Buchkritik: H.G. Wells: Die Zeitmaschine


Heute mal eine Buchkritik zu einem „ganz neuen“ Buch. Es ist gerade mal lächerliche 120 Jahre alt. Aber da ich es gerade noch mal durchgelesen habe und mir dazu doch einige einfällt trotzdem eine Buchkritik. Es ist H.G. Wells Roman die Die Zeitmaschine . Mit ihm verbindet mich die Erinnerung an dem frühesten Film, den ich im Fernsehen sah. (bzw. an den ich mich bewusst erinnere) Wie alt ich war weiß ich nicht mehr, aber nicht sehr alt. Wir waren als Familie in unserem Ferienhaus und machten nach dem Mittagessen einen Spaziergang. So um drei oder vier sollte eben jener Film im Fernsehen laufen und es sah so aus, dass wir nicht rechtzeitig heimkommen würden. Ich lief voraus, hängte bald den Rest der Familie ab und muss irgendwo aber falsch abgebogen sein. Schließlich fragte ich jemand der campierte nach dem Weg und der war nett genug mich zu unserem Ferienhaus zu chauffieren. Der Film hatte schon angefangen und ich war auch ganz gebannt bis der Rest meiner Familie zurückkam, die sich Sorgen machte und es ein ziemliches Donnerwetter gab das nicht besser wurde dadurch dass ich mich hatte chauffieren lassen. Damals gab es bei Aktenzeichen XY eine Menge Fälle von Morden bei Anhaltern ….

Aber kommen wir zu dem Buch. Das Buch hat einige Unterschiede zu den beiden Verfilmungen. Die sind beide im Kern eine Liebes- und Actiongeschichte. Das Buch ist in der Hinsicht langweiliger aber es ist gesellschaftskritischer. Der Roman wird geschrieben von einem der Gäste des Zeitreisenden der niemals mit dem Namen genannt wird. Er gibt die Ereignisse wieder, die er als Gast sah und dann die die der Zeitreisende erzählt hat. Zuerst sind beide Teile noch identisch. Der Zeitreisende führt logisch aus, das wir uns in allen drei Raumdimensionen bewegen können, nicht aber in der Zeitdimension. Das ist im Roman noch logischer als heute. Die allgemeine Relativitätstheorie ist noch unbekannt und Flugzeuge auch nicht. So verweist er als Beispiel dafür dass der Mensch sich nicht in der Höhe bewegen kann – zumindest nicht ohne technische Hilfsmittel und die Zeitmaschine wäre eben ein solches Hilfsmittel für die vierte Dimension.

Er probiert nachdem er ein Modell in die Zukunft schickte, sie selbst aus und gelangt anders als im Film direkt ins Jahr 802701. Im Film fand ich die Abweichung wo er im ersten Weltkrieg, zweiten Weltkrieg und kurz darauf am 18.8.1966 vor einem Atomkrieg Stopps macht beeindruckend – ich wusste ja schon damals das der Roman 1895 geschrieben war und das war doch eine enorme Leistung diese beiden Kriege vorherzusehen (den Atomkrieg hat es ja gottseidank nicht gegeben).

Im Jahre 802.701 beschreibt der Zeitreisende dann seine Beobachtungen. Ergänzt durch die Thesen die der zur Erklärung was passiert ist aufstellt und das ist die Gesellschaftskritik. Die Elois sind zierlich, werden vor allem aber als naiv, mit dem Gemüt eines Kleinkindes beschrieben. Sie sind nur an Vergnügen interessiert. Scheinen kein Interesse an Forschung zu haben, ihre Sprache ist einfach und hat nur zwei Worte pro Satz und sie sind nicht sehr ausdauernd. Er sieht dies als ein Mischmasch von darwinscher Evolutionslehre (die damals noch umstritten war) und Gesellschaftskritik als eine Folge der idealen Gesellschaft. Die hat irgendwann alle Seuchen ausgerottet, es gibt keine Notwendigkeit zu arbeiten, so ernähren sich die Eloi nur von Früchten. Damit erklärt er auch die Veränderung des Körperbaus. Man müsste nicht mehr stark sein wenn man nicht arbeiten müsste. Ohne Eifersucht und andere Gefühle die die Eloi auch nicht kennen würden sich die Geschlechter angleichen weil der schönere oder stärkere keinen evolutionären Vorteil hätte. Als Kritik nennt er aber die Offensichtlichkeit des Verfalls – die Eloi haben eine primitive Sprache, kein Interesse an ihrer Umwelt und es gibt überall beeindruckende Bauten die aber im Zerfall begriffen sind oder überwuchert werden.  Am nächsten Morgen ist seine Zeitmaschine verschwunden. Nach Spuren zu beurteilen in das Innere einer Sphinx hineingezogen. Er kommt nicht mehr an sie heran.

Dann bemerkt er des Nachts die Morlocks und baut sie in seine Thesen ein und kann einige Ungereimtheiten lösen. So die überall vorhandenen „Brunnen“ und Kamine aus denen Geräusche kommen und das die Eloi Kleidung und Sandalen haben aber keine herstellen – das sie überall gleich angezogen sind erklärt er mit nur einem Wort: „Kommunismus“. Das ist angesichts uniformer Chinesen in Mao Kleidung eine doch sehr gute Vorhersage. Er sieht auch darin eine Folge der Verhältnisse von 1895: Es gibt die Reichen und die armen Arbeiter und man beginnt Dinge unter die erde zu verlegen damit sie keinen Platz oben wegnehmen wie Eisenbahntunnel. Auch sind schon damals Distrikte für nur bestimmte Personen zugelassen und andere gesperrt. Fortgesetzt bedeutet das das man irgendwann die gesamte Industrie samt Arbeiter unter die Erde verbringt und sie ebenfalls durch evolutionäre Anpassung zu Höhlenwesen werden. „Lebt denn nicht heute ein Arbeiter im Londoner East-End unter so unnatürlichen Bedingungen das er nahezu vom natürlichen Leben an der Erdoberfläche ausgeschlossen ist?“. Starke Kritik an den Zeitverhältnissen von 1895. Sie müssen den Eloi dienen die sich einem Leben ohne Arbeit und Verantwortung hingeben.

Später klettert er in einen der Brunnen wird angegriffen und kann wieder entkommen. Er weiß nun das die Morlocks Maschinen unten betreiben, Menschen essen und kann auch die Angst der Eloi vor mondlosen Nächten deuten. Die Morlocks aka Arbeiter haben die Gesellschaftsordnung umgedreht und halten nun die Eloi aka Bürgerliche als Vieh. Sie kleiden sie und holen in den Nächten ihre Mahlzeit. Anders als im Film müssen diese aber nicht zum Schlechten angelockt durch eine Luftsierene kommen.

Der Zeitreisende will sich wappnen, setzt seine Hoffnung auf ein großes Gebäude in der Ferne. Vielleicht ist er dort nachts vor den Morlocks sicher. er erreicht es findet dort Streichhölzer, seine eigenen hat er aufgebraucht um die Eloi zu beeindrucken und eine Eisenstange als Waffe. Es handelt sich um ein Museum. Doch auch dort sind die Morlocks. So macht er sich Weena – die er auch im Roman gerettet hat und die ihn seitdem begleitet, vergleichbar einem Hund den man das Leben redet. Von Liebesgeschichte aber keine Rede. Die Gefühle zu Weena dürften nach der Beschreibung auch mehr denen zu einem anhänglichen Haustier vergleichbar sein. auf den Rückweg. Nachts überfallen ihn die Morlocks, nachdem er zwar ein Lagerfeuer anzündet, es aber dann erlischt und er übernächtigt eingeschlafen ist. Er kann sich wehren, doch Weena ist verschwunden und die Morlocks hätten ihn wohl überwältigt wenn er nicht in dem Urwald (ohne irdische Forstwirtschaft) einen Waldbrand ausgelöst hätte. Er nimmt an sie ist im Waldbrand umgekommen.

Wieder angelkommen bei seinem Ausgangspunkt sieht er die Türen der Sphinx offen und die Zeitmaschine. Er ahnt die Falle wähnt sich aber mit seinen Streichhölzern gewappnet. Kaum ist er in der Sphinx gehen die Türen auch zu und die Morlocks kommen. Leider stellt er erst jetzt fest dass man die Streichhölzer nur mit Schachtel anzünden kann. Er kann mit Müh und Not die Zeitmaschine noch starten und macht einen Sprung – 30 Millionen Jahre in der Zukunft. Die Erde hat nun keine Rotation mehr. Die rote viel größere Sonne beleuchtet einen Strand auf dem sich Krabben von Tischgröße tummeln. Etwas später wird es kühler, das Meer friert zu und es gibt eine Sonnenfinsternis und das einzige Leben ist eine Art Kopffüßler, der sich langsam an Land bewegt.

Der Zeitreisende kehrt zurück und der Gast schreibt noch das er erneut nach dem Essen aufbricht, lässt aber das Ziel offen, wobei er aber spekuliert das er in die Vergangenheit reist.

Kurzum, das ganze ist doch ziemlich unterschiedlich von den Verfilmungen und die Gesellschaftskritik – was passieren könnte wenn die Zustände von 1895 nicht sich ändern sind offensichtlich. Damit behielt er recht. Nach 1918 ging es Adeligen und Reichen in Russland nicht so arg gut wie vorher.

Für mich interessant ist einiges was er an naturwissenschaftlichen Erklärungen bringt. Die sind manchmal richtig manchmal falsch. So wird die Erde immer langsamer rotieren. Sie hat sich mal in wenigen Stunden um die eigene Achse gedreht. Nur wird der Mond dabei sich von der Erde entfernen und dann muss in Zukunft die Sonne kleiner sein. Sie wird aber zuerst größer und röter – eine richtige Vorhersage, Genauso wie das sie stärker scheint und wenn sie mal zu einem weißen Zwerg wird wird sie kühler. Nur die Begründung ist falsch. Da man die Kernfusion noch nicht kennt nahm man an die Sonne müsste laufend schrumpfen sie verbrennt ja ihren Brennstoff sehr rasch. Das temporäre vergrößern begründet er mit einem der inneren Planeten der auf die Sonne fiel und so weiteren Brennstoff liefert. In Wirklichkeit wird die erde den Übergang ins Riesenstadium nicht überleben und das ist auch nicht in 30 Millionen Jahren sondern eher in 3 Milliarden. Damals kannte man aber nur Kohle als Brennstoff und damit konnte die Sonne noch nicht so alt sein.

Ein Paradoxon ist das alles im Verfall ist, überwuchert wird und es trotzdem die Früchte gibt. Nach der Begründung des Autors hat man ja sogar Fäulnisprozesse ausgeschaltet, aber warum bleiben dann gerade die fruchtliefernden Pflanzen durchsetzungsfähig. Ohne Kultivierung klappt das heute nicht. Getreide, das hat der Autor erkannt erfordert Arbeit, also müssen die Eloi sich von Früchten ernähren. Es steht nirgendwo im Buch dass sie von den Morlocks gefüttert werden – wie den auch wenn die Früchte doch überirdisch wachsen.

Auch das Aussehen der Eloi passt nicht zur Mastviehhypothese. Schon damals wusste man ja dass der Mensch die Evolution steuert. Damaliges Getreide hat nichts mit dem Einkorn von vor 6000 Jahren zu tun und Erdbeeren sind größer als Walderdbeeren und Zuchtäpfel größer als Wildäpfel. Auch bei Tieren gibt es Unterschiede damals wusste man das das Hausschwein vom Wildschwein abstammt – es liefert aber viel mehr Fleisch und wächst schneller und wie weit Züchtung geht zeigt der Vergleich der Hunderassen und des Wolfs. So gesehen sollten die Morlocks dann keine zierlichen Eloi, sondern eher fette Elois züchten.

Der Sinn der Maschinen bleibt auch unerklärt. Die Morlocks tragen keine Kleidung und dass die Morlocks Maschinen betreiben nur um die Eloi damit zu versorgen ist doch dann ziemlich unwahrscheinlich – wer zieht schon seinem Schlachtvieh Kleidung an? Warm genug (es wird eine tropische Fauna beschrieben) scheint es auch so zu sein. Ansonsten gibt es im ganzen Buch keinen Hinweis auf irgend etwas was produziert wird. Aber ein Buch in dem alle nackt sind, das wäre wohl 1895 zu viel des guten gewesen.

Zuletzt: schon am Anfang schickt er ein Modell der Zeitmaschine in die Zukunft – bei den technischen Möglichkeiten von 1895 dürfte aber gerade ein kleines Modell fertigungstechnisch herausfordernder als die eigentliche Maschine sein.

Immerhin setzt der Autor mit dem Zieldatum +802.701 eine Zeitspanne in der sich solche evolutionären Änderungen vollziehen können. Ich selbst habe aber meine Zweifel, dass es im Jahr 802.701 nicht die Menschheit gibt.

One thought on “Buchkritik: H.G. Wells: Die Zeitmaschine

  1. Gute Kritik.

    Und ja, das Buch ist im Prinzip eine Kommunismus parabel. Wells war ja sein Leben lang glühender Sozialist. (Ich hab übrigens vor einiger Zeit im Netz ein altes Interview aus den 30er gelesen, wo Wells der Interviewer war. Sein Desprächspartner war niemand anderer als Josef Stalin. War aus heutiger sicht witzig zu lesen..)

    Aber einige der älteren Sci-Fi Romane waren aus heutiger Sicht was manche Erfindungen betrifft erstaulich weitsichtig. (Allein was Verne in seinem ursprünglich verschollenen Werk „Paris im 20 Jahrhundert“ vorhergesagt hat..)

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