Der Ideale spezifische Impuls für Ionentriebwerke

Grafik 1Beim chemischen Antrieb ist es sehr einfach: je höher der spezifische Impuls also die Ausströmgeschwindigkeit der Gase ist, desto höher ist die Nutzlast. Warum sollte es beim Ionenantrieb anders sein? Nun ein gravierender Unterschied ist, dass die Energie beim chemischen Antrieb im Treibstoff gespeichert ist, beim Ionenantrieb aber von außen kommt. Damit wir auf demselben Level sind hier eine kurze Zusammenfassung die für alle Ionentriebwerke gilt:

Ein Ionenantrieb besteht aus einem Arbeitsmedium, einer Stromversorgung und einem Antrieb. Das Arbeitsmedium wird in einen gasförmigen Zustand gebracht. Es kommt zum Ionenantrieb. Dort wird es beschleunigt, das kann geschehen indem es hoch erhitzt wird (Plasma) oder ionisiert und dann werden die Ionen/Plasma durch ein elektrisches Feld oder Magnetisches Feld beschleunigt. Die verschiedenen Antriebe unterscheiden sich in Ionisationsmethode und Beschleunigungsmethode. In jedem Galle wird aber viel Strom benötigt denn die hohe Geschwindigkeit welche die Ionen haben wenn sie das Triebwerk verlassen entspricht ja auch Energie.

Das grundlegende ist einfache Physik. Die Energie eines Teilchens ist berechenbar nach:

E = ½ mv²

Grafik 2Das bedeutet verdoppelt sich die Geschwindigkeit der Ionen (=die Ausströmgeschwindigkeit = spezifischer Impuls) so vervierfacht sich die Energie des Teilchens. Und da die Energie nicht aus dem Nichts kommt muss sie von der Stromversorgung bereitgestellt werden.

Wenn nun die Stromversorgung gegeben ist, dann sinkt bei doppelt so hohem spezifischen Impuls der Massedurchsatz (m) auf ein Viertel ab. Der Schub des Triebwerks ist abgegeben durch folgenden Zusammenhang:

F = m*v

v wird doppelt so groß sein, der Massedurchsatz m sinkt aber auf ein Viertel ab, in der Folge ist der Schub nur halb so groß. Das wäre kein Problem wenn man beliebig lange Zeit hat. Doch das ist nicht der Fall. Entweder gibt es himmelsmechanische Randbedingungen, man will ja ein bestimmtes Ziel erreichen oder wenn man im Erdorbit ist möchte man den Van Allen Gürtel schnell durchqueren. In jedem Falle gibt es eine Missionsleitung die bezahlt werden muss. In der Regel ist also die Zeit die man für den Betrieb vorgesehen hat fest.

Schub und Beschleunigungszeit hängen nach folgender Beziehung zusammen:

v = F*t/M

v ist die vorgegebene Geschwindigkeit um die ich mein Raumfahrzeug beschleunigen oder abbremsen muss, F ist der Schub meines Triebwerks, M die Masse und t die Zeit in der das Triebwerk arbeitet.

Grafik 3Die Folge ist nun, das der Schub bei einer vorgegebenen Endgeschwindigkeit, Zeit und Masse umgekehrt proportional zur Verfügung stehenden Zeit ist. Die Masse ändert sich durch den verbrauchten Treibstoff, jedoch nicht viel bei Ionentriebwerken. Der Schub steht also bei einer vorgegebenen Zeit fest. Steigt nun mein spezifischer Impuls an, so muss ich bei konstantem Schub auch mehr Strom zur Verfügung stellen. Nun benötigt man aber für die Stromversorgung auch ein Subsystem. Heute Solarzellen, auch Kernreaktoren wurden als Alternative genannt in jedem Falle wiegt dieses System immer mehr wenn man mehr Strom braucht. Bei Solarzellen ist dies sogar linear. Also doppelte Leistung gleich doppeltes Gewicht. Das gleicht nicht nur einen Teil des eingesparten Treibstoffs aus, es kann sogar dazu führen, dass die Solarzellen so viel mehr wiegen, wie man gar nicht an Treibstoff einsparen kann.

Ich habe mal eine Simulation gemacht unter folgenden Randbedingungen

  • Strukturmasse: 400 kg (konstant)
  • Ein Triebwerk mit 4 kW Leistung wiegt immer 7 kg, unabhängig von dem Treibstoffdurchsatz (angelehnt an das RIT-XT)
  • Der Solargenerator liefert eine spezifische Leistung von 175 W/kg (ATK lightweight Solararrays)
  • Geschwindigkeitsänderung 5 km/s (LEO in GEO).
  • Tanks wiegen 0,15 des Inhalts
  • Die Startmasse soll immer 5 t betragen

Grafik 4Dann erhält man je nach gewünschter Reisedauer und unterschiedlicher Ausströmgeschwindigkeit unterschiedliche Endmassen (Nutzlastmassen)

Zeit 10 km/s 20 km/s 30 km/s 40 km/s
3 Monate 2200 kg 3020 kg 3240 kg 3080 kg
6 Monate 2250 kg 3180 kg 3470 kg 3380 kg
9 Monate 2300 kg 3210 kg 3540 kg 3500 kg
12 Monate * 3240 kg 3600 kg 3560 kg

Nun deutlich ist zwar die Tendenz, dass in jeder spalte (Antrieb konstant, aber immer mehr Zeit um die Endgeschwindigkeit zu erreichen) die Nutzlast ansteigt. Anders sieht es aus wenn man die Nutzlast bei verschiedenen Endgeschwindigkeiten ansieht. Hier gibt es ein deutliches Optimum bei 30 km/s. Bei der kleinen Geschwindigkeit ist aber selbst 10 km/s nicht viel schlechter, auf jeden Fall nicht so viel schlechter wie man anhand der Ausströmgeschwindigkeit vermuten möchte. Von der Konzeption ist es sogar noch einfacher, das verrät der Stern (*) beim letzten Wert bei 10 km/s. Schon bei 270 Tagen wird mit einem einzigen Triebwerk (und nur 4 kW Leistung!) erreicht, da es nicht weniger als ein Triebwerk geben kann ist der Wert für 365 Tage also gar nicht vorhanden!

Schauen wir uns einen zweiten Fall an. Einen Start zum Jupiter (13 km/s). Startmasse erneut 5000 kg

Zeit 10 km/s 20 km/s 30 km/s 40 km/s 50 km/s
3 Monate 180 kg 1190 kg 1500 kg 1480 kg 1310 kg
6 Monate 300 kg 1490 kg 2040 kg 2220 kg 2300 kg
9 Monate 330 kg 1640 kg 2210 kg 2490 kg 2620 kg
12 Monate 355 kg 1680 kg 2310 kg 2620 kg 2780 kg

Sehr deutlich ist das es nun Maxima gibt. Bei 90 Tage Reisedauer liegt das bei 30 km/s, weil durch den geringen Schub man bei mehr Triebwerke braucht, einen größeren Solargenerator und das ist mehr als man beim Triebstoff einspart – bei 50 km/s braucht man nicht weniger als 66 Triebwerke mit je 4 kW Leistung! Bei allen anderen Reisedauern steigt die Nutzlast mit höherer Auströmgeschwindigkeit an, aber nicht so stark wie zu vermuten ist.

Dann regieren praktische Anforderungen. Nehmen wir 1 Jahr Reisedauer und 30 bzw. 50 km/s. Zwar ist bei 50 km/s die Nutzlast höher (um 470 kg), dafür benötigt man auch 17 Triebwerke mit 68 kW Leistung. Bei 30 km/s sind es nur 9 mit 36 kW Leistung. Der Nutzlastgewinn von 20% korrespondiert also mit einem erhöhten Aufwand von 89% beim Antriebsmodul.

Die Werte sind auch ziemlich von dem Solargenerator abhängig. Wenn man von den Ultraflex-Arrays auf die starren Solararrays von Dawn übergeht (80 W/m²) so zeigt die vierte Grafik den Effekt: Die Nutzlast sinkt hier rapide ab und wid bei >40 km/s negativ!

Das bedeutet auch, für jede Reisezeit und Geschwindigkeit gibt es eine optimale Lösung. Ionentriebwerke können darauf reagieren indem sie einen Bereich abdecken. Das RIT-22 z.B. einen spezifischen Impuls von 3000 bis 5500 s nominal und 2500 bis 6500 (demonstriert) ausgelegt. Der Vorteil ist, das man so den Schub variieren kann (siehe Abbildung links, RIT-XT). Tendenziell wird man je kleiner die Geschwindigkeitsänderung ist den spezifischen Impuls absenken, außer man hat sehr viel Zeit.  Bei 4 KW Leistung (70% Wirkungsgrad) hat man z.B. bei 10 km/s einen Schub von etwa 0,56 N, bei 40 km/s sind es nur noch 0,14 N. Entsprechend länger (oder mehr Triebwerke) braucht man.

In einigen Diagrammen habe ich dies erläutert. Das erste ist die Nutzlast in Abhängigkeit vom spezifischen Impuls bei 5000 m/s Gesamtgeschwindigkeit. Das Optimum liegt hier bei rund 40 km/s. Geht man auf 1 Jahr Reisedauer bei sonst identischen Bedingungen so verschiebt es sich auf 80 km/s. Bei höherer Geschwindigkeit (13 km/s) sinkt es auf 32 km/s und wenn man keinen so leichtgewichtigen Solargenerator hat (80 W/kg anstatt 175 W/kg wie in den obigen Beispiel), dann sinkt die Nutzlast bei hohen Impulsen sogar stark ab.

Die gezackten Linien kommen dadurch zustande, das man Triebwerke nur ganzzahlig betreiben kann, braucht man also ein Triebwerk mehr, so addiert dies zuerst weiteres Gewicht und die Nutzlast sinkt ab, um dann anzusteigen bei höherem spezifischen Impuls (weniger Treibstoff wird gebaucht) bis man wieder ein weiteres Triebwerk braucht. Die Zahlen in den Diagrammen sind exakt berechnet, in der Tabelle habe ich von Hand gerechnet und gestoppt, wenn ich nahe an einer Lösung war.

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