Vorurteile, Studium, Kompetenz

Ab und an Google ich nach meinem Namen – um festzustellen wer auf mich verlinkt oder noch wichtiger wer Inhalt meiner Website klaut. Ab und an stolpere ich auch auf interessante Links. So stieß ich auf einen schon etwas älteren Forumseintrag in dem meine Kompetenz hinsichtlich Raumfahrt angezweifelt wird, weil ich Lebensmittelchemie studiert habe (wäre sie mit einem Softwaretechnikstudium höher?). Das erinnert mich an eine Mail eines DLR Mitarbeiters, der mir vom Schreiben des letzten Buchs abraten wollte, unter anderem mit dem Argument, dass ich nicht Luft & Raumfahrttechnik studiert habe.

Das bringt mich zum heutigen Thema: Vorurteile, Studium und Kompetenz. Ich denke ich kann dank zweier sehr unterschiedlicher Studienfächer mitreden. Fangen wir mit dem Allgemeinen an und gehen dann zum Speziellen bei der Raumfahrt. Wie vielleicht der eine oder andere weiß, habe ich zwei Fächer studiert und zwar zum Ende, mit Abschluss und bin in beiden auch beruflich tätig gewesen. Zuerst Lebensmittelchemie an der Universität Stuttgart und dann Softwaretechnik an der Hochschule Esslingen. Bedie Studienfächer könnten unterschiedlicher nicht sein. Das eine ist eine Naturwissenschaft mit vielen praktischen Übungen, schwer vorhersagbarem Studienverlauf – unterschiedlichen Praktikadauern, Eingangsprüfungen vor Praktika die man auch nicht bestehen konnte und vor allem einem Studium das viel Selbstständigkeit, Selbstorganisation und Lernen daheim umfasst und einem technischen Fach mit einem fast schulmäßig organisierten Ablauf, festem Stundenplan, wenigen praktischen Übungen.

Vor allem aber unterschieden sich die Inhalte. Ein naturwissenschaftliches Studium vermittelt Naturgesetze, Verfahrensweisen, den Umgang mit Gerätschaften, vor allem aber methodisches Arbeiten, Lernen zu Experimentieren und das Verbinden von Wissen um zu neuen Erkenntnissen zu kommen. Das Wissen was man lernt, ist nicht gerade wenig, aber es ist dauerhaft. Übertrieben formuliert: Wenn man vor 100 Jahren rausfand das Aldehyde (z.B. Zucker) Kupfer(II)oxid zu Kupfer reduzieren (darauf basiert eine Bestimmungsmethode), dann gilt das heute noch. Wenn man vor 100 Jahren dagegen genau wusste, wie man eine Dampfmaschine optimiert, dann ist dieses Technikwissen zwar heute vielleicht auch noch gültig, aber wird nicht mehr gebraucht.

Ein technisches Studium hat die Aufgabe technisches Wissen zu vermitteln. Vorwiegend Grundlagen, weil sonst die Lehrenden sich laufend weiterbilden müssen und das sehr lästig ist. Aber auch einiges anwendungsorientiert. Dieses Wissen kann man sich aber auch im Selbststudium aneignen und so ist ja gerade auch die Softwaretechnik voll mit Beispielen von Leuten, die reich oder berühmt wurden und nie eine Uni von innen gesehen haben. Das gilt übrigens auch für die Pioniere der Raumfahrt. Zwar hat der eine oder andere einen Abschluss, aber da es noch kein Fach Luft & Raumfahrttechnik gab, wohl kaum aus diesem Bereich.

Das ist bei der Raumfahrttechnik nicht anders. Es ist ja möglich von den Unis in Stuttgart und München sich Skripte runterzuladen und ein Lehrbuch von Messerschmidt habe ich mir auch schon angesehen. Auch bei diesen wird vor allem Grundlagen vermittelt. Wer glaubt durch ein Studium dieses Faches aufgeklärt zu werden über die technische Auslegung der Ariane, oder den Ablauf der Mondlandung, der wird also enttäuscht werden. Warum auch: Es kann ja nicht Sinn eines Studiums sein, Geschichte zu vermitteln oder technische Details genau eines Trägers. Vor allem – wo sollte man wenn man dies so betreibt, anfangen und wo aufhören?

Daher finde ich die Anwandlungen, ich hätte L&R Technik nicht studiert und daher keine Ahnung schon etwas komisch, das wäre wie wenn ich jemand unterstellen würde, er könnte nicht programmieren, weil er nicht studiert hat. Das ist schon deswegen Blödsinn, weil ich vor dem Studium programmieren konnte und dort auch wegen der vielen anderen Fächer nur wenig in dem Bereich dazugelernt habe. Das gleiche ich denke gilt auch für Luft & Raumfahrttechnik: Für den Bereich der sich auf meiner Website findet. Er beschäftigt sich ja mit Raumfahrtgeschichte und Technik. Die Grundlagen die ich anführe, sind sicher nicht mehr als eine Einführung. Das weiß ich selbst, wenn ich in ein Lehrbuch schaue. Nur komme ich da auch schon bald nach dem Einführungsteil zu Berechnungen, in denen so viele Parameter auftauchen, die entweder aus Tabellen von Thermodynamischen Größen herausgeholt werden müssen oder konkrete Konstanten von Materialen, Abmessungen etc sind. Dann nützen die Berechnungen wenig, wenn diese nicht greifbar sind.

Das zweite, weshalb ich meine, dass man für eine kompetente Berichterstattung von Raumfahrt kein L&R Studium absolvieren muss, ist neben dem fehlenden Bezug zur Technik und aktuellen Programmen, liegt auch am Studium selbst: So viel Raumfahrt ist nämlich in dem Studium nicht drin. Es ist ein Maschinenbaustudium mit einer Spezialisierung im zweiten Studienabschnitt, wobei dann auch noch die wenigen Semester auf Luft und Raumfahrt aufgeteilt werden (Ich verrate wohl kein Geheimnis, wenn ich sage, dass die meisten Absolventen später Flugzeuge bauen und dieser Teil entsprechend bedeutender ist).

Ich gebe aber zu auch ich habe Vorurteile: Ich glaube jeder der sich für Technik interessiert oder einen technisch ausgelegten Beruf hat, sich die Grundlagen der Raumfahrt aneignen kann. Ich habe meine Probleme damit, dass dies mit einer Naturwissenschaft wie Chemie, Physik klappt, ohne die notwendige Praxis und wirkliche Gespräche und Übungen in denen man die Verknüpfungen zwischen dem isolierten Wissen und der Anwendung zieht. Ich sehe noch größere Probleme bei Leuten die aus einem völlig anderen Bereich kommen, die im täglichen Leben vor allem mit menschlichen Regeln und Gesetzen zu tun haben. Ich brauche hier nur an das Lebensmittelrecht denken. Ich glaube jeder Lebensmittelchemiker erlebt einen Schock, wenn er mit dem zum Ende des Studiums konfrontiert wird. Vorher gibt es echte Tatsachen, oder zumindest Aussagen mit einer gesicherten Genauigkeit (ich kann nach einer Bestimmung vielleicht nicht 100 % sicher sein, dass der Proteinanteil 17.2 % beträgt, aber mit 95 % Wahrscheinlichkeit liegt er zwischen 17 und 17,4 %). Doch hier geht es auch um Aussagen in der Aufmachung. Ist die Aussage „Hilft sich wohl zu fühlen“ ein Verstoß gegen das Verbot krankheitsbezogener Werbung? Plötzlich ist man in einer anderen Welt und man liest Gesetzeskommentierungen, in denen vor allem schon ergangene Urteile erläutert werden und schaut ob dies übertragbar ist – dabei ist das keine Sicherheit, denn jeder Richter (dessen Kenntnis von Lebensmittelchemie wahrscheinlich 0 % beträgt) kann anders entscheiden.

Ich glaube Leute die aus einem solchen Kreis kommen – den ich recht weit ziehen möchte – die nicht mit Technik oder Naturwissenschaft zu tun haben, sondern Marktgesetzen, sozialem Verhalten, menschlichen Verhalten, Wer sich für Betriebswirtschaft, Sozialpädagogik, Recht oder Rechtschreibung interessiert, der hat ein anderes Interesse, andere Vorlieben und das beist sich mit den klaren Regeln der Technik und Naturwissenschaft. Die meisten Leute mokieren sich z.B. über meine Rechtschreibung. Sorry, aber wenn ich Natrium in Wasser geben ist das Resultat Natriumhydroxid. Wenn ich eine For Schleife in C schreibe, läuft die auch noch im neuesten Compiler. Warum soll ich mir die Mühe machen, irgendwelche von einem Verlag gemachten Regel. zu lernen, die dieser alle paar Jahre mal ändert? Das ist das gleiche wie beim Lebensmittelrecht. Noch schlimmer ist eigentlich nur die Betriebs- und Volkswirtschaft, die versuchen anhand irgendwelche stochastischer Regeln Wirtschaft zu erklären – und dabei nicht mal eine gravierende Wirtschaftskrise verhindern können? Gerade diese zeigt doch wie verrückt diese angebliche Wissenschaft ist. Da sind Unternehmen innerhalb von Wochen nach dem Aktienkurs nur noch einen Bruchteil wert, obwohl ihr Betriebsvermögen (Gebäude, Anlagen) sich nicht geändert hat. Die Krise die heute die NASA hat, liegt meiner Meinung auch daran, dass im Management heute Betriebswirtschaftler und keine Ingenieure sitzen. Was machen Betriebswirtschaftler in einem Unternehmen wenn es zu wenig Gewinn macht? Sie versuchen zu sparen, outsourcen oder bauen Beschäftigte ab. Genau dasselbe machen sie in der NASA. So kann die NASA ihre Space Shuttle selbst nicht mehr starten und warten, weil alles outgesourct wurde, Projekte werden zu Tode gespart – sie verschlingen immer mehr Geld während sie billiger werden sollen. Denn anders als in Betrieben gibt es keine neuen Einkünfte, aber dauerhaft und meistens progressiv ansteigende Ausgaben. Wird die ISS in 10 Jahren sieben Mal umdesignd, so wird eben keine ISS gebaut aber das Geld trotzdem verbraten. So wurde die ISS zum teuersten Raumfahrtprojekt und nun passiert das gleiche beim Constellation Programm.

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