Sollte man Bargeld abschaffen?

So ähnlich war der Titel eines Beitrags der „Wissenschaftsdoku“ von 3SAT. Er beginnt damit, dass man in Schweden in den letzten Jahren immer mehr bargeldlosen Zahlungsverkehr eingeführt hat, weil man die Zahl der Banküberfälle reduzieren wollte. Geldautomaten wurden abgeschafft, man kann dort selbst Kleinigkeiten wie eine Zeitung mit Kreditkarte oder Smartphone App zahlen, selbst Bettler haben nun ein Kartenlesegerät (für den Verkauf der Obdachlosenzeitung).

Warum sollte man das Bargeld abschaffen? Nun der Beitrag liefert gleich am Anfang eine Antwort: es ist viel zu viel Bargeld im Umlauf, mehr als normalerweise für das Zahlen im Alltag benötigt wird. Pro EU-Bürger etwa 3.500 Euro, pro US-Amerikaner sogar 5.000 Dollar. So viel Bargeld haben die meisten nicht zuhause oder im Portemonnaie.  Die Antwort nach den Experten in der Sendung ist einfach: Das ganze Geld steckt in illegalen Geschäften. Kriminelle lieben Bargeld, weil Konten überwacht werden können, Bargeld nicht. Es wird das Bild eines mexikanischen Drogenbosses gezeigt, der einen ganzen Raum voller Dollarscheine hat. Neben „richtig“ kriminellen Geschäften wie Drogenhandel, Hellerei, illegalen Waffengeschäften, Menschenhandel etc. ist dann noch der zweite Aspekt der Schwarzarbeit. Auch diese arbeitet natürlich vor allem mit Bargeld, weil sonst bei einer Steuerprüfung der Handwerker erklären müsste, warum diese oder jene Zahlungen nicht in der Steuererklärung auftauchen. Das sollen in Deutschland alleine 370 Milliarden Euro sein, was dann schon, wenn das auch dem Umlauf an Bargeld entspricht, einem Großteil der Fehlmenge entspricht. Die Umrechnung ist allerdings nicht einfach: Denn die Umlaufmenge ist ja nicht der Umsatz an Schwarzarbeit. Dazu müsste der Verdienst nicht ausgegeben werden. Prinzipiell kann der Umsatz an Schwarzarbeit um ein Vielfaches höher sein als die Bargeldmenge im Umlauf, wenn das eingenommene Geld nur gleich wieder ausgegeben wird, was ja meist der Fall ist. Es wird dann eben für Einkäufe oder Anschaffungen nichts vom Konto abgehoben.

Meiner Ansicht nach gibt es noch eine andere Erklärung, die von den Finanzexperten im weißen Anzug die von sich ausgehen nicht in den Sinn kommt: Es gibt viele alte Leute, die horten Bargeld. Immer wieder hört man, dass unter der Matratze riesige Summen gefunden werden, bei Betrügern sind Rentner aufgrund der hohen Summen im Haushalt sehr beliebt, mein Vater hatte immer mindestens 1.000 Mark in der Schreibtischschatulle. Ist auch eine Einstellungssache. Wenn mein Bruder für sich und mich Heizöl bestellt, wir machen das immer zusammen, weil mein Verbrauch relativ gering ist, mein Bruder aber Verwalter eines 6-Parteien-Hauses ist. Da bekam ich immer einen Umschlag mit mehreren Tausend Euro Bargeld, wenn er zu dem Termin nicht da war und ich ihn übernehmen musste.

Meine Position zum Abschaffen von Bargeld ist klar. Ich will es beibehalten. Wenn ich etwas bestelle, zahle ich gerne per Lastschrift, da sind auch Bestellen, Liefern und Zahlen entkoppelt. Doch beim täglichen Einkauf sehe ich nur Nachteile. Es dauert länger die Karte rauszukramen, Pin einzugeben und dann gibt es noch eine Pause, bis die Transaktion abgewickelt ist. Mit einer Smartphone-App geht es auch nicht schneller. Die Gefahr, dass wenn man in Eile ist, die Karte vergisst ist auch gegeben. Vielleicht nicht beim Discounter mit der großen Schlange, da fällt das spätestens beim nächsten Kunden auf, doch beim kleinen Laden, wo man der Einzige im Laden ist und vielleicht abgelenkt, weil man gleich den Artikel in der neu gekauften Zeitschrift lesen will? Wer nur eine Karte hat, wäre dann auch ziemlich aufgeschmissen, bis er die Karte als verloren gemeldet hat und eine neue  bekommen hat. Das dauert dann Tage und solange kann man ohne bargeld nichts kaufen.

Für mich der Grund, warum ich nicht so gerne mit Karte bezahle, ist aber die Übersicht. Sonst würden in meinem Kontoauszug enorm viele Abrechnungen von Käufen auftauchen, die man kontrollieren muss und die von den anderen Abbuchungen ablenken. Zuletzt kann ich bei Bargeld immer kontrollieren, wie viel ich ausgegeben habe. Ich hebe zu Monatsanfang einen Betrag ab, und wenn der vor Monatsende aufgebraucht ist, gehe ich in Gedanken noch mal, durch was ich diesen Monat Teures gekauft habe.

Erschreckt hat mich aber, was Banker der Notenbanken machen wollen, wenn man mal das Bargeld abschafft: Sie wollen einen negativen Zins einführen. Die EZB hat einen von 2-3 Prozent, die US-Notenbank sogar einen von 4-5% errechnet der der ideal wäre, die Wirtschaft zu stimulieren. Derzeit geht das nicht, weil jeder sein Geld vom Konto als Bargeld abheben könnte. Die Idee dahinter: Wenn es negativen Zins gibt, man also für einen Kontostand Zinsen zahlen muss, geben die Leute ihr Geld aus, die Wirtschaft wird angekurbelt. Die Idee steckt ja schon hinter der Nullzinspolitik, die wir heute haben.

Das ist so ein typischer Fall, wo ich mich frage, ob fehlendes logisches Denken eine er Grundvoraussetzungen für das Studium von Wirtschaftswissenschaftlern und Bankern ist. Das sehe ich auch an anderen Gebieten wie der Chartgläubigkeit, als gäbe es Naturgesetze hinter diesen Zahlen und Grafiken. Wenn die Leute ihr über Jahre gespartes Geld jetzt ausgeben und nichts mehr sparen (und das auch in Zukunft tun) dann mag die Wirtschaft eine Zeit lang florieren, bis die Ersparnisse aufgebraucht sind, dann gerät sie wieder auf das Normalniveau, wo man nur so viel ausgeben kann, wie man einnimmt. Doch die Folgen kommen dann, wenn die Leute arbeitslos werden, oder in Rente gehen. Dann sind keine Rücklagen mehr da. Das Rentenniveau sinkt immer weiter und immer mehr Personen werden als Rentner verarmen oder auf staatliche Zuschüsse angewiesen sein. Wenn nun diejenigen, die noch Rücklagen haben, diese verpulvern, so wird das verheerend. Das ist typisch Banker: Hauptsache die Wirtschaft läuft kurzfristig, die langfristigen Folgen kann dann der Staat berappen. Doch dann sollte man weiter denken: Der Staat muss die Renten finanzieren, dann wird er bei immer mehr Zuzahlungen die Steuern erhöhen und das bremst ja (angeblich) auch die Wirtschaft.

Zugegeben: Nicht alles wird in den Konsum fließen. Man wird nach anderen Anlagemöglichkeiten suchen. So wie derzeit im Aktienmarkt und Immobilienmarkt. Zumindest Letzteres wird dazu führen dass Wohnen immer unbezahlbarer wird, weil dann die Immobilienpreise steigen. Auch das ist sicher nicht gewünscht und treibt noch mehr Menschen in die Armut. Auch Gold, Diamanten, Kunstwerke oder ähnliche Wertanlagen werden noch teurer als heute werden.

Ich dachte kurzfristig, ob das wenigstens die Folge hätte, dass die Superreichen weniger werden, aber die sind ja nicht so reich, weil sie viel Geld auf der Bank haben, sondern das meiste ist angelegt in Unternehmensbeteiligungen oder Immobilien. Vielmehr wird die Mittelschicht die sich ja von den Armen auch durch Ersparnisse unterscheidet noch kleiner werden und es wird vielleicht nur noch Reiche und Arme geben.

Schlimm ist aber das diese Idee nicht von der deutschen Bank kommt, sondern von den Notenbanken. Die sollten als staatliche Organe doch das Wohl des Staates oder der Allgemeinheit als Richtlinie haben und nicht ein kurzfristiges Wirtschaftswachstum. Man kann nur hoffen, dass es nie dazu kommt. Ich habe daran aber nach den Erfahrungen mit der Politik meine Zweifel.

5 thoughts on “Sollte man Bargeld abschaffen?

  1. Kein Bargeld zur Verbrechensbekämpfung?

    Hat man uns beim fälschungssicheren, biometrischen
    Ausweis auch versprochen… Verbrechen geschehen immer noch.

    Besserer Datenschutz? Nicht bei Google und Co,
    und Verbrecher können wegen dem Datenschutz nicht
    gefasst werden.

    Kein Bargeld? Die Verbrecher freuen sich sicher…

    Und der Rest? Du hast einen Aspekt vergessen:
    Der Staat will die totale Überwachung, nicht der
    Verbrecher, sondern der normalen Bürger!
    Und zwar schon jetzt in einem Maße, die sich Gestapo und Stasi in ihren kühnsten Träumen sich nicht vorstellen konnten!

  2. Hallo,
    irgendwie errinnert mich diese Null-, bzw. Negativzinspolitik an solche freiwirtschaftlichen Geschichten.
    Dort ist dann allerdings meistens ein sogenanntes umlaufgesichertes Bargeld, auch Schwundgeld genannt, propagiert, also ein Art Bargeld das mit der Zeit an Wert verliert.
    Insgesamt gibt es da schon interessante Ideen, ich bin mir nur nicht so sicher wie das in der Praxis funktioniert.

  3. Einweiteres Pro für Bargeld. Bargeld kann man nicht so leicht um den Erdball hetzen wie elektronisches Geld. Mit Bargeld werden viele unseriöse Zockereien erschwert. Es geht halt niemand im Minutentakt an den BAnkschalter, um spekulative Geschäfte zu tätigen. Durch Bargeld ist eher ein Bezug zur Realität gewahrt als bei dem elektronischen Spielgeld. Nur wenn die Banken gezwungen sind einengewissen Bargeldvorrat vorzuhalten, für die Abhebungen der Kunden, ist ihre Spekulationswut ertwas gebremst, und die Banken unter Kontrolle.

  4. Negativzinsen wären für den Durchschnittsbürger, der nur wenig Geld auf dem Konto hat, sogar gut. Sie würden wahrscheinlich auch Kredite weiter verbilligen. Globale Negativzinsen für Einlagen bei den Zentralbanken würden doch vor allem die Multimillionäre und Milliardäre richtig treffen. Letztendlich ist ein Negativzins nichts anderes als eine Vermögenssteuer.

  5. Negativzinsen tun nicht weh für Personen, die
    – wenig Geld auf dem Konto haben
    – einen sicheren Dauerarbeitsplatz haben (eigentlich nur Beamte)
    – genau so viel verdienen wie sie brauchen (oder ihre Arbeitszeit beliebig nach ihrem finanziellen Bedarf verändern können).

    Ein zusätzliches Problem hat jeder, der die Geldaufbewahrungsfunktion braucht weil er
    – ein erheblich variables Einkommen hat z.B. Wettbewerbsarchitekten, bestimmte Freiberufler.
    – damit rechnen muß das er mal Arbeitslos ist.
    – eine Weiterbildung selbst finanzieren muß.
    – sein Gehalt nicht nach seinem finanziellen Bedarf anpassen kann (Arbeitsmenge).
    – eine Familie gründen will.
    – ein Haus/eine Wohnung kaufen/bauen will.
    – einen Betrieb gründen will.
    – nicht bei der Riesterrente mitspielen will.
    – großräumig umziehen will.

    Aus meiner Sicht verringern Negativzinsen die Möglichkeit privat finanzielle Risiken einzugehen noch weiter.

    Das Problem ist die Kombination von 40%-60% Abgaben vom Lohn (plus Arbeitgeberanteil) und Negativzinsen.

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