Die Gefahr von Großprojekten

Michels Aufsatz über das Voyager Projekt bringt mich auf ein Thema: Großprojekte und zwar bei der unbemannten Raumfahrt (jedes bemannte Raumfahrtprojekt ist sowieso ein Großprojekt). Was ist ein Großprojekt? Ich würde es so definieren: Wenn ein Projekt sehr große Mittel eines Budgets in Anspruch nimmt und deutlich teurer als andere Projekte ist, dann ist ein Großprojekt. In der unbemannten Raumfahrt wären es z.B. Cassini-Huygens, Viking, das mobile Marslabor (nun „Curiosity“ genannt). Für Europa wären es Exomars und Bepi-Colombo. Nicht alle Projekte begannen als Großprojekte. So waren Galileo und Hubble es ursprünglich nicht, doch Verzögerungen in der Entwicklung oder Schwierigkeiten machten sie dazu.

Wie in anderen Teilend er Raumfahrt muss sich auch die unbemannte Raumfahrt Kostenüberlegungen beugen. Natürlich ist es unsinnig eine Rechnung aufzumachen wie viel 1 MBit Daten kosten oder was ein Spektrum wert ist. Aber ein Großprojekt muss dann auch einen entsprechenden Erkenntnisgewinn versprechen. Das ist eine der wichtigen Bedingungen. Die zweite ist die Zeitdauer. Großprojekte haben eine Tendenz ein Eigenleben zu entwickeln. Es gibt zwei wichtige Einflussfaktoren. Das eine ist, dass die Politik meist versucht zu sparen, selbst wenn ein Projekt schon läuft. Dann kommen plötzlich Alternativvorschläge oder der Zeitplan wird gestreckt – bislang bedeutet dies immer nur erhöhte Ausgaben und Verzögerungen. Billiger wurde es in keinem Fall. Das zweite ist, dass Großprojekte oft so teuer sind, weil sie die Technologie bis zum äußersten ausreizen. Dabei sind natürlich auch große Kostenriskien. So kostete die Entwicklung des Viking Biolabors rund 59 Millionen Dollar, das war in etwa genauso viel wie zur gleichen Zeit die Mariner 9 Mission kostete. nach heutigem Wert sind es rund 240 Millionen Dollar für ein einziges Experiment.

Die Hauptgefahr die es aber gibt, ist dass der technologische Fortschritt ein Großprojekt zu einem Dinosaurier macht. Ich denke das wäre Voyager-Mars so gegangen. Doch sollte man deswegen auf Großprojekte verzichten? Nein. Es wird immer Unternehmungen geben die aufwendiger sein müssen. Entweder weil man mehr Wissenschaft treiben will (Viking, MSL) oder weil sie aus himmelsmechanischen Gründen eine große Sonde erfordern (Cassini, geplante Titanorbiter und Europaorbiter Sonden). Trotzdem sollte man an Alternativen arbeiten oder an Ansätzen die Kosten entscheidend zu senken. In meinen Augen tun dies die heutigen Raumfahrtagenturen nicht wirklich. Ich will das an zwei Punkten erläutern.

Hier die Aufteilung der Kosten von Cassini:

  • Die Entwicklung kostete 1422 Millionen USD
  • die Operationen 710 Millionen USD
  • 54 Millionen USD die Bahnverfolgung,
  • 422 Millionen USD der Start.
  • Dazu kommen noch 500 Millionen USD welche die ESA für Huygens aufwendet
  • 160 Millionen USD von Italien, welche an Cassini mit beteiligt ist.

Zusammen kostet Cassini-Huygens also 3270 Millionen USD

Die Raumsonde selbst ist also gar nicht mal so teuer. Es gibt zwei Punkte an denen man ansetzen kann: Den Startkosten und den Operationen.

Die Operationen kommen dadurch zustande, dass zum einen viele Personen am Boden an der Mission beteiligt sind. Bei einer Mission wie Cassini, die sich über mehr als ein Jahrzehnt erstreckt kommen da enorme Beiträge zusammen. New Horizons versucht diese Kosten zu senken indem die Raumsonde den größten Teil der Reise in einem „Schlafmodus“ ist. Doch das kann auch nicht die Lösung sein. Obgleich die Computerleistung rapide angestiegen ist, werden heute noch Raumsonden so gesteuert wie vor 30 Jahren: Ein Meßprogramm wird ihnen übermittelt und sie werden über Kommandos gesteuert. Es sollte anders laufen: Die Raumsonde sollte selbstständig sein und einfach nur regelmäßig die Erde kontaktieren. Der Unterschied zum „Schlafmodus“ ist das sie dabei ein Meßprogramm ausführt und nicht einfach inaktiv ist.

Das zweite ist die Suche nach preiswerteren Alternativen, die zumeist leichter sind. Ich sehe hier schon seit Jahrzehnten die Ionenantriebe brachliegen. Dass Problem sind dabei nicht mal so sehr die Antriebe. Sie sind heute eigentlich ausgereift genug. Das Problem ist vielmehr die Stromversorgung. Ein Ionentriebwerk dass eine Leistung von 5 kW hat wiegt heute weniger als 10 kg. Doch die Solarzellen dafür wiegen noch ein vielfaches. Heute wiegt ein Quadratmeter immer noch 4 kg und liefert je nach Solarzellen 200-350 Watt. Ich war sehr erstaunt, als ich in der Wikipedia einen Wert von 300 W/kg für heutige Solarzellen fand (Stand der Technik und von der ESA z.B. für eine Jupitersonde mit nur Sonnenzellen als Stromversorgung gewählt sind 60 W/kg). Doch es scheint so als wäre das erreichbar. Immerhin hat ein Team einen funktionieren Solargenerator mit 180 W/m² mit Konzentratorlinsen entwickelt. Eine einfache Überschlagsrechnung zeigt, dass damit Raumsonden in relativ kurzen Zeiträumen (unter 1 Jahr) auf eine Geschwindigkeit beschleunigt werden können die ausreicht jeden äußeren Planeten in einem Jahrzehnt zu erreichen. (Die Zeitdauer spielt auch eine Rolle, da bei zu langsamer Beschleunigung sich die Raumsonde nach außen spiralt und mit steigendem Sonnenabstand die Beschleunigung immer kleiner wird. Die oben angesprochene ESA Studie geht von einer Reisedauer von 2,4 Jahren zu Jupiter aus (Sojus Start auf Fluchtgeschwindigkeit) bei einem Schub von 75 mN/Tonne (die energetisch günstigste Hohmann Bahn zu Jupiter liegt mit 2,25 Jahren nicht viel niedriger). Für 75 mN Schub bräuchte man aber nur eine Leistung von 2500 W, dass bei einem Solargenerator von 180 W/kg dieser nur rund 15 kg pro Tonne wiegen würde (für die 350 Watt die die Sonde bei Jupiter benötigt braucht man mit äquivalent 9,5 kW bei der Erde sogar einen größeren).

Meiner Ansicht nach ist es also an der Zeit diese Technologie mal auszuprobieren, wobei ich dann auch tendiere RTG als Stromquelle für den antrieb zu nutzen. Als ich vor ein paar Jahren davon las, war ich zuerst verblüfft, doch es funktioniert tatsächlich. Es sind damit nur kleine Raumsonden der Klasse 200-400 kg möglich, doch dafür kann man auch Uranus, Neptun und Pluto erreichen. Der Schlüssel liegt darin dass die RTG über Jahre konstanten Strom abgeben mit dem man dann langsam die Geschwindigkeit an die des Zielplaneten angleichen kann und sich dort einfangen lassen kann. Bei 750 W Leistung geht dies aber nur bei kleinen Sonden. Aber lieben eine kleine Sonde im Orbit um Uranus als darauf zu warten bis man in einigen Jahrzehnten mal die Möglichkeit hat dies auch mit einer großen zu machen.

Derartige Bestrebungen fehlen aber total. Soweit ich die bisherigen Vorschläge für die äußeren Planeten studiere sind es wieder allesamt chemische Antriebe. Dann wird es groß, es wird teuer und es wird ein Großprojekt…

Soviel dazu. Da ich derzeit Vollzeit am Korrekturlesen meines Buches arbeite heute nur ein kurzer Blog und bis ich das fertig habe auch kein neuer. Es fallen mir immer neue Sachen ein die ich noch aufnehmen könnte, wie eine Liste der RL-10 Treibwerke und deren Daten, oder ich schaue noch mal bei SpaceX vorbei um die Falcon Daten zu prüfen (Ergebnis: Schon wieder was verändert: Nun vor allem am Preis: Kostete vor ein paar Monaten noch ein 4500 kg Satellit in GTO noch 37 Millionen Dollar, so kostet nun ein 3000 kg Satellit schon 44 Millionen…. Und warum man überall Nutzlasten von 10.000 kg angibt, wenn im Users Guide drin steht dass die Struktur nur 6.800 kg Nutzlast zulässt? Ach ja ich vergaß es ist SpaceX, der Chaos Laden…).

Nun noch die Auflösung des Rätsels vom Montag, es hat sich keiner dran versucht oder es war wohl zu schwierig. Man möge die Abbildung mal daraufhin prüfen, wie die Besatzung ein/aussteigen soll…

11 thoughts on “Die Gefahr von Großprojekten

  1. War die Grafik nicht mit Ares I-X beschriftet? Alles was oberhalb des Shuttleboosters ist ist also sowieso nur ein Dummy.

    Vielleicht ist die NASA ja mal schlau geworden und baut den Startkomplex erst um wenn sie wissen, das die Ares I tatsächlich (mit Besatzung) fliegen wird.

    Gru0, Bernd

  2. Ja, es ist die Ares I-X. Das habe ich komplett übersehen, auch schon verdrängt, dass die NASA nun wieder mit dem stufenweisen Testen anfängt#ngt, wie es zum letzten Mal bei der Saturn IB üblich war…. Wenns nicht bei der ESA noch schlimmer wäre könnte man sich ja fast darüber amüsieren…

  3. Bei den meisten Satelliten Projekten mit chemischen Antrieben wird meines Erachtens auch noch ein anderer Punkt nicht beachtet. Zur Übertragung der Daten wird auch elektrische Energie benötigt, wobei hohe Leistungen einhergehen mit hohen Übertragungsraten. Weiterhin ist eine umso höhere Leistung nötig je weiter die Entfernung ist. Das bedeutet Satelliten mit elektrischen Antrieb benötigen eine starke elektrische Energiequelle für den Flug, die dann am Zielort für die Übertragung der Daten zur Verfügung steht.

  4. Auf http://www.russianspaceweb.com findet man zwei Konzepte für eine russische Sonde zu den äußeren Planeten und zum Merkur, die beide in den 90er-Jahren gestrichen wurden. Allerdings ist für den Fall eines Erfolgs von Phobos-Grunt vorgesehen, eine ähnliche Sonde zu einem Asteroiden und einem Kometen zu schicken (letztere soll „Kometa-Grunt“ heißen). Weiterhin sind Missionen zu allen vier Gasplaneten angesetzt, die zum Jupiter soll sich auch besonders Ganymed ansehen, die zum Saturn Hyperion und Iapetus, die zum Uranus Oberon und Titania und die Neptunsonde soll auch Triton erforschen.
    http://www.russianspaceweb.com/spacecraft_planetary_plans.html

    Es wird aber, denke ich mal, noch ziemlich lange dauern, bis es diese Sonden geben wird. Vor allem, weil Phobos-Grunt jetzt auf 2011 verschoben wurde (http://news.bbc.co.uk/2/hi/science/nature/8254820.stm) und Venera-D nun anläuft (http://www.russianspaceweb.com/venera_d.html).

  5. Mit RTGs ist es immer ein Großprojekt, schon wegen der möglichen Gefährdung. Unter dem aktuellen Präsidenten halte ich RTG-Starts auch für nicht durchsetzbar.

    Von der Gefährdung her wären übrigens kleine Kernreaktoren VIEL geringer als RTGs, insbesondere, wenn diese erst nach einem erfolgreichen chemischen Start auf einer Fluchtbahn gezündet werden. Allerdings haben Kernreaktoren bewegliche Teile, die kaputt gehen können, und sie erzeugen im Betrieb viel mehr problematische Hintergrundstrahlung als RTGs. Von daher sind sie nicht beliebt.

    Mit guten Zellen und Solarkonzentratoren sollte aber eigentlich eine Strom- und Wärmeversorgung möglich werden, die auch bei Uranus, Neptun und Pluto noch funktioniert. Dreimal dieselbe Sonde, optimiert für einen Sojus-Start auf Erdflucht, sollte pro Planeten eine überschaubare Kostensumme ergeben. Und wenn diese Sonden einen Sensor dabei haben, der bei Cassini oder Galileo fehlte, kann man weitere Kopien auf Saturn und Jupiter loslassen.

    Nur: Wer hat die nötige Lobby, der Politik diese „billigen“ Missionen zu verkaufen? Je mehr Ingenieuren und Professoren eine Mission den Broterwerb sichert, desto mehr Fürsprecher hat sie doch.

  6. Und wärs mit einer wiederverwendbaren Raumsondenschleuder? Gute Ionentriebwerke und Solarzellen haben eine Lebensdauer von 10 Jahren .
    Man bräuche ein Trägerschiff mit Ionentriebwerken und Solarzellen an der in Erdumlaufbahn die Raumsonde andockt. Dann wird im inneren Planetensystem beschleunigt – ein Jahr oder so – und die Sonde in passender Position abgekoppelt – und dann bremst man den Träger wieder ab und holt ihn wieder in die Umlaufbahn. Und wenn es wieder da ist startet man die nächste Sonde, die bringt gleich den „Sprit“ fürs Ionentriebwerk des Trägers mit – und das ganze Spiel startet von neuem. Mit etwas Glück klappt das drei, vier vielleicht auch sechs mal.

  7. @Martin Die Idee hatte ich auch mal. Doch würde ich dies eher beim Satellitentransport LEO < -> GEO einsetzen. Zum einen ist da der Treibstoffverbrauch viel geringer als bei interplanetaren Bahnen, zum anderen ist man wieder schneller in der LEO Bahn und als letztes gibt es auch viel mehr Nutzlasten, so dass es sich lohnen würde.

    Im Idealfall würde der Satellit den Treibstoff mitbringen und über eine Druckgasleitung zum Modul transferieren (verwendeter Treibstoff ist heute Xenon, ein Edelgas). Wenn Du dir die Tabelle „Einsatz im Erdorbit“ ansiehst (http://www.bernd-leitenberger.de/ionentriebwerke-energie.shtml) stellst Du fest, dass man nur 200 kg Treibstoff benötigt um 700 kg vom LEO in den GTO Orbit zu befördern. Wenn man nun noch 50 % dazurechnet für die Rückkehr der leeren Stufe und dann noch das Leergewicht der Drucktanks berücksichtigt so ist ein Zusatzgewicht von nur 375 kg notwendig. Eine Vega mit 2200 kg LEO Nutzlast könnte also netto rund 1400 kg in den GEO Orbit bringen, was einer GTO Nutzlast von rund 2700 kg entspricht. Übertragen auf die 10 mal leistungsfähigere Ariane 5 entspräche dies einer Transportkapazität von rund 25 t in den GTO, anstatt heute rund 9,6 t.

  8. @Bernd – Meinst du, dass dein RTG Vorschlag funktioniert? Die Leistung einer Radionuklidbatterie ist zwar unabhängig von äussern Einlüssen, aber die Leistungsdichte scheint mir unzureichend. Die GPHS-RTG von Cassini-Huygens wogen 57kg und leisteten 300W elektrisch – das sind nur 5W/kg während du Solarzellen mit einer Leistung von 60W/k hast. Ausserdem wird man bei Uranus, Neptun und Pluto die Leistung der RTG für die Geräte benötigen anstatt für den Antrieb. Klar kann man den Anteil nicht benötigter RTG Leistung je nach Flugphase für ein Ionentriebwerk abzweigen. Aber um 750W für ein Ionentriebwerk zu ziehen würdest du alleine 150kg RTG benötigen – dazu noch den Sprit – da bleibt von einer 200-400kg Sonde nix mehr über…
    Ich denke es steckt mehr Potential in der Solartechnik.

  9. Tja, wie sich inzwischen gezeigt hat, baut die NASA vorläufig erstmal so gut wie gar nichts mehr. Falls doch, dann mit alten russischen Triebwerken, welche ab und an explodieren. Ich finde es klug, wenn solche gigantischen Investitionen nun vermehrt durch die Privatwirtschaft erfolgen. Erfahrungsgemäß ist das Geld bei richtigen Kaufleuten besser aufgehoben als beim Staat.

  10. > Erfahrungsgemäß ist das Geld bei richtigen Kaufleuten besser aufgehoben als beim Staat.

    Was dazu führt daß sie alte russische Triebwerke verwenden. Das war eindeutig eine Entscheidung von Kaufleuten, nicht von Technikern.

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