Die „Bibel“

Nein, es geht heute nicht um einen religiösen Blog, sondern etwas worüber ich beim Stöbern bei Amazon gestolpert bin. Es ging um das Buch Ernährung des Menschen von Ibrahim Elmadfa, das gemischte Kritiken bekam. Die größere Zahl verriss es und die anderen lobten es. Dabei fiel mehrmals der obige Ausdruck, den ich noch aus meiner Studienzeit kenne.

Unter Studenten ist eine „Bibel“ ein Fachbuch in dem alles drin steht, was man für ein Fach benötigt, vorzugsweise um die Prüfungen zu bestehen. Meistens geschieht dies aus persönlicher Sicht, weil der Dozent sich nach dem Buch orientiert oder noch schlimmer der Autor dessen ist. Doch eine echte Bibel ist über eine Uni heraus bekannt und akzeptiert und auch von der Fachwelt als „Bibel“ anerkannt. Nun was sind die Eigenschaften solcher Bücher? Meiner Ansicht nach folgende:

  • Es steht in ihnen ein Großteil des allgemeinen Fachwissens eines Gebietes.
  • Sie sind meistens komprimiert geschrieben, erläutern weniger, sondern stellen die Fakten dar.
  • Sie nutzen daher oft Fach- oder Expertensprache, einfach weil ein Fachbegriff mehrere einfache ersetzt und die Autoren als Fachbücher natürlich von der  Benutzung der Fachsprache ausgehen.
  • Die Autoren haben eine hohe Reputation, ja sehr oft werden diese Bücher über Jahrzehnte publiziert, wenn längst die Autoren tot sind.

Es gibt daraus einige Folgerungen. Es wird schwer für ein Buch eine Bibel zu werden, wenn es ein einführendes Buch ist, oder das Fachgebiet sehr weitgefasst. So gibt es prominente Lehrbücher für anorganische Chemie und organische Chemie, wie z.B. den Hollemann-Wiberg, Dickerson-Gray oder Morrison-Boyd (oftmals werden die Bücher von mehreren Autoren geschrieben). Aber weil sie sich an Studenten wenden, die noch in den ersten Semestern stecken, sind sie mehr belehrend, als Fachbücher. Eine typische Bibel ist mehr ein Nachschlagewerk als ein Lehrbuch.

Die Chancen stehen viel besser, wenn es erst von einem höheren Semester gelesen werden können oder sich gleich an Fachleute wenden. Charakteristisch ist auch, dass sie viel Zahlenmaterial enthalten mit dem Studenten erst mal nichts anfangen können, weil es zu sehr ins Detail gehen würde, aber das für Profis wichtig zum Nachschlagen ist.

Bei Fachleuten kann ein Zitat aus der Bibel sehr schnell eine Diskussion beenden nach dem Motto „In XYZ auf Seite 123 steht aber da etwas anderes“. Wie schon gesagt gibt es nur wenige echte Bibeln. Für Studenten einer Uni, in der ein Lehrbuch in den Vorlesungen verwendet wird, mögen dieses als die Bibel schlechthin ansehen, doch wenn man im fortgeschrittenen Semester ist oder das Studium beendet hat, sind sie weitgehend nutzlos. Ein Kriterium ist daher, dass es auch nach dem Studium nützlich ist. Also von den Büchern die ich habe würde man wohl nur zwei als „Bibeln“ bezeichnen. Das eine ist „Strasburger, Lehrbuch der Botanik“ und das andere ist „Belitz, Grosch, Lehrbuch der Lebensmittelchemie“. Beide sind gepackt mit Informationen, in der Fachwelt akzeptiert und für Außenstehende nahezu unlesbar. Selbst ich lese den Belitz-Grosch nicht einfach so, sondern schlage konzentriert nach.

Zurück zum Einstieg: Ist Elmadfas Buch eine Bibel? Meiner Ansicht nach nicht. Es ist zwar nicht so geschrieben, dass man es als Unbedarfter lesen kann, aber für mich als chemisch vorgebildeten eigentlich nicht unverständlich. Gegenüber dem Belitz Grosch sogar richtig flüssig lesbar. Ich konnte allerding nicht erkennen, dass es außerhalb des Wirkungskreises von Elmadfa bekannt und akzeptiert ist. Im Gegenteil, viele andere verweisen auf andere brauchbare Bücher. Vor allem aber ist es nicht vollständig. Es behandelt nur ein Teilgebiet der Ernährungslehre, es fehlt die komplette Lebensmittellehre. Vielleicht war das auch der Grund, warum ich es damals kaufte, denn der ist ja Bestandteil auch meiner Ausbildung und so weitgehend überflüssig.

Ich habe inzwischen bei Amazon nachgeschaut und siehe da – in meinem Bücherschrank finden sich noch einige weitere Bücher die als „Bibeln“ bezeichnet werden:

Hollemann Wiberg (Anorganische und allgemeine Chemie)

Strassburger (Botanik)

Beyer / Walter (organische Chemie)

So richtig einverstanden bin ich beim H/M nicht. Es ist zwar ziemlich ausführlich und eher ein Nachschlagewerk als ein Lehrbuch, doch es erklärt auch viel und man kann es auch als Erstsemester verstehen. Das ist bei den anderen beiden nicht gegeben und der Beyer/Walter ist eigentlich gar kein Lehrbuch, sondern ein Nachschlagewerk, auch wenn es sich als solches schimpft (dafür aber auch noch nützlich wenn man die Reaktionsmechanismen schon verstanden hat).


8 thoughts on “Die „Bibel“

  1. Ich habe den Strassburger, und er hat mich zuverlässig durch mein Botanik Nebenfach gebracht.

    Ich fand ihn erstaunlich gut zu lesen, aber Leistungskurs Biologie ist dafür möglicherweise schon vorausgesetzt.

    Und ja, obwohl ich Informatiker bin steht das Buch immer noch im Regal.

  2. Würde man in Mathematik den Bronstein: „Taschenbuch der Mathematik“ schon als Bibel bezeichnen?

    Im Computer Bereich fällt mir nur „The Art of Computer Programming“ von Donald E. Knuth ein.

  3. Im Computerbereich würde ich noch „Die C Programmiersprache“ hinzufügen. Das Ding ist zum Aneignen con C absolut nicht zu gebrauchen und man versteht sofort warum Java und C# da eine Menge ausgemistet haben. der gute stroustroup kann wohl nichts einfaches, leicht verständliches schaffen….

  4. Ich hatte seinerzeit Botanik als Nebenfach in einem Geographie Studium. (Mein erstes Studium, ich habe danach noch Informatik gemacht)

    Botanik als Nebenfach gilt als sehr schwer, weil man fast den ganzen Umfang des Botanik-Teils eines Biologie Studiums mitmachen muss.
    Aber ich mochte Biologie schon in der Schule, also hat mir das nichts ausgemacht.

    Allerdings machte ich am Anfang den Fehler, Zytologie und Anatomie der Pflanzen nur anhand meiner Vorlesungsaufzeichnungen zu lernen. Irgendwie hab ich nur auswendig gelernt und die Zusammenhänge nicht richtig kapiert. Mein Prof hat das erkannt und mich in der Prüfung einfach noch mal nach Hause geschickt und gesagt, ich soll am nächsten Montag noch mal kommen. (sehr verständnisvoll, der Prof)
    Was ich gemacht habe, war in das nächste Büchergeschäft zu gehen und mir den Strassburger zu kaufen. Über’s Wochenende die entsprechenden Abschnitte gelesen, und ich hatte die Zusammenhänge endlich kapiert. Am Montag noch mal in der Prüfung gewesen, und dann hatte ich eine 1,5.

    Ja, ich habe den Strassburger positiv in Erinnerung.

    Ich habe noch eine Bibel beizusteuern:
    Die „Bodenkundliche Kartieranleitung“ für Bodenkundler.
    War auch längere Zeit vergriffen, daher sehr gefragt.

  5. Herr Leitenberger, meinen Sie vielleicht:
    „The C Programming Language“ von Bjarne Stroustrup (C plus plus, nicht C) falls die Weboberfläche das wieder frisst.

    Für C wäre es ja eher „The C Programming Language“ von Brian W. Kernighan und Dennis Ritchie.

    Beide mag ich nicht so recht als Bibel für den Computerbereich bezeichnen, da sie sich jeweils nur mit einer Sprache beschäftigen, und auch da nicht als Referenz brauchbar sind.

    Wenn man nur „C plus plus“ betrachtet wäre ggf. „The Annotated C Reference Manual“ von Margaret Ellis, Bjarne Stroustrup als Bibel zu betrachten. Ich bin mir da aber gar nicht sicher.

  6. Ja ich meine c plus-plus, das hat auch bei mir die Kommentarfunktion geschluckt. Ich habe die deutsche Ausgabe, daher der Titel in Deutsch.

    @Michael: Ja mit den Geographen hatten wir auch den Zeichenkurs zusammen. Die Vorlesung für Botanik aber mit den Biologen, was für Lebensmittelchemiker absolut zu viel war, aber das war in Stuttgart wohl System. Dort saßen wir auch mit den Physikern in Experimentalphysik, während die ganzen Nebenfächer von unserer Chemiefakultät eigene Vorlesungen hatten die auf ihre Anforderungen runtergeschraubt waren.

    Mit der Prüfung hatten wir das Glück, das Botanik von jemanden geprüft wurde der dann auch im Hauptstudium noch die LM-Chem zu betreuen hatte und der dann mehr praxisrelavante Fragen stellte oder vom allgemeinen eher das was an fundamentalen Wissen wie Vermehrungszyklen wichtig ist und nicht etwa Details des Blattaufbaus von Rosaceen.

  7. Hmmm… – Interessant. – Wenn man jetzt noch die Information dazu nimmt, das „Bibel“ ja von „Bibliothek“ kommt, und im Falle der christlichen Bibel ja auch eine Sammlung von vielen Büchern darstellt, eine durchaus interessante betrachtungsweise.

    Jetzt stellt sich mir aber die Frage, welche Bücher aus anderen Fachgebieten in diese Kategorie passen. Hier mal eine Liste, die mir so spontan einfiel:

    Mathe
    Bronstein/Semendjajew, Taschenbuch der Mathematik

    Physik
    Gerthsen, Physik
    Bergmann/Schäfer, Lehrbuch der Experimentalphysik

    Informatik
    Niklaus Wirth, Algorithmen und Datenstrukturen

    Architektur
    Ernst Neufert, Bauentwurfslehre

    Elektrotechnik/Elektronik
    Beuth, Elektronik x, inzwischen 8 Bände
    Dieter Nührmann, Das große Werkbuch Elektronik 1-4: 4 Bände
    Tietze/Schenk, Halbleiterschaltungstechnik

    Noch ein paar Anmerkungen dazu:
    „Der Bronstein“ ist das erste Buch, das mir in diesem Zusammenhang noch eingefallen ist. Das ist in der deutschen Fassung inzwischen zwar stark überarbeitet, hat aber nach wie vor eher den Charakter einer Formelsammlung und die Erklärungen reichen meisst nur, um sich Sachverhalte in Erinnerung zu rufen, die man schon mal gelernt hat. Als Lehrbuch taugt es dagegen eher nicht.

    Das Physik Lehrbuch des Herrn Gerthsen, dessen erste Auflage in den 1940er Jahren erschien, wird nach wie vor fortgeführt, obwohl dieser auch längst nicht mehr lebt. Oder passt das nicht in diese Kategorie, weil es sich an Erstsemester wendet und dem entsprechend ein wirkliches Lehrbuch ist? – Die selbe Frage stellt sich auch beim Bergmann/Schaefer, wenn man nach den Rezensionen bei Amazon geht. – Ich muss dazu sagen, das ich beide Bücher nicht habe, allerdings mal aus der Bibliothek ausgeliehen. (Den Bergmann/Schaefer hätte ich allerdings auch gerne vollständig in meiner eigenen Bib, wenn ich das Geld und den Platz dafür hätte… )

    Der Wirth ist sicherlich auch jedem schon mal begegnet, der sich intensiver mit Informatik beschäftigt hat. Was mich angeht, würde ich zu dem Bereich allerdings das Buch von Sedgewick vorziehen. Aber das ist ein anderes Thema.
    Was die C und Cpp angeht, so sind meiner Ansicht nach die Standardbücher der Macher der Sprachen nicht zum erlernen der Selben geeignet. Also sowohl „Die Cpp Programmiersprache“ von Stroustrup, als auch „Programmieren in C“ von Kernigan/Ritchie. Obwohl… das neuste Buch von Stroustrup soll da ja besser sein.
    Bei Knuth würde ich aber auch zustimmen, dass man dieses Werk als Bibel des Fachs bezeichnen kann. Ich hoffe dabei blos, das er noch lange genug lebt, um auch alle der geplanten Bände fertig zu kriegen. Bisher sind es ja 4, sollen aber mal 7 werden.

    Die „Bauentwurfslehre“ von Ernst Neufert, der auch nicht mehr lebt, gibt es inzwischen in der 39. Auflage. Das Buch wird inzwischen von einer Familienstiftung weiter geführt, d.h. aktuell gehalten, was Normen angeht. Da lernt man oft schon was, indem man einfach nur die vielen Zeichnungen intensiver betrachtet.

    Die „Elektronik x“ ist eine Lehrbuchreihe auf Berufschulniveau, die aber meiner Ansicht nach bisher unübertroffen ist. Die Bände 1 bis 4 gab es schon in den 80er Jahren. Inzwischen sind es 9 Bände, die aber nicht alle von den Herren Klaus und Olaf Beuth geschrieben wurden.
    Ach ja und Tietze/Schenk ist auch so ein Buch, das sich eher zum Nachschlagen denn zum erlernen neuen Stoffes eignet.
    Die Bücher von Nührmann sind dagegen reine Nachschlagewerke, von denen ich gar nicht weis, ob es inzwischen was Vergleichbares gibt, das aktualisiert wurde.

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