Wer wird Nummer 3?

Wir haben derzeit einen sehr interessanten Wettlauf, auch wenn es keiner ist. China steht vor der Landung von Chang’E-3 und Indien hat ihren Mars Orbiter auf eine Bahn zum Mars gebracht. Beide Projekte konkurrieren nicht, denn China hat keine Planetensonde in der Planung. Doch sie sind symbolisch für eine Trendwendung. Am auffälligsten ist die Entwicklung bei China. China hat seit Jahren rapide ansteigende Startziffern, dabei mit relativ wenigen Ausfällen (jetzt gerade wieder einer, aber insgesamt waren es wenige in den letzten 10 Jahren). 2011 überholte China erstmals die USA bei den Startzahlen. Dieses Jahr sind es weniger Abschüsse, bislang 14 Starts, nachdem es 2013 noch 20 waren.

Dabei handelt es sich um einen bunten Mix – Erdbeobachtungssatelliten und Wettersatelliten, Kommunikationssatelliten und der Aufbau eines GPS Systems. Nicht vergessen darf man die bemannten Ambitionen, auch wenn es da wenig neues gab. Die Ambitionen in der Planetenforschung erstreckten sich bisher hauptsächlich auf den Mond Chang’E-3 ist die dritte Mission zum Mond. Die Steigerung ist erkennbar: Chang E-1 arbeitete verhältnismäßig kurz und stürzte wohl Am Ende der Mission auf den Mond. Chang E‘-2, deutlich schwerer und mit weiterentwickelten Instrumenten verließ nach ihrer Primärmission die Mondumlaufbahn (wofür man relativ viel Treibstoff mitführen muss) und passiert nach Erreichen des L-2 Librationspunktes den Asteroiden Toutaris, auch wenn man mit den Primärinstrumenten dort keine Daten gewinnen konnte. Das zeigt schon die Ambitionen, denn so übt man interplanetare Missionen ein. Nun steht die Mondlandung mit Chang E‘-3 an, wieder eine neue Mission. Zu den Planeten sollte bisher nur Yinghuo-1 als Sekundärnutzlast von Phobos Grunt gelangen.

Indien geht nach Chandrayaan-1 als Mondmission nun die Mars Orbitermission an. Anders als bei China gibt es zumindest einige Details über die Sonde. Aus diesen und auch der Missionsbeschreibung wird klar, dass es sich um eine Ingenieurssonde handelt. Es geht also weniger um wissenschaftliche Daten zu gewinnen, sondern darum den Mars zu erreichen. Während Chinas Fortschritte sehr deutlich sind, tritt Indien seit Jahren auf der Stelle. Nach etwas durchwachsenem Einstand gelang es die PSLV zu entwickeln, die inzwischen Indiens Standardträger ist und schon zahlreiche ausländische Satelliten startete. Der Schritt zur nächstgrößeren Rakete, der GSLV, verlief jedoch steinig. Die Rakete verwendet in Lizenz gebaute Viking Triebwerke und die Oberstufe wird von Russland für die ersten Exemplare gestellt. Doch gerade als Indien ihre eigene Stufe einsetzte scheiterten die Starts und seitdem wurden die Flüge verschoben. Von einer Mark-III Version die sie ablösen soll ist auch keine Rede mehr. Genauso still ist es um ein bemanntes Programm geworden. China setzt seit langem die aus ICBM entstandenen CZ 2-4 Träger ein. Auch wenn dies nach vielen Trägern aussieht scheint es mehr ein System der Kombination weniger Triebwerke und Stufen zu sein. Die lange Marsch 5 ist seit Jahren in der Entwicklung, lässt aber auf sich warten.

Chinas bemanntes Programm kann man kontrovers diskutieren. Zum einen sind natürlich Parallelen zum früheren russischen Raumfahrtprogramm unübersehbar. Das Raumschiff basiert auf der Sojus und auch die „Raumstation“ sieht wie eine verkürzte Saljut aus. Mehr als Kurzzeitmissionen scheinen auch noch nicht möglich zu sein und die Schritte verlaufen relativ langsam. Auf der anderen Seite ist bemannte Raumfahrt primär ein Prestigeprojekt und wenn man nur bemannt im Weltraum sein will, Erstleistungen wie Weltraumspaziergang oder eine Raumstation aufweisen will, dann geht es sicher nicht billiger als wie sie es derzeit durchführen.

Was bei beiden Nationen auffällt ist wie behutsam die Schritte verlaufen, langsam, aufeinander aufbauend. Das scheint asiatische Einstellung zu sein, denn auch bei Japan waren die meisten ersten Raumsonden nur als experimentell gekennzeichnet. Das unterscheidet sie von den USA, Russland und der ESA. Eigentlich kann man nur letztere als Vergleich nehmen. Europas erste Raumsonde Giotto war nicht experimentell. Sie war eine Raumsonde die sogar ziemlich riskant war. Sie flog durch den Schweif von Halley, einem der aktivsten Kometen, nicht weit von der sonne entfernt wie Stardust, sondern nahe der sonne. Das war eine riskante Kamikazemission. Die nächsten Missionen führten dann zu Jupiter, Saturn. Die Missionen zu Venus und Mars sind vollinstrumentierte leistungsfähige Orbiter, keine Ingenieursmissionen.

Was ist der Grund für diese Vorsicht? Nun man kann nur spekulieren. Ein Grund für beide Nationen könnte sein, das die eigene Hardware nicht qualifiziert für lange Missionen ist. Indien setzt im Bordrechner eine Variante des MA1750A Prozessors ein. Dieser Chip wurde vom US Militär als Standard Prozessor für Lenkwaffen in den Achtzigern entwickelt. Er hat auch in der Raumfahrt ein langes Leben, so setzten ihn Rosetta, Venus und Mars Express ein. Die beiden letzteren weil sie die Elektronik von Rosetta übernommen haben, Rosetta weil die Entwicklung schon 10 Jahre vor dem Start erfolgte. So war der Prozessor schon veraltet als sie startete, doch das war vor zehn Jahren. die NASA setzt inzwischen rund hundertmal leistungsfähigere Chips ein und auch die ESA ist auch neuere Designs ausgewichen. Man hinkt also hinterher. Das zeigt sich auch in anderen Parametern. Mars Orbiter wird mit niedriger Datenrate im S-Band senden, nicht im X-Band oder Ka-Band.

Trotzdem ist beiden Missionen Glück zu wünschen. Denn ihnen könnten weitere folgen. Missionen ide anspruchsvoller sind, bei denen mehr Wissenschaft betrieben wird. Es ist auch Erfolg zu wünschen, dass beide Nationen freigiebiger mit den Daten werden. Indien. hat ja schon ein Bild von Mars Orbiter aus dem Erdorbit veröffentlicht. China ändert vielleicht auch seine Informationspolitik die bisher sehr restriktiv war. Sowohl über die Sonde wie auch die Ergebnisse wurde bisher kaum etwas veröffentlicht. Von Chang E‘-1 gab es ein einziges Bild vom Mond, von Chang E‘-2 schon einige mehr und eine Karte. Ews bessert sich also langsam.

Derzeit hat China gute Chancen die in Asien führende Weltraumnation zu werden. Japan, die eigentlich technisch überlegen sein sollten haben sie überholt, auch weil japanische Sonden erstaunlicherweise sehr oft Probleme hatten. Wenn sie die startrate aufrechterhalten können und sich auch zu den anderen Planeten aufmachen, dann könnten sie innerhalb eines Jahrzehnts mehr Raumsonden gestartet haben als die ESA und damit zu Nummer 3 bei der Erforschung der Planeten werden.

4 thoughts on “Wer wird Nummer 3?

  1. Warum es so langsam vorangeht in Asien ist ein Kulturell Phänomen:
    „Wer Fehler Macht verliert sein Reputation und Schwachstellen dürfen nicht bloßzulegen“
    Das sind die gründe warum in Indien, Korea, Japan, China (auch teilweise Russland) es so langsam vorangeht

    West Europäer und Amerikaner sind da Risiko freudiger
    sehe die 11 versuche mit Ranger Sonde zu Mond…

  2. @Bernd

    Ist es überhaupt sinnvoll die Startzahlen zu vergleichen?
    Wäre es nicht besser Nutzlastmasse zu nehmen?
    Viele kleine Raketen lassen sich ja schlecht mit einer Ariane 5 Vergleichen (die dann auch noch 2 satelliten auf einmal mitnimmt).

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