Europas bemannter Raumzugang ohne die ISS

Heute widme ich mich mal einigen Kommentaren die es in en letzten Tagen auf dem Blog gab. Fangen wir an mit der Frage von Ronny:

Hallo Bernd!

Wie erfolgt eigentlich die Ausrichtung der Antennen von geostationären Satelliten? Die Antennen müssen schließlich ständig zur Erde zeigen. Meiner Meinung nach, müßte ein Körper im Orbit seine Lage während des Umlaufs beibehalten. Womit wird also sichergestellt, das immer die selbe Seite zur Erde zeigt?

Tschüß
Ronny

Nun ja, ich fand die Frage eigentlich ein bisschen zu trivial. Zumindest für meine Website, die sich an ein Publikum wendet, die mehr von Raumfahrt wissen oder wissen wollen, als sie in den Webseiten von DLR, ESA und NASA finden. (sozusagen Hardcore Raumfahrtanhänger). Aber ich will nicht unhöflich sein und die Frage damit beantworten, dass ich Ronny zum Nachdenken anrege, denn sie ist durch einfaches Nachdenken zu beantworten:

  • Erstens: Warum nennt man die Satelliten geostationär (geo = Erde, stationär = nicht bewegend)
  • Zweitens: Fragen Sie ihren Nachbarn, wie er die Satellitenantenne dem Astra, Eutelsat oder sonstigen Satelliten am Boden nachführt, denn für diese gilt das gleiche: Sie müssen der Bewegung des Satelliten nachgeführt werden.

Nun zu Michel Van . Sein Kommentar ist ja ziemlich provokativ. Das ist okay, das mache ich dauernd. Aber ein paar Korrekturen:

  • Das originale Space Shuttle war für 12 t Nutzlast ausgelegt, mit 3 t Fracht hätte man nie eine Raumstation bauen können.
  • Die USAF hat zwar massiven Einfluss auf das Design des Shuttle genommen (siehe Kommentar), leider aber nie sich an den Entwicklungskosten beteiligt. Wichtig für die USAF waren übrigens nicht die 29.5 t Start-, sondern die 14.5 t Landenutzlast (Gewicht eines KH-12 auf der Titan 34D)
  • Ein größeres, voll wiederverwendbares System, wäre meiner Ansicht nach noch teurer gekommen. Teuer ist doch heute nicht der ET sondern die Wartung am Boden.
  • Düsentriebwerke, waren beim heutigen Space Shuttle nie vorgesehen, nur von einer Rettungskabine und Schleudersitzen war im frühen Projektstadium die Rede. Schleudersitze gab es bei den ersten 4 Shuttle Missionen. Danach wurden sie ausgebaut. Nicht wegen der Sicherheit, sondern weil man so nur 4 von 7 Astronauten retten kann.
  • Schuld am Verlust von Challenger waren die Booster von Thiokol und bei dem von Columbia waren es Schaumstücke vom Tank der von Martin Marietta gebaut wurde.

Zuletzt zu Martin Mainka und seinem Kommentar zu unbemannten Raumstationen. Ich will das mal aufgreifen für einen Vergleich. Nehmen wir mal an. Europa würde heute beschließen aus der ISS auszusteigen und ein eigenes Raumfahrtprogramm durchführen.  Es sollte so wenig kosten wie möglich, das heißt auf schon entwickelter Technologie aufbauen.

Idee 1: Bemannt

Das erfordert einen Nachbau von Columbus, nur mit zwei russischen Kopplungsadapter des passiven Typs. Anders als mit dem Space Shuttle könnte eine Ariane 5 dieses voll ausgestattet starten.

Das zweite wäre ein Lebenserhaltungssystem, Wohn- und Hygieneraum für die Astronauten und die Stromversorgung. Das kann ein ATV leisten, der umgebaut ist. Das Servicemodul kann unverändert bleiben. Anstatt dem ICC sollte ein umgebautes MPLM mitgeführt werden. Es bietet den Wohnraum, enthält das Lebenserhaltungssystem und mit einem ausfahrbaren Solarzellenauslegen und Batterien die Stromversorgung.

Das Service Module wiegt 5 t leer. Bei einer Startmasse von maximal 20.7 t kann man so ohne Problem ein 14 t großes Wohnmodul mitführen, das genug Platz für 2 Astronauten bietet. Dieses ATV hat einen Tunnel für den Durchgang zum Heck, wo ein zweiter Dockingadapter ist. Dort kann dann ein zweites ATV andocken.

Die Besatzung dockt auf der anderen Seite von Columbus 2 mit einer Sojus an. Bei einer Zweierbesatzung (für mehr ist nicht Platz auf der Station) gibt es noch genügend Raum um Proben zurück zur Erde zu bringen. Fracht wird von einem normalen ATV gebracht, das auf der Rückseite des umgebauten ATV andockt. Mindestens einer wird vor dem ersten Start einer Besatzung gebraucht um Basisvorräte an Wasser, Nahrung und Luft zu bringen und die Lageregelung der Station durchzuführen.

Folgekosten:

Mindestens zwei Sojus Starts pro Jahr. Kosten unbekannt (Russland verlangt von der NASA 21.8 Millionen Dollar pro Sitzplatz, das wären 65.4 Millionen pro Kapsel bei 3 Sitzplätzen, doch da Russland immer auch ihre eigenen Astronauten transportiert, kann dieser Preis nicht als kostendeckend angesehen werden). Kalkuliert man 75 Millionen Euro pro Start so entsprechen zwei Flüge pro Jahr 150 Millionen Euro.

Nachschubbedarf: 14 kg pro Person und Tag. Das sind bei zwei Astronauten 10.2 Tonnen pro Jahr. Dazu kommt noch Treibstoff zur Anhebung der Station um Bei 50 m/s pro Jahr sind dies bei durchschnittlich 70 t im Orbit weitere 1200 kg. Das entspricht bei 7500 kg Zuladung eines ATV ziemlich genau 1.5 Flügen pro Jahr, von denen ein jeder 350 Millionen Dollar kostet. Wir Reden also von Folgekosten von 675 Millionen Dollar pro Jahr. (525 Millionen ATV, 150 Millionen Sojus).

Optimierungen: Wie die unbemannte Raumstation kann man die Station in einen 600 km hohen 7 Grad geneigten Orbit bringen. Gegenüber der ISS Bahn, die vorgegeben ist durch die Starts aus Russland hat diese einige Vorteile: Durch die Bahnhöhe praktisch kein Treibstoffverbrauch für Bahnanhebungen. 50 % Kommunikationsabdeckung dadurch ESA Bodenstationen und 300 m/s geringerer Geschwindigkeitsbedarf bei Modulen und 200 m/s bei Raumfahrzeugen die zur Erde zurückkehren müssen (entsprechend 7 % bzw. 11 % mehr Nutzlast).

Idee 2: Unbemannt

Auch hier startet man ein umgebautes Columbus Labor, doch eben mit mehreren Roboterarmen zur Steuerung und Solarpanels zur Stromversorgung. Das ATV mit dem Wohnraum kann entfallen. Ebenso braucht man kein ATV für die Versorgung, wenn man es in eine höhere Umlaufbahn transportiert. Das ist kein Problem wenn man es von Kourou aus startet. Anstatt 52 Grad Bahnneigung wie bei der ISS kann man die Station auch in eine äquatoriale Bahn von 600 km Höhe bringen, die über 10 Jahre stabil ist. Starts der Sojus fänden dann auch von Korou aus statt.

Folgekosten:

Will man Werkstoffproben zurück zur Erde bringen, so braucht man regelmäßige Sojus Starts die neuen Werkstoffe hochbringen und alte zurückbringen. Auch hier sollen zwei Starts pro Jahr angesetzt sein für 150 Millionen Euro

Einsparungen beim Bau: Zwei Starts eines ATV mit Wohnmodul und eines normalen ATV zur Versorgung, Im Unterhalt spart man sich die beiden ATV Starts ein. Das reduziert die Unterhaltskosten von 675 auf 150 Millionen Dollar also auf ein Viertel.

Das ganze zeigt auch die Grundproblematik der bemannten Raumfahrt: Selbst wenn die Labors in der Herstellung vergleichbar mit unbemannten Modellen ist: Die Forderung nach Versorgungsgütern erfordert enorme Mengen an Gütern die transportiert werden müssen. Da jeder Transporter nur etwa ein Drittel seines Gewichts als Nutzlast transportiert und selbst auch nicht gerade billig ist resultieren daraus enorme Kosten. Die ISS wird schließlich mit etwa 1.5-2 Milliarden Dollar Unterhalt pro Jahr budgetiert.

Wozu bemannte Raumfahrt? Martin, es gibt keine Forschung die man bemannt machen müsste. Von den Forschungsgebieten die mal für das Spacelab propagiert wurden wie Werkstoffwissenschaften oder Biowissenschaften haben sich längst von der bemannten Raumfahrt verabschiedet. Zum einen gab es nicht die Durchbrüche wie Wunderlegierungen und zum anderen stellte man fest dass die meisten Experimente auch gut in Forschungsraketen und unbemannten Foton Kapseln funktionieren. Was übrig bleibt ist medizinische Forschung am Menschen die im Endeffekt darauf hinausläuft die Folgen der Schwerelosigkeit zu minimieren und die Aufenthaltsdauer in der Schwerelosigkeit zu verlängern: Da beißt sich die Katze in den Schwanz: Würde man nicht ins Weltall gehen, so bräuchte man auch die ganze Forschung nicht.

Ach ja noch der Musiktiipp für heute. Ich denke das Video ist bekannt….

6 thoughts on “Europas bemannter Raumzugang ohne die ISS

  1. Ich habe das Gefühl, dass Ronnys Frage missverstanden wurde. Sicherlich weiss er, was geostationär bedeutet, und welchen Aufwand man (nicht) betreiben muss, um von zu Hause aus den Kommunikationssatelliten nicht aus der Antenne zu verlieren.

    Mir scheint, Ronny wollte darauf hinaus, dass ein geostationärer (ansonsten jedoch bewegungsloser) Satellit der an einem Punkt seines Orbits mit der Antenne lotrecht auf die Erde zielt nach einem halben Orbit genau lotrecht von der Erde wegsendet.
    Ich nehme an, man vermeidet diesen Umstand ganz einfach damit, dass der Satellit in Rotation versetzt wird, und zwar so, dass er genau so lang für eine Drehung um die eigene Achse benötigt, wie ein Orbit dauert (einen Tag).
    Natürlich kann es auch sein, dass ein so massearmes Objekt wie ein Satellit automatisch von der Erdmasse in eine gebundene Rotation gezwungen wird, wie dies bei einer Vielzahl von Monden der Fall ist, doch gehe ich davon aus, dass für dieses Phänomen deutlich längere Zeiträume nötig sind.

    Die im Blogeintrag gestellten Gegenfragen finde ich zumindest wenig hilfreich um zu erklären, wie es kommt, dass ein geostationärer Satellit immer mit der gleichen Seite auf denselben Punkt der Erdoberfläche guckt.

  2. Ronny hat mir die Frage nochmals ausführlicher per Mail gestellt und es ist in der Tat so, dass er den gleichen Gedankengang hat wiw Du.

    Allerdings braucht man keine Rotation des Satelliten. Ich will das an einem Gedankenexperiment erläutern. Nehemn wir einen Körper mit einer ausgeprägten Achse, ein Gutes Beispiel wäre z.B. eine Kapsel bei der die Astronauten in Flugrichtung schauen. Nehmen wir weiterhin an sie wäre auf dem Weg zum Mond. Dann würde die Spitze der Kapsel immer in Flugrichtung schauen. Die Kapsel würde diese Ausrichtung relativ zur Bahnrichtung nicht ohne Kräfte ändern.

    Ich denke das ist so verständlich oder? Nun fliegt die Kapsel an der Erde vorbei und gelang in eine Kreisbahn. Auch hier wird sie immer noch ihre realtive Ausirchung zur Bahn beibehalten, also die Spitze zeigt in die Bahnrichtung. Nur ist die Bahn selbst gekrümmt und die absolute räumliche Ausirchung der Kapsel im Raum vollführt einen 360 Grad Kreis pro Erdumrundung.

    Zusammengefasst: Sofern nicht igrendwelche Störkräfte (die es auch gibt) auf einen Satelliten einwirken wird er die Ausrichtung relativ zur Erde nicht ändern. Ein Instrument oder eine Antenne die einmal zur Erdoberfläche ausgerichtet sind werden immer zur Erdoberfläche zeigen.

  3. arbeite Bernd Leitenberger in der Entwicklung Abteilung der ESA ?
    dort hatte man die gleiche Idee
    http://www.esa.int/images/03_ATV_MSS_cutaway_large,0.jpg
    quelle
    http://www.esa.int/esaMI/ATV/SEMNFZOR4CF_1.html

    wenn ich sehe wie der Trend in der Ozeanforschung geht
    weg von Bemannte U-Boote zu Roboter „Sonden“ und neuerdings Meeresgrund „Rover“
    sehe ich schwarz für die Bemannte Raumfahrt

    besonders für Forschung in Mikro Gravitation sind Menschen ein Störfaktor
    Erschütterung durch Bewegung Astronauten oder Staub oder Haare die im Equipment hangen bleibt.
    (Ist schon auf der Shuttle und ISS passiert.)

    einige Wissenschaftler beschweren sich das ISS „zu groß ist“ für Forschung in Mikro Gravitation
    und durch eigen masse von 277 Tonnen, die Ergebnisse verfälsch

  4. Ich halte die 14 Kg Nachschub pro Person und Tag für zu hoch gegriffen. Auch da sollten Optimierungen möglich sein, z.B. durch Wasserrückgewinnung und Sauerstofferzeugung. Natürlich sind diese Systeme noch nicht als fertige Komponente verfügbar, sondern müssten noch entwickelt werden. Interessant ist es auch die Kosten in Relation zu den Kosten der ISS Beteiligung und den Forschungsstunden an Bord der ISS zu sehen. Im oben geschilderten Fall arbeiten 2 europäische Astronauten zu 100% an europäischen Experimenten, soweit beschrieben hat Europa für seine Beteiligung nur 8% der Forschungszeit an der ISS

  5. Die 42-45 t sind die Werte die für die ISS geschätzt werden:
    http://www.esa.int/esaCP/SEMVO3K26DF_Germany_0.html
    Derzeit gibt es bis 2016 eine Versorgungslücke von 3-10 t pro Jahr nach Arianspace Angaben. Da alle Module fertig sind, muss man damit leben. Bei einem neudesign wären sicherleich einSparungen möglich. Auch bei der ISS wäre etwa ein Drittel der Fracht verzichtbar, wenn man die Raumstation anheben würde – Etwa ein Drittel ist nur der Treibstoff um sie in der Umlaufbahn zu halten. Die neue Sojus 2 hat eine höhere Nutzlast, so dass dies keine Auswirkungen auf die bemannten Flüge hätte.

    Die 8 % sind übrigens Arbeitszeit, nicht zwingend die eines europäischen Astronauten. Inoffiziell scheint es so zu sein, dass Europa immer dann einen ATV starten wird wenn es auch einen Astronauten an Bord der ISS hat.

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