Hotel „ET“

So, ich denke heute wird das ISS/ATV Buch fertig sein und kann dann raus zum Korrekturlesen. Weil ich deswegen genug in den letzten Monaten über die ISS und ihre Versorgung, die politischen Querelen und was sonst noch damit zusammenhängt, gelesen habe wird wohl das für einige Zeit der letzte Blog zum Thema Raumstationen. Ich bin hier auch etwas enttäuscht von meinen Bloglesern, die wohl auf eine ergebnisoffene Frage nicht einsteigen, aber besser wissen als ich selbst, wie mein Alternativplan zur ISS aussieht…Na ja rummosern ist wohl einfacher als selbst sich mal hinzusetzen und das ganze zu durchdenken und manche scheinen den Blog auch mit einem Forum zu verwechseln.

Zum Abschluss: Man kann die Raumfähren nach der Ausmusterung kaufen – für 28,8 Millionen Dollar pro Stück, also ein echtes Schnäppchen (ich glaube die Endeavour kostete als letzte Fähre über 2 Milliarden bei der Herstellung). Das brachte mich auf die Idee dies mit einer alten Vorschlag zu kombinieren. Bevor die Space Shuttles operationell wurden, gab es mal die Idee die Tanks mit in den Orbit zu bringen. Es fehlt nur noch wenig, so dass bei rund 10 % niedriger Nutzlast der Tank in einen Orbit kommt. Dort sollten sie zu einer Raumstation ausgebaut werden. Es könnten sogar mehrere Tanks kombiniert werden. Auch Ruppe schreibt in seinem Buch über so was, doch ich habe beim Suchen nichts gefunden (Der Ruppe ist ein tolles Buch, leider völlig chaotisch geschrieben und das Stichwortverzeichnis hilft auch nichts, vielleicht findet Michel Van die Stelle).

Nehmen wir mal an. Heute greift das jemand auf und will den ET als Hotel ausbauen. Wie könnte das gehen.

Der Tank als Hotel.

Der Tank braucht erst mal einen Mikrometeoritenschutzschild. Das war in den späten Siebzigern ohne Belang, aber heute nicht. Der von Columbus wiegt 2 t, bei 95 m³ Innenvolumen. Der Shuttle Tank hat ein Volumen von 2075 m³, da die Oberfläche in etwa mit der Potenz 2/3 zur Fläche steht, resultiert somit eine 7,8 fach größere Oberfläche. Also eine Zusatzmasse von 16 t.

Am Wasserstofftank müsste unten eine Luftschleuse vorhanden sein. Ich plädiere hier auf einen CBM Adapter. Zusatzgewicht: 1 t. Dazu müsste es zwischen Sauerstofftank und Wasserstofftank einen Tunnel mit jeweils verschlossenen Luken geben, weil ja anfangs noch Treibstoffe drin sind. Dann kann noch an der Tankwand jeweils die Befestigung der später eingezogenen Zwischenwände angebracht werden und die Wasser und Stromleitungen und Anschlüsse für elektrische Geräte. Ein Innenausbau ist nicht möglich wenn der Tank zu schwer ist und würde auch die Funktion beeinträchtigen.

Im Orbit angekommen, müssen nun noch einige andere Komponenten gestartet werden:

  • Kopplungsadapter: Koppelt unten an den CBM Anschluss des Wasserstofftanks an. Erlaubt das Ankoppeln von fünf weiteren Raumfahrzeugen.
  • Solarzellenmodul / Solarthermiemodul: Liefert den Strom, wahrscheinlich sind auch zwei Module nötig.
  • Antriebsmodul: Im Prinzip nur eine Raketenstufe mit lagerfähigen Treibstoffen und einem Kopplungsadapter. Dient dazu nach dem Ausbau den Orbit anzuheben.

Diese können eventuell auch unbemannt gestartet werden. Die folgenden allerdings nur bemannt:

  • Inneneinrichtung: der Sauerstofftank (552 m³) nimmt die Crewquartiere, Hygieneeinrichtungen, Küche, Gemeinschaftseinrichtungen auf, die Lebenserhaltung, Stromkonverter, Kommunikation, Vorräte und Abfälle. Der Wasserstofftank von 29,46 m Länge und 8,38 m Durchmesser wird unterteilt in drei Decks in der Höhe und 9 Kabinen von je 3 m Breite in der Länge. In der Mitte bleibt ein 1 m breiter Gang quer durch den ganzen Tank (Jede Kabine hat rund die Abmessungen 3 x 3,7 m x 2,7 m und ein Volumen von durchschnittlich 32 m³). Wenn 2 Personen pro Kabine leben, so können in dem gesamten Tank 3 x 2 x 9 x 2 = 108 Personen wohnen. Das ist nicht besonders komfortabel, aber normale Quartiere auf einem Kreuzfahrtschiff sind es auch nicht.

Wie viel mag dies wiegen? Nun vergleichen kann man es nicht mit der ISS. Die ist vollgestopft mit schweren Racks. Der Vergleich mit dem Skylab OWS, der auch aus einer umgebauten Raketenstufe entstand ist sinnvoller. Der OWS wog 35,8 t bei 292 m³ Volumen. Damit würde ein ausgebauter Shuttletank rund 255 t wiegen.

Zum Tank würden die Bestandteile mit einem Frachtmodul kommen, ähnlich dem MPLM, nur eben ohne eingebaute Racks. Man könnte auch die beiden MPLM nehmen die jeweils 4,1 t wiegen und je 9,1 t Fracht transportieren. Dann wären 12 Flüge notwendig um den Tank auszubauen

Der Touristenshuttle

Die Touristen müssen nun zum ET kommen. Dazu benötigt man den Shuttle und ein Modul im Nutzlastraum welches die Touristen aufnimmt. Auch hier kann die Struktur der MPLM als Basis dienen. Es sollte aber Fenster haben, da der Tank selber keine hat und der Einbau vor dem Start schwierig ist. Wenn ich den ganzen Nutzlastraum von 18,3 m Länge ausnutze, ein Deck für Passagiere und ein darunter liegendes für die Fracht vorsehe, dann kann ich bei 6 Sitzen pro Reihe und einem Reihenabstand von 0,82 m die 108 Touristen unterbringen (sowie 24 Personen für die Versorgung der Touristen)

Angenommen jeder Tourist wiegt 120 kg mit Gepäck und eine 14 Tagesmission ist vorgesehen. Dann fallen beim derzeitigen System der Aufbereitung an Bord der ISS noch pro Tag 6 kg Versorgungsgüter pro Person an. Der Frachtbedarf beträgt dann 132 Personen + 6 Personen im Orbiter = 138 Personen * (120 kg + 14 * 6 kg) = 28152 kg. Basierend auf den Daten der MPLM müsste ein Modul, das diese Fracht transportiert leer 12,7 t wiegen. Wir benötigen also einen Shuttle mit einer Nutzlastkapazität von 40,9 t und das für einen etwas höheren Orbit als den meist angegebenen 185 km Orbit.

Die einfachste Möglichkeit die Nutzlast zu erhöhen ist es die Zahl der SRB zu erhöhen. Drei Booster erhöhen die Nutzlast für den ISS Orbit von 18,6 auf 33,6 t und vier Booster auf 45,2 t. Unter Berücksichtigung, dass kein 51,6 Grad Orbit, sondern nur einer von 28,5 Grad erreicht werden muss, ist sie sogar noch etwas höher, so dass eine drei SRB Booster Version reicht.

Flugplan

So könnte der Flugplan aussehen:

Aufbauphase:

  • Erster Flug leerer Tank
  • Zweiter Flug: Docking Adapter und Antriebsstufe
  • Dritter und vierter Flug: Zwei Solarmodule für je 220 kW Spitzenleistung
  • Fünfter bis zwölfter Flug: Inneneinrichtung

Danach befördert das Antriebsmodul die nun rund 321 t schwere Station in einen höheren Orbit und wird abgekoppelt. Später kann der Orbit mit Ionentriebwerken aufrecht erhalten werden, die den Wasserstoff der vom Lebenserhaltungssystem produziert wird, als Treibstoff nutzen. Davon fällt mehr an als man benötigt (ein noch weitergehendes System wäre bei vielen Touristen ratsam. Ein Sabatiersystem würde den Verbrauch pro Person um 0,5 kg/Tag senken).

Kostenabschätzung

Da schon nach 12 Flügen die Touristenbeförderung schon genauso hohe Transportkosten erfordern wie der Stationsaufbau spielt dieser keine große Rolle. Nehmen wir an, ein privatwirtschaftliches Unternehmen managt die Shuttles effektiver als die NASA und erreicht die nominellen drei Flüge pro Orbiter die technisch bei der NASA möglich waren so können über einen 10 Jahreszeitraum 90 Flüge erfolgen. Zwölf sind für den Aufbau nötig, bleiben also noch netto 78 für den Tourismus. Jeder soll 108 Touristen befördern und wie beim Shuttle zuletzt rund 600 Millionen Dollar kosten – dann kostet ein Ticket ohne die Hardware für die Station (nur Flugkosten) rund 6,4 Millionen Dollar. Da dann noch die Station dazu kommt (geschätzte Kosten: 5 Milliarden Dollar) und die Firma vielleicht noch 20 % Gewinnmarge verdienen möchte dann resultiert ein Flugpreis von 8,4 Millionen Dollar.

Das basiert auf der Basis wie die NASA das handhabt. Nehmen wir an ein innovatives Unternehmen drückt den Startpreis eines Space Shuttles wieder auf 300 Millionen Dollar, so halbiert sich der Ticketpreis natürlich und 4,2 Millionen Dollar. Das halte ich sogar für möglich, da die Shuttleflotte recht hohe Fixkosten aufweist und schon die Flugrate von 9 so die Flugkosten wieder auf 350 Millionen reduzieren müsste.

Verglichen dazu ist die Sojus richtig teuer. Selbst mit einem normalen Shuttle (2 SRM, Nutzlast 21,5 t in eine 407 km hohe 28,45 Grad Bahn) resultiert nur ein Ticketpreis von 16,2 Millionen Dollar.

Der Haken dabei: Findet man zeitgleich 108 Multimillionäre, denen dies wert ist? Wohl kaum. Das ist denke ich die Crux jedes Raumtransports. Wenn das Gefährt nur groß genug ist dann ist selbst ein Space Shuttle billig – berücksichtigt man dass er in etwa so viel Innenvolumen und Nutzlast wie eine Boeing 737 bietet – aber trotzdem wird man nicht die Ticketpreise erreichen, bei denen man so viele Personen auf einmal zusammen bekommt und die Anzahl derer die einen Millionenbetrag locker machen ist auch gering. Selbst wenn das Shuttle nur so teuer wäre wie eine Trägerrakete (also 100 anstatt 600 Millionen Dollar pro Flug) selbst dann wäre der Ticketpreis immer noch deutlich über 1 Million Dollar. Erst wenn man in Regionen kommt die mal für das Space Shuttle anvisiert wurden (11 Millionen Dollar pro Flug – aber im wert voin 1972!) dann wäre es wohl mit etwas über 100.000 Euro pro Flug massentauglich.

7 thoughts on “Hotel „ET“

  1. Ich denke bei einer 14 Tägigen Reise werden die Touristen nach ca 1 Tag die nase voll vom ahhh und ohh haben, und zu einer Betätigung im Raum bereit sein. Damit könnte man den größten Teil der Service crew sparen, besonders wenn nicht immer die ganze Belegschaft ausgetauscht wird, so dass immer 50% Touristen mit 1 Wo Erfahrung auf 50% Neulinge stößt. Ein wichtiger Punkt, der schon erwähnt wurde ist die Menge an Versorgungsgütern. Diese müsste dringend reduziert werden, oder auf einem billigeren Transportweg zum Hotel gebracht werden. Versorgungsgüter gehen nur nach oben, brauchen aber keine Landung.

    Beim Ausbau würde ich die Montage von mehreren Cupola vorsehen, sonst haben die Touristen nicht genug Gelegenheit die Erde zu beobachten. Auf dem Flug ist ein Aussichtsfenster eher überflüssig und führt zu chaos.

    Wie sieht es denn mit einer Nummer kleiner aus? Nach meinen Erkenntnissen müßte auch die Ariane Zentralstufe bei Verwendung von Flüssigtreibstoff Boostern in den Orbit kommen können. Das müsste für die Anzahl an Zahlungswilligen Millionären eigentlich reichen.

  2. Natürlich geht es eine Nummer kleiner. Aber der Tank fällt sowieso an. Natürlich könnte man wie gehabt sich auch eine Raumstation aus Modulen vorstellen die im Shuttle Frachtraum transportiert werden (oder sogar unbemannt gestartet werden -siehe mein Vorschlag zur „ISS2“. Die Fenster im Modul haben bei mir die Funktion der Cupola, da dieses dann für 14 Tage angekoppelt wird.

    In meinem Szenario bin ich davon ausgegangen, dass Privatindustrie es zwar besser hin bekommt als die NASA aber nicht um Größenordnungen (etwa gleicher Startpreis, nur leicht erhöhe Flugzahl). Daher auch die 14 Tagesmission – wenn 9 Flüge pro Jahr möglich sind gibt es zwischen zwei Flügen rund 6 Wochen. Also machen 1 Tages Stippvisiten nicht viel mehr Sinn.

    Sollte man tatsächlich den Flugplan denn die NASA für 1986 vorsah, also rund 5 Flüge pro Orbiter erreichen dann wäre das schon viel.

  3. Die Ideen, den Außentank mit in den Orbit zu nehmen und dort umzubauen, sind ja nicht gerade neu. Gemacht worden ist es nie, natürlich aus Gründen der Masse, also der in den Orbit zu transportierenden Nutzlast. Soweit ich das verstanden habe, spricht aber auch dagegen, dass dieser „Innenausbau“ ein hochkomplexer Vorgang ist und besser auf der Erde gemacht wird. Oder wie sehen Sie das, Herr Leitenberger?

  4. Ich habe nie 1 Tag Stipvisiten vorgeschlagen, sondern nur zum Ausdruck gebracht, dass die Touristen nach einem Tag Eingewöhnungszeit gerne bereit sind Ihre Speisen selber zuzubereiten, und ihren Müll selber wegzubringen, und dass dafür nicht 24 Servicekräfte vorzuhalten sind. Die notwendigen Schulungen können und müssen schon vor Reiseantritt auf der Erde durchgeführt werden. Wer nicht will bekommt zum Vorzugspreis nur die Schulung und fliegt eben nicht mit.

    Als kleinste Lösung für eine Unterbringung von zusätzlichen Personen wäre eine Erweiterung der ISS um ein ATV mit Durchgangstunnel und zweitem Koppeladapter möglich. Der zusätzliche Raum sollte für 2 Touristen und ihr Gepäck als Privatsphäre ausreichen. Das Modul würde sowiso zur Versorgung gestartet, nur müsste man sich mit dem Müll der ISS etwas sinnvolleres einfallen lassen als das ATV als goldenen Mülleimer zu betrachten.

  5. Auf der ISS hat es schon jetzt mehr als genug Platz. Auf Saljut wurden bei 70 m³ Volumen Langzeitaufenthalte aufgestellt. Die NASA rechnet mit 14 m³ Platz pro Person als Miniumum zum Arbeiten und das Shuttle hat bei 16 Tagesmissionen auch nur 70 m³ für alle.

    Problem: Ein Ticket auf der Sojus kostet schon 50 Millionen und die NASA duldet auf dem US Teil keine Weltraumtouristen.

  6. Die Menge zahlungswilliger Touristen wird noch mehr abnehmen, wenn kommerzielle near orbit Flüge angeboten werden, auf denen man auch schon die Erde als Kugel sehen kann.
    Das Kostenproblem ist nicht der Aufbau des Hotels sondern der Transport der Gäste. Neben dem Shuttle-Tank könnten auch die Ariane Stufen verwendet werden, aber das ist eine andere Geschichte un die soll an einer anderen Stelle erzählt werden.
    Wenn die USA keine Touristen dulden, dann wird es eine andere Nation doch tun. Hauptsache das ganze wird bezahlt.

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