Nur eine Verteilungsfrage?

Immer wieder wenn es um Hungerkatastrophen geht egal ob verursacht durch die Natur (Dürre, Missernten) oder den Menschen (Krieg) kommt irgendwann das Argument: „Der Hunger wäre auf der Erde lösbar, wenn nur die Agrarüberschüsse einfach gerecht verteilt werden würden“. Ich habe da meine Zweifel, auch wenn ich zugeben muss, dass ich da in früheren Jahren gedacht habe, das wäre eine Lösung.

Insbesondere für Europa: Die EU garantierte ja lange die Agrarpreise und kaufte Überschüsse auf um sie zu vernichten oder einzulagern. Wer in meinem Alter (also den besten Jahren ist), der kann sich noch erinnern wie zu Weihnachten immer die Butter billiger wurde, weil die EU Butter billig auf den Markt warf um ihre Überschüsse abzubauen. Doch dem ist schon lange nicht mehr so. Man mag ja gerne auf die EU schimpfen und ich tue das auch gerne, weil die EU Verordnungen unser Lebensmittelrecht wirklich kaputt gemacht haben. Aber in der Agrarpolitik hat die EU es fertig gebracht die Überschüsse rapide zu reduzieren, auch weil nun es anders läuft: Wer zu viel produziert bekommt einen geringeren Preis und da in ganz Europa teurer als im Durchschnitt der Welt produziert wird bekommt man die Überschüsse auch nicht auf dem Weltmarkt los.

Heute gibt es kaum noch Überschüsse, aber selbst die wenigen richten noch Schaden an.

Sie werden nach Nordafrika verkauft und führen dazu dass dort bestimmte Bereiche der Landwirtschaft unwirtschaftlich werden. In einigen Staaten lohnt sich Hühnchenzucht und Milchwirtschaft nicht mehr. Anstatt lebendiger Hühner gibt es auf dem Markt Hühner in Kleinportionen zu kaufen und noch perverser anstatt frischer Milch Milchtrockenpulver. Das übrigens Hühner als Überschuss produziert werden, daran trägt der Verbraucher mit Schuld: Der kauft nur noch selten ganz Hühner oder Hähnchen sondern möchte nur noch Schlegel oder Flügel – der Rest wandert nach Afrika.

Für die EU ist es die billigste Möglichkeit ihre Überschüsse loszuwerden, da selbst wenn sie sie verschenkt sie noch Geld spart – Lagerung kostet auch Geld. Man kann nur froh sein, dass es nur noch geringe Überschüsse sind. Trotzdem scheinen die Folgen gravierend zu sein und zur Verelendung in den Ländern beizutragen.

Es kann noch schlimmer kommen. So fischen Fischer vor dem Senegal Fisch für die EU oder verkaufen ihre Fischrechte an EU-Schiffe die dann dort den Fisch holen, denn es in Nordsee und Mittelmeer nicht mehr gibt. Fisch ist seit jeder Fernsehkoch von der Wirkung von Omega 3 Fettsäuren schwärmt ja so beliebt. Ist ja auch echt gesund. (Dass der meiste verkaufte Fisch Magerfisch ist und somit kaum fett und kaum Omega-3 Fettsäuren entgeht den Fernsehköchen wohl). Bald wird wohl dann noch in Afrika Palm- und Palmkernöl angebaut, damit bei uns die Autos angeblich ökologisch fahren können. Deswegen wird ja schon in Indonesien und Brasilien der Urwald gerodet. Der Export von Überschüssen in Ländern in denen es regelmäßig Hungersnöte gibt würde auf Dauer nur eine totale Abhängigkeit von diesen Überschüssen schaffen. Manche Länder kommen seit Jahrzehnten immer wieder in die Schlagzeilen wie Äthiopien, da vermute ich eher, dass es zu viele Menschen oder zu wenig landwirtschaftlich nutzbare Fläche gibt.

Welche Lösung gibt es?

Ich glaube keine, zumindest nicht eine mit der alle zufrieden sind. Man könnte nun einfach sagen: Die EU zahlt nichts mehr für Überschüsse – Europa soll die auf dem Weltmarkt verkaufen. Wobei ich mit „Europa“ die Landwirte meine, nicht die EU. Sicher ist es sinnvoll nicht mehr zu produzieren als man verbraucht, doch bei Landwirtschaft ist das nicht so leicht möglich. Man möge sich nur mal an den Sommer 2003 mit Hitzewellen zurückerinnern oder an das letzte Frühjahr, das dazu führte dass wir z.B. von unseren vier Apfelbäumen nur gerade mal die Hälfte vom Vorjahr geerntet haben. Wenn Überschüsse nicht mehr verkaufbar sind oder nur zu einem geringen Preis, dann führt es dazu dass langfristig eher weniger produziert wird als Europa für die Selbstversorgung benötigt. Das scheint ja schon heute weitgehend der Fall zu sein wie ich diesem Spiegel Bericht entnehme.

Man darf sich auch nicht damit trösten, dass die EU hier noch ein kleines Licht ist und die USA mit ihrer industriell betriebenen Landwirtschaft und billigen Lebensmitteln wahrscheinlich viel größeren Schaden anrichtet. Zumindest könnte die EU anfangen das Zeug so zu verkaufen, dass es in Afrika nicht billiger als einheimische Erzeugnisse ist, auch wenn sie nicht alles losbekommt. Der Rest kann dann für Wohltätigkeitsaktionen in Europa (siehe Spiegel Bericht) oder bei akuten Hungersnöten verschenkt werden, aber eben nur der Rest und nicht als Dauerversorgung.

3 thoughts on “Nur eine Verteilungsfrage?

  1. Die andere seite des Problems ist hier wohl die viel größere. Nicht der Export aus der EU, sondern fehlender Import in die EU aus vielen Ländern. Zucker zum Beispiel, den wir hier unsinniger Weise aus Zuckerrüben herstellen, anstatt den immernoch deutlich umweltfreundlicheren (weil Platzsparenden) Rohrzucker aus Brasilien oder Kuba oder Haiti zu importieren.

    Könnte Haiti Zucker(!) (nicht Zuckerrohr) in die EU exportieren, dann könnte es zwar sein, dass meine Heimatstadt eine der wenigen verbliebenen Industriezweige verliert – aber die EU könnte das aus den bisher gezahlten Subventionen locker ausgleichen, während es für Haiti eine echte Chance auf Wirtschaftswachstum wäre.

    Entgegen allen Beteuerungen und neoliberalem geschwurbel, hat die Weltwirtschaft herzlich wenig mit freier Marktwirtschaft zu tun.

    Ob dabei nicht Bauern zu niedrigstlöhnen Ausgebeutet werden? Ja. Aber auch die sind dann immernoch besser dran als die 70% arbeitslosen Haitianer, die es schon vor dem Erdbeben gab. Und die Erfahrung zeigt, dass die Löhne in Entwicklungsländern exponentiell steigen – wenn auch von so niedrigem Niveau aus, dass sie sehr lange sehr niedrig sind, dann aber schnell westlichen Niveau erreichen können. Es dauert Jahrzehnte, aber Jahrzehnte harter Arbeit sind besser als ewige Armut.

  2. Ich glaube allerdings nicht dass die Haitianer davon sehr profitieren würden. Die Zuckerrorhrerträge sind anders als die Rübenzuckererträge stark variabel und abhängig von Düngung/Bewirtschaftung. Brasilien konnte z.b. die Hektarerträge durch veränderte Bewirtschaftung um den Faktor 5 steigern (auf 72,8 t/ha, Zuckerrüben 40.-70 t/ha). Wahrscheinlich würde der dadurch vil billigere Zucker aus Brasilien dann zu uns kommen als der haitianische.

  3. Mich stören immer die Begriffe, welche im Zusammenhang mit „Lebensmitteln“ (warum eigentlich nicht Nahrung?) verwendet werden. Das zeigt meiner Meinung nach, welchen Stand „unser täglich Brot“ in unserer Gesellschaft hat.
    Alleine schon „Lebensmittelindustrie“. Alles muß industrialisiert, standardisiert und möglichst immer gleich bzw. hochrein sein. Schönes Beispiel Zucker: normaler Haushaltszucker als einzelne sterile chemische Substanz.
    Noch perverser finde ich von Produktion zu sprechen. Gerade wenn es um Tiere geht. „Es werden Hühnchen produziert“ – genauso werden sie auch behandelt, wie Produkte. Es wird nichtmehr gesäht und geerntet, sondern hergestellt. Ein Bauer ist inzwischen auch LandWIRT.
    Wenn man sich die Geschichte (ab dem Mittelalter?) anschaut waren die Bauern meist die ärmsten (bzw. die mit niedrigsten Ansehen) der Bevölkerung. Dabei verdienen gerade die, die uns alle MIT versorgen ein hohes Ansehen oder wenigstens Respekt. Im Allg. wird ein Bauer jedoch als dumm dargestellt. Da alles andere ja „mehr Wert“ hat ist es kein Wunder, dass auch in der Landwirtschaft alles „industrialisiert“ wird.
    Etwas mehr Achtung und Respekt vor dem was uns ernährt und dem der es uns zu Verfügung stellt wäre sicherlich angebracht.

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