Ein Kommunikationsproblem – Teil 1

Heute und morgen will ich mich mal einem Problem widmen, dass verschiedene Lösungen hat die ich mal diskutieren will. Es geht um die Optimierung einer Venusmission. Eine sicher interessante Mission wäre es eine Kapsel zur Venusoberfläche zu schicken und während des Abstiegs Aufnahmen zu machen und zurück zu funken. Dazu erst einmal wie ungefähre Beschreibung der Mission. Heute geht es um das Problem selbst und Morgen um einige Ansätze es zu lösen.

Die Sonde selbst könnte eine einfache Weiterentwicklung der Pionier Venus Mission sein. Sie würde also beim Abstieg atmosphärische Messungen machen und durch einige Bullaugen Aufnahmen. Anders als bei den Venera ist keine Untersuchung auf der Oberfläche geplant, aber ein Gestell verhindert das Umkippen und fungiert als Stoßfänger.

Da die Betriebszeit begrenzt ist, müssen alle Daten in Realzeit übertragen werden und da gibt es drei Unwägbarkeiten:

  • Wie lange funktioniert die Sonde?
  • Ab wann sieht man die Oberfläche?
  • Welche Datenmenge kann man übertragen?

Fangen wir mit dem ersten an. Da gibt es Erfahrungswerte. Bei den Venerasonden betrug die minimale Lebensdauer 23 Minuten bei Venera 7. Bei Pioneer Venus überlebte eine Sonde den Aufprall um 67 Minuten. Man kann davon ausgehen dass auch die anderen Sonden den Aufprall überlebten, aber ohne Landegestell, dürften die runden Kapseln zur Seite gerollt sein und nur bei einer zeigte die Antenne zufälligerweise so dass man noch Daten aufnehmen konnte. Nehmen wir mal konservative 15 Minuten Überlebensdauer auf der Oberfläche an. Das erlaubt es zumindest ein Landepanorama aufzunehmen. Alles was darüber hinausgeht ist dann zusätzliche Zeit die man für weitere Daten nutzen sollte, die Mission sollte aber zumindest das Landepanorama in 15 Minuten übertragen können.

Das zweite ist schwieriger. Es gab bisher noch nicht den Versuchm Aufnahmen der Oberfläche beim Abstieg zu machen. Es gibt nur die Möglichkeit die Höhe abzuschätzen ab wann der Boden sichtbar ist. Das Problem ist dass wir eine dichte Atmosphäre haben und schon wenige Kilometer mit einer geringen Aerosolkonzentration kann den Blick auf den Boden versperren, dazu braucht man keine dicke Wolkenschicht.

Die Messungen die wir haben stammen von dem Nephelometer von Pioneer Venus. Nach dieser käme erst in einer Höhe von 6 km der Boden in Sicht. Sie bestimmte allerdings diesen Werte nicht direkt, sondern die Sicht horizontal in der Atmosphäre, die natürlich davon abweicht. Eine zweite Möglichkeit ist es, die Atmosphäre als „klar anzusehen“, wenn die Temperatur höher als die Verdampfungstemperatur der schwerstflüchtigstem Substanz auf der Venus ist, das ist die Schwefelsäure mit einer Siedetemperatur von 330°C.  Diese wird in 16 km Höhe erreicht.

Die Sonde sollte feststellen, wann der Boden in Sicht kommt, auch um die Aufnahmerate an die Datenrate abzustimmen. Das kann durch Vermessen der Fotos gehen (Boden hat üblicherweise Kontraste, Wolken und Nebel nicht) oder durch einen Laserstrahl, dessen Abschwächung bzw. Streuung man messen kann. Beide Methoden haben Fehlermöglichkeiten. Aerosole auf den Linsen ergeben Kontraste (siehe Huygens). Dafür kann man mehrmals während des Abstiegs eine dünne Vorsatzlinse wechseln. Der Laserstrahl kann auch am Boden gestreut werden.

Natürlich kann man auch dran gehen einfach ab der Unterkante der Wolkenschicht Aufnahmen zu machen, doch die Vermessung wann es sinnvoll ist hat zwei Vorteile: Man kann die Schutzabdeckung vor den Linsen dann erst abwerfen und so verhindern, dass sich Aerosole auf de Linse niederschlagen und man kann Aufnahmen selektiv zwischenspeichern, die man mit etwas Glück nach der Landung übertragen kann.

Das leitet mich zur zweiten offenen Frage über – wie lange überlebt die Sonde danach? Diese Frage ist nicht so einfach zu beantworten, weil es auf der Erde nur äußerst schwierig ist, die Bedingungen zu simulieren und wenn, dann wird man es nicht tun – denn nach dem Versuch dürfte das Versuchsexemplar kaputt sein und so was macht man vielleicht noch bei einzelnen Subsystemen, nicht jedoch einer ganzen Raumsonde, weil es sonst einfach zu teuer ist. Der Abstieg durch die Venusatmosphäre dauert, je nachdem wann man den Fallschirm abwirft rund 60 Minuten. Am Boden angekommen erwarte ich nur noch 15 Minuten Überlebensdauer – ein niedriger Wert vergleichen zu den 60 Minuten Abstiegszeit, doch die Temperatur steigt bei der Venus rapide an. Wie oben erwähnt ist es in 16 km Höhe schon um 150 Grad „kälter“, das bedeutet die Sonde ist die meiste Zeit vorher relativ moderaten Temperaturen ausgesetzt gewesen (moderat verglichen mit der Oberflächentemperatur). Die 15 Minuten auf der Oberfläche habe ich vorgesehen für ein Panorama sowie die Restliche Übertragung des letzten Sets von Aufnahmen vor der Landung. Die russischen Raumsonden waren ab Venera 9 übrigens für 32 Minuten Aufenthalt ausgelegt und erreichten alle diesen Wert.

Wie geht man mit Mehrzeit um? Es gäbe meiner Ansicht nach drei Möglichkeiten diese Zeit sinnvoll zu nutzen:

  • Man könnte Aufnahmen entweder vom Boden oder aus der Höhe die man vorher nur mittelauflösend übertrug, nun hochauflösend übertragen
  • Man könnte Aufnahmen die beim Abstieg gemacht wurden und gespeichert wurden, weil es keine Zeit zum Übertragen gibt nun übertragen – beginnend von den oberflächennächsten
  • Man könnte neben den Farbaufnahmen auch noch Aufnahmen mit anderen Filtern übertragen, sie lassen einen Rückschluss auf die Gesteine zu
  • Man könnte andere Experimente mit großem Datenvolumen wie abbildende Spektrometer besser einsetzen.

Das Hauptproblem – die Kommunikation

Kommen wir nun zum Hauptproblem: Der Datenübertragung. Wir reden nun von Farbaufnahmen, die selbst bei mäßiger JPEG Komprimierung noch große Datenmengen erzeugen. Wenn ich von meiner Digitalkamera ausgehe und das Profil mit mittlerer Schärfe nehme, dann brauche ich auf drei Bildpunkte 1 Byte. Ein 1 Mpixel großes Bild hat also eine Datenmenge von rund 300 KByte. Das Problem ist, dass aufgrund der Temperaturen und weil die Kommunikation auch beim Abstieg gewährleistet sein muss, alle Sonden bisher Rundstrahlantennen einsetzten, deren Datenrate gering ist. Pioneer Venus sandte mit 64 und 256 Bits/s bei 10/40 Watt Sendeleistung. Venera 9+10 übertrugen 512 Bit/s, Venera 11-14 3072 Bit/s. Doch selbst bei der höchsten dieser Datenraten braucht man 800 s um ein Bild zu übertragen, das ist übrigens fast die gleiche Zeit, die ein Farbpanorama von Venera 13+14 zur Übertragung brauchte.

Bei rund 30 Minuten die wir im Minimalfall zur Verfügung haben, reicht das gerade mal für zwei Aufnahmen. Geplant sind bei meinem hypothetischen Projekt aber 7 Kameras mit je 60 Grad Gesichtsfeld um den Fischaugeneffekt zu vermeiden – eine unten, 6 an der Seite. Wenn man nur ein Panorama vom Boden und aus der Höhe übertragen will, braucht man also mindestens die 5-Fache Datenrate.

8 thoughts on “Ein Kommunikationsproblem – Teil 1

  1. Wie groß würde die Sonde wenn man eine Lander/Orbiter Kombination hätte, erst in einen venussynchronen…. nee klappt ja nicht bei über 200 Tagen für eine Umdrehung. Also eine Umlaufbahn, in der der Orbiter für die 2 Stunden des Abstiegs in der richtigen Position steht…. Orbit einschwenkt, den Lander abstößt und dann als Relaisstation dient.

    Also Lander, eine Abstiegsstufe, den Orbiterbus mit Kommunikation und Datenspeicherung und dann nen Haufen Treibstoff für die ganzen Manöver.
    Geht das elektrisch oder muss chemisch?

    Schöne Rechenaufgabe für dich.

    Bernd

  2. Wieso nimmt man für die Überprüfung der Sichtverhältnisse kein Radar? – Heute gibt es doch auch Radar für Wassertropfen, um wolkendichten auf der Erde zu bestimmen. Dann könnte man doch auch ein Radar zur Dichtebestimmung der Venusatmosphäre entwickeln.
    Und für die Kommunikation wäre die Frage zu klären, ob eine zwischengeschaltete Relaisstation an einem Ballon irgendwo in der Atmosphäre sinnvoll ist. Oder, da die Reisezeit zur Venus ja nicht so hoch ist, wie zu den äusseren Planeten könnte man mehrere einfache Sonden nacheinander hin schicken, um die Kommunikationsmöglichkeiten bzw. -geschwindigkeiten auszutesten. Oder eine Sonde, die verschiedene Antennen an Bord hat, die in unterschiedlichen Frequenzbändern vorher definierte Daten senden. Davon hat man dann zwar keine Bilder aber man weis, welche maximale Datenrate man erwarten kann und kann die Instrumente entsprechend anpassen.

  3. @Bernie: Warte auf Teil 2
    @Hans: Es geht um die optischen Eigenschaften die von denen von Radarwellen abweichen. Ich vermute, dass eine dichte Atmosphäre auch ohne aerosole nur bedingt durchsichtig ist, genauso wie man in an sich durchsichtigem Wasser auch nicht arg weit sehen kann. Wellen im Funkbereich gehen viel besser durch, das zeigt schon das überhaupt eine Kommunikation möglich ist.

  4. Das „A und O“ scheint ja zu sein, Datenspeicher und Sender möglichst lange am Leben zu erhalten. Isolationsmaterial wie z.B. Aerogel für diese Komponenten könnte da vielleicht eine Lösung sein. Die Isolationswirkung ist sehr hoch und es ist Raumfahrterprobt. Die Gehäuse der Marsrover Spirit und Opportunity sind damit isoliert. die Schmelztemperatur des Materials ist wohl auch sehr hoch. Bei den damaligen Sonden stand das Material wohl noch nicht zur Verfügung (die Russen haben bestimmt Steinwolle genommen…)

  5. Das die Wärme nicht reinkommt ist Problem genug, aber es ist nicht DAS Problem.
    Die Elektronik des Landers produziert Wärmeenergie und die muss raus! Das ist das Problem.
    Ich hab vor 20 Jahren mal nen Science-Fiction gelesen, in dem es u.a. über eine bemannte Sonde ging, die in der Hochatmossphäre einer Sonne kreiste. Die wurden ihre überschüssige Energie los, indem diese Abwärme gesammelt wurde, in Elektrizität umgewandelt und dann per Laser abgestrahlt wurde.
    Das klingt insofern plausibel, als das der Laserstrahl ein höheres Energieniveau als die umgebende Sonnenatmossphäre hatte.
    Wie wurde aber die Energie im Schiffsinneren konzentriert?
    Es kann ja von mir aus nen schlechten Wirkungsgrad haben solange netto Energie exportiert wird, aber wie wurde sie gesammelt? Der science-fiction sprach von Thermoelementen ähnlich denen in RTGs.
    Dazu braucht es aber einen kalten und einen warmen Teil, das wurde mir im Science-Fiction nicht klar.
    Aber die Idee hat was.

    Bernd

  6. Was ich meine ist, das Radar mit der Optik zu „koppeln“, also mit dem Radar die Sichtverhältnisse zu bestimmen. Und wenn anhand der Radardaten festgestellt wird, das die Sicht einigermassen gut ist, werden die optischen Sensoren frei gegeben, d.h. die Schutzkappen entfernt.

    Ich weis nicht, ob es nicht vielleicht sogar schon gemacht wird, aber evtl. könnte man auch eine Sonde hinschicken, die in eine polare Umlaufbahn einschwenkt und die Wolken und ihre Bestandteile kartiert. – Ja ich weis, dass das auch nur teilweise geht, weil die Atmosphäre ja in Bewegung ist, aber mittelwerte an denen man sich dann orientieren kann, sollten dabei heraus kommen können.

  7. JPEG 2000 mit Wavelet-Kompression erzeugt etwa halb so große Dateien wie JPEG, mit weniger Artefakten. Die Kompression und Dekompression von JPEG 2000 ist vergleichsweise langsam, deswegen hat es sich bisher nicht durchgesetzt. Bei der genannten konkreten Anwendung, wo die Datenrate niedrig ist, kann einem das aber egal sein.

    Ein Relais-Satellit, der an einem Helium-Ballon in einer Höhe mit milderen Temperaturen hängt, ist sicher die brauchbarste Lösung, um die Daten des Landers ausreichend lange (ein bis zwei Tage) zwischenzuspeichern, bis sie alle zur Erde übertragen sind.

    Im Lander die Wärme aus dem Elektronik-Modul wieder rauszubefördern, ist ohne aktive Kühltechnik nicht möglich. Für Dauerbetrieb denkbar wären z.B. eine Art Kühlschrank (der mit unter Weltraumbedingungen unzuverlässiger Mechanik arbeitet) oder Peltier-Elemente (schlechter Wirkungsgrad). Mit Verdunstungskühlung (z.B. Methan) oder ganz ohne Kühlung stirbt die Elektronik der Sonde hingegen selbst bei perfekter Isolation nach einiger Zeit den Hitzetod aufgrund der eigenen Abwärme.

    Kai

  8. Ein Relaissballon kann keine Hochgewinnantenne mitführen, damit sinkt die Datenrate auf ein Sechundertstel ab. Das gleiche Problem hat er dann bei der Übertragung zur erde, auch da kommt man dann nur auf kleine Datenraten und kann auch die Daten kaum in den einigen Tagen der Betriebsdauer loswerden. Darüber hinaus dürfte er durch die Hadley Strömung in der Betriebszeit schon gute 500 – 700 km weit vom Landeort weggetrieben werden. Ich halte das für keine gute Idee.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.