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Der Space Tug

Space Tug am MondIn diesem Aufsatz geht es um ein Projekt für eine Shuttle Oberstufe das nie umgesetzt wurde. Den / das Space Tug, also den "Weltraumschlepper". Da das Space Shuttlenur eine erdnahe Umlaufbahn erreicht, benötigt man für höhere Umlaufbahnen eine Möglichkeit zum Transfer. Der Space Tug wurde als universeller Schlepper entworfen, der in der Anfangsphase des Projekts sogar zwischen Mondoberfläche und Mondorbit pendeln sollte. Später, als das Mondprogramm auslief beschrankte man sich auf unbemannte Missionen im Erdorbit.

Das einfachste Gefährt ist sicher eine umgebaute Oberstufe. Das grundlegende Problem ist, dass diese nur einmal eingesetzt werden sollte, Das passte aber nicht zu dem Konzept des wiederverwendbaren Shuttles. Zudem verteuert es den Start, denn die Oberstufe ist ja nicht wiederverwendbar. Als das Shuttle konzipiert wurde, kostete eine Centaur Oberstufe schon so viel wie der geplante Startpreis. Damit verdoppelt sich also der Preis für eine Nutzlast. Daher plante die NASA einen Space Tug. Eine Stufe die zwischen einem niedrigen Erdorbit und einem höheren pendeln sollte. Das Konzept wurde, weil es bald eingestellt wurde nie konkretisiert. Denkbar wären drei Szenarien:

Insbesondere bei den beiden Szenarien, in denen man einen Satelliten birgt, sind mit der Technologie der siebziger Jahre herausfordernd. Wir haben ja keine Raumstation mit einem Docking Adapter, wo dies mit den Progress möglich ist. Da gibt es nicht nur eine Möglichkeit zum Ankoppeln, sondern auch Reflektoren für Laserentfernungsmesser. Ohne einen "kooperativen" Satelliten ist das auch heute noch riskant, erst recht damals, ohne GPS, der damaligen Computerhardware nur mit Kameras. Dazu benötigte man nicht nur einen Adapter, sondern Vorrichtungen um einen Satelliten festzuhalten, egal wie er gebaut ist.

Doch betrachten wir das ganze mal unter technischen Aspekten. Der Space Tug sollte die RL-10 Triebwerke der Centaur einsetzen. Nun wurde die Centaur als Shuttle Variante gebaut. Ihre technischen Daten:

Parameter Größe
Trockengewicht: 2499,3 kg
Brennschlussgewicht: 2872,6 kg
Startgewicht: 26.385 kg
Adapter in er Shuttle Nutzlastbucht 1057,3 kg
Nutzlast 2.041 kg
Länge: 8,87 m
Maximaler Durchmesser: 4,48 m
Schub: 146,4 kN
spezifischer Impuls 4380 m/s

Nutzlast war hier Galileo. Die Centaur G Prime hätte aber auch schwere Nutzlasten transportieren können, dafür hätte man Treibstoff weggelassen. Genannt wurden folgende Nutzlasten:

Orbit Nutzlast
In GTO 14.000 kg
In GEO 6.350 kg

Wie sieht es nun aus, wenn aus der Centaur für die obigen Missionen einsetzt? Nun anhand der obigen Daten und einer maximalen Shuttlestartmasse von 24.320 kg (sie war nicht so hoch wie bei den Planungen) und einem ΔV von 4200 m/s kommt man auf folgende Nutzlasten:

Mission Nutzlast
LEO + Satellit → GEO &rarr LEO 1.828 kg
LEO → GEO + Satellit → LEO 1.130 kg
LEO + Satellit &rarr GEO + Satellit &rarr LEO 700 kg

Satellites for SakeWas deutlich wird, ist dass die Nutzlast sehr stark abfällt. Das ist klar, denn die Geschwindigkeit ist nun doppelt so hoch (einmal LEO &rarr GEO und zurück hat einen höheren Geschwindigkeitsbedarf als von der Erde in den Orbit). Das war schon eine Schwachstelle des Space Tugs. Verglichen mit der "Wegwerfversion" ist selbst im optimistischsten Fall die Nutzlast viermal kleiner. Das bedeutet, man müsste die Stufe mindestens viermal verwenden.

Selbst unter der Annahme eines günstigen Startpreises den man damals annahm wäre dies ein großes Manko, zudem wäre eine wiederverwendbare Stufe alleine durch die Kosten für Inspektion und Reparatur teurer gewesen. Bei der unten angeführten Agena Konfiguration wurde dies untersucht. Eine einmalig verwendbare Version hätte Entwicklungskosten von 84,1 Millionen Dollar erfordert. Dazu kämen 5,1 Millionen pro Stufe. Die wiederverwendbare Version sollte zehnmal pro Stufe fliegen und bei 93 Flügen Gesamtkosten von 232,9 Millionen Dollar aufgewiesen. Rechnet man zu der nicht wiederverwendbaren Version noch 93 Exemplare, so ist diese Lösung 550,4 Millionen Dollar teuer. Das ist zwar zweieinhalbmal teurer als die wiederverwendbare Lösung, doch nicht zehnmal billiger wie dies angesichts der Wiederverwendung zu erwarten wäre. Zudem sinkt ja die Nutzlast ab. Beim direkten Transport in den GEO ist die wiederverwendbare Lösung wegen der Nutzlasteinbuße sogar unterlegen. Beim Transport in den  GTO bei Berücksichtigung der kleineren Nutzlast etwa zweimal billiger.

Ob es Sinn macht einen Satelliten zu reparieren? Wohl nur wenn er bald nach dem Start ausfällt, denn schon damals verdoppelte sich bei den Kommunikationssatelliten mit jeder Generation die Leistung sei es in Kanalzahl oder Senkung der Kosten. Als das Shuttle operationell wurde, gab es ja zwei Fälle von gestrandeten Satelliten im Orbit, als deren PAM-D nach kurzer Zeit ihren Betrieb einstellten. Sie wurden später eingefangen und geborgen. Die NASA feierte dies als einen Beweis was das Shuttle konnte, z. B mit Fotos wie diesem links. Die Wahrheit: niemand wollte die Satelliten gaben. Die Eigentümer strichen die Versicherungsprämie ein. Weststar 6 wurde dann an Hongkong verkauft und 1990 als Asisat 1 gestartet. Palapa B2 wurde 1990 gestartet als Palapa B2R. Beide Firmen hatten schon vorher die Reserveexemplare ihrer Satelliten gestartet. Die "wiederaufgearbeiteten" Satelliten waren erst später startbereit.

Dazu kommen die oben angesprochenen Probleme mit der Bergung. Auch die Agena wurde für diese Rolle untersucht. Hier versuchte man die Trockenmasse durch abwerfbare Zusatztanks zu reduzieren. Weiterhin untersuchte man auch die Möglichkeit eine Nutzlast nur in den GTO zu bringen, was erheblich vorteilhafter gewesen wäre:

Mission Nicht wiederverwendbar Wiederverwendbar
LEO &rarr GEO 6.069 kg 1.767 kg
LEO &rarr GTO 5.947 kg 4.958 kg

Bei der GTO-Masse handelt es sich um Nettomasse also ohne Apogäumsantrieb.

Die Agena wäre wohl, wenn man einen Space Tug gebraucht hätte der beste Kandidat. Allerdings nicht für GEO-Transporte, sondern um zwischen einem LEO und einem etwas höheren Orbit zu pendeln, wie ihn z.B. Erderkundungssatelliten oder die Spionagesatelliten inne nehmen. insbesondere letztere arbeiteten, als man mit dem Shuttle begann noch mit Film. Je nach Typ waren sie nach einigen Wochen bis Monaten wertlos, wenn der Film verbraucht war. Die Agena Oberstufe hatte lagerfähige Treibstoffe. Man hatte so also genügend Zeit eine Ankopplung durchzuführen, während die kryogene Stufe eine aufwendige Isolation braucht und trotzdem ist das Manöver zeitkritisch. Weiterhin gab es ja schon eine Agena mit Kopplungsadapter - eingesetzt im Gemini Programm und diese Version war auch fähig über Wochen hinweg zu arbeiten.

Denkbar wäre folgendes Szenario. Ein Shuttle startet mit einem Hexagon (KH-9) Satelliten und einer Agena in einen 200 km hohen Orbit. Der Satellit wird ausgesetzt und von der Agena in seiner zielumlaufbahn abgesetzt (elliptisch mit einem erdnächsten Punkt von 300 km und einem erdfernsten von 1000 km). Dann koppelt sie ab, fliegt zum nächsten Hexagon, koppelt dort an und bringt ihn in eine niedrige Erdumlaufbahn, die dann kurz vor Ankunft des Shuttles nochmals abgesenkt wird. Für ein solches Manöver braucht man wenig Treibstoff und es gibt einen offensichtlichen Nutzen bei diesen militärisch genutzten Satelliten. Einen solchen "Pendelbus", wurde dann auch weiterverfolgt, so war geplant den TRS, den man für die Rettung von Skylab plante dafür einzusetzen. Der niedrige Geschwindigkeitsbedarf erlaubt es sogar nur Hydrazin einzusetzen. So kann es keine Explosion bei Lecks in der Nutzlastbucht geben. Die Agena setzt dagegen die selbstentzündliche Mischung UDMH / Salpetersäure ein.

Umgesetzt wurde auch dieses Konzept nicht. Der Grund war diesmal nicht die Verzögerung des Space Shuttles oder seine Kosten, sondern eine Erfindung: die des CCD. 1976 flog der erste Satellit der KH-11 Serie. Er gewann die Bilder nicht mit Film, sondern mit CCD-Sensoren. Mochten sie damals noch Film weit unterlegen sein, so konnte man mit ihnen Aufnahmen machen solange wie der Satellit funktionierte und nicht nur wie lange er Film hatte.

Einige Jahrzehnte später gäbe es eine neue Aufgabe für den Space Tug. Irgendwann ist auch die ISS am Ende ihrer Lebensdauer und wegen ihrer Masse von 450 t deorbitiert man die mal nicht so eben. Für den Space tug mit 140 kN Schub wäre das kein Problem gewesen. Aber das was man heute hat (Progress und ATV) schon. Die sind zu schubschwach um die Bahn in kurzer Zeit so zu verändern, das das Perigäum über dem Eintrittspunkt liegt. Bei ihnen würde die ISs sich langsam abspiralen und wie Skylab unberechenbar verglühen.

 Quellen / Links

Centaur Upper Stage

Reuse Agena Final Report

Harray O. Ruppe: die grenzenlose Dimension 1+2

T.A. Heppenheimer, Development of the Space Shuttle

P. (Virginia Parker). Taming liquid hydrogen : the Centaur upper stage rocket, 1958-2002

 Artikel erstellt am 11.7.2013


Bücher vom Autor

Es gibt von mir vier Bücher zum Thema bemannte Raumfahrt. Alle Bücher beschäftigen vor allem mit der Technik, die Missionen kommen nicht zu kurz, stehen aber nicht wie bei anderen Büchern über bemannte Raumfahrt im Vordergrund.

Das erste bemannte Raumfahrtprogramm der USA, das Mercuryprogramm begann schon vor Gründung der NASA und jährt sich 2018 zum 60-sten Mal. Das war für mich der Anlass, ein umfangreiches (368 Seiten) langes Buch zu schreiben, das alle Aspekte dieses Programms abdeckt. Der Bogen ist daher breit gestreut. Es beginnt mit der Geschichte der bemannten Raumfahrt in den USA nach dem Zweiten Weltkrieg. Es kommt dann eine ausführliche technische Beschreibung des Raumschiffs (vor 1962: Kapsel). Dem schließt sich ein analoges Kapitel über die Technik der eingesetzten Träger Redstone, Little Joe und Atlas an. Ein Blick auf Wostok und ein Vergleich Mercury bildet das dritte Kapitel. Der menschliche Faktor - die Astronautenauswahl, das Training aber auch das Schicksal nach den Mercurymissionen bildet das fünfte Kapitel. Das sechs befasst sich mit der Infrastruktur wie Mercurykontrollzentrum, Tracking-Netzwerk und Trainern. Das umfangreichste Kapitel, das fast ein Drittel des Buchs ausmacht sind natürlich die Missionsbeschreibungen. Abgeschlossen wird das Buch durch eine Nachbetrachtung und einen Vergleich mit dem laufenden CCDev Programm. Dazu kommt wie in jedem meiner Bücher ein Abkürzungsverzeichnis, Literaturverzeichnis und empfehlenswerte Literatur. Mit 368 Seiten, rund 50 Tabellen und 120 Abbildungen ist es das bisher umfangreichste Buch von mir über bemannte Raumfahrt.

Mein erstes Buch, Das Gemini Programm: Technik und Geschichte gibt es mittlerweile in der dritten, erweiterten Auflage. "erweitert" bezieht sich auf die erste Auflage die nur 68 Seiten stark war. Trotzdem ist mit 144 Seiten die dritte Auflage immer noch kompakt. Sie enthält trotzdem das wichtigste über das Programm, eine Kurzbeschreibung aller Missionen und einen Ausblick auf die Pläne mit Gemini Raumschiffen den Mond zu umrunden und für eine militärische Nutzung im Rahmen des "Blue Gemini" und MOL Programms. Es ist für alle zu empfehlen die sich kurz und kompakt über dieses heute weitgehend verdrängte Programm informieren wollen.

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© des Textes: Bernd Leitenberger. Jede Veröffentlichung dieses Textes im Ganzen oder in Auszügen darf nur mit Zustimmung des Urhebers erfolgen.
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