Der kommerzielle Satellitenmarkt 1

Mein letzter Artikel über den kommerziellen Satellitenmarkt stammte aus dem Jahr 1999. Seitdem hat sich viel geändert. Ich habe mich entschlossen, anstatt den alten Artikel zu verändern, ihn als Zeitzeugen so zu lassen, wie er ist und diesen hier komplett neu zu schreiben. Da er sehr lang ist gibt es im Blog den Artikel in drei Teilen: Hier im ersten Teil geht es um den Markt und in den Teilen zwei und drei, morgen und übermorgen um die Träger.

Der Markt

Zuerst einmal: Um welchen Markt geht es? Wenn ich von einem „kommerziellen Markt“ spreche, dann ist dies ein Markt, bei dem ein Unternehmen einen Satelliten in Auftrag gibt, ihn starten lässt und betreibt und mit ihm Geld verdient, z.B. über Kommunikationsdienstleistungen oder verkaufte Produkte wie Satellitenbilder. Denkbar wäre auch die Fertigung im Weltraum. Seit gut drei Jahrzehnten gibt es den Satelliten in den geostationären Orbit zu starten, die dann Telekommunikationsdienste anbieten.

Als meinen älteren Aufsatz schrieb, sah es noch so aus, als könnte dieser durch einen zweiten Markt für erdnahe Satelliten, die anders als geostationäre Satelliten, das Senden und Empfangen mit Mobiltelefonen zulassen, sich etablieren würde. Dies hat sich jedoch anders entwickelt. Der Pionier Iridium geriet in Finanznöte und wurde übernommen, die Weiterentwicklung des Systems verläuft auf niedrigem Level und mit geringem Kapitaleinsatz. Globalstar konnte sich halten, doch die Umsatzprognosen erfüllten sich nur zum Teil. Andere Systeme die Mitte der Neunziger Jahre angekündigt wurden (Telesdisc) gingen gar nicht erst in Betrieb.

Auch sah es damals so aus, als gäbe es einen Markt für Satellitenbilder. Ende der neunziger Jahre wurde begonnen, Erdbeobachtungssatelliten zu starten, die nicht von Raumfahrtagenturen in Auftrag gegeben wurden, wie Iconos, Worldview, Eary Bird. Doch es zeigte sich, dass die meisten dieser Satelliten von US-Betreibern kamen und ihr Hauptkunde das NRO ist. Bei den Kriegen in Afghanistan und Irak wurden alle Bilder dieser Region vom Militär gekauft und bei den neuen, viel leistungsfähigeren Modellen, werden zuerst alle Bilder vom NRO gekauft und dieses gibt dann diese in reduzierter Auflösung frei oder eben nicht. Der wesentliche Unterschied ist, dass das Militär nun weniger eigene Aufklärungssatelliten kauft und stattdessen Hauptkunde bei Digiglobe und anderen Anbietern ist. Sie sollen nun auch Aufträge für eine neue Generation dieser Satelliten bekommen, bei denen ein Abnahmevolumen schon vor dem Bau zugesichert wird. Demgegenüber sind die Aufträge anderer Kunden (der größte ist Google mit Google Maps) nur Peanuts und es gibt nur wenige Systeme von Nicht-US-Betreibern, da diese nicht diesen Hauptkunden aufweisen können.

Das Wort „Commercial“ wird wie „private“ in den US-Medien inflationär benutzt, wenn es um Transporte zur ISS geht. Gemeint ist aber damit die Sicht von der NASA aus. Sie brachte diese Worte in ihren Pressevereinbarungen in Umlauf. Anstatt selbst zu entwickeln, vergibt die NASA Entwicklungsaufträge und Transportaufträge. Das ist von der NASA-Sicht aus „kommerziell“ und es sind „private“ (nicht regierungseigene) Auftragsnehmer. Doch privat ist keines dieser Unternehmen (im Sinne einer Gesellschaft die einer oder wenigen Personen gehört wie bei uns eine GbR oder KG), sondern es sind börsennotierte Aktiengesellschaften (oder im Falle von SpaceX zumindest teilweise im Besitz von Investmentfondsgesellschaften) und kommerziell ist dies auch nicht, da die Auftragsvergabe nicht frei ist, sondern sich nur US-Unternehmen bewerben konnten. Die Hersteller der ATV, HTV oder Progress, also schon existierender Transporter konnten sich z.B. nicht bei den COTS Ausschreibungen bewerben.

Leider wird dieser Tatbestand auch bei Fachautoren und den Medien immer falsch dargestellt, auch weil sich „privat“ doch so viel besser anhört.

Nicht für jeden Anbieter verfügbar ist auch der Markt der Forschungssatelliten. Hier startet jedes Land diese mit ihren eigenen Raketen, auch wenn gerade bei den kleinen und mittleren Nutzlasten es sehr viele konkurrierende Systeme mit dadurch sehr geringen Startzahlen gibt und dem boomenden Sektor der Navigationssatelliten: Die USA, China, Europa und Russland bauen bzw. unterhalten je ein GPS-System. Das sind zusammen rund 120 Satelliten, die bei einer typischen Lebenszeit von 10-12 Jahren alleine den Start von 10-12 Ersatzsatelliten pro Jahr nötig machen, also als Markt durchaus lukrativ wären.

Die Entwicklung bei den geostationären Satelliten seit Beginn des Jahrtausends

Seit mit Early Bird der erste geostationäre Satellit startete, steigen die Startmassen an. Dieser Trend hielt auch im vergangenen Jahrzehnt an. Trägerraketen müssen dem folgen, also in ihrer Transportleistung gesteigert werden oder sie werden ausgemustert wie Ariane 1-4, die Delta oder die alte Atlas mit dem MA-Block. Der Anstieg ist aber langsamer geworden. Das hat einige Gründe.

Zum einen war ein Grund für den Anstieg des Gewichts nicht nur das die kommunikationstechnische Nutzlast schwerer wurde, also mehr Transponder oder eine höhere Bündelung bot und auch mehr Strom (größere Solarpaneele) benötigte, sondern auch die Lebensdauer der Satelliten stieg an. Heute sind 12-15 Jahre üblich. Ein Satellit im geostationären Orbit bleibt aber nicht an seiner Position. Er wird sich in Gravitationssenken bewegen und dies muss kompensiert werden, wofür man Treibstoff braucht. Je länger er betrieben wird, desto mehr. Da scheint nun die Ende der Fahnenstange erreicht. Es gibt schon Satelliten. die bestehen zu zwei Dritteln nur aus Treibstoff. Die Problematik: Außer dem Treibstoff werden auch Tanks um ihn zu transportieren und Triebwerke gebraucht. Bei zwei Drittel Treibstoff wiegen die auch rund ein Zehntel des Satelliten. Da bleibt nur noch ein Viertel des Startgewichts für die anderen Systeme übrig. Vor allem benötigt man für jedes Kilogramm Treibstoff, das man erst im fünfzehnten Betriebsjahr braucht, mehr als ein Kilogramm Treibstoff um es erst in den Orbit zu bringen und diese tote Masse über 14 Jahre lang an der Position zu halten. Eine immer längere Lebensdauer lässt also den benötigten Treibstoff überproportional ansteigen.

Als eine Lösung für dieses Dilemma gab es schon Ionentriebwerke für die Lageregelung als Ergänzung zum chemischen Antrieb, der dann weniger Treibstoff braucht. Bisher wagte aber kein Anbieter, auf diesen völlig zu verzichten. Das soll sich in den nächsten Jahren ändern. Gebaut werden nun erstmals „all electric“ Satelliten, die Ionentriebwerke auch nutzen, um das Apogäum in die endgültige Bahn anzuheben. Anstatt 50% der Startmasse dürfte der Antrieb dann nur noch 10% ausmachen. Als Folge wären die Satelliten erheblich leichter. China arbeitet an einer Modifikation ihrs DFS-4 Satelliten der mit Ionenantrieben ausgerüstet ist. Dieser (DFS-4S) wiegt nur noch 3.800 anstatt 5.500 kg, ist also um 31% leichter. Als Folge könnten erheblich mehr Träger Doppelstarts anbieten und auch Arianespace hätte weniger Probleme die Nutzlasten zu kombinieren. Bislang führt dies regelmäßig nur Arianespace durch, weil die Nutzlast der anderen Träger zu klein ist um Doppelstarts anzubieten.

Ein zweiter sehr wesentlicher Grund ist die Kompatibilität der Satelliten zu mehreren Trägern. Dies sind die maximalen Startmassen für Einzelstarts:

Träger Nutzlast beim Einzelstart (mit Adapter)
Ariane 5 ECA 10.100 kg
Proton M / Breeze M 6.160 kg
Zenit 3 SLB 6.160 kg
Atlas 551 8.900 kg (in 28° GTO), 6.860 kg in 0° GTO
Falcon 9 4.850 kg (in 28° GTO)
Falcon 9 Heavy 12.000 kg (in 28° GTO), ab 2014
Langer Marsch 5 14.000 kg (31° GTO), ab 2014

Sehr deutlich wird, dass ein Satellit mit rund 6 t Gewicht von drei Trägern transportiert werden kann. Darüber hinaus gibt es nur noch die Ariane 5, wenn die Falcon Heavy eingeführt ist, gibt es auch hier eine Alternative, zurzeit aber noch nicht. Damit gäbe es eine Abhängigkeit von einem Launch Service Provider (LSP). Auch wenn Ariane 5 von allen Trägern der zuverlässigste ist, so will sich doch niemand in Abhängigkeit begeben, denn wenn Ariane 5 wegen eines technischen Fehlers für Monate am Boden bleibt, so kostet dies viel Geld. Die Satelliten sind zwar gegenüber Verlust versichert, aber was nicht ersetzt wird, ist ein Zeitverlust, wenn er nicht oder mit Verzögerung gestartet wird. Ein Transponder generiert im Durchschnitt Einnahmen in der Höhe von 1,62 Millionen Dollar pro Jahr (in Europa sogar 3,2 Millionen). Die Investitionskosten betragen knapp 1 Million Dollar. Das bedeutet einen Gewinn von zwei Dritteln des investierten Kapitals (in Europa von über 200%). Es gibt mittlerweile Satelliten mit über 100 Transpondern, da entspricht eine Verzögerung des Starts einem Verlust von Einnahmen über 5 Millionen Dollar pro Monat. (Quelle: SpaceNews).

Daraus ergibt sich, das die Industrie Interesse hat, mehrere konkurrierende LSP am Leben zu erhalten. Nicht nur weil so die Startpreise niedrig bleiben, sondern weil sich so das Grounden eines Trägers nach einem Fehlstart nicht so stark auswirkt. Das zeigte sich. als Sea Launch ins US-Insolvenzrecht rutschte. Der Betreiber Intelsat und der Satellitenhersteller Loral gaben Garantien für Starts ab, damit Sea Launch nicht in Konkurs ging. Sie versuchten auch Lockheed Martin, welche die Atlas nicht mehr auf dem freien Markt anbot, wieder zur Rückkehr zu gewinnen und orderten Startaufträge. Nachdem es bei der Proton zahlreiche Fehlstarts gab, erfolgten Orders bei SpaceX. In jedem Falle sollten wohl mindestens drei LSP verfügbar sein.

Die Startzahlen haben sich inzwischen stabilisiert, nachdem sie in den neunziger Jahren einen Rekord erreicht haben. Verglichen mit damals sind sie um ein Drittel geringer, aber dieses Niveau hat sich gehalten. Die Startpreise sind in den letzten Jahren angestiegen, doch machen sie bei einem Projekt noch einen kleinen Teil der Gesamtkosten aus. Je nach Kosten der Trägerrakete und des Satelliten zwischen 25 und 40%, typisch etwa ein Drittel der Aufwendungen bis zur Inbetriebnahme im Orbit.

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