Bilder von der Venusoberfläche – ein Kommunikationsproblem

Wenn man eine Kapsel zur Venusoberfläche absetzt, dann hat man ein Problem: Sie wird nicht lange leben. Man muss also die Daten „life“ übertragen. Dazu verwendet man Rundstrahlantennen. Die Übertragung geschieht über einen Orbiter oder vorbeifliegenden Bus der seine Position ändert und am Fallschirm baumelnd oder auf dem Boden aufgesetzt kann man nicht vorhersagen wohin eine Richtantenne zeigen würde. Die Datenraten sind daher gering. Ich habe einige von Landekapseln hier mal zusammengefasst:

Sonde Datenrate Distanz Sendeleistung
Pionier Venus Hauptsonde 256 Bit/s 209 Millionen km 40 Watt
Pionier Venus Nebensonden 64 Bit/s 209 Millionen km 10 Watt
Galileo Landekapsel 128 Bit/s 214-287.000 km 23 Watt
Huygens 8 kbit/s 60-84.000 km 10 Watt
Venera 9+10 256 Bit/s 209 Millionen km
Venera 11-14 3072 Bit/s >1500 km

Vergleichbar mit einer Venus Landesonde sind alle außer Huygens, da der Titan eine wesentlich weniger dichte Atmosphäre hat. Sendet man direkt zur Erde so wird man wie bei Pionier Venus und Venera 9+10 nur wenige Hundert Bit zur Erde übertragen. Das bedeutet man braucht einen Relay. Man nutzte allerdings von den Orbitern nur die Niedrig- und Mittelgewinnantennen zum Empfang. Schon hier liegt eine mögliche Steigerung der Datenrate.

Doch betrachten wir, wie eine Mission die Bilder von der Venusoberfläche gewinnen sollte, im Prinzip funktionieren könnte. Man wird eine, bessere mehrere Kameras in die Sonde einbauen. Beim Abstieg sieht man die Oberfläche, wenn man nach unten schaut, nach der Landung sollte man zur Seite schauen können. Die technische Umsetzung kann unterschiedlich sein, ich würde z.B. eher zu mehreren Kameras mit Weitwinkelobjektiven anstatt einer mit einem Fischaugenobjektiv neigen, da die Abbildungen weniger verzerrt sind. Die Venus ist unterhalb der Wolkenschicht mit Smog bedeckt, die Temperatur steigt bis zur Oberfläche an und ab einer bestimmten Höhe verdampfen auch die letzten Smogteilchen. Wann man die Oberfläche sieht, ist bisher noch nicht geklärt auch nicht ob die dichte Atmosphäre dann die Bilder verschmiert (durch Winde, Turbulenzen etc). Daher wird eine Sonde regelmäßig Aufnahmen machen und eine Elektronik wird die Bilder untersuchen z.B. nach hohen Kontrasten, die von Oberflächenstrukturen herrühren suchen. Sicher ist eines: zuerst werden die Aufnahmen nichts zeigen, dann allmählich taucht die Oberfläche aus dem Dunst auf. so war es auch bei Huygens. Ab dann macht das Übertragen von Bildern Sinn. Rechnet man mit einem etwas längeren Überleben an der Oberfläche, so wird man beim Abstieg mehr Bilder anfertigen als man in Echtzeit übertragen kann. Sie werden dann nach der Landung übertragen, wobei man auch die mit den meisten Details zuerst überträgt. Huygens war dazu leider nicht in der Lage so gibt es mehr Bilder nach der Landung als vorher und sie zeigen alle dieselbe Szene. Nach der Landung folgt dann zuerst ein Panorama des Landeortes. Eventuell zuerst eine Kurzform, später eine mit höherer Auflösung und die zwischengespeicherten Bilder.

Was gegeben sein muss, ist das man über die zu erwartende Betriebszeit Funkkontakt zum Orbiter hat. Bei Venera 13+14 flogen die Buse z.B. an der Venus vorbei als die Sonden noch aktiv waren. Daher ist ihre „Lebensdauer“ auch kleiner als bei Venera 11+12. Das sind vom Eintritt in die Atmosphäre gerechnet rund 1 Stunde bis zur Oberfläche, länger als zwei Stunden hat noch keine Sonde auf der Oberfläche gearbeitet, mit 4 Stunden Funkkontakt ist man also auf der sicheren Seite.

Die offensichtlichste Möglichkeit ist die die Sonde durch einen Bus abzusetzen, der die Venus passiert. Das ist eine sehr gute Lösung wenn es nur eine Landesonde gibt. Dann kann der Bus seine Hochgewinnantenne auf die Landestelle ausrichten und eine hohe Datenrate erreichen. Bei mehreren Landesonden wird es problematisch. Zum einen ist das Abtrennen deutlich komplexer, zum anderen muss man die Daten von mehreren Sonden zeitgleich empfangen. Das geht mit dem schmallbandigen Empfänger an Bord der Hochgewinnantennen nicht mehr, doch diese sind auch so nicht mehr nützlich weil die Landegebiete tausende von Kilometern auseinander liegen können. Eine Mittelgewinnantenne mit einem Breitbandempfänger ist dann sinnvoller. Dadurch sinkt aber die Datenrate. Sie wird auch nicht so groß sein, weil die Distanz höher ist. Die Antenne muss die Daten aller Stationen empfangen können, was eine Minimaldistanz von mindestens der größten Entfernung der Landepositionen der Sonden voraussetzt, typisch also 5000 bis 10000 km. Eine nahe Passage in 1000 km Entfernung und damit hoher Datenrate ist so nicht möglich. Doch für eine hohe Datenrate müsste man eh eine dynamische Anpassung dieser an die Entfernung vorsehen. Technisch kein Problem, entweder gesteuert durch einen Timer oder den Empfang eines Referenzsignals des Buses und bestimmen dessen Signalstärke. Der Effekt ist enorm. Nimmt man eine typische Annäherung an die Venus mit 2,7 km/s und eine Minimaldistanz von 2000 km an, so ist die Sonde 4 Stunden vorher noch 73.000 km entfernt. Das ist die 36-fache Entfernung miteinhergehend mit einer Reduktion der Datenrate auf 1/36².

Eine konstante, gleich hohe Datenrate erhält man von einem Orbiter aus. Wenn er nur die Sonden absetzen soll, wird er sich in einer elliptischen Umlaufbahn befinden, auch um den Treibstoffbedarf zu minimieren (er muss ja auch die Sonden mit in einen Venusorbit absetzen). Empfängt er die Daten in dem Apogäum, so bleibt die Distanz über längere Zeit fast unverändert und auch die Position gesehen von der Oberfläche. Bedingt durch die Umlaufbahn wird die Sonde aber nur eine bestimmte Bahn auf der Oberfläche erreichen können, über die der Orbit läuft. Bei geeigneter Bahnneigung und längerem Warten ist aber auch so die ganze Oberfläche erreichbar. Dafür gibt es ein anderes Problem. Wenn die Sonde abgetrennt wird, würde ihr der Orbiter bald auf der Bahn folgen. Sie wird also zuerst nur die Bahn leicht verändern, aber in einer Umlaufbahn bleiben. So ergibt sich über längere Zeit eine größere Distanz bis man die gewünschte Kommunikationsdistanz erreicht hat. Erst dann zündet man ein Raketenantrieb nochmals um in die Atmosphäre einzutreten. Das erste Manöver kann der Orbiter durchführen, das zweite muss in jedem Falle die Landesonde durchführen. Zwischen beiden können Tage liegen. Während dieser Zeit muss aber die Sonde in ihrer Lage stabilisiert sein, sonst zeigt der Antrieb in die falsche Richtung. Das ist also ein ziemlich heikles Manöver und es macht die Eintauchsonde deutlich komplexer als eine einfache unstabilisierte Kapsel die von einem Bus abgesetzt wird.

Der Orbiter mit mehreren Sonden ist daher nicht so attraktiv wie es aussieht, auch weil man viel Treibstoff braucht um jede Sonde erst mal in einen Orbit zu bringen.

Ein Lösung aus dem Dilemma könnten Ballone sein, die nicht nur für Messzwecke abgesetzt werden, sondern auch Daten sammeln. Die Ballone an Bord von Vega 1+2 arbeiteten 50 Stunden lang in 50 km Höhe. Warum die Betriebsdauer beschränkt war, ist nicht genau bekannt. Einige sprechen von erschöpften Batterien, andere von Platzen nach dem Erreichen der Sonnenseite. Ein Ballon könnte über Tage, vielleicht Wochen arbeiten. Damit hätte er die Möglichkeit viel mehr Daten zum Orbiter übertragen als die Landesonde direkt durch die geringe Distanz erhöht er auch die Datenrate von der Sonde, verglichen mit dem Orbiter. Vor allem aber offeriert ein Ballon eine Lösung aus dem Dilemma, dass ein Orbiter ohne komplexe Manöver bald die Landestelle in niedriger Höhe überfliegt. Ein Orbiter könnte so im Aphel die Bahn absenken, die Landesonde absetzen und sofort wieder anheben. Er passt das Perigäum, während die Landesonde in die Atmosphäre eintaucht und landet. Daten empfangen kann dann nicht da er schnell das Landegebiet in nur 200 km Höhe überquert. Doch ein Ballon kann die Daten zwischenspeichern und später übertragen.

Das Problem des Ballons ist, dass die Venusatmosphäre in den Höhen wo die Bedingungen erdähnlich (hinsichtlich Temperatur und Druck sind) rasch rotiert. Die Vega Ballone blieben in 50 km Höhe. Dort herrschen +75°C und 1,066 Bar. Nach den Messungen von Venus Express beträgt die Windgeschwindigkeit bis zu 70° Breite dort 60 m/s. In den 4 Stunden die eine Sonde maximal arbeiten soll bewegt sich der Ballon also um 864 km weiter. Dann befindet er sich nur noch 3,3 Grad über dem Horizont und das Signal wird sicher von Hügeln oder Bergen absorbiert. Selbst bei 2 Stunden ist sie schon auf 6,6 Grad Höhe angekommen. Je tiefer man geht desto geringer werden die Windgeschwindigkeiten. Nach den Pionier Venus Messungen nehmen die Winde unterhalb von 40 km Höhe ab, doch schon in 40 km Höhe herrscht schon eine Temperatur von 143 Grad Celsius, wahrscheinlich zu viel für die Elektronik. So sind derzeit Ballone auch noch keine Lösung.

Doch bei der Landesonde kann man auch etwas optimieren. Anstatt einer Rundstrahlantenne kann man mehrere Mittelgewinnantennen einsetzen, die sich überlappen. Denkbar wären z.B. sieben mit je 60 Grad Öffnungswinkel. Eine oben, sechs in einem Kreis darunter angeordnet. Sie decken damit einen Halbkreis ab. Jeder Sender ist mit einem Empfänger gekoppelt. Der Empfänger der das stärkste Referenzsignal, das vom Bus/Orbiter ausgesandt wird empfängt, wird die Daten senden. Da man so mehr Antennen, Sender und Empfänger braucht ist dieser Technik Grenzen gesetzt. Aber einige sind gewichtsmäßig tolierbar und so kann man die Datenrate um einen Faktor 2-6 erhöhen, je nach Anzahl der Antennen.

Beim Empfänger profitiert man größeren Antennen. Venussonden haben meist kleine Sendeantennen von 1-1,5 m Durchmesser. Sie reichen aus, weil die Venus nie weiter als 250 Millionen km von der Erde entfernt ist. Größer ist besser aber auch schwerer. Große Antennen haben meistens Sonden ins äußere Sonnensystem, daher wäre mein favorisiertes Vorgehen, immer wenn eine Raumsonde ins äußere Sonnensystem aufbricht und das geht heute sowieso durch Erde/Venus-Swingbys und selten direkt, eine Landesonde zur Venus mitzunehmen und dort abzusetzen. Das scheitert leider bei der NASA an der Art wie Sonden vergeben werden. Immer als Komplettpacket an einen primären Auftragnehmer sowohl auf industrieller wie wissenschaftlicher Seite. Bei Experimenten geht die Beteiligung auch bei ausländischen Missionen schon. Zeit wäre es das auch auf die Sonden zu übertragen. Dann stammt eben die Hauptsonde vom einem Programm und die Absetzsonde von einem anderen. Missionen ins äußere Sonnensystem sind nicht so häufig, doch seit Pionier Venus haben Galileo und Cassini die Venus passiert. Juno hätte anstatt einem Erdswingby auch einen Venusswingby machen können und Messenger flog ebenfalls an der Venus vorbei. Das waren vier Startgelegenheiten in den letzten 26 Jahren. Jede hat man aber verstreichen lassen. Schade drum.

4 thoughts on “Bilder von der Venusoberfläche – ein Kommunikationsproblem

  1. Wenn man einen Orbiter so auslegt daß er einige Startfenster lang lebt, kann über ihm die Kommunikation zu mehreren Landemissionen laufen. Beim Mars schon längere Zeit üblich, das sollte auch bei der Venus funktionieren. Wenn man jedes Startfenster nutzt, hat man bald mehrere aktive Orbiter. Das dürfte das Timing bei der Landung wesentlich vereinfachen. Dann könnten die Lander auch von einer einfachen Vorbeiflugsonde abgesetzt werden.

  2. Wenn ich einen Vorbeiflugbus habe, so ist dieser die einfachere Möglichkeit. Ein Orbiter kann nur als Relay genutzt werden wenn er die ganze Zeit Funkkontakt hat. Das schließt z.B. Missionen im niedrigen Orbit wie Magellan oder Veritas aus. Angesichts dessen das es seit 1984 genau zwei Venusmissionen gab ist es auch nicht so weit her mit dem Ausnutzen jedes Startfensters (eines alle eineinhalb Jahre)

  3. Eine kurze Ergänzung.

    Seit 2014 besteht eine Arbeitsgruppe zwischen USA und Russland für die Vorbereitung von Venera-D, eine Beteiligung von NASA ist nicht mehr ausgeschlossen. So die Info vom Oktober. An Bord werden auch zwei Ballon-Sonden gehören. Einer von ihnen wird sich auf der Höhe von 55-60 km von der Oberfläche des Planeten driften, die zweite unter den Wolken auf einer Höhe 45-50 km.

  4. Die große Herausforderung für eine echte Venus-Misssion ist m.E. die Entwicklung von Elektronik, die auch bei 500 °C noch funktioniert. Batterien für diese Temperaturen gibt es wohl (Natrium-Schwefel-Batterien funktionieren beispielsweise überhaupt erst ab 300 °C). Bleibt die Frage nach geeigneten Transistoren. Silizium-Elektronik (Schmelzpunkt 1414 °C) müsste eigentlich geeignet sein, wenn nicht die üblichen Dotiermaterialien (z.B. Bor und Phosphor) schon bei deutlich niedrigeren Temperaturen wie wild durch den Kristall diffundieren würden. Härtere Halbleitermaterialien mit höherem Schmelpunkt und geringerer Diffusivität der Dotiermaterialien könnten die Lösung sein. Ich denke insbesondere an Galliumnitrid, was wir alle von den „weißen“ LEDs her kennen, was aber auch zunehmend für Leistungsverstärker eingesetzt wird, die heute schon auf 250 °C Betriebstemperatur kommen.

    Die zivilen Spin Offs der gezielten Entwicklung von Hochtemperaturelektronik für eine Venus-Mission wären zahlreich: Verlängerte Lebensdauer „irdischer“ Elektronik, Sensoren, die auch im Backofen oder Reaktor eines Chemiewerks funktionieren oder im Pkw näher am Zylinder sitzen können, und dergleichen mehr.

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