Wann kommt der Durchbruch von elektrischen Triebwerken?

Seit ich mich für Raumfahrt interessierte war ich fasziniert von elektrischen Triebwerken. Ionentriebwerke (so der international gebräuchlichere Name) beziehen die Energie für den Antrieb nicht aus der chemischen Energie einer Verbrennung sondern Strom ionisiert ein neutrales Arbeitsmedium und beschleunigt die Ionen auf hohe Geschwindigkeiten. Die Ausströmgeschwindigkeit ist 10 mal höher als bei chemischen Treibstoffen, doch dafür muss man sehr lange Betriebszeiten in Kauf nehmen. Anstatt Minuten arbeiten solche Triebwerke Monate oder gar Jahre. Dafür braucht man einen Bruchteil des Treibstoffs.

Ich habe die Technologie schon an anderer Stelle erläutert, daher an dieser Stelle wenig dazu. Das frappierendste ist dass man enorme Mengen An Triebstoff sparen kann. Eine Titan 4B transportiert 22640 kg in einen erdnahen Orbit und 5760 kg in den geostationären Orbit. Dort „oben“ in 36000 km Höhe kommt also nur ein Viertel der Nutzlast an. Der Rest ist Treibstoff, denn man braucht um etwa 4 km/s Geschwindigkeit abzubauen. Obwohl man bei einem Ionentriebwerk je nach Missionsprofil sogar bis zu 6000 m/s Geschwindigkeit abbauen muss benötigt man bei einer Strahlgeschwindigkeit von 30 km/s nur 19 % der Startmasse an Treibstoff, also kann den Nutzlastanteil von 25 % auf 81 % erhöhen.

Warum macht man es nicht? Nun erstaunlicherweise ist wohl der Druck noch nicht so groß. Auch wenn man s nicht glauben möchte: Der Transport ins All ist billiger geworden. Im Jahre 1980 kostete ein Delta 3914 Start 35 Millionen US-$ bei einer Maximalnutzlast von 930 kg. Heute kostet eine Ariane 5 ECA 170 Millionen US-$ bei einer Nutzlast von 9200 kg. pro Kilo Nutzlast zahlt man heute also die Hälfte, nimmt man noch die Entwertung des Dollars hinzu vielleicht ein Viertel bis ein Sechstel.

Das erlaubt es Satelliten mit enormen Mengen an Treibstoff auszurüsten. Anders sind die immer längeren Betriebszeiten im Orbit nicht machbar. Und die Satelliten werden so immer schwerer. Die Frage ist wie lange noch? Ariane 5 kann man noch mit einer verbesserten Oberstufe auf 11.3 t Nutzlast erweitern, mit einem neuen Vulcain 3 Haupttriebwerk und neuen Boostergehäusen aus Verbundwerkstoffen auf 14 t. Doch was dann? Die Delta IV und Atlas V erreichen solche Nutzlasten schon heute nicht mal mehr mit dem Clustern von Stufen. Es kann ja nicht die Lösung sein immer stärkere Raketen zu bauen, sonst sind wir in 20 Jahren bei einer Saturn V angelangt (In 25 Jahren hat sich die mittlere Startmasse um den Faktor 3 erhöht).

Es ginge einfacher: Heute schon gibt es Ionentriebwerke zur Lageregelung. Weiterhin braucht man auch viel mehr elektrische Leistung heute am Start. Ein Intelsat 9 wiegt beim Start 1978 kg leer, hat aber 2745 kg Treibstoff an Bord. 1830 kg braucht er um den Orbit zu erreichen, den Rest von etwa 900 kg alleine um die Position über die geplante Lebensdauer von 13 Jahren zu halten. Der Solargenerator liefert 12 kW Leistung die vor allem für die Sender benötigt werden.

Nun ja wir können rechnen. Von den 1978 kg Leermasse muss man natürlich noch die Subsysteme abziehen die man für das Triebwerk braucht. Das sind weitere 400 kg. Es bleiben also noch 1600 kg Satellit übrig. Um diese 1600 kg in 36000 km Höhe zu transportieren braucht man eine Rakete die im erdnahen Orbit etwa 10 t abgesetzt hätte, also ein sechsfaches der Startmasse. Würde man nun dieselbe Leistung mit Ionentriebwerken erbringen so betrüge die Startmasse 2088 kg bei 478 kg Treibstoff. Die Transportkosten würden also auf ein Viertel zurückgehen, denn diese Nutzlast könnte man in 600 km Höhe aussetzen, wo die Nutzlast der Trägerrakete höher ist.

Mit zwei Ionentriebwerken des Typs RIT-35L braucht man maximal 382 Tage (Worst Case Szenario, 5900 m/s Geschwindigkeitsdifferenz Abbau für Bahnhöhenänderung und Inklinationsänderung) bei 8.9 kW Leistung die ja zur Verfügung steht. Das ist der Preis. Der Satellit steht solange nicht zur Verfügung. In dieser Zeit könnte man Geld verdienen. Man kann dies jedoch beschleunigen wenn man mehr elektrische Leistung zur Verfügung stellt

Elektrische Leistung Zusatzgewicht Gesamtgewicht Reisedauer
8.9 kW 0 2088 kg 382 Tage
13.4 kW 100 kg 2188 kg 265 Tage
17.8 kW 220 kg 2304 kg 210 Tage
35.6 kW 478 kg 2567 kg 124 Tage

Wie man sieht ist der Zusammenhang nicht linear, weil natürlich das erhöhte Startgewicht auch mehr Treibstoff notwendig macht. Die 4 Fache elektrische Leistung führt aber immerhin zu einer Reduktion auf ein Drittel der Zeit. Dann ist man im Bereich von 4 Monaten – Durchaus auch eine Zeit mit der man bei Startverzögerungen und Feinjustagen des Orbits rechnen muss und die auch bei normalen Starts vergehen – Trotzdem hat man hier nur ein Viertel der Nutzlast benötigt.

Als weitere Vorteile ist es möglich mit dem Strom stärkere Sender länger zu betreiben und auch mehr Treibstoff für eine längere Betriebsdauer ist kein Problem. Warum macht man es nicht? Eine gute Frage. Oft wird der Van Allen Strahlungsgürtel als Hund genannt. Er schädigt Elektronik und Solarzellen und wird über Wochen von dem Satelliten passiert. Aber das kann man abschirmen (Elektronik) und wenn man mehr Leistung hat als man später im Orbit braucht kann man auch einen Verlust von 10 % leicht hinnehmen.

Ich meine einfach es hat noch keiner probiert. Satellitenbusse werden kommerziell gefertigt und wenn man sich da verkalkuliert, dann hat man hohe Entwicklungskosten in den Wind geschrieben. Daher wird evolutionär entwickelt: Ionentriebwerke ersetzten die Feinsteuerung in einer Achse, dann in zwei, dann in drei. Vielleicht kommt in ein paar Jahren jemand auf die Idee, das Apogäum chemisch nur über den äußeren Van Allen Gürtel anzuheben (30000 km) und dann die restlichen 6000 km mit den Ionentriebwerken zurückzulegen um so die Lebensdauer um 1-2 Jahre zu verlängern. Immerhin denkt man über ein Vehikel nach das an alte Satelliten ankoppeln und für diese die Steuerung übernehmen soll um diese noch länger im Betrieb zu halten. Es tut sich also was, aber nur sehr langsam. Wahrscheinlich wird man erst umdenken, wenn es einfach zu unwirtschaftlich ist eine Rakete dauernd in der Leistung zu steigern, denn die Entwicklungskosten steigen proportional mit: Die Entwicklung der Ariane 5 war erheblich teurer als die der Ariane 1 mit einem Viertel der Nutzlast.

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