Sprachschlamperei und Gentechnik

Nach diesem umfangreichen Artikel über das Gemini Programm mal nach ein paar Tagen Pause zu einem anderen Thema : Sprachschlamperei. Ich bin wie Sie vielleicht beim Durchblättern der anderen Rubriken gesehen habe Lebensmittelchemiker. Auch wenn ich heute nicht mehr in diesem Beruf arbeite hat er mich geprägt. Eines was ich nicht leiden kann ist wenn man aus der Wissenschaft die ich mal studiert habe ein Unwort macht. Da ist die rede von „euer Chemie in Lebensmitteln“ oder „das Waschmittel enthält zuviel Chemie“. oder „Ich esse nur biologisch-dynamisch, nichts mit Chemie“.

An solchen Ausdrücken ist einiges falsch. Chemie ist die Wissenschaft von der Zusammensetzung, Beschaffenheit und Reaktionen von Stoffen. Auch wenn die Physik für sich reklamiert die Natur bis ins innere (sprich subatomaren Bereich) zu erklären, für den normalen Menschen ist die Chemie im Alltag wichtiger als die Atomphysik.

In keinem der Sätze ergibt sich ein Sinn wenn ich diese Definition einsetze. Vor allem mag ich es nicht wenn man „Chemie“ gleichsetzt mit „synthetisch erzeugten Verbindungen“, weil mein Interesse an der Chemie immer galt die Natur zu verstehen und nicht wie ich einen bestimmten Stoff möglichst preiswert herstelle wie es in der chemischen Industrie wichtig ist. Chemie ist mehr – Chemie ist es die Natur zu verstehen (Biochemie, theoretische Chemie), neue Werkstoffe zu entwickeln (Polymerchemie, anorganische Chemie), Verbraucher vor ungenießbaren oder minderwertigen Lebensmitteln zu schützen (Lebensmittelchemie). Es ist wie wenn in einer Familie ein schwarzes Schaf ist und alle werden dafür verspottet.

Vor allem aber ist es sprachlich falsch. Das ist nicht das einzige Beispiel. Es ist inzwischen Mode geworden neue Begriffe zu kreiieren indem man einen Begriff den man schlecht machen will mit einem negativ besetzten Begriff koppelt. Nehmen wir mal die Gentechnik. Vom Gen habe ich schon in der Schule gehört. Ein Gen ist ein Erbgutabschnitt der ein Protein kodiert, sozusagen die kleinste Einheit die etwas produktives darstellt. Ein für mich damals (in den frühen 80 ern) neutraler Fachbegriff. Inzwischen ist daraus durch diese Vorgehensweise ein Schimpfwort geworden.

„Genmanipulierte Lebensmittel“, „Gentomate“. Bei einer Umfrage gaben die meisten Befragten an, sie wollen keine Lebensmittel mit Genen. Hallo ??? Wie geht es im Land der größten Dummköpfe ? Es gibt keine Lebensmittel auf dem Markt ohne Gene, mit Ausnahme von einigen synthetisch zusammen gemischten Mineralstofftabletten oder Coca Cola. Jedes Lebensmittel, ob tierisch oder pflanzlich, ob verarbeitet oder roh enthält Gene, weil jede einzelne Zelle davon Tausende enthält. Die Gene gehen auch nicht weg wenn man Lebensmittel erhitzt, zerkleinert oder extrahiert. Sie werden dabei nur verändert.

Vor allem aber der Begriff „genmanipuliert“ hat es mir angetan. wer lässt sich schon gerne manipulieren ? „Gentechnisch verändert“ ist zwar neutraler und gängig klingt aber auch nicht positiv. Wer will eigentlich das Wort „Technik“ im Zusammenhang mit Lebensmitteln hören und vor allem warum sollten diese verändert werden. Um eines vorwegzunehmen : Auch der Autor steht gentechnisch veränderten Lebensmitteln kritisch gegenüber. Aus zwei Gründen – Zum einen wissen wir dass sie sich auch in normalen Beständen verbreiten, irgendwann also alle Lebensmittel das Gen haben. Ich möchte aber gerne die Wahl haben ob ich ein verändertes Lebensmittel haben möchte oder nicht. Der zweite ist, dass die meisten Entwicklungen aus den USA kommen und dort praktisch es keine staatliche Kontrolle gibt. Es gab schon Fälle wo erst beim Großeinsatz sich zeigte, dass man einige Risiken übersehen hatte. In der Regel wird bei jeder Firma das erste Produkt vom Staat intensiv geprüft und der Rest durchgewinkt. Dann gibt es nur noch die Eigenkontrolle der Firma die mit den kommerziellen Interessen konkurriert.

Natürlich ist der Eingriff im Vergleich zu konventionellen Methoden bei Züchtungen klein. Aber es gibt auch einen Unterschied. Man findet ein Gen nun im Genom, das aus einer völlig anderen Art stammt. Es ist ein Unterschied wenn man aus Stachelbeeren und Johannisbeeren die „Josta“ züchtet. Die Veränderung im Genom (alle Gene zusammen) ist enorm – aus zwei Gensätzen wurde ein neuer gebildet. Aber jedes Gen davon haben wir schon mal gegessen und es steckte vorher in einer Pflanze drin. Wenn man das Gen eines Bakteriums mit dem einer Leuchtqualle (zum leichten herausfinden der veränderten Pflanzen) in Mais überträgt dann ist eines sicher : Noch niemals vorher befanden sich diese beiden Gene in einer Pflanze. Das kann harmlos sein, und ich würde solchen Mais auch essen, wenn ich wüsste dass es harmlos ist, doch in den USA wird genau dies nicht geprüft, wäre dies der Fall, dann gäbe es nicht so viele neue gentechnisch veränderten Sorten auf dem Markt.

Trotzdem muss man korrekt bleiben. Nicht alles was gentechnisch verändert ist, ist per se schlecht und durch abwertende Worte zu verdammen. Wenn sich die die Medien nicht mehr die Zeit nehmen Tatbestände zu erklären, sondern Meinungen machen, dann ist es schlimm geworden.

3 thoughts on “Sprachschlamperei und Gentechnik

  1. Es ist schon schön, wenn hier über Sprachschlamperei geschrieben wird und dann begeht der Autor selbst einen Fehler: Cola wird hier als Lebensmittel bezeichnet. Das ist Cola natürlich nicht.

    Bei dem schlecht recherchierten C64-Rant, den ich eben in diesem Blog gelesen habe, war so etwas aber auch zu erwarten.

  2. > Wenn sich die die Medien nicht mehr die Zeit nehmen Tatbestände
    > zu erklären, sondern Meinungen machen, dann ist es schlimm
    > geworden.

    Das erklären die Nachdenkseiten doch fast jeden Tag, das viele Medien zumindest im gesellschaftlichen und politischen Bereich nicht mehr informieren, sondern Meinung machen. Das Phänomen ist also nicht neu, nur haben es noch nicht alle bemerkt. – Und die Mechanismen zur Meinungsmache, die die Nachdenkseiten ebenfalls erklären, sind auch nicht immer leicht zu durchschauen.

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