Wo bleiben die Ionentriebwerke?

Als ich mich zum ersten Mal so im Jahr 1980 mit den technischen Grundlagen der Raumfahrt beschäftigt habe, fielen mir die Ionentriebwerke auf. Einige Berechnungen mit einem Taschenrechner zeigten mir sehr schnell, das der spezifische Impuls die wichtigste Kenngröße einer Rakete ist und hier versprechen Ionentriebwerke einen 10 mal höheren Impuls. Aufgrund des geringen Schubs wird man sie erst ab einer niedrigen Erdumlaufbahn einsetzen können. Doch ab da sind sie praktisch unumgänglich, wenn man große Nutzlasten befördern will.

Ein kleines Rechenbeispiel: Intelsat 905 wiegt beim Start 4725 kg. Trocken nur noch 1984 kg. Nicht weniger als 2739 kg davon sind Treibstoff für den Übergang von einem geostationären Übergangsorbit in die endgültige Bahn und 13 Jahre Kurskorrekturen. Berücksichtigt man die Tanks für den Treibstoff und das Triebwerk, so bleiben vielleicht von 1700 kg von diesen 4723 kg Startmasse übrig. Eine Ariane 5 könnte (mit leichten Verbesserungen) zwei dieser Satelliten auf einmal transportieren, also etwa 3.4 t in den geostationären Orbit In einen niedrigen Erdorbit würde dieselbe Rakete aber 21 t transportieren. Der Unterschied liegt in dem benötigen Treibstoff und den Stufen die benötigt werden um eine Geschwindigkeitsdifferenz von rund 4000 m/s zwischen dem erdnahen Orbit und geostationären Orbit aufzubringen (In Wirklichkeit noch etwas mehr, weil die Satelliten deswegen so viel schwerer wurden, weil ihre Betriebszeit immer längere wurde und dafür benötigte man immer mehr Treibstoff. Von den 2739 kg Treibstoff sind rund 1000 kg nur für die Lageregelung über 13 Jahre vorgesehe)n.

Bei einer Ausströmungsgeschwindigkeit von 30 km/s, einem für Ionentriebwerke üblichen Wert, würden von 21 t im erdnahen Orbit noch 16.6 t übrig bleiben. Der Treibstoffverbrauch wäre also nur ein Bruchteil.

Der Nachteil: Es dauert viel länger um den Orbit zu erreichen und es wird eine hohe Energiemenge benötigt: Die Energie die vorher im chemischen Treibstoff steckte, muss nun als elektrischer Strom zugeführt werden. Die Ionentriebwerke selbst und die Tanks wiegen auch mehr als eine konventionelle Stufe mit chemischen Treibstoffen. Doch dies ist vernachlässigbar. Was wirklich ins Gewicht geht sind die Solarpanel um die Energie bereit zu stellen.

Nehmen wir den Intelsat 905 als Beispiel. Wenn nur die Ionentriebwerke zusätzlich eingebaut werden, so würde er 2300 kg beim Start wiegen, davon etwa 500 kg Treibstoff. Doch bis der Satellit von einer 600 km Umlaufbahn seine Erdbahn in 36000 km Höhe erreicht hat, braucht er bei seiner eigenen Stromversorgung von anfangs 8 kW rund 330 Tage – wenn der Antrieb dauernd aktiv ist. In der Praxis wegen der Zeit im Erdschatten noch etwas länger.

Während dieser Zeit durchquert der Satellit zwei Strahlengürtel und er steht in dieser Zeit nicht zur Verfügung. Das war bislang der Grund, warum sich dies nicht durchgesetzt hat. Doch wie lange noch? Die Betriebszeit wird immer länger. Die Zeit in der der Satellit nicht zur Verfügung steht, macht einen immer kleineren Teil der Lebenszeit aus. Weiterhin haben Ionentriebwerke schon Einzug gehalten um die Lageregelung durchzuführen. Eine längere Betriebsdauer macht aber auch eine bessere Stromversorgung nötig, da die elektrische Leistung auch um einige Prozent pro Jahr abnimmt.

Weiterhin brauchen Transponder immer mehr Sendeleistung. So wird auch mehr Leistung benötigt. Für die Satellitenhersteller wäre es eine Chance: Sie benötigen entweder einen preiswerteren Träger oder können noch viel größere Satelliten bauen. Doch ich sehe noch nicht die große Trendwende.

Eine zweite Möglichkeit ist es einen Satelliten wie bisher zu transportieren, nur eben mit einem Ionenantrieb als Stufe. Nochmal als Beispiel der Intelsat 905: Mit chemischen Treibstoff beladen für 13 Jahre Betrieb wiegt er noch 2900 kg. (1000 kg davon Treibstoff). Mit einer 3300 kg schweren neuartigen Antriebsstufe wird er im erdnahen Orbit von 600 km Höhe ausgesetzt. Eine Ariane 5 kann dann aber 3 anstatt 2 Satelliten transportieren.

Von den 3.3 t der Antriebsstufe entfallen aber nur 1.1 t auf den Treibstoff. Etwa 0.6 t mögen die Ionentriebwerke und Struktur wiegen.1.6 t bleiben so für den Solargenerator übrig. Bei rund 4 kg/m², einem üblichen Wert, sind das 400 m², die mindestens 200 W/m² liefern. Zusammen also 80 kW. Mit dieser Leistung wäre der Satellit in weniger als 90 Tagen im GEO Orbit. Doch der Clou kommt nun: 400 kg Treibstoff würden ausreichen die Stufe in 50 Tagen wieder zurück in den LEO Orbit zu bringen. Wenn es einen Mechanismus gibt, um Satelliten anzukoppeln und Treibstoff nachzufüllen, dann bräuchten zukünftige Starts nur noch den Treibstoff nachliefern. Etwa 1.5 t pro Flug zusammen mit dem Satelliten und Tanks vielleicht 5 t. Eine Arriane könnte so 4 anstatt 2 Satelliten transportieren. Es wird schon an einem Projekt gearbeitet das im GEO Orbit an Kommunikationssatelliten andockt und ihre Lebendauer verlängert. Auch der zweite Teil, das Betanken sollte kein Problem sein: Der gebräuchlichste Treibstoff für Ionentriebwerke ist Xenon, ein Gas. Das sollte durch Druckförderung leicht zu pumpen sein.

Eine solche Stufe kann einige Jahre lang benutzt werden, bis Elektronik und Solarzellen durch die Passage des Van Allen Gürtels gealtert sind. Viel interessanter ist so eine stufe natürlich für Reisen im Sonnensystem. Doch sehe ich da eben nicht die Triebfeder, das jemand dafür eine Entwicklung finanziert. Bei kommerziellen Satelliten die Geld einbringen, sieht es anders aus. Existiert eine solche Stufe mit Ionenantrieb aber erst mal, so kann sie natürlich auch dazu genutzt werden.

Das Bild für heute wurde vor fast 40 Jahren aufgenommen: Am 21.12.1968 startete Apollo 8 zum Mond:

Apollo 8 Liftoff

One thought on “Wo bleiben die Ionentriebwerke?

  1. Natürlich sind die Ionentriebwerke die leistungsfähigeren Triebwerke, deshalb denke ich werde sie in der nächsten Zeit verstärkt für die Lageregelung der Satelliten eingesetzt werden. Die beschriebenen anderen Einsatzmöglichkeiten würden bedeuten, im Weltall eine Infrastruktur aufzubauen, wobei es schwierig ist, die Kosten auf Einzelprojekte umzulegen. Wenn ich mir schon alleine das Gezerre um die Finanzierung der ESC-B Oberstufe und des VINCI Triebwerk ansehe, dann ist die Verwirklichung dieser Infrastrukturmaßnahmen sehr unwahrscheinlich.

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