Die bemannte Raumfahrt vor dem Aus

Die Augustine Kommission hat ihre Ergebnisse veröffentlicht und die sind dramatisch. Das gesamte Constellation Programm ist unterfinanziert: Es soll nun nur noch 80 Milliarden Dollar kosten, 28, weniger als noch 2005 veranschlagt und das reicht nicht aus. Mindestens 3 Milliarden pro Jahr werden zusätzlich benötigt. Was hat die NASA für Optionen mit dem derzeitigen Programm? Eigentlich kaum welche, die zufriedenstellend sind. Entweder sie versenkt die ISS schon im Jahre 2016 und hat dann eine Chance bis 2021 ein minimales Mondprogramm hin zu bekommen, oder es verzögert sich noch alles weiter.

Zuerst einmal: Kann die NASA die ISS 2016 aufgeben? Ja, weil die entsprechenden Verträge von einer Fertigstellung bis 2005/6 ausgingen und danach 10 Jahren Betriebszeit – die ist 2015 erreicht. Das bis dahin gerade mal 5 Jahre nach der Fertigstellung rum sind, geht die NASA ja nichts an.

Nur: Macht das einen Sinn? Sicher wenn die ISS dann nicht mehr arbeiten kann, Systeme ausfallen oder die Sicherheit gefährdet ist. Aber eine Station nur abzuschreiben weil man Geld einsparen kann macht das keinen Sinn. Vor allem kann man dann die Entwicklung der Ares I vollständig einsparen und somit überhaupt erst das 2021 Ziel erreichen.

Wenn nun die Station bis 2020 betrieben wird, was auch die Augustine Kommission für wünschenswert hält, dann fehlen die Mittel und die Ares wird nicht vor 2028 verfügbar und es gibt keine Gelder für die Bodenkomponenten der Mondlandung – wodurch die Ares V auch sinnlos ist.

Wenn es keine Mittel für die Aufstockung des Budgets gibt (was anzunehmen ist), so gibt es nur noch die Möglichkeit die Ares I einzustellen. 3 Milliarden wurden für diese schon ausgegeben. Mindestens 5,18 Milliarden umfassen die bisher verteilten Aufrage. Wie immer kommt alles viel zu spät. Also nur mal zur Erinnerung: Das Programm wurde 2004 von Bush aus der Taufe gehoben und im Jahr 2005 konkretisiert. Gleichzeitig wurde beschlossen die Space Shuttles auszumustern und die ISS bis 2016 aufzugeben. Okay, unter diesen Randbedingungen hätte ich erst mal bis 2010 einen Ersatz für die Space Shuttles entworfen und wenn das (wie eigentlich schon nach den ersten Planungen vorgesehen) sich länger hinzieht also so bis 2014/15, dann lasse ich die Entwicklung eines Trägers für Erdorbitmissionen. Gerade das hat die NASA aber angefangen. Jetzt nach 5 Jahren auf Atlas V und Delta IV umzuschwenken wird auch nicht viel bringen – 5 Jahre hat man schon verloren und viel Geld wurde auch schon investiert. Ich bezweifele dass es jetzt noch schneller und billiger geht.

Punkt 2: Das Constellation Programm war von Anfang an knapp kalkuliert. Es sollte nicht wie Apollo durch höhere Haushaltsmittel finanziert werden, sondern durch Einsparungen – wie üblich gab es die ersten 2007/8 bei unbemannten Programmen. Aber mit diesem „Kleinvieh“ bekommt man nicht die 100 Milliarden zusammen. Also muss im bemannten Bereich, der derzeit 10 Milliarden Dollar pro Jahr umfasst, eingespart werden. Während so ziemlich alle beim Space Shuttle konform gehen, verstehen die wenigsten, warum die ISS dran glauben muss – 12 Jahre für den Aufbau und nach 6 Jahren beerdigt man sie dann?

Immerhin gibt es für die ESA eine Möglichkeit hier Geld zu verdienen. Die NASA rechnet damit, dass alleine das „Entsorgen“ der ISS rund 1,5 Milliarden Dollar kostet. Um die ISS von einem 350 km Orbit in einen 0 x 350 km Orbit zu bringen braucht man rund 103 m/s. Bei etwa 350 t Masse entspricht dies rund 9 t Treibstoff wenn man LH2/LOX nimmt. Also was spricht dafür mit einer Ariane 5 ES eine ESC-A Stufe, etwas besser isoliert und mit einem Docking Adapter des ATV versehen. Von den rund 20,6 t die eine Ariane 5 ES in den Orbit bringt müssten nur 9 t Treibstoff sein, 3,3 t wiegt die Stufe leer – das lässt also rund 8,3 t übrig – Ein ATV wiegt trocken nur rund 10 t und wir brauchen nur den vorderen Teil. Mit einer Zündung des leistungsfähigen HM-7B Triebwerks wäre die ISS Geschichte. Da ein Ariane 5 Start für unter 200 Millionen Dollar zu haben ist, bliebe ein Plus von 1,3 Milliarden Dollar, vielleicht etwas weniger wegen der Umbauarbeiten der ESC-A Stufe. Auf jeden Fall eine kleine Rückzahlung für die ausgaben für Columbus.

Was gibt es sonst noch neues? Den zweiten Band des Raketenlexikons habe ich heute fertig Korrektur gelesen und zum ersten externen Korrekturleser geschickt. Jetzt kann ich mich auf meine Datenbankvorlesungen konzentrieren. Noch immer läuft die Quizfrage: Wie viele Subtypen wird es wohl in zwei Bänden auf 780 Seiten umfassen? (Subtypen sind z.B. Delta 2900, Delta 3900 ….). Zählen sie mal nach auf wie viele Sie kommen….

13 thoughts on “Die bemannte Raumfahrt vor dem Aus

  1. Also der Titel ist schon etwas reißerisch. 😉

    Es ist ja nicht so, dass die Russen und Chinesen keine bemannten Missionen mehr fliegen werden.

    Was die 1,5 Milliarden alleine für die Entsorgung der ISS angeht: Manchmal versteh ich die NASA nicht. Kein Wunder, dass sie kein Geld für ihre geplanten Raumfahrzeuge und Missionen haben wenn selbst für einfachste Dinge Milliarden verblasen werden.

    Und dann das Beharren auf Orion. Kein Wunder, dass es eine „Gap“ gibt, wenn man direkt ein so großes und teures Raumfahrzeug baut. Warum kopiert man nicht einfach Soyuz, oder Apollo, wenn es ein amerikanisches Design sein muss? Sowas hätte man dann auch auf einer nur leicht modifizierten Atlas V starten können.

    Auch was die Entwicklungszeit für Hardware angeht, die scheint sich seit Apollo mindestens verdoppelt zu haben, obwohl man damals nur Papier und Rechenschieber hatte (überspitzt ausgedrückt), heute hingegen Supercomputer und Grafiksoftware.

    Also ich kann das Theater nicht mehr nachvollziehen.

    MfG

    Max

  2. Tja, uns wiedermal wiederholt sich die Geschichte. Imo wars das dann fürs Erste mit dem neuen U.S. Mondprogramm. Ich glaube kaum, dass sich Europa und Co. wie bei der ISS in ein „internationales Mondprogramm“ reindrängen. (Wir erinnern uns: Die ISS war in der ursprünglichen Planung eine rein amerikanische Station namens „Freedom“, die die Amis nicht allein gebacken gekriegt haben.)

    @AresI: Wackelt die nicht eh schon? Im Raumfahrer.net Forum hat einer unlängst diesen Artikel hier verlinkt.

    http://www.floridatoday.com/article/20090731/NEWS02/907310322/1006/NEWS01/Spaceflight+panel++Reviewers+will+consider+scrapping+the+Ares+Ilight+panel++Reviewers+will+consider+scrapping+the+Ares+I%3C/a%3E

  3. Ausschnitt aus folgener Nachricht von Spacedaily.com
    Zitat von Norm Augustine
    http://www.space-travel.com/reports/Tight_budget_quashes_US_space_ambitions_panel_999.html
    „“Really, we’ve given the White House a dilemma. The space program we have today, the human space flight program, really isn’t executable with the money we have,“ Augustine told PBS public television last week.

    „So either we have to do something with the current program that’s not going to be very successful, I’m afraid, or spend a nontrivial sum more than that to have something that’s really exciting and workable, and that’s the challenge the White House is going to have, is to sort that out.“

    NASA allocates about 10 billion of its 18-billion-dollar annual budget on human space flight.“

    Also 10 von 18 Milliarden reichen nicht für ein vernünftiges bemanntes Programm. Was reicht. Ich wette es sind genau 18 Milliarden.

  4. @Vineyard: Interessanter Artikel. Ich galube aber es muss mehr passieren als nur der Shift von Ares I -> Atlas und Orion -> Orion lite.

    Das grundsätzliche Problem ist: Die NASA ist nach den Erfahrungen mit Challenger und Columbia auf maximale Sicherheit aus. Das macht es extrem teuer und die Entwicklung dauert extem lange. Die Frage ist: Ist es notwendig, oder klang nicht die Öffentlichkeit akzeptieren (die Astronauten tun es), dass Weltraumfahrt eine riskante Sache ist und es eben nur eine gewisse Möglichkeit gibt Sicherheit zu einem adäquaten Preis zu kaufen und alles darüber hinaus teuer wird. Wenn das vermittelt werden kann dann reicht sicherlich ein heute existierendes Trägersystem und eine Kapsel mit Fluchtturm aus. Es wäre imemr noch sicherer als jedes Space Shuttle. Solange das aber nicht geklärt ist, solange sind solche Vorschläge nur Kurieren an den Symptomen.

  5. Das Problem ist auch das die NASA wenn ich es richtig verstanden habe den gleichen Fehler wie beim Shuttle macht und alles komplett neu entwickelt anstatt auf exisiterende Systeme zurückzugreifen. Das erhöht wieder unnötig die Kosten. Aber ich schätze mal, daß hier die Lobbys innerhalb der NASA einfach wieder zu stark waren…

    @Orion-lite: Was das angeht hat Bigalow das Konzept hauptsächlich aus Eigennutz entwerfen lassen. Er braucht für seine Station einen zuverlässigen Personentransporter und auf die Russen zurückgreifen kann er nicht.

    Für den von ihm gestifteten Amerika Space Prize zur Entwicklung einen LEO Transporters hat sich leider auch keiner interessiert.

  6. Hier mal die Meinung von Robert Zubrin zur Kostenermittlung des HSF Kommitees:

    http://www.marssociety.org/portal/AugustineNumbers/

    Ich stimm ihm nicht bei allem zu, aber diese Aussagen wollte ich hier mal mitteilen:

    „Once a plan is selected, request for proposals (RFPs) for development of each major hardware element needs to be put out to industry, with the completion date on each timed to make them all available in concert. So for example, rather than viewing the heavy lift vehicle (HLV) development as an „activity“ to run for decades funded at $3 billion per year, with initial use anticipated sometime in the 2020s, an RFP should be issued offering up to $5 billion for development of an HLV with a specified capacity with work to be completed within 5 years. (This is not a particularly novel method of procurement – many major NASA and military systems have been developed in precisely this way.)“

    Besonders das Letzte ist richtig. Anstatt ein HLV selber zu entwickeln sollte die NASA ihre Anforderungen veröffentlichen und ein Kosten- und Zeitlimit setzen (anstatt der sonst üblichen „Cost-Plus“ Verträge). Mehrere Firmen beteiligen sich an der Ausschreibung, und eine gewinnt.

  7. Die NASA hat gestern die Ares I-X mit 4 Segment Booster erfolgreich gestartet.
    Trotzdem, die Delta IV mit RS-68A Triebwerke könnte rund 25 to ins All befördern und steht Anfang 2011 tzr Verfügung. Und eine Atlas V HLV wäre mit ca. 30 to etwa um 2011/12 machbar.
    Die NASA entwickelt per Ares I ein Trägersysteme das es im Prinzip 2-fach anderweitig gäbe. Das Geld für die Ares I könnte man weitgehend also einsparen.

    Bei der Ares V hat die NASA viel zuviele neue Komponenten vorgesehen. Ob den 5.5 Booster, ob den 10m Basistank, ob 6* RS-68B oder die Oberstufe – alles teure Individualentwicklungen.
    Wobei wohl 3 statt 2 5.5 Booster und ein leicht modifizierter Außentank des Space Shuttle mit 2* RS-68A auch reichen würde um die geforderte Nutzlast für Mondflüge ins All zu bringen.

    Die NASA muss ihre Programm komplett überdenken und Outsourcing bzw. Komponetenrecycling betreiben.

  8. Das braucht es alles nicht. Die Orion wiegt nach NASA Angaben für ISS Missionen 18,9 t. So viel transportiert die schon seit 2004 verfügbare Delta IV Heavy mit Leichtigkeit (Nutzlast 23 t). Wenns danach ginge wäre also keine Lücke notwendig (Diskutiert eigentlich jemand ob auch die Kapsel startbereit ist?)

    Ach ja: Startkosten einer Delta IV Heavy 251 Millionen dollar. Startkosten des Ares I-X Testfluges (ohne Oberstufe) 445 Millionen Dollar. Wen wundert es dass die NASA ihr Programm nicht mehr finanzieren kann….

  9. Hallo Alle zusammen,
    ich bin gerade zufällig auf diesen Blog gestoßen (über Merkwürdigkeiten bzgl. des Constellation-Programms).
    Dabei habe ich mich gefragt, ob nicht im Hintergrund jemand (Wer ?)
    „gewisse“ Fäden zieht, um die US-Raumfahrtgeschichte, zumindest für mich, in einem merkwürdigen Licht zu erscheinen zu lassen.
    Beim kürzlich erfolgten bemannten Start einer Space-X- Rakete zur ISS ist einigen Leuten aufgefallen, daß Präsident Donald Trump nicht dazu geklatscht hat.
    Er war ja sogar der Meinung, wenn ich mich richtig erinnere, daß die gesamte Aktion erst dann positv verlaufen ist, wenn die beiden Astronauten wieder gesund zur Erde zurückgekehrt sind.
    Jetzt fällt mir gerade noch Putinbs Aussage ein, als er meinte, daß russische Astronauten erst dann mitfliegen werden, wenn Tests ergeben würden, daß die Space-X-Rakete zuverlässig arbeitet.

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