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Triergole Treibstoffe

Heute mal wieder ein Grundlagenartikel. Es geht um eine Treibstoffkombination, die bisher nur theoretisch untersucht ist. Treibstoffe kann man vielfältig unterteilen, eine Unterteilung ist nach der Anzahl der Komponenten. Man spricht von:

Monergole Treibstoffe bestehen nicht aus Oxydator und Verbrennungsträger, vielmehr ist die einzige Komponente ein Molekül, das leicht zerfallen kann. Praktisch eingesetzte monergole Treibstoffe sind Wasserstoffperoxid und Hydrazin. Die spezifischen Impulse sind eher klein und liegen zwischen 1600 und 2200 m/s.

Die meisten flüssigen Treibstoffkombinationen sind heute diergol wie LOX/Kerosin, LOX/LH2 oder NTO/Hydrazine. Eine Komponente ist der Oxidator die andere der Verbrennungsträger. Die spezifischen Impulse liegen zwischen 2800 und 4600 m/s.

Bei triergolen Treibstoffen hat man dann drei Komponenten. Alle postulierten Mischungen bestehen aus zwei Verbrennungsträgern und einem Oxidator. Rein theoretisch könnte es aber auch umgekehrt sein. Dabei müssen die Komponenten getrennt sein Gemische wie FLOX, Salpetersäure+NTO, Aerozin-50 oder UH25 sind keine triergole Treibstoffe. Sonst müsste man Kerosin als ein Kohlenwasserstoffgemisch als "polyergol" ansehen.

Alle Bezeichnungen beziehen sich nur auf flüssige Treibstoffe. Feste Treibstoffe fallen in eine andere Kategorie, da hier Oxidator und Verbrennungsträger nicht getrennt sind, sie sind also heterogene Treibstoffe, obwohl sie genaugenommen triergole Treibstoffe sind (heute üblich ist der Einsatz von Aluminium als Verbrennungsträger mit einem Kunststoff als Binder und Verbrennungsträger und Ammoniumperchlorat als Verbrennungsträger und Oxidator).

Rein theoretisch sollten triergole Treibstoffe Vorteile bilden. Sie liegen weniger an der Chemie, als vielmehr der Physik der Aufstiegskurve. Die Gravitationsverluste sinken ab, wenn eine Rakete schneller beschleunigt. Mittelenergetische Kombinationen wie LOX/Kerosin sind daher in der Praxis nicht so viel schlechter als LOX/LH2 wie man vom spezifischen Impuls her annehmen könnte, weil die Brennzeiten bei gleicher Treibstoffmenge und Schub kürzer sind, dies senkt die Gravitationsverluste ab. Zudem benötigt der voluminöse Wasserstoff sehr große Tanks, was dann die Leermasse erhöht. Auch das senkt die Nutzlast ab.

Denkbar wären zwei Vorgehensweisen. Zum einen könnte man die beiden Treibstoffe simultan verbrennen. Das ist jedoch sehr aufwendig. Denn praktisch sinnvoll ist nur die Kombination von LH2 mit einem mittelenergetischen Treibstoff, meist schlägt man Kerosin vor. Aufgrund der Temperatur würde dann aber bei einem gemeinsamen Treibstoffförderungssystem dann der Wasserstoff die zweite Komponente zu Eis gefrieren lassen und selbst verdampfen. Das geht also so nicht. Getrennte Tanks müssen es wegen der unterschiedlichen Temperaturen sowieso sein. (Wäre das nicht der Fall, so kann man auch mischen, das tat die USAF mit Hydrazin und UDMH und erzeugte so Aerozin-50. Das hatte seinen Grund, aber nicht in der Performance, sondern weil der Treibstoff sowohl bei hohen Temperaturen wie niedrigen Temperaturen flüssig bleiben musste). Da die einzige sinnvolle Kombination die von Wasserstoff mit einem mittelenergetischen Treibstoff ist, ist für den Wasserstoff wegen des viel größeren Volumens sowieso eine eigene Turbopumpe nötig. Daher wird man zwei getrennte Systeme für die Förderung des Treibstoffs haben, egal ob man sie in der Brennkammer mischt oder nicht. Der wesentliche Unterschied dürfte dann im Design des Injektors liegen.

Die am meisten genannte Umsetzung ist aber eine andere: man verbrennt die beide Treibstoffe nacheinander. So nutzt man die kleineren Gravitationsverluste, die es beim Verbrennen von mittelenergetischen Treibstoffen gibt und man nutzt den höheren spezifischen Impuls von Wasserstoff auf, der zudem da dieser erst im Vakuum verbrannt wird noch etwas besser ist, als wenn er gleich beim Start auf Meereshöhe verbrennt.

Die Chemie

Schauen wir uns aber trotzdem mal die Chemie beider Treibstoffe an. Und zwar die reale Chemie, denn beide Stoffe werden nicht stöchiometrisch verbrannt, sondern mit einem Unterschuss an Verbrennungsträger. Das hat einige Gründe. Zum einen benötigt man den Verbrennungsträger zur Kühlung der Brennkammer. Zum anderen senkt ein Überschuss die Verbrennungstemperaturen ab. Weiterhin ist so kein Sauerstoffüberschuss zu befürchten, der auch die Brennkammerwand angreifen kann und nicht zuletzt ist so die mittlere Molmasse der Abgase, ein wesentlicher Parameter für den spezifischen Impuls, kleiner.

Verbrennt man Wasserstoff und Sauerstoff, so ist die Sache einfach. Beides sind Elemente und es gibt nur eine stabile Verbindung nämlich das Wasser. Der nicht umgesetzte Wasserstoff bleibt erhalten, der Sauerstoff wird fast quantitativ umgesetzt. Der hohe spezifische Impuls der Kombination LOX/LH2 beruht nicht nur auf der höheren Energie bei der Verbrennung, sondern auch der geringeren mittleren Molmasse der Abgase und Wasserstoff ist mit Atommasse 2 u nochmals um einiges leichter als Wasser mit 18 u.

Wesentlich komplexer ist die Verbrennung von Kohlenwasserstoffen, Kerosin ist ein Gemisch verschiedenster Kohlenwasserstoffe. Selbst wenn man annimmt, das durch die hohen Temperaturen das Kohlenstoffgerüst vollständig zerstört ist bleiben doch noch einige Verbindungen übrig und nicht nur eine. Wasserstoff hat eine höhere Elektronegativität als Kohlenstoff, das heißt, der Wasserstoff dürfte bis auf kleine Reste im Wasser landen. Beim Kohlenstoff dürften die beiden vorherrschenden Verbindungen Kohlendioxid und Kohlenmonoxid sein. Weitere organische Verbindungen wie Ameisensäure oder Formaldehyd werden nur in geringen Mengen vorkommen. Dazu kommen Wasser und kleine Mengen an Wasserstoff und Sauerstoff.

Wenn nun Wasserstoff zugesetzt wird, dann erwarte ich eine Abnahme des Kohlendioxid- und Kohlenmonoxidgehalts. Doch wie sich dies auf den spezifischen Impuls auswirkt, möchte ich nicht prognostizieren. Dazu müsste man die genauen Reaktionsenthalpien kennen und zudem wird zwar der Anteil der schweren Moleküle Kohlenmonoxid (Atommasse 28 u) und Kohlenmonoxid (Atommasse 44 u) reduziert und es entsteht Wasser (Atommasse 18 u), aber man verliert auch das leichte Molekül Wasserstoff das beim LOX/LH2 im Überschuss vorhanden ist (Atommasse 2 u).

Ich habe es daher simuliert, und zwar mit CEA2. Die wesentlichen Parameter:

Spezifischer Impuls

LOX/Kerosin

LOX/LH2

Mischung

Vakuum

3.224 m/s

4.216 m/s

3.894 m/s

Meereshöhe

3.028 m/s

3.978 m/s

3.675 m/s

Die Mischung liegt näher am Wasserstoff als am Kerosin (600 m/s mehr als Kerosin, 400 m/s weniger als Wasserstoff). Schaut man sich die Aufteilung der Abgase an, so wird klar warum: Der Anteil von Kohlenmonoxid und Kohlendioxid (zusammen bei LOX/RP1 48 %) sinkt auf 11 %, der Anteil freien Wasserstoff von 9 auf 30 %.

Simulation

Mit diesen Daten habe ich dann eine synthetische Rakete modelliert, die sich an die Atlas anlehnt. Folgende Daten habe ich verwendet:

Parameter

Wert

Masse erste Stufe:

120 t

Leermasse erste Stufe:

8 t LOX/RP1, 12 t LOX/Lh2, 10 t LOX/LH2/RP1

Masse zweite Stufe:

15 t

Leermasse zweite Stufe:

2 t

Schub erste Stufe:

2.000 kN / 2200 kN (Meereshöhe / Vakuum)

Schub zweite Stufe:

120 kN

Spezifischer Impuls erste Stufe Vakuum:

3.050 m/s / 4.000 m/s / 3.700 m/s

Spezifischer Impuls zweite Stufe Vakuum:

4.350 m/s

Mischungsverhältnis LOX/Verbrennungsträger:

2,5 (RP1), 5 (Lh2), 3,57 (Mischung)

Die spezifischen Impulse entsprechen den obigen, abzüglich 5 %, da ich von Nebenstromtriebwerken ausgehe und die etwa 5 % des Treibstoffs für die Förderung verbrauchen. Sie entsprechen auch gängigen Triebwerken mit dieser Technologie wie dem Merlin oder RS-68.

AufstiegsdiagrammIch errechne folgende Eckwerte:

Typ

Nutzlast

Aufstiegsverluste

LOX/RP1 Diergol

4.000 kg

1.636 m/s

LOX/LH2 Diergol

6.400 kg

1.463 m/s

Triergol, Betrieb nacheinander

5.800 kg

1.508 m/s

Triergol, Mischung

6.100 kg

1.382 m/s

Der Effekt von geringeren Aufstiegsverlusten bei höherer Nutzlast zeigt sich zumindest in diesem Beispiel nicht. Erstaunlicherweise ist die LOX/LH2 Option bei diesem Beispiel die beste. Die triergole Mischung ist aber dann, was die Aufstiegsverluste angeht, noch besser und auch die Nutzlast kommt nahe an die von LOX/LH2 heran. Doch dafür hat man einen Tank mehr, der dazu noch isoliert werden muss, (kann beim LOX-Tank aufgrund der Dichte und des größeren Bereichs in dem der Sauerstoff flüssig bleibt entfallen) ein weiteres Leitungssystem und eine zusätzliche Turbopumpe. In der Summe sehe ich also eher einen deutlichen Mehraufwand gegenüber LOX/LH2, aber die Nutzlast ist kleiner.

Das mag bei anderen Verhältnissen des Anteils von Kerosin und LH2 (z.B. 70:30) anders sein, wobei man dann auch noch die Mischungsverhältnisse der Treibstoffe variieren kann, also den Überschuss an Kerosin und Wasserstoff senken oder erhöhen kann.

Im Diagramm der Aufstiegskurve ist der Effekt der längeren Brennzeit deutlich zu sehen. Die Rakete steigt langsamer auf und erreicht eine kleinere Gipfelhöhe. Das senkt die Aufstiegsverluste.

Der Nutzen

Bei diesem Beispiel zeigt sich der Nutzen nicht auf den ersten Blick. Triergole Treibstoffe machen bei klassischen Raketen wenig Sinn. Postuliert wurden sie vor allem für einstufige wiederverwendbare Raketen. Dann sinkt das Volumen, das ja auch dem Wiedereintritt widerstehen muss stark ab. Das ganze Vehikel wird kleiner und ein kleineres Vehikel hat eine geringere Leermasse. Das ist im Beispiel schon zu sehen, denn nimmt man die Gesamtmasse, die in den Orbit gelangt, dann sind das:

Kombination

Masse im Orbit

LOX/Kerosin

12 t

LOX/Lh2

18,4 t

Triergol (Mischung)

16,3 t

Bei nur 300 kg unterschied ist die Masse im Orbit um 2,3 t kleiner. Das wirkt sich aus, wenn man höhere Geschwindigkeiten wie für sonnensynchrone Umlaufbahnen oder höhere Umlaufbahnen (das Beispiel wurde, für einen 200-km-Kreisorbit mit Azimut 90 Grad vom WTR aus gerechnet). Wie beim Space Shuttle nimmt dann die Nutzlast stark ab und dann machen sich die 2 t mehr Leermasse schon bemerkbar.

Dasselbe gilt für eine Bergung. Nimmt man an, das die Leermasse um 50 % höher ist wenn geborgen werden soll (Treibstoff für das Verlassen des Orbits, Hitzeschutzschild, höhere Wandstärke für höhere Belastungen), dann sinkt die Nutzlast ab, und zwar auf:

Kombination

Nutzlast bei 50 % höhere Leermasse der zweiten Stufe

LOX/Kerosin

0

LOX/Lh2

0,4 t

Triergol (Mischung)

1,3 t

Und schon ist die triergole Lösung die beste. Allerdings gibt es auch hier eine alternative Lösung nämlich zwei Stufen, jeweils wiederverwendbar, wie einmal für das Space Shuttle geplant. Die erste Stufe mit LOX/Kerosin (verkleinert deutlich deren Größe, die Trenngeschwindigkeit ist kleiner, was den thermischen Stress bei der Landung reduziert und es leichter ermöglicht den Startplatz in einem Gleitflug zu erreichen) und die zweite Stufe, um die Nutzlast zu maximieren, mit Wasserstoff als Treibstoff.

Alternative Methan

Der höhere spezifische Impuls der triergolen Mischung kommt durch den Wasserstoff zustande. Ein Effekt ist, das Wasserstoff ein sehr leichtes Molekül ist und so auch das Verbrennungsprodukt Wasser. Daneben wird bei der Verbrennung von Wasserstoff mehr Energie frei, rechnet man den Sauerstoff hinzu so sind es rund 14,9 MJ/kg, bei Kerosin ist es knapp zwei Drittel, 9,7 MJ/kg (jeweils bezogen auf die Mischung und stöchiometrische Verbrennung, der Verbrennungswert von Kerosin und Wasserstoff alleine ist höher, doch bei einer Rakete muss anders als bei Verbrennungen auf der Erde der Sauerstoff mitgeführt werden).

Es bietet sich so an auf einen Kohlenwasserstoff mit einem höheren Wasserstoffanteil auszuweichen und der beste Kohlenwasserstoff ist der einfachste: Methan. Methan ist in Form von Erdgas leicht verfügbar. Für die Nutzung als Raketentreibstoff muss nur das Erdgas verflüssigt werden. Methan hat einen Wasserstoffanteil von 25 % (Summenformel CH4). Kerosin ist ein Gemisch, sodass man keine einheitliche Summenformel angeben kann, aufgrund der bekannten Kohlendioxidemission von 2,78 kg pro kg Kerosin kann man aber einen Kohlenstoffanteil von 15 % (entsprechend CH2,15 errechnen.

Wenn man also Methan verbrennt, das fast doppelt so viel Wasserstoff wie Kerosin enthält, dann entspricht der Wasserstoffanteil einer Mischung von 12,5 % Wasserstoff und 87,5 % Kerosin. Das ist zwar deutlich weniger als bei einem triergolen Antrieb, wo man sicherlich mindestens 25 % des Treibstoffs in Form von Wasserstoff mitführen würde. Aber dafür hat man nur einen Tank für den Treibstoff, benötigt ebenfalls nur eine Turbopumpe und einen herkömmlichen Injektor. Als weiterer Vorteil liegt der Siedepunkt von Methan mit -162 °C näher bei dem des Sauerstoffs mit -183 Grad Celsius als der von Wasserstoff (-253 °C) und Kerosin (wird bei Umgebungstemperatur eingefüllt). Die Dichte von Methan liegt mit 0,45 g/cm³ ebenfalls näher bei der von Kerosin von etwa 0,8 g/cm³ (breiter Bereich je nach Zusammensetzung) als bei Wasserstoff (0,0682 g/cm³).

Daher gehen neuere Entwicklungen in die Nutzung von Methan, so bei den US-Triebwerken BE-4 und Rapor. In Europa soll der Technologiedemonstrator Prometheus Methan verbrennen.

Spezifischer Impuls

LOX/Kerosin

LOX/LH2

Mischung

LOX/Methan

Vakuum

3.224 m/s

4.216 m/s

3.894 m/s

3.321 m/s

Meereshöhe

3.028 m/s

3.978 m/s

3.675 m/s

3.105 m/s

Der spezifische Impuls bei gleichen Bedingungen (80 Bar, Expansionsverhältnis 16) und einem Mischungsverhältnis von 3,5 ist etwas höher. Wie beim Wasserstoff verliert man vor allem niedrigen Expansionsverhältnissen gegenüber Kerosin an Ausströmgeschwindigkeit, weshalb auch der spezifische Impuls des Wasserstoffantriebs relativ niedrig ist. Für Oberstufen mit längeren Expansionsdüsen ist der Unterschied deutlich höher. Dann kann Methan einen spezifischen Vakuumimpuls von 3.700 m/s erreichen, etwa 900 m/s schlechter als Wasserstoff und etwa 400 m/s besser als Kerosin. Methan ist daher etwas schlechter als eine triergole Mischung. Allerdings war die Nutzung von Wasserstoff auch mit einer Erhöhung der Leermasse um 25 % bei triergolen Treibstoffen und 50 % bei Wasserstoff verbunden. Bei Methan dürfte dies auf weniger als 1 t sinken. Für obige Rakete errechne ich allerdings so nur einen Nutzlastgewinn von 600 kg, also 4,6 anstatt 4 t.



© des Textes: Bernd Leitenberger. Jede Veröffentlichung dieses Textes im Ganzen oder in Auszügen darf nur mit Zustimmung des Urhebers erfolgen.
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