dem Dorfältesten ohne Gerichtsverfahren angeordnet werden.
    – In vielen Arabischen Ländern ist das Kafala Prinzip üblich, d.h. jeder der dort arbeitet ist von seinem Arbeitgeber „adoptiert“, und ist kein eigenständiges Rechtssubjekt.
    – In Kriesengebieten sind gerade UN-Truppen, auch Deutsche, die Hauptkunden für Sex-Sklaven.

    Sklaverei ist heute immernoch ein Problem, auch wenn sie anders heist.

    ciao,Michael

  9. In der DDR wurden Dissidenten für 30.000 bis 100.000 DM an die BRD verkauft. Ist zwar keine Sklaverei, aber Menschenhandel. Mit genau demselben Wort hat die DDR übrigens westliche Fluchthelfer bedacht und sie dessen angeklagt wenn sie ihrer habhaft wurde.

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