Bachelors und Masters

Das deutsche Bildungssystem ist vielfältig aber auch kompliziert. Es gibt die beiden Hauptlinien Fachhochschulen und Universitäten und dazu noch zahlreiche andere Wege, einen akademischen Abschluss zu bekommen. Manche sind auf Fächer beschränkt, andere auf bestimmte Personengruppen und wieder andere auf Bundesländern, wie z.B. hier in Baden-Württemberg die Berufsakademien.

Das führt dazu dass es in Deutschland eine Menge von verschiedenen Abschlüssen gibt: Diplom Uni oder FH, Diplom-Ingenieur, Magister, Ingenieur BA usw., und das ganze ist ziemlich komplex und schwer mit der Situation in anderen Ländern zu vergleichen. Unser System hat aber auch Vorteile. Es gibt die Möglichkeit, wenn man kein Abi hat aber einen technischen Beruf ergriffen in einer Fachhochschule ein Studium zu beginnen, es gibt in den Berufsakademien, eine enge Verzahnung mit der Wirtschaft. Für Fachhochschulen und eine Reihe von Universitäten braucht man auch keine Hochschulreife.

Nun gibt es das Bologna Protokoll, in dem man in Europa die Ausbildung vereinheitlichen möchte, nach internationalem Vorbild. Das heißt es soll nur noch 2 Abschlüsse geben, den Master und den Bachelor. Der Master ist der Regelabschluss für eine Universität und der Bachelor der Abschluss für eine Fachhochschule. Der Bachelor orientiert sich auf eine schnelle Ausbildung, Praxis- und wirtschaftsnah und der Masterabschluss konzentriert auf eigenständiges Arbeiten und Forschung. Im wesentlichen könnte also alles beim alten bleiben: FH haben als Regalabschluss Bachelor und Unis einen Master.

Ich habe beide Systeme durchlaufen und kenne sie recht gut (und nicht zuletzt arbeite ich ja an einer Hochschule, die aus zwei Fachhochschulen hervorging). Bei meinem Uni-Studium in Chemie war Selbstständigkeit gefragt: Es gab keinen Stundenplan sondern nur einen Aushang was angeboten wurde. Daraus musste man sich seine Veranstaltungen zusammensuchen. Manche Vorlesungen und Übungen gab es auch nicht jedes Semester. Labore waren ebenso ausgerichtet: Es gab Eingangsprüfungen um die Zahl der Studenten zu begrenzen, Kolloquium, also mündliche Prüfungen, und die Aufgaben mussten gelöst werden – bekam man eine Analyse nicht fertig, bekam man eben eine neue – bis die ermittelten Resultate stimmten. Jedes Fach baute auf dem vorher erlernten Wissen auf und es konnte recht frustrierend sein, vor allem aber konnte man leicht viel länger als die Regelstudienzeit brauchen. Die angegebene Studienzeit, war denn auch ein Idealwert, denn außer einigen Überfliegern die meisten nicht einhalten konnten. Am Schluss hatte man aber nicht nur wissen sich angeeignet sondern auch Methodik, man konnte das erlernte kombinieren und neues integrieren und man konnte selbstständig Probleme lösen und eigenständig arbeiten.

Die Fachhochschule lief wirklich wie in der Schule. Jedes Semester gibt es Vorlesungen und Übungen die man besuchen muss. Die Übungen werden zu zweit abgehalten, was es leicht macht sich durchzumogeln wenn der andere etwas tut. Es sind Kursübungen die nach nn Terminen eben fertig sind und die Prüfungen sind jede Semester vorgeschrieben. Man kann die Prüfungen durchaus bestehen, wenn man nichts verstanden hat aber einige Tage vorher den Stoff durchgepaukt hat. Zwar baut vieles auf einigen anderen Dingen auf, aber nicht so richtig, denn schließlich will man in 6 akademischen Semestern eine breite Palette an Wissen vermitteln. So viel in die Tiefe kann man da dann nicht gehen. Entsprechend kenne ich auch Studenten die sich hier durchgemogelt haben, und zwar einen Abschluss haben, aber keine Qualifikation. Der große Vorteil ist die Verzahnung mit der Wirtschaft, was sich im alten Studiengang in zwei Praxissemstern niederschlug, in denen man in der Praxis auch das gelernte anwenden konnte, oder vieles erst verstanden hat was vorher nur Theorie war. Wenn man diese nutzte dann waren sie der wertvollste Teil des Studiums. (Man muss es nicht: Wie schon gesagt, man kann sich auch durchmogeln. Extremstes Beispiel war eine chinesische Studentin, die mich bei der Diplomarbeit allen ernstes fragte ob ich ihr nicht erklären könnte was sie tun müsste. bislang wäre das immer so gewesen und nun müsste sie zum ersten mal auch ewtas alleine machen….. Bei der Uni wurde dagegen gnadenlos ausgesiebt und dabei blieben auch viele gute Leute auf der Strecke – das ist vielleicht das andere Extrem).

Beide Abschlüsse haben ihre Berechtigungen: Der FH Abschluss als einer der Leute ausbildet, die eine praxisnahe Basisausbildung in dem Fach haben, und die vor in Gebieten gebraucht werden, wo man Techniken praktisch anwenden muss und Techniken sich laufend ändern, eben im Bereich Technologie. Dort wird evolutionär fortentwickelt, aber nicht geforscht. Der Uni Abschluss hat ein anderes Ziel: Die Leute mit einer umfangreichen Basis auszustatten, aber nicht gerade tief auf die praktische Anwendung einzugehen, aber die Befähigung zu vermitteln, sich neues, aufgrund dieser Basis anzueignen, neues zu erforschen. Was ich in Chemie gelernt habe, weiß ich mehr als ein Jahrzehnt nach dem Studiumsende immer noch. Vieles aus den ersten Semestern in Informationstechnik habe ich schon wieder vergessen, obwohl das noch nicht so lange her ist. Daher halte ich den Uni Abschluss in Naturwissenschaften für den einzig möglichen. Chemie oder Physik in 6 Semestern zu lernen? Nahezu unmöglich, wenn man gut ausgebildete Leute haben will.

So gesehen hätte Bologna eine Gelegenheit sein können, Unstimmigkeiten in unserem Bildungssystem zu beseitigen. Zum Beispiel die vielen Abschlüsse auf zwei zu reduzieren und es auch Bachelors einer Fachhochschule zu ermöglichen, mit wenigen zusätzlichen Semestern an einer Uni einen Master zu machen.

Doch wie üblich bei uns, nutzt man keine Chancen sondern vermurkst alles. Universitäten die bisher nur einen Master anboten, fangen nun an einen Bachelor anzubieten, weil jede Hochschule beides anbieten muss. Das läuft dann so ab: Man nimmt aus einem Master Kurs einfach einige Teile raus, oder noch extremer, bei Studiengängen die sehr lange dauern (wie z.B. in den Naturwissenschaften) man einfach das Vordiplom als Bachelor definiert. So soll es natürlich nicht sein. Der Bachelor sollte ein abgeschlossenes Studium sein. Bei dem man nach diesem entweder arbeiten kann oder weiterstudiere, oder den Master in einem anderen Bereich machen kann. Bachelor und Master sollen getrennte Studiengänge sein.

So wie es viele Unis machen, bekommt man Bachelors ohne fundierte Ausbildung. Noch schlimmer: Da nun Bachelors an den Unis und den FH gleichberechtigt sind, aber man an einer FH nicht zum Master weiter studieren kann, fangen viele FH an die Studenten durch kürzere Studienzeiten anzulocken. Das führt zu Bachelor Studiengängen mit 6 Semestern Dauer. 6 Semester! Das ist genauso lange, wie eine Handwerkerausbildung, bei einem akademischen Beruf. Das führt entweder zu Studiengängen mit enormen fachlichen Mängeln oder zu vollgestopften Stundenplänen. Das führt zu „Bulimie Lernen“. Also den Stoff auf die nächste Prüfung lernen, und dann schnell wieder vergessen weil die nächste Prüfung ansteht. Der Begriff ist mir neu, aber das Phänomen kenne ich von einigen unseren Studenten. Die sich mit dem Lernen kurz vor der Prüfung, schon jetzt durch das Studium mogeln.

Dabei muss es nicht so sein: Bei uns wurde das Studium um 1 Semester verkürzt. Wir hatten bislang 2 Praktikumssemester bei 8 Semestern Gesamtdauer und nun ist es nur ein Praxissemester, das frühere zweite. Der Verlust des ersten ist nicht so schlimm, weil es nach dem zweiten Semester war, und man noch nicht so viel Ahnung zu diesem Zeitpunkte hatte um produktiv etwas in der Industrie zu tun. So hatten unsere Studenten auch Probleme einen Platz zu finden als die Konjunktur nicht so gut wie jetzt war. Ansonsten bleiben die Inhalte erhalten. Masterstudiengänge müssen wir jetzt auch anbieten. Doch davon gibt es eben nicht so viele wie Bachelors, sondern nur 3 an der ganzen Hochschule und sie sind Aufbaustudiengänge, die man auch studieren kann wenn man von einer anderen Hochschule kommt.

Das wäre doch auch ein Konzept für viele Unis: Bietet ein paar (und nicht jeden Masterstudiengang) Fächer als Bachelor an, und gestaltet eure Studieninhalte so, dass jemand quer einsteigen kann nach einem Niveau das dem Bachelor entspricht. Es zwingt niemand die Unis, die Leute nach dem Vordiplom eine Bachelorurkunde in die Hand zu drücken, obwohl sie keine abgeschlossene Ausbildung haben. im Gegenteil: Auf einer guten fundierten Ausbildung zu bestehen, und die Leute nicht mit halbgarem Wissen in die Welt hinaus zu schicken, zeigt wie gut eine Hochschule ist, und wie ernst sie ihre Aufgabe und Verantwortung bei der Ausbildung nimmt.

2 thoughts on “Bachelors und Masters

  1. Ich bin bei uns an der FH in dem Jahrgang, der als letzter noch einen Magister-Abschluss macht. Die Jahrgänge nach uns machen bereits alle den Bachelor, sollen aber fast den selben Stoff durchnehmen wie wir bei nur 6 statt 8 Semestern. Was ich allerdings mitgekriegt habe ist dass in diesen Jahrgängen sich die Leute viel stärker unterstützen und mehr dazu bereit sind, ihre Freizeit zu opfern um sich gemeinsam das erforderliche Wissen beizubringen. Entsprechend sind sie nach der kürzeren Zeit trotzdem technisch mindestens so versiert wie unser Jahrgang. Sogesehen scheint das System hier relativ gut zu funktionieren erstaunlicherweise.

  2. Moin,

    Ich hab schon vor einigen Jahren das amerikanische System an einer Privat/Elite-Uni, fuer die ich die Computer Cluster und aehnliches aufgebaut hab, erlebt. Mit vier bis sechs handverlesenen undergraduated Studenten die auf dem Campus leben arbeiten und wohnen, und zwei graduierten, dazu technical Assistantants, und ein Team das Forschungsgelder beantragt und die Ergebnisse vermarket, laesst sich hervorragend forschen und studieren. Der Vergleich zu einer normalen Deutschen Uni hinkt, und errinnert irgendwie an Terry Pratches Unsichtbare Universitaet auf der Scheibenwelt, in der sich gut forschen laesst wenn die Studenten nicht stoeren. Das Ziel einer solchen Uni ist nicht eine gute Ausbildung fuer die breite Masse, sondern Forschung und Entwicklung fuer die grade so viele handverlesene Studenten da sind, wie der Prof braucht.

    Fuer das Deutsche Uni&Hochschulbildungssystem waere es das beste gewesen, es so zu lassen wie es war, und zusaetzlich Bachelor und Master an den Frauenhofer Instituten und aehnlichen Elfenbein/Leuchtturm-Forschungsstandorten anzubieten. Dort wuerde dieses System besser hinpassen. Aber fuer so verquerte Ideen isses zu spaet.

    ciao,Michael

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