Die „Roberts“ und „Susans“

Kürzlich hatte ich ein eintägiges Didaktikseminar. Dabei wurde uns dieser Film gezeigt. Er stellt zwei Studententypen vor: Die „Susan“, die am Stoff interessiert ist, die Vorlesung aktiv mit verfolgt, den Stoff nachbereitet und reflektiert und den „Robert“ Typ, dessen wichtigstes Ziel es ist, mit möglichst wenig Aufwand einen Abschluss zu erreichen. Interesse am Studium? Zumindest nicht am Lernen, mehr an dem Studentenleben.

Der Film meint dann, man könnte die „Roberts“ zum Lernen bewegen, indem man sie mit „Susans“ in Gruppen steckt und den Stoff/Klausuren so aufbereitet, das zum Bestehen nicht nur Kennen und Verstehen nötig ist, sondern auch das Anwenden. Ich bin da skeptisch, denn es gibt ja noch eine zweite Richtline, und zwar die, dass der Durchschnitt aller Klausurnoten politisch gewollt 2,5 betragen soll. Das bedeutet, man kann die „Roberts“ nur begrenzt durchfallen lassen, obwohl sie mittlerweile mehr als zwei Drittel aller Studenten stellen. Noch schlimmer: Nach diesem Film nimmt die Anzahl der Roberts laufend zu. Vor 30 Jahren gab es weitaus mehr Susans als Roberts und nun hat sich das Verhältnis umgekehrt. Das ist auch meine Beobachtung. Ich habe ja die Gelegenheit drei verschiedene akademische Systeme kennenzulernen. Beim ersten Studium eine Uni, beim zweiten und der nachfolgenden Berufstätigkeit eine Fachhochschule und nun als Dozent eine Duale Hochschule. Das Niveau ist laufend gesunken. Sowohl was ich an Interesse, Eigeninitiative und Vorbildung bei den Studenten feststelle, wie auch dem Anspruch der Lehre.

Ich habe auch gelernt, dass bei einem Bachelorstudium in der Lehre die Anforderung auf die Ebene des „Anwendens“ gelegt wird. Das ist die dritte von sieben Ebenen der Bloomschen Lernziele. Die erste ist „kennen“, also das was Roberts tun (im Prinzip die Überschriften und Zusammenfassung jedes Kapitels durchlesen), es folgt „Verstehen“, also den Unterrichtsstoff nachbeten können, dann eben Anwenden (das erlernte selbstständig einsetzen). Was nur in der Bachelor Arbeit gekonnt werden muss, ist „Analysieren“, also unter Anwendung des vorhandenen Wissens neue Schlüsse ziehen. Das geht noch so weiter. Der Master ist auf Stufe 6 angesiedelt und eine Doktorarbeit erreicht die höchsten Ebenen. Wenn ich mein erstes Studium Revue passieren lasse, mit Kollogs in denen man Fragen gestellt bekam, die mit dem vorhandenen Wissen nicht zu lösen waren und der 3-Monatsarbeit die so der Ersatz für die Diplomarbeit war bei der ich eine neue Analysenmethode ausarbeiten musste, dann ist klar, dass dies nicht mit dem Studium vergleichbar ist, das die Studenten an der DHBW genießen.

Doch das ist nur ein Gesichtspunkt. Das das Bachelorstudium in meinen Augen vor allem durch die Kürze und die Betonung auf Praxisorientierung mehr drauf hinausläuft den Technikerabschluss zu ersetzen, ohne dass die Studenten, wie man es von einem Hochschulabschluss erwartet, befähigt sind auf Basis von Grundlagen sich leicht in neue Anforderungen hineinzuarbeiten und Aufgaben zu bewältigen. Stattdessen ist gefragt die vermittelten Kenntnisse einfach nur praktisch anzuwenden. Eben gerade so viel wie der Betrieb momentan benötigt. Dramatischer ist jedoch ein anderer Aspekt: die Zunahme an „Roberts“.

Die Benotung von Studenten ist ja nicht absolut, sondern sie soll statistisch korrekt sein. Das bedeutet die Mittelnote muss um 2,5 schwanken und die Verteilung eine Normalverteilung sein, also mit den meisten Studenten bei 2,5 und den wenigsten bei 4 und 1. Gibt es nun immer mehr „Roberts“, also Studenten, die gerade so viel tun um durchzukommen, dann wird dies das Niveau konstant senken. Wenn man eine Klausur über Themen die sich im Laufe der Jahrzehnte kaum ändern – nehmen wir mal die Grundlagen in Naturwissenschaftlichen Fächern, die meist schon etwas älter sind – immer in der gleichen Form schreibt, dann müssten die Studenten also immer schlechter werden. Da aber der Durchschnitt immer gleich bleiben muss senkt man die Anforderungen ab. Und das genau ist der Effekt der Roberts auf die Ausbildung: Das Niveau sinkt.

Wie dem entgegentreten? Nun viele Unis selektieren die Studenten vor dem Studium aus. Es ist also eine Eingangsprüfung vorgeschaltet. Das zweite ist, dass wenn das Studium im Niveau immer weiter sinkt, das früher „normale“ Niveau nun eben zur „Elite“ mutiert. Der Begriff ist ja bei uns negativ besetzt. Aber das greife ich mal in einem anderen Blog auf. Vielleicht wird es an der Zeit einfach den Begriff auszuwechseln, also anstatt Elite eben „Premium“ oder „Professional“. Am System wird man nichts ändern können, da ja politisch gewollt ist, das möglichst viele ein Studium aufnehmen. Der Anteil der Hochschulabsolventen soll möglichst hoch sein. er soll ja in Deutschland geringer als in anderen Industrieländern sein. Vielleicht ist es auch ehrlicher eine Zweiklassengesellschaft aufzubauen. Eine für die „Susans“ mit einem Masterabschluss und festen Kriterien die sich nicht ändern, eben der klassischen Hochschulausbildung mit einem qualifizierten Abschluss und die eben auch zulassen, dass die Roberts, die sie nicht erfüllen in den ersten Semestern ausgesiebt werden, so wie ich das noch von meinem ersten Studium kenne. Und eben die Bachelors für die Roberts, als kostengünstiger Ersatz für die Industrie die keine Techniker selbst ausbilden will.

6 thoughts on “Die „Roberts“ und „Susans“

  1. Moin Bernd,

    die extremsten Susans und Roberts hab ich bei Chinesischen Studenten erlebt:

    – Die einen kommen an die Uni, entdecken die Möglichkeiten einer Elite Uni, und fragen mich, ob sie ihre Essenskarte gegen meine Druckerkarte tauschen können, um das Internet auszudrucken.

    – Die andern kommen an die Uni, sehen das lockere Leben in Deutschland, und fragen den Prof vor Ende des Semesters, mit einem Stapel Geldscheinen, ob sie eine gute Note bekommen können.

    Ich kenne die normale Deutsche Massenuni nicht so gut, aber ich fürchte, dass der Umstieg vom Diplom auf Bachelor und Master, und das damit zusammenhängende Credit System, dem durch Computerspiele gebildeten Deutschen einen größeren Hebel für Gamification liefert.

    Gamification wird heute meist positiv als Motivation benutzt. So könnte dein Blog, z.b. die Anzahl der Postings deiner Leser zählen, und diesen hochtrabende Titel verpassen. Der Hauptnachteil der Gamification jedoch ist, dass heute fast jeder Erfahrungen mit Computerspielen hat, und damit der Prozentsatz der Nutzer steigt die das Spiel als Spiel betrachten, bei dem es darum geht die Regeln, Features und Bugs so weit wie möglich auszunutzen, um mit geringstem Aufwand zu gewinnen.

    ciao,Michael

  2. PS: Auch der erste Chinesische Student, hat die Spielregeln, dass Studenten umsonst Essen aber ab 100 Seiten pro Monat die weiteren bezahlen müssen, während Mitarbeiter umsonst Drucken können, aber fürs Essen bezahlen müssen, schnell begriffen, und für sich ausgenutzt.

    Ich denke wo immer es Regeln gibt, wird es Menschen geben die Bugs dieser Regeln ausnutzen.

    Ob das Bachelor, Master, Credit System mehr Bugs bietet als das traditionelle Diplom im Projektstudium, weiß ich nicht. Es könnte auch sein, dass mir diese Bugs damals als Mitarbeiter einer Elite Uni anders auffallen, als meine Erfahrungen im Projektstudium, wo es z.b. üblich war, dass ich die Mathematik gemacht hab, während andere die sprachlich geschickter sind die Dokumentation gemacht haben und alle zusammen ihren Schein für eine erfolgreiche Projektarbeit bekommen haben. Auch die die wir durchgeschleift haben.

    ciao,Michael

  3. Hallo Bernd,

    das mit der politisch gewollten 2,5 kann ich nicht ganz bestätigen. Bei uns an der Uni fällt schonmal ein halbes Matrikel durch, wenn halt die Hälfte nichts kann.
    Das Problem mit den Susans und den Roberts kommt sicher zu einem guten Teil von der Bachelor/Master Umstellung. Beim Diplom war das Studium als Student (zumindest bei uns) recht frei. Wenig Fristen, Prüfungstermine konnte man noch persönlich festlegen. Wenn man eben sich 4-6 Semester „Zeit gelassen“ hat (Roberts) dann hatte man trotzdem noch die Möglichkeit in den letzten Semestern das Studium zu schaffen (Susans). Man hatte die Möglichkeit auch mal ein wenig zu „Gammeln“ und sein Ding zu machen. Am Ende haben sich die meisten meines Matrikels aufgerafft und das Studium doch noch durch gezogen. Das funktioniert aber nichtmehr wenn man von vorn herein weiß, dass am Ende des Semesters X Prüfungen sind und man die machen MUSS und sowieso nur 6 Semester Zeit hat. Das ist Mmn zu wenig flexibel für Studenten und Dozenten.

    Greez!

  4. „dessen wichtigstes Ziel es ist, mit möglichst wenig Aufwand einen Abschluss zu erreichen.“

    ja, früher hat man studiert weil man Interesse hatte, man vielleicht forschen oder Arzt werden wollte…

    Wenn man heute nicht studiert ist man eine austauschbare Größe auf den Arbeitsmarkt, schlecht bezahlt, halt Humankapital…

  5. Früher wurde nicht nur studiert, weil man Interesse hatte. Es wurde auch das studiert, was gebraucht wurde. Man hatte also eine Zukunft.

    Heute studiert man, weil es Mode ist, und die Fachrichtung die gerade Mode ist. Ob einen das Fach interessiert, oder ob es gebraucht wird, ist dabei völlig egal. Wenn man aber von Anfang an weiß, daß es in dieser Fachrichtung so gut wie keine Jobs gibt, erhöht das die Motivation auch nicht gerade. Hartz IV macht keinen Unterschied zwischen Arbeitslosen mit oder ohne Uni-Abschluß.

    Und machen wir uns doch nichts vor: Auch mit erfolgreichem Studienabschluß wird man als lebendes Verschleißteil gesehen. Der Unterschied liegt nur im Preis.

  6. Hallo,

    das mit dem der Schnitt ist gewünscht kann ich bestätigen …

    Ich hab mal als wissenschaftlicher Mitarbeiter gearbeitet und musste dabei auch Prüfungen stellen und benoten … dabei war immer eins wichtig: Ein Excelsheet zu erstellen bei dem auf einer Seite 2 Felder waren, die die Punkte für 1.0 und 4.0 festgelegt haben … und ein Diagramm das die Notenverteilung angibt … so konnte der gaussche Kurve bei normalerweise 4.3 und höher vom Professor oder Doktor noch knapp unter die 4.0 verschoben werden … die andere gaussche Kurve lag dann genau bei 1.3 … der Lehrstuhl wird schließlich nach Studenten bezahlt die die Vorlesung besuchen, die will man doch nicht mit Leistungsdruck belasten …

    Es gab also wirklich genau zwei Kategorien von Studenten, das hat man ja auch im alltäglichen Arbeiten mit ihnen gemerkt … und das schlimme war dass die schlechte Gruppe durch dieses vorgehen bei der Benotung jedes Jahr schlimmer wurde, da sich die menge an punkten für eine 4.0 immer mehr verringerte … manche habens tatsächlich geschafft dreimal durch dieselbe Prüfung zu fallen und kamen dann angerannt um irgendwie noch 10 punkte in ihrer verkorksten Arbeit zu suchen die für ne 4.0 benötigt wurden … und machten dabei den Eindruck, dass sie das doch eigentlich auch wieder nicht interessierte …

    Manche scheinen zu glauben, dass wenn sie sich im Leben festgefahren haben ja doch wieder jemand einspringt und das für sie ausbügelt (vielleicht ja auch wirklich, zb die Eltern) … vielleicht sind wir einfach nur eine zu verwöhnte Generation … wenn wir den Karren an die Wand gefahren haben, dann laden wir alle einfach den letzten Spielstand und fangen nochmal von vorne an, oder? Wer will schon für sein Vergnügen arbeiten müssen … Arbeit gibts doch eh zu wenig, das wusste ja schon Lafargue 1880, als er von Überproduktion und den Grenzen des Wachstums schwafelte … ein Recht auf Faulheit?

    Wir haben es fast geschafft … nur noch ein bisschen weiter …

    HElados

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