Der Space Shuttle Hitzeschutzschild Teil 4: Der Einsatz

Nach einem Startabbruch am 10.4.1981 aufgrund eines Synchronisationsproblems der Bordcomputer hob die Columbia am 12.4.1981 ab. Man war gespannt auf die ersten Bilder aus dem Orbit, denn die erste Inspektion der Startanlage zeigte, dass man die Kräfte der SRB unterschätzt hatte. Die Schockwellen und Flammen hatten das Stahlgerüst des Startturms teilweise verbogen, etliche Kabel und Leitungen waren durchgeschmort. Dagegen konnte man ein  Wasserunterdrückungssystem installieren, doch was war mit den Kacheln des Hitzeschutzschildes, waren auch sie beschädigt?

STS.Aufnahme OMS PodDie ersten Videoaufnahmen (Digitalkameras mit höhere Auflösung gab es ja noch nicht) zeigten das an den OMS Pods schon Kacheln fehlten. Zwar waren die OMS Pods etwas höher belastet weil sie eine stark kurvige Form hatten, aber das waren Kacheln auf der Oberseite, sie sollten maximal 650°C aushalten. Wie sah es mit dem Hitzeschutzschild auf der Unterseite aus? Einzigartig und nur einmal während des ganzen Space Shuttle Programms vorgekommen, fragte die Missionsleistung auf dem kurzen Dienstweg beim der NRO nach, ob ein KH-11 Satellit nicht den Hitzeschutzschild fotografieren könnte. Das Shuttle flog wie bei den meisten Missionen so, dass es die Nutzlastbucht oder das Heck der Erde zuwandte und den Schild nach außen, So konnte dieser eine zu starke Erhitzung der Mannschaftsräume durch die Sonne verhindern. Gleichzeitig trocknete dies den Hitzeschutzschild, falls dieser vor dem Start oder während des Aufstiegs Wasser eingeschlossen hatte, denn Feuchtigkeit war fatal wenn der Wiedereintritt begann. Das Foto wurde nie publiziert, man weis auch so ob es scharf genug war, denn das Kamerasystem der KH-11 war auf die Aufnahme der Erde ausgerichtet und das Shuttle hatte eine ganz andere Relativgeschwindigkeit als die Erde und auch eine andere Bewegungsrichtung, sodass die Bewegungskompensation kaum von Nutzen war. Selbst bei den Bedenken bei der Mission STS-107 wurde keine Inspektion des Hitzeschutzschildes im All erwogen.

Die Columbia landete ohne Probleme. Das erste was Kommandant John Young nach der Landung aber machte, war dass er um den Orbiter hum und unter ihm hindurchlief um den Hitzeschutzschild zu inspizieren. Und in der Tat fehlten auch Kacheln, sogar eine ganze Menge. doch bewährte sich das Konzept. Einzelne verlorene Kacheln konnten kein Systemversagen bewirken, dazu musste eine ganze Fläche freigelegt werden. Ansonsten strömte das Plasma über die Oberfläche hinweg, aber nicht in die Vertiefung hinein. Auch bei den nächsten Flügen gingen Kacheln verloren, es wurden aber immer weniger:

Flug verlorene / ausgewechselte Kacheln
STS-1 400 / 1827
STS-2 38 / 1100

Während die Columbia noch flog führte man eine neue Isolation ein, gerannt AFRSI (Advanced Flexible Reusable Surface Isolator ). Sie sollten die weißen LRSI Kacheln an der Oberseite ersetzen die zwischen 275 und 650°C erhitzt wurden. Für diese waren die Quarzkacheln eigentlich schon zu „gut“. AFRSI bestanden aus ungerichteten Quarzfasern die auf einem Gewebe von Glasfasern aufgenäht wurden. Als Garn wurde teflonbeschichtete Quarzfasern benutzt und es gab wegen der Sprödigkeit nur wenige Sticke, 3-4 pro Zoll. AFRSUI hatte eine Dichte von 8-9 Pfund pro Kubikfuß, also noch leichter als die LI-0900. Sei wurden direkt auf die Orbiterhülle mit einem Silkionkleber angebracht und waren zwischen 6,3 und 52 mm stark. Der Hauptvorteil war, dass sie viel größer waren als die Kacheln, nämlich 90 x 90 cm.

Sie wurden sukzessive eingeführt. Bei STS-8 waren einige AFRSI zum Test eingeführt worden. Bei Discovery und Atlantis war schon ein Großteil der LRSI durch AFRSI ausgetauscht worden. Die Columbia folgte während das Programm nach der Challenger-Katastrophe am Boden stand. Bei ihr wurde aber niemals so viel  wie bei den anderen Orbitern ausgetauscht. Die Endeavour wurde gleich mit AFRSI belegt und hatte den höchsten Anteil an diesen Fasern. Das sparte 668 kg Gewicht ein.

Die Zahl der Kacheln ist daher sehr stark abhängig vom Orbiter und der Zeit. Anfangs waren 34.000 geplant (inklusive der Nomex Matten für unter 275°C), davon 30.922 Quarzkacheln. Die Atlantis hatte bei ihrem letzten Flug 18.490 LI-0900 Kacheln, 2.846 AFRSI-Matten, 469 ATBUI-Kacheln, 234 BRI-18 Kacheln und 3.254 Matten verschiedener Typen. Pro Flug gingen typisch 20 Kacheln verloren und nach dem Flug wurden nach der Inspektion 200 Kacheln und 10 Matten ausgetauscht.

Auch die Beschädigungen durch Bruchstücke der Tankisolation nahm nach dem Verlust der Columbia bei der Mission STS-107 ab, als man diese überarbeitet hatte. Vorher gabe s 50 „Löcher“ mit einer Größe von mehr als 2,5 cm Durchmesser pro Flug, beim letzten Flug nur noch 4. Was allerdings als Problem blieb, war das neben anderen Dingen vor allem die Inspektion von über 20.000 Kacheln und das Austauschen dieser eine gewaltige Arbeitsbelastung bedeutete. Nach den ursprünglichen Plänen sollte ein Orbiter alle vier Wochen starten – das war ein Durchschnittswert. Wenn man berücksichtigt dass ein Orbiter für Inspektionen / Aufrüstungen für längere Zeit nicht zur Verfügung steht, von diesen 4 Wochen noch die Zeit für die Startvorbereitung und die Mission abgeht, dann war klar, dass der Hitzeschutzschild nach der Mission eigentlich kaum repariert werden konnte, anders hätte man diesen Zeitplan nicht einhalten können. Um die durchschnittlich 200 Kacheln in einer Woche auszuwechseln hätte man dann aber alleine dafür 200 Arbeiter benötigt. So war niemals diese schnelle Startfolge zu erreichen. Wie die Geschichte lehrte waren selbst 4 Starts pro Orbiter pro Jahr, die 1985 erreicht wurden (Challenger), nur möglich wenn Sicherheitsstandards sträflich vernachlässigt wurden.

2 thoughts on “Der Space Shuttle Hitzeschutzschild Teil 4: Der Einsatz

  1. Danke für diese Artikelserie, sie war sehr informativ.

    Alles in allem war zwar der Schritt Keramikkacheln als Hitzeschutz zu verwenden tatsächlich „mutig“, im nachinein verstärkt sich allerdings irgendwie der Eindruck, daß die Technik doch noch nicht ausgereift war.

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