Wofür kann man den Raspberry Pi einsetzen?

Seit zwei Jahren nutze ich nun den Einplatinenrechner Raspberry Pi. Mittlerweile gibt es die dritte Version des kleinen Zwergs, und betrachtet man nur einige technische Parameter so ist in den drei Jahren zwischen erstem und drittem Modell (Raspberry Pi 3) einiges  passiert:

  • Verdoppelter Speicher 1 GByte anstatt 512 MByte
  • viermal so viele Kerne (4 Anstatt 1)
  • 70% höherer Takt (1200 anstatt 700 MHz)
  • Verdoppelte USB-Buchsen (4 anstatt 2)
  • Integriertes WLAN (vorher nur Ethernetzbuchse)
  • Zwei Prozessorgenerationen weiter (ARMv8 anstatt ARMv6)
  • und das alles bei einem gleichgebliebenen Preis von 40 Euro.

Ich habe mir den kleinen Rechner ursprünglich gekauft damit ich im Urlaub auch mal surfen kann oder an verregneten Tagen einen Aufsatz schreiben kann. Das heißt er sollte einen Desktop ersetzen, wenn auch nicht vollständig, sondern nur zweitweise. Inzwischen habe ich den dritten Raspberry, das neueste Modell 3. Zeit das ich mal schreibe was man damit machen kann.

Der ursprüngliche Raspberry PI ist meiner Ansicht nach für den Desktop Ersatz zu lahm. Alles dauert gefühlte Ewigkeiten, egal ob man einen Text schreibt oder eine Webseite aufruft. Schon der ruhende Desktop erzeugt eine periodisch zwischen 10 und 20% pendelnde Prozessorlast, dabei ist die Oberfläche minimalistisch und erinnert an Windows 3.1 oder frühe Linuxe wie ich sie von Mitte der Neunziger noch kenne, vor KDE und Gnome. Beim Raspi 3 liegt die Prozessorlast bei ruhendem Desktop dagegen bei 1-2%. Beide brauchen rund 220 MB Speicher wenn man den Grafik Speicher für die GPU hinzurechnet für das Betriebssystem. Offiziell hat der Raspi 1 die Rechengeschwindigkeit eines Pentium 3, doch selbst ein AMD-486-100 fühlte sich unter Windows 98 schneller als der Raspi 1 an.

Den Desktop kann man auswechseln. Es gibt zahlreiche Alternativen auch wenn man beim offiziellen  Raspberry Betriebssystem bleibt (es gibt noch Alternativen beim Betriebssystem, dazu unten mehr). Ich habe den minimalen Desktop beibehalten, weil wenn ich ihn nicht gerade in den Urlaub mitnehme ich mit den Raspis nur über Remote Desktop oder Weboberfläche in Berührung komme und da da der ganze Bildschirminhalt übers netz geht ist weniger besser. Ansonsten finde ich den Xfe eine gute alternative – er ist auch leichtgewichtig und sieht deutlich besser aus.

Der Raspberry Pi in der originalen Version dient seit letztem Juli als Wetterstation: Er zeichnet periodisch die Daten von vier Sensoren auf, erstellt daraus Grafen und eine Webseite. Wer sich über die komischen Grafiken heute wundert: ich experimentiere gerade mit Softwareänderungen und da ist heute Nacht ein Überlauf passiert. Ansonsten (wenn die Software keine Fehler hat) tut der Rechner seinen Dienst ohne betreut zu werden. Zwischen Ende September und Ende Februar lief er permanent durch, dann habe ich wieder mal die Software aktualisiert.

Ich denke man kann ihn auch für Aufgaben einsetzen die nicht gerade einen Desktop erfordern. (man kann alle Raspis auch nur eine Linux Shell booten lassen). Im Netz findet man Vorschläge für einen Print- oder Mailserver. der Printserver ist vielleicht ganz nützlich alte USB-Drucker ins Netzwerk zu stellen, wenn man mehrere Rechner hat. Der Mailserver für jemand der sowieso keine permanente IP hat wohl eher weniger.

Mit dem Sprung auf die Version 2 hat die Hardware den größten Fortschritt gemacht – vier Kerne, höherer Takt. In Benchmarks ist der Rasp 2 rund sechsmal schneller als sein Vorgänger. Dazu noch ein doppelt so großer Speicher. Damit taugt er wirklich als Desktop Ersatz. Ich habe ihn daneben als Medienplayer genutzt. Mit OpenElec gibt es dafür eine Distribution. Damit kann man Musik und Videos von USB-Sticks wiedergeben oder mit Plugins die Mediatheken besuchen und von dort Sendungen angehen. Was mit dem Raspi 3 noch nicht ging, waren HD-Videos also die Auflösung 1920 x 1080 mit Openelec abzuspielen. Mal sehen ob es der Nachfolger kann. Die Zusammenarbeit mit dem Chipsatz ist dafür essentiell, denn installiert man nicht Openelec mit der entsprechenden Unterstützung sondern einen Medienplayer im normale´n Raspbian, so ruckeln schon SD-Videos.

Da ich seit März einen HBBTV-fähigen Fernseher habe, man also die Mediatheken direkt ansehen kann und der auch eine größere Unterstützung für Videoformate hat kann ich seitdem auf den Raspi als Medienplayer verzichten. Der Raspi 2 dient nun als NAS-Server. Auch dafür gibt es eine Distribution Openmediavault. Man administriert nach dem ersten Booten nur noch über die Web Oberfläche, was meiner Erfahrung nach ab und an nicht so funktioniert. Alternativ kann man auch in Rasbian einen Samba Dienst einrichten. Das verlief etwas zäher. Man muss schon wissen wie es generell läuft. Mir half meine Erfahrung aus der Administration von Laborrechnern an der Hochschule Esslingen, so wusste ich zumindest wie der SMB Dienst unter Windows geht. Wer es selbst machen will: In Openmediavault die externe Platte mit ext4 formatieren und einbinden, SMB-Dienst aktvieren und Benutzer mit Verzeichnis anlegen. Derselbe Benutzer muss dann mit demselben Verzeichnis (nach der IP-Adresse) in Windows verbunden werden.

Man sieht aber hier schon die Grenzen des Pi. Rechnet man zum Preis des Rechners noch ein Gehäuse und ein Netzteil hinzu so ist man bei rund 65 Euro. Er kann nur externe Festplatten ansteuern (bei mir hängt eine ausgediente USB 2.0 1-TB-Platte dran) sodass wenn jemand das neu aufbaut er auch noch ein Festplattengehäuse kaufen muss und nochmals 20 Euro los ist. Für die 85 Euro gibt es aber schon 2-Bay Fertig-NAS Gehäuse, zwar nicht mit besserer Hardware, aber auf diesen Zweck zugeschnitten und daher erreichen diese meist höhere Datenraten beim Transfer. Zuerst machte ich den Fehler den Raspi am alten Platz im ersten Stock zu lassen, da Kammer über meine Powerline Vernetzung  im Haus nur auf rund 1 MByte/s über die Leitung. Später habe ich ihn direkt an den Router angeschlossen. Nun erreicht er da die Distanz zum Arbeitsplatz Rechner kleiner ist und die Daten nicht zweimal über den Router/Powerline müssen rund 7 MByte/s. Viel mehr wird’s nicht werden, denn der Raspi hat nur 100 MBit Ethernet. Ohne Kollusionen gibt es da schon im Idealfall maximal 12 MByte/s.

Wer ein NAS nicht dauern braucht und nur einige alte USB-Platten verwenden will wie ich, für den reicht es. Der Einsatz zeigt aber auch die Grenzen des Raspberry auf. In der neuesten ct kam auch ein Artikel über den Raspi. Die Architektur ist eng vernetzt mit einem Broadcom Chipsatz und der wird nicht weiter entwickelt. Die ARM-Prozessoren sind an den Chipsatz nur angekoppeltes Beiwerk und können leicht ersetzt werden. Gerade der Chipsatz begrenzt nun aber die Performance in einigen Aspekten deutlich. Das so nie mehr als 1 GB Speicher möglich sind ist nicht so schlimm. Meiner Erfahrung nach reicht er selbst beim Office Einsatz gut aus. Ärgerlicher ist, das keiner der Medienplayer in Rasbian die Grafikfähigkeiten voll ausnutzt und Videos so ruckeln. Der Hauptflaschenhals ist das 4 USB Ports und der Ethernetzport sich einen Datenpfad teilen. Das bedeutet es wird weder Gigabit Ethernet geben noch schnelle USB-Transfers. Nicht mal USB 2.0 Tempo wird voll ausgereizt.

Der neue Raspi 3 ist noch nicht getestet, er soll neben dem Urlaubsrechner auch in meiner Entwicklungskette zum Einsatz kommen: Meine Wetterstation entwickelte ich unter Windows mit Lazarus, läuft sie (mit Ausnahme der Sensorabfrage die nur direkt über den Pi geht) so kompiliere ich sie unter dem Raspi 3 ins ARM-Format und die fertige Binary überspiele ich dann auf den Raspi 1, so vermeide ich das dort zeitraubende Editieren und Kompilieren auf dem langsamen Rechner.

Software gibt es für den Raspi genug, beim Raspi 1 musste man noch die Synaptik Paketverwaltung zusätzlich installieren, inzwischen ist sie mit im Betriebssystem integriert. Ich bevorzuge, da ich noch unter dos aufgewachsen bin, aber das terminal bzw. erledige das über SSH vom PC aus. Installiere ich Lazarus über die Paketverwaltung so sehe ich zig verschiedene Pakete, die man nicht alle braucht. Aktiviert man das wichtigste so werden einige zusätzlich mitinstalliert, aber nicht alle, beim ersten Start meldet die IDE dass die quellen von Lazarus und FPC fehlen. Da fand ich die alte Methode mit zwei leicht merkbaren Teilen einfacher:

sudo apt-get install fpc

sudo apt-get nstall lazarus

und das funktioniert dann auch. Spätestens wenn man Gnome installieren will und nicht weiß welche der vielen Pakete man braucht ist ein

sudo apt-get install gnome

der bessere Weg. Beim Kde geht das leider nicht. Wer das macht sollte das übrigens besser von einer SSH-Shell aus machen als aus dem Terminal aus der grafischen Oberfläche. Bei mir gab es da zumindest viele Fehler. Als sehr hilfreich haben sich Putty für die secure shell und winscp für das Transferieren von Dateien erwiesen. Den remote Desktop hat ja Windows an Bord.

Was mich auch nervt ist das die Raspberry PI Foundation eine Zeitlang eine Distribution Updates (aber keine Upgrades) versorgt und dann eine neue einführt. An der alten wird dann nichts mehr getan bzw. schon vorher waren die Updates eher mau. Lazarus kam z.B. beim ersten Raspian in der Version 0,934 heraus. Das war schon zwei Jahre vorher veraltet. Nun ist die aktuelle 1.24, beim Lazarus Projekt dagegen 1.6. Wie ich feststellte sollten die Versionen in der Entwicklungskette aber identisch sein, sonst gibt es das eine oder andere Problem beim Übersetzen der Quelltexte. Es gibt aber kein update für das alte Raspbian „Wheezy“ auf das neue „Jessie“. Gut man kann ein neues Diskimage runterladen und auf die SD-Karte bzw. Mikro-SD Karte spielen, doch dann ist auch alles weg was vorher drauf war, selbst wenn man die SD-Karte in Betriebssystem und Datenpartition unterteilte, die Imagesoftware erstellt nun mal Images und dann ist auch die Partionstabelle weg. Openelec zeigt auch das es anders geht und im laufenden Betrieb aktualisiert wird., Während des Einsatzes prang hier die Version von 5 auf 6. (übrigens ohne das man was einspielen musste, das ging automatisch).

Zwischendurch habe ich daher sogar mal den Compiler aus den neuesten Quellen selbst erstellt, das ging nach einer Webanleitung ganz gut beim Raspi 2, doch nicht beim Raspi 1, der zu wenig Speicher hatte, daher lies ich es dann später.

Das Raspi OS ist sicher ein Vorteil des Rechners, denn es gibt einen breiten Fundus an Software. Leider eben mit dem Manko der obigen Updatepolitik. Testweise habe ich auch ubuntu ausprobiert, da sieht dann die Oberfläche wirklich schön aus, aber auf dem Rasi 2 ist es mir zu langsam. Ich weiß nicht ob der 50% schnellere Raspi 3 da was bringt, aber ich denke das System ist an sich zu umfangreich.

Das man die Betriebssysteme nur auf SD- bzw. den neuen Raspis auch Mikro-SD Karten hat finde ich zweischneidig. Zum einen kann man so wechseln und experimentieren. Ich brauche nur auf eine SD-Karte ein Image schreiben und die in den Raspi zu schieben. So habe ich auch Windows 10 IOT ausprobiert – ein Witz auf dem Raspi zeigt es nur eine statische Seite, jegliche Kommunikation erfolgt mit der Powershell von Windows. Aber wenn er mal dauerhaft mit einem Betriebssystem laufen soll wäre es nett wenn man das Booten auf ein USB Device umstellen könnte, und es auch USB 3 Buchen gäbe. Selbst schnelle SD-Karten erreichen bei meinen Messungen nur 12-16 mb/s beim lesen. Das übertreffen selbst billige USB-Sticks bei weiterem.

Es gibt eine Reihe von Alternativen zum Raspberry. Sie haben weniger Nachteile, wie schnellere Ports oder integriertes Flash fürs Booten ohne Karte. Seit dem Raspi 2 mit schnellerem Vierkernprozessor entfällt aber der Hauptvorteil der Alternativen – der schnellere Prozessor. Zudem sind alle teurer oder haben eine viel kleinere Community.

Mein Fazit: für mich hat es sich gelohnt den Rechner auszuprobieren. Der Nutzen ist abzuwägen. Wer ein Smartphone hat bracht sicher keinen Pi in den Urlaub mitzunehmen. Wenn man den Pi nicht an den Fernseher anschließt oder über Remote Desktop wartet dann kommen noch Kosten für Monitor, Tastatur und Maus hinzu und dann ist der Spareffekt zu einem Billig-PC nicht mehr so groß. Für jemanden der eine Plattform für Experimente sucht ist er aber sicher ideal. Wenn nur die langsamen Ports und die Updatepolitik für ganze Images nicht wäre.

Was mir auch gefiel war, dass sich Linux inzwischen zu einer wirklichen Alternative zu Windows gewandelt hat. Das Rasbian basiert auf einem Debian System. Es ist eigentlich relativ linear zu bedienen, wenn mal etwas nicht funktioniert findet man im Netz auch Tipps und kann auch welche anderer Distributionen übernehmen (z.B. wie man den Lazarus Compiler unter Ubuntu neu aus den Quellen kompiliert). Mein Bruder, der es fertigbringt sich immer wieder Viren auf den Rechner zu fangen wird wohl beim nächsten Rechner ein Linux installiert bekommen – eben wegen der Problematik, was er sonst so installiert hat gibt es auch für Ubuntu. Für mich geht das wegen einer Spiele, vor allem aber der Programmierung nicht. Ich arbeite mit Delphi und das kann zwar inzwischen auch für iOS und Android Programme erstellen, aber läuft nur unter Windows. Lazarus ist nicht dasselbe, weder von der Leistung noch dem Komfort. Vor allem aber setze ich einige Erweiterungen ein die unter Lazarus nicht laufen und verdiene damit meine Brötchen.

Microsoft scheint das auch so zu sehen, denn nun gibt es in der neuesten Windows 10 Version ein Linux-Untersystem – zumindest für die Shell also Textoberfläche.

3 thoughts on “Wofür kann man den Raspberry Pi einsetzen?

  1. Ich habe bei uns im Strassenbahnmuseum von Oslo die neuen Ausstellungen mit RPi ausgestattet:
    Hinter dem Monitor hängt ein Pi mit einem USB Stick. Vor der Öffnungszeit wird der Strom eingeschaltet. Die Pi bootet und start ein Script. Dieses schaut was für Daten auf dem USB Stick sind, und spielt diese ab.
    Nach der Schliessung wird der Storm abgestellt.

    Will man den Inhalt ändern, setzt man einfach einen neuen Stick rein. Theoretisch wäre es möglich, Köpfe zu montieren, damit der Besucher einen Film auswählen kann.

    Der Vorteil der Lösung ist, dass keine Mechanik hat. In Der Halle, wo das Zeug steht, kann die Temperatur im verlaufe des Jahres zwischen -20° bis 30°C variieren.

  2. Der große Vorteil des Raspberry Pi gegenüber vielen anderen kleinen Arm Rechnern ist, daß es funktionierende Linux Treiber für das Abspielen von Videos gibt, die auch veröffentlicht werden dürfen. Das geht sonst nur mit Android oder einem proprietärem System. (Auch die neueren Low Power Intel und AMD CPUs können ohne spezielle Treiber keine HD Videos abspielen; ein Core 2 Duo macht das ohne Probleme in Software, dafür hört man dann den Lüfter.)
    Bei mir tat der Pi 2 ein Jahr lang ganz gut, bis sich das System hart aufgehängt hat (Diesmal schreibe eine Doku ich wie für meine anderen Rechner). Leider gibt es mein Lieblings Plugin für den Firefox nicht mehr 🙁

  3. Hallo Herr Leitenberger,

    mich hat die Raspberry Pi zu meinem „Raspberry-Pi-Gameboy“-Projekt inspiriert, welches ich im Jahr 2014 umgesetzt habe, siehe auch:

    http://blog.braier.net/2014/08/projekt-raspberry-pi-gameboy/

    Das Gerät funktioniert einwandfrei und ich habe immer noch sehr viel Freude daran 🙂

    Ansonsten nutze den Raspberry Pi (aktuell Modell B und Pi 2 Modell B) als Mediacenter unter OSMC (https://osmc.tv). Unter Kodi kann ich den minimalistischen und leichtgewichtigen Skin „Eminence“ (http://forum.kodi.tv/showthread.php?tid=187071 und https://linuxundich.de/gnu-linux/leichte-skins-fur-kodo-xbmc-raspberry-pi/) empfehlen, welchen ich persönlich bevorzuge.

    Viele Grüße

    Arndt Braier

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