Die Sache mit dem RD-180 Ersatz

Die Ukraine Krise, verbunden mit dem Protest von SpaceX gegen ULA hat nun ja einige Wellen geschlagen. Für alle die es nicht so verfolgt haben: SpaceX hat gegen ULA geklagt und dabei auch angebracht dass die Atlas das RD-180 einsetze und einer der auf der Embargoliste steht Dmitry Rogozin persönlich daran verdienen würde. Das hat sich natürlich als falsch herausgestellt, aber es hat Rogozin provoziert und er sagte man werde keine RD-180 mehr an die USA liefern und auch aus der ISS nach 2020 aussteigen, dazu weiter unten noch mehr.

In den USA hat das die Diskussion gefördert, ob man denn von Russland abhängig sein möchte und es gab sehr schnell einer erste Finanzierung durch das Verteidigungsministerium in Höhe von 100 Millionen Dollar für die Suche nach einem RD-180 Ersatz dieses Jahr und 220 Millionen nächstes Jahr. Was meiner Ansicht eher zeigt das man mit der nationalen Sicherheitskarte sofort Geldmittel bekommt, während sonst Wissenschaftsbudgets beschnitten werden. Nun hat ULA bestätigt dass sie nach Alternativen für das RD-180 suchen. Bis Herbst soll ein Design und Anbieter gewählt sein, bis 2019 die Entwicklung abgeschlossen.

Die Nutzung des RD-180 die heute als „russische“ Abhängigkeit“ dargestellt wird hatte übrigens ihre Ursprünge in einer Zeit als man mehr „gemeinsam“ dachte und die USA auch ihre Astronauten zur Mir schickten (trotz russischer Abhängigkeit) und man den Bau der ISS beschloss, die zuvor ja noch „Alpha“ hies. In den USA denkt man ja leider nur in Schwarz-Weiss und hat ein kurzes Gedächtnis. Die Vermischung von Politik und Geschäft schadet eigentlich allen, denn das Geschäft läuft ohne die Politik immer. So bezieht die BRD seit über 50 Jahren quer durch etliche politische Krisen Erdgas aus Russland und das blieb noch nie aus.

Zuerst mal eine Analyse. Die USA haben derzeit noch 15 RD-180 „in Stock“. Die Gespräche jenseits der Politik verlaufen nach obigem Bericht normal, sodass man im Juli sicher mit weiteren fünf bis sieben RD-180 rechnen kann, die dann planmäßig geliefert werden, Dann würden die USA genug Triebwerke für mindestens drei Jahre, je nach Startrate auch vier Jahre haben. In einem solchen Zeitrahmen müsste man dann auch die Delta 4 Produktion herauffahren können. So viele Starts beider Träger haben die USA nicht, letztes Jahr war ein Rekordjahr, da waren es 11 Stück von Delta und Atlas zusammen, das müsste eigentlich auch ein Modell alleine schaffen. Da die Delta 4 einen größeren Nutzlastbereich abdeckt müsste sie die Atlas komplett ersetzen können. Sie hat aber eine Lücke zwischen der Delta 4M und der 4H, dort liegen aber gerade die größeren Atlas 5 Derivate. Doch es gibt zum einen von Boeing auch Pläne für Versionen mit sechs oder acht GEM-60 Boostern und das RS-68B soll durch höheren Schub wird auch mehr Nutzlast bringen. Etwas bringt auch das RL-10C und eine gemeinsame Oberstufe die ja für Delta und Atlas angedacht wird, könnte sie auch noch steigern. Kurzum: es gäbe wenn man nur die Atlas betrachtet keinen Bedarf an einem neuen Triebwerk

Aber schauen wir über den Tellerrand: Orbital braucht auch ein Triebwerk in der Schubklasse, wenn auch etwas schubschwächer die die Antares, denn die NK-33 werden nicht mehr produziert. Sie haben zusammen 3456 kN Startschub, das RD-180 3827 kN. Denkt man etwas weiter so will die NASA ja mal Booster für die SLS entwickeln um die Nutzlast zu steigern. Für diese braucht man dann schon größere Triebwerke. Die Booster sollen die derzeitigen 5,5 Segment SRB ersetzen die jeweils 733 t wiegen. Sie müssen auch den fehlenden Schub der Zentralstufe aufbringen. Schon mit dem RD-180 bräuchte man mindestens 6 Triebwerke um den Schub aufzubringen den jetzt die beiden Booster bringen,

Auf der anderen Seite setzt die Antares derzeit zwei Triebwerke ein. Das erspart zum einen die Rollachsenregelung. Zum anderen würde ein Triebwerk mit dem halben Schub die Möglichkeit eröffnen eine kleinere Trägerrakete von rund 150 t Startmasse zu konstruieren. Eine solche würde mit einer kryogenen Oberstufe dann etwa 4-5 t Nutzlast transportieren können, in etwa ein Atlas Centaur D Ersatz und damit eine Lücke im US Arsenal schließen. Mit den Boostern der Atlas oder Delta könnte man dann auch die Lücke zur Atlas 401 schließen.

Von der Überlegung her wäre also ein Triebwerk mit rund 2000 kN Bodenschub wie auch 4000 kN wünschenswert. Da in den USA in Sachen Raketenentwicklung so ziemlich alles falsch läuft wird man sich wegen der SLS wohl eher für die 4000 kN Version entscheiden, wirtschaftlich sinnvoller wäre die kleinere Variante die zudem geringere Entwicklungskosten offeriert.

Doch kann man das RD-180 so einfach ersetzen? Das wird eine anspruchsvolle Aufgabe für den Triebwerkbauer. Es ist nicht der Schub, es ist ein Hauptstromtriebwerk mit extrem hohem Brennkammerdruck und spezifischem Impuls. Diese Technologie haben die USA bisher nicht bei LOX/RP-1 umgesetzt. Sie können ähnliche Werte im Nebenstromverfahren mit Methan anstatt Kerosin erreichen, doch das würde dann umbauten der Atlas und Antares erforderlich machen. In gewissen Grenzen kann man das kompensieren wenn der Schub höher ist. Dann sinken die Gravitationsverluste. Sie sinken schon bei der Atlas V von 1750 auf 1414 m/s bei der Atlas 401->431 und 2144 m/s auf 1535 m/s bei der Atlas 501->551. Der Schub der Booster bringt die Rakete schnell auf Höhe und verringert die aerodynamischen Verluste, weil man die dichte Atmosphäre schneller durchquert.

Ein höherer Schub macht aber eine noch stärkere Schubreduktion nötig, die bei der Atlas notwendig ist, weil die Oberstufe mit Nutzlast maximal 30 t wiegt. Ohne diese würde zu Brennschluss die Beschleunigung auf über 8 g ansteigen. Auch die Schubreduktion in diesem Maße gibt es bisher bei LOX/Kerosintriebwerken nicht. Das Merlin kann den Schub reduzieren aber nur um 30%, das RD-180 erreicht dagegen 60% Schubreduktion.

Zuletzt wäre dann noch die SpaceX Alternative. „Rein zufällig“ hat das Raptor fast denselben Schub wie das RD-180. Der spezifischer Impuls (3053/3312 zu 3149/3560) ist sogar höher und könnte das Mehrgewicht für die größeren Methantanks kompensieren. Aber gerade wegen dem Methan wäre es eine neue Rakete nicht nur ein neues Triebwerk und ob sich Lockheed von einem Mitbewerber abhängig machen will? Wohl kaum. Zudem würde SpaceX sich wenn man der eigenen Firmenargumentation folgt (die den Einsatz des RL-10 auf zwei Trägerraketen kritisiert, weil dann ein Ausfall gleich zwei Träger lahmlegen würde) sich selbst von einem Auftrag für einen Alternativträger ausschließen, weil dann das Raptor ja auch auf zwei Trägern derselben Nutzlastklasse eingesetzt wird.

Meine persönliche Ansicht: Die USA sollten die Gelegenheit nützen den Bedarf nach einem neuen Triebwerk mit dem Aneignen von neuer Technologie zu verbinden. Dazu gehört die Erforschung neuer Verfahren wie eben dem Hauptstromverfahren bei LOX/Kerosin, dann würde die Entwicklung auch mehr Sinn machen. Methan als Treibstoff würde ich nicht anstreben, weil man sonst im Prinzip Atlas und Antares stark modifizieren müsste, das wären dann nicht mehr dieselben Träger. Sofern es möglich ist sollte man die Entwicklung aber so auslegen, dass dann der Schritt zu einem LOX/Methan Triebwerk nicht mehr so groß ist, also die Konstruktion darauf „vorbereiten“. Das wäre dann eine Option für die SLS Booster oder eine neue Rakete.

Ob es so kommt ist übrigens noch nicht trockenen Tüchern, denn das Weisse Haus ist gegen das RD-180, es würde mindestens 1,5 Milliarden Dollar kosten und die Abhängigkeit würde für eine Dekade weiter bestehen.

Nun noch zur ISS und der Situation nach 2020. Zum einen ist da Russland nicht alleine. Innerhalb der ESA will Frankreich nach 2020 aussteigen um die Ariane 6 zu finanzieren. Italien hat schon ab 2012 seine Mittel gekürzt (Frankreich und Spanien in geringerem Maße auch, daher hat Deutschland kräftig ausgestockt um die ISS Beteiligung der ESA zu halten). Also es ist nicht unwahrscheinlich dass die ESA nach 2020 aussteigt. Was würde passieren wenn Russland aussteigt? Ich glaube kaum dass Russland dann die Module entfernt. Es wären derzeit nur drei, die entbehrlich sind: Sarja als Lagerraum und Pirsk und Poisk als Kopplungsmodule / Luftschleuse. Swesda wurde von den USA bezahlt. Ohne Sojus und Progress braucht man keine Kopplungspunkte. Die ISS würde also gut funktionieren ohne die russischen Module, selbst wenn sie entfernt würden, was ich nicht denke, denn das kostet ja zusätzliches Geld, genauso wie die Entsorgung von Columbus. Man kann die Module wegen ihrer Masse ja nicht einfach abkoppeln und in 1-2 Jahren ungesteuert verglühen lassen.

Den Crewtransport können die US-Systeme ohne Problem übernehmen. Selbst wenn es nur eines ist, so hat doch jedes mit 7 Astronauten mehr als die doppelte Kapazität der Sojus. Schwerer ist es mit der Versorgung. Nachdem schon das ATV ab 2015 wegfällt hat CRS2 Ausschreibung jetzt schon einen Bedarf von 14.250 bis 16.750 kg Druckfracht und 1.500 bis 4.000 kg Fracht außerhalb des Druckbehälters. CRS1 wird 40 t, die doppelte Menge über 5 Jahre (2012-2016) liefern. Drei bis vier Progress Flüge gibt es derzeit jährlich, das sind dann weitere 7.000 bis 10.000 kg die fehlen, je nach Zusammensetzung der Fracht und Startfrequenz. Bedenkt man das CRS1 für 40 t schon 3,5 Milliarden Dollar kostet, so dürfte die Versorgung alleine 2 bis  2,7 Milliarden Dollar pro Jahr kosten – mehr als heute der ganze ISS Betrieb und Experimente kostet. Das dürfte wahrscheinlich auch der NASA zu teuer sein, denn mit bemannten Flügen, Experimenten und Missionskontrolle kommt sie dann so in den Bereich von 4-5 Milliarden Dollar pro Jahr für die ISS. Dabei soll ja noch ein neues Raumschiff und eine Schwerlastrakete entwickelt werden bei stagnierendem Budget. Aber wie man beim RD-180 sieht, wenn jemand rausfindet dass die ISS wichtig für die nationale Sicherheit ist, dann sprudelt sich das Geld ….

3 thoughts on “Die Sache mit dem RD-180 Ersatz

  1. Bernd: Hast Du Quellen für die zeitliche Abfolge von „Rogozin provoziert und er sagte man werde keine RD-180 mehr an die USA liefern“. Ich dachte bislang dass die Aussage von Rogozin zu den RD-180 eine Reaktion auf das Embargo seiner Person gegenüber war.

  2. Also das Embargo gab es schon SpaceX hat dann die Reaktion ausgelöst:
    17.3.2014: Embargo verhängt: http://www.presstv.ir/detail/2014/03/17/355046/obama-sanctions-russian-officials/
    5.5.2014: Spacex sagt ULA muss beweisen das Rogozin kein Geld von den RD-180 bekommt:
    http://www.spacenews.com/article/military-space/40473spacex-says-ula-must-prove-rd-180-money-doesn’t-go-to-rogozin
    13.5.2014: Rogozin verhängt Bann über RD-1280 (zum Start von satelliten militärischer Natur, was ja die meisten sind)
    http://www.spacenews.com/article/military-space/40547rogozin-calls-for-ban-on-us-military-use-of-rd-180

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