Der Space Shuttle Hitzeschutzschild: Teil 1: Einführung und mögliche Materialen

Ich lese gerade von Heppenheimer „Development of the Space Shuttle“. Ich werde es, wenn ich fertig bin, noch besprechen, aber vorab kann ich schon sagen, dass es das bisher beste Raumfahrtbuch ist, das ich in den letzten Jahren gelesen habe. Es ist reich an Details und erlaubt es einem, ein paar neue Aufsätze zu schreiben. Heute mal einen über den Hitzeschutzschild des Shuttles.

Es gab zuerst einmal eine Grundsatzfrage zu lösen, nämlich welche Technologie man einsetzen will. Als 1972 die Entscheidung für das heutige Konzept fiel, auch wenn es noch modifiziert wurde, gab es ingesamt vier Technologien für Hitzeschutzschilde, die ich in unterschiedlichen Stadien der Erprobung / des Einsatzes waren.

Die erste Technologie war die des „Heat Sinks“, etwas schwer ins Deutsch zu übersetzen, weil die Bezeichnung „Kühlkörper“ die man sonst wählt, ins Irre führt. Hitzeabfluss oder Wärmesenke trifft es eher. Eine temperaturresistente, aber gut wärmeleitende Legierung nahm die Reibungshitze beim Wiedereintritt auf und leitete sie ins Innere, so konnte das Material nicht verdampfen. Diese Technologie konnte man anwenden, wenn die Wiedereintrittsgeschwindigkeit gering war. Die X-15, die mit maximal 2 km/s auf die Atmosphäre auftraf setzte X-750, einen Nickelstahl ein, die Thor-Mittelstreckenrakete massives Kupfer. Beides waren Heat Sinks.

Für den Wiedereintritt aus dem Orbit war diese Methode nicht anwendbar. Die Wärmemenge ist viel größer, der Schutzschild würde zu schwer. Für die ICBM, speziell für die Atlas, wurde die Technologie der ablativen Hitzeschutzschilde entwickelt. Das Grundprinzip: Ein Material mit geringer Wärmeleitfähigkeit wird erhitzt, verdampft dabei zum Teil und der entstehende Dampf schützt, bis er von der Strömung weggerissen wird, die Oberfläche vor weiteren ionisierten Gasen, die Wärme übertragen.

Die größte Erfahrung lag mit diesen ablativen Hitzeschutzschilden vor. Sie bestanden aus einer Basis mit einer Wabenstruktur, die mit einem Phenolharzkunststoff ausgefüllt wurde, der versetzt mit Silikaten und/oder Kork war. Kork verdampft bei hohen Temperaturen und hat eine schlechte Wärmeleitfähigkeit Silikate verdampfen bei noch höheren Temperaturen und nehmen so viel Wärme auf. Sie verhindern so, dass der Hitzeschutzschild zu schnell abbrennt. Bei einer Erdorbitmission verbrennen typischerweise weniger als 10% der Masse des Raumfahrtzeugs, der Hitzeschutzschild muss aber deutlich schwerer sein, da nicht vollständig verbraucht werden darf.

Diese Technologie war erprobt. Kapseln der US Spionagesatelliten setzten sie ein, alle bisherigen bemannten Programme nutzten Hitzeschutzschilde aus ablativen Werkstoffen.

Für das Space Shuttle war problematisch, dass zum einen der Hitzeschutzschild vor jeder Mission erneuert werden sollte, was die Wartung verlängern würde, und die Kosten steigern. Zum anderen war er wegen der großen Fläche von über 300 m² sehr schwer. Weiterhin musste der Schild frei von Hohlräumen oder Gasblasen sein, was bisher sehr aufwendig war.

Die anfangs favorisierte Lösung waren „Hot Structures“, eine Variation des Prinzips der Wärmesenke. Auch hier wurden hochtemperaturfeste Legierungen eingesetzt, die jedoch noch höheren Temperaturen ausgesetzt waren. Sie erhitzten sich bei dem Wiedereintritt, bis ein Gleichgewicht erreicht war zwischen Energieabgabe durch Strahlung und Aufheizung durch die Reibung. Den Namen bekamen sie, weil sie erheblich heißer wurden als die Wärmesenken, die die Wärme nach innen ableiteten. Das war bei den Hot Structures nicht so, es handelte sich um eine dünne Verkleidung der Oberfläche, die von der tragenden Struktur thermisch isoliert war. Diese konnte daher aus nicht so temperaturresistenten Materialen wie Titan oder Aluminium bestehen. Verwendet werden dann Metalle wie Niob, Molybdän oder Tantal. Für das Dyna Soar Programm wurden die ersten heißen Strukturen entwickelt. Ein Großteil der Außenhaut bestand aus Rene 41, einer Legierung, die für Düsentriebwerke entwickelt wurde und auch im Gemini Programm für die Außenhaut eingesetzt wird. Rene 41, eine Nickel-Chrom-Legierung konnte auf bis zu 1000 Grad Celsius erhitzt werden. Molybdän an den Flügelkanten war auf über 1650°C erhitzbar, und an der Nasenspitze wurde Zirkonia (Zirkoniumdioxid, das gleiche Material, aus dem „künstlichen Diamanten“ bestehen) verwendet. Es war auf über 2350 °C erhitzbar.

Erfahrungen gab es mit diesen Werkstoffen. Sie wurden für Raketendüsen und ungekühlte Brennkammern eingesetzt und werden bis heute für diesen Zweck eingesetzt. Heiße Strukturen werden bis heute erforscht, die NASA wollte sie z.B. für das X-37 einsetzen. Ein Problem der Metalle ist, dass bei den Temperaturen die beim Wiedereintritt auftreten sie durch den Sauerstoff verbrennen. Daher wird dieser Schutzschild mit einer dünnen Schicht eines nicht metallischen Werkstoffs überzogen eingesetzt wird z.b. Siliziumcarbid.

Zwischen den Hot Structures und den, beim Shuttle eingesetzten, keramischen Werkstoffen war die Technologie von Carbon-Carbon einzuordnen. Kohlenstoff ist eines der am höchsten erhitzbaren Elemente. Er schmilzt nicht, sondern geht bei 3642°C gleich in die Gasphase über. Feststofftriebwerksdüsen wurden schon damals mit Graphit belegt, das verdampft und so das Metall vor Erhitzung schützte. Das Problem ist nur, das normaler Kohlenstoff in Form von Graphit nur schwache Kräfte zwischen den Atomen ausbildet. Grafitminen kennt jeder von den Bleistiften, das Material lässt sich schon durch die Reibung an durch Papier ablösen. Für die Belastungen, die es beim Aufstieg und Abstieg durch die aerodynamischen Kräfte gab, war es so nicht brauchbar.

Man entwickelte die Technologie von Carbon-Carbon. Dafür wurde eine textile Faser wie Rayon, eine Cellulosefaser verwendet. Sie wurde in einem Ofen unter Sauerstoffabschluss bei 1000°C pyrolisiert, man erhielt Kohlefasern. Die Kohlefasern bildeten die Stützstruktur. Sie wurden in Epoxidkunststoff eingebettet und dieser in einem Autoklav gehärtet, man erhielt kohlefaserverstärkten Kunststoff, wie er heute noch in der Luft & Raumfahrttechnik eingesetzt wird. Danach wurde der CFK-Werkstoff dieser unter Sauerstoffabschluss pyrolisiert. Dies geschah, indem die auf 1000°C geheizten Öfen mit Kohle gefüllt wurden. Man erhielt einen porösen Kohlenstoffblock. Er war aber noch nicht belastbar genug. Nun wurde der Kohlenstoffblock mit Furanol getränkt und auch dieser Alkohol pyrolisiert. Dieser Schritt wurde so oft wiederholt, bis alle Hohlräume durch Kohlenstoff (aus dem Furanol) gefüllt waren. Man erholt einen reinen Kohlenstoffblock mit der geforderten Härte.  Carbon-Carbon sollte in den Flügelkanten des späteren Shuttles eingesetzt werden, war aber auch schon für das Dyna Soar Programm vorgesehen.

Die neueste Technologie waren Werkstoffe aus Keramikfasern. Sie wurden aus hochreinem Quarzsand hergestellt. Aus diesem wurden (wie ist leider nicht bekannt) die Fasern aus dem Rest des Sandes gewonnen. Die Fasern waren im Durchschnitt 1,5 Mikrometer dick. Sie wurden aufgeschlämmt, das Wasser abgelassen und ein Binder aus Silikaten hinzugegeben. So wurden Blöcke von 15 cm Dicke und 50 x 50 cm Größe geformt und im Mikrowellenofen wurden die Blöcke getrockent.und durchliefen dann einen Sinterofen, bei dem bei 1300°C der Binder sich mit den Fasern verband. Was man erhielt, war eine hochporöse Masse, deren Dichte anfangs bei etwa einem Drittel der von Wasser lag. Silikatfasern haben eine sehr hohe Schmelztemperatur, sie leiten Wärme äußerst schlecht und die dünnen Fasern haben eine sehr große Oberfläche, das führt dazu, das viel Energie durch Strahlung abgegeben wurde. Die Fasern würden so Wärme nur langsam ins Innere leiten und viel wieder abstrahlen. Weiterhin ist der thermale Ausdehnungskoeffizient um mindestens eine Größenordnung kleiner als die von Metallen.

Lockheed hatte diese Typen in den sechziger Jahren entwickelt, zuerst LI-1500 mit einer Dichte von 0,24 und später LI-0900 mit einer Dichte von 0,144, welches dann im Space Shuttle eingesetzt wurde. Die Firma schlug damals auch einen überschallschnellen Transkontinentalflieger namens Dyna Clipper vor, welchen diesen Hitzeschutz hatte.

Ein Problem, das man anfangs hatte, war, dass schon geringe Verunreinigungen der Fasern durch andere Mineralien, vor allem Alkaimetalle dazu führten, dass die Kristalle bei der Erhitzung ihre Kristallstruktur änderten. Silikate haben drei mögliche Kristallgitter: Quarz, Kristobalit und Tridymitstruktur. Durch Verunreinigungen können die Quarzkristalle beim Erwärmen in einen anderen Kristallzustand übergehen und das ist verhängnisvoll, denn beim Übergang in den Kristobalitzustand vergrößert sich das Volumen. Das Material musste zu 99,9% rein sein, Alkalimetalle dürften nicht mehr als 6 ppm ausmachen. Andere Firmen entwickelten ähnliche Fasern General Electric stellte Kacheln auf der Basis von Mullit, einem Aluminiumoxid, und Zirkonium her, erforschte aber auch Silikatfasern. Nur waren diese nicht hochrein, sondern enthielten zu 0,3% Verunreinigungen. Durch Einbringen eines Binders aus Silikon von 99,98% Reinheit, das zu Silikat oxidiert wurde, verhinderte man die Phasenänderung.

Das war die Ausgangsbasis, als 1969 die Ausschreibungen für das Space Shuttle begannen. Es gab die ablativen Schilde, mit großen Erfahrungen und Praxiseinsatz. Es folgten die Hot Struktures die zumindest gut erforscht waren, aber bei der es wenig Erfahrungen mit der Aufbringung auf die Trägerstruktur gab. Nur Lockheed konnte welche durch den bau der SRS-71 vorweisen. Dann gab es noch die keramischen Faserwerkstoffe, die einige Vorteile hatten, wie leichte Bearbeitung und geringes Gewicht, aber das Labor noch nicht verlassen hatten. Morgen dann mehr über den Auswahlprozess und die Probleme bei der Herstellung.

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