Das ISS Gewurstel

Eigentlich sollte man annehmen, wenn man 20 Jahre an einem Projekt plant. Dann wird das auch was. Doch bei der ISS gilt wohl eher ein anderes Motto: zu viele Köche verderben den Brei.

Mal eine kleine Zusammenfassung. Das was wir heute als ISS kennen, wurde 1984 aus der Taufe gehoben. Das Shuttle war nun operationell geworden, es konnte an das nächste Projekt gehen, einer amerikanischen Raumstation. Doch sehr bald geriet „Freedom“, wie das Projekt im kalten Krieg hieß, in Schieflage. Zuerst war der ursprüngliche Plan nach dem Challengerunglück nicht zu halten. Er setzte zahlreiche Montagevorgänge im All voraus und diese erschienen nun als zu riskant.

Dann wurde die Station zu teuer und es stand mehrmals auf der Kippe. Die Wende kam, als man bei der NASA auf den Dreh kam die Russen mit ins Boot zu holen. Zwei russische Module sollten ein Antriebsmodul und Wohnmodul der USA ersetzen. Da diese auch Finanznöte hatten, war dies die Möglichkeit ihre Mir-2 fertigzustellen. So wurde daraus eine US-russische Raumstation. Drei Jahre später kamen dann noch Japan und Europa dazu, die sich schon an Freedom beteiligen wollten. Während die Zusammenarbeit bei der Konzeption der Station mit Japan und der ESA noch gut lief – sie stellten Elemente für die Station als Kompensation für den Transport der Labore mit dem Shuttle her, gab es von Anfang an einen Sollbruchpunkt bei Russland. Die Raumstation ist nämlich nicht so sehr international, sondern eher eine Verbindung einer russischen Raumstation mit einem westlichen Teil. Russland hat eine eigene Ausstiegslucke, eigene Ankopplungspunkte, und sie sollen es natürlich selbst ausbauen. Sie haben auch das Recht auf ihrer Station und Wohnkabinen für ihre zwei Astronauten – und nutzten das auch aus, um Weltraumtouristen zu befördern, welche die NASA nicht auf der ISS haben wollte.

Das es mit Russland nicht richtig lief zeigte sich schon während noch an der Station gebaut wurde. Die NASA musste Gelder zuschießen, damit das zweite Modul rechtzeitig fertig wurde. Die russischen Module wurden nach und nach gestrichen und auf eines reduziert, das nun 15 Jahre nach dem restlichen endlich ins All gebracht werden soll. Doch sollte sich die NASA nicht beschweren, denn schon vor Columbia dachte sie selbst schon wegen den explodierenden Kosten die Station nur im Kern fertigzustellen und als die Columbia verloren ging, wurden ein Forschungsmodul, das einzige reine Wohnmodul und das Gefährt zur Rettung der Crew gestrichen.

Genauso wenig stimmte man sich bei den Transporten ab. Im Prinzip war klar, dass Russland ihre Sojus/Progress einsetzen würde und die USA ihre Shuttles, die ja neben der Mannschaft auch bis zu 17 t Fracht zur Station bringen konnten. Sie existierten und waren erprobt. Die anderen beiden Juniorpartner bekamen dann nur die Vorgaben, was sie bringen sollten – und jeder entwickelte einen eigenen Transporter. Sinnvoll wäre wohl eher eine Zusammenarbeit und ein gemeinsamer Transporter. Vor allem weil für Europa und Japan ja die Zahl ihrer Flüge begrenzt ist.

Als die Columbia verglühte, wäre erneut Gelegenheit gewesen, das Transportsystem zu überdenken, denn nun fiel ja das Space Shuttle aus. Das heißt auch, die USA benötigten einen eigenen Transporter. Man sollte nun annehmen, dass die ISS als 100 Milliarden Euro Projekt wichtig genug ist, als dass man diese Frage nicht auf die lange Bank schiebt und vor allem damit auch jemanden betraut, der sein Geschäft versteht. Doch was macht die NASA? Anstatt Lockheed-Martin und Boeing zu beauftragen, welche den (zumindest in meinen Augen nicht ganz unsinnigen Vorschlag) hatten, einfach angepasste Versionen des ATV und HTV mit US-Trägern zu starten, also schon existierende und verfügbare Transporter und Träger zu nutzen, gibt man erstmals zwei Entwicklungsaufträge an zwei Firmen, die bis dahin im Raumfahrtgeschäft noch nichts bewegt hatten: SpaceX und Rocketplane-Kistler. Sie hatten beide weder einen verfügbaren Transportern noch eine Trägerrakete. Bis die NASA nach einigen Monaten merkte, das Rocketplane-Kistler pleite war und sie dann ein Jahr später den Auftrag nochmals an OSC vergab. Das war übrigens 2006, also gute drei Jahre nachdem die Columbia verloren ging – Fehler Nummer zwei, dadurch verliert man wertvolle Zeit.

Erst kurz vor Jahresende 2008, also nochmals einige Jahre später wurden dann die eigentlichen Transportverträge vergeben (vorher waren es ja nur Entwicklungsauftrage). Natürlich an dieselben Firmen – das wundert nun sicher keinen mehr. Was man in der Summe hat ist eine Reduktion der Versorgung von 4 Shuttleflügen pro Jahr (jeweils für über 10 t Nettofracht gut) auf 5-6 Versorgungsflüge von OSC und SpaceX pro Jahr mit einer Gesamtkapazität von 8 t, also weniger als einem Shuttletransport. Was dann passiert, wenn eine der beiden Firmen ausfällt kann man sich ja denken.

Noch lustiger ist, dass bisher das kommerzielle Crew Transportprogramm, das nochmals zwei Jahre später initiiert wurde, bisher nur Aufträge für Vorentwicklungen vergab, aber noch keinen für ein Raumfahrzeug. Rechnet man optimistisch mit einer Vergabe 2012 und einen realistischen Rahmen von mindestens 5-6 Jahren für die Entwicklung eines Raumfahrzeugs, so wird es nicht vor 2017/18 zur Verfügung stehen, wenn sich selbst die verlängerte Betriebsdauer der ISS zum Ende neigt. Aber die Orion, an der man seit 2006 arbeitet, darf nicht zur ISS.

Kalt erwischt hat die Verlängerung auch die ESA, die nicht mehr ATV bestellt hat als die bis 2015 benötigte, aber auch verzichtete Vorzusorgen, dass man weitere bauen kann. Dazu kommt, dass die NASA nun wegen einer höheren Umlaufbahn weniger Treibstoff benötigt, der Hauptfracht des ATV, also auch so ein Problem sich ergibt. Die einzigen Profiteure sind die Russen, die nun Sojusflüge anbieten können und damit gutes Geld verdienen.

Die Betriebszeit der ISS wurde verlängert, bis 2020, manche planen sogar bis 2028, doch dafür gibt es keine Langzeitplanungen. Doch was ich vermisse: Wie sieht es mit Ersatz aus? Ersatz für Systeme die defekt sind, bis hin zu Modulen die ja auch ausfallen können (siehe Mir). Schlussendlich wird die Station länger betrieben werden als jede vor ihr. Geplant war mal ein Betrieb bis 2015, was 17 Jahre für das älteste Modul sind, schon ein Jahr mehr als bei Mir. Nun werden es 22 Jahre sein. Mal sehen, was passiert wenn ein wirklich wichtiges System ausfällt….

Zum letzten Teil: wer hat was von der ISS. Natürlich kann man philosophieren über den Nutzen in der Öffentlichkeitsarbeit. Doch quantifizieren kann man sicher nur den wirtschaftlichen und Forschungsnutzen. Den letzteren weniger in Ergebnissen als vielmehr Auslastung. Ein wirtschaftlicher Nutzen ist für Russland gegeben. Alleine die Zahlungen der USA für den Transport von Astronauten und Fracht sind so hoch, wie 40% des nationalen Weltraumetats. Geforscht wird dagegen auf dem russischen Teil kaum. Das einzige Forschungsmodul (dass aber hinsichtlich Volumen und Masse auch nicht mit den westlichen Labors vergleichbar ist) wird erst noch gestartet. Japan hat das größte Labor an Bord, aber es wurde aus genau diesem Grund auch ohne Ausrüstung gestartet, sonst wäre es zu schwer gewesen. So bringt nun jedes HTV ein weiteres Rack an Bord. Die USA nutzen nicht einmal ihr eigenes Labor komplett aus, geschweige denn die vertraglich zugesichten Nutzungsrechte bei Kibo und Columbus. Konkret ist wenig über die Nutzung zu erfahren, weil die einzelnen Racks weitgehend weiter an Universitätsinstitute abgegeben wurden. Bislang ist das die ESA, die Raumfahrtagentur die sowohl ihr Labor weitgehend ausgestattet hat, wie auch europäische Racks im US-.Labor stehen.

Nur haben sowohl Japan wie auch ESA nun Probleme, Astronauten zur Station zu bringen. Es sollten mal sieben Personen dauerhaft an Bord sein, alle 90 Tage ausgewechselt. Während ein Shuttle ankoppelt können weitere Personen kurzzeitig für 1-2 Wochen mitarbeiten. Nun fällt dies weg und es sind nur noch 6 Personen die im 180 Tages Rhythmus ausgetauscht werden – die beiden kleinen Partner haben daher einige Probleme einen Astronauten an Bord zu bekommen. Konkret steht der ESA ein Astronaut alle zwei Jahre für sechs Monate zu. Dafür bezahlt sie rund 400 Millionen Euro pro Jahr plus ein ATV jedes Jahr – viel Geld. Zuviel Geld?

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