Das F-1: eine Alternative für die SLS?

Seit die F-1 ausgemustert wurden tauchen sie regelmäßig wieder auf – vor allem in Diskussionen, wenn es um Schwerlastträger geht. Selten ist die Diskussion sachlich. So gab es mal das Argument „Wenn sie ein neues Auto haben wollen, bauen sie dann einen Chevrolet aus den Sechzigern nach?“. Nachdem nun nochmals der Vorschlag kam es bei der SLS einzusetzen, ist es Zeit dies mal genauer zu betrachten. Fangen wir mit dem einfachsten an, den reinen technischen Parametern:

Die F-1 waren keine Triebwerke, die man auf maximale Leistung, sondern auf Robustheit und Zuverlässigkeit auslegte. Ein Vergleich mit anderen Triebwerken ist relativ schwierig, weil es nur wenige Vergleichsmaßstäbe gibt. Das RD-170/171 ist zwar vom Schub vergleichbar, ist aber ein Triebwerk mit vier Brennkammern. Triebwerke mit Gasgeneratorantrieb findet man nur mit einer Zehnerpotenz kleinerem Schub. Am ehesten kann man noch die NK-33 vergleichen, die immerhin ein Viertel des Schubs liefern.

Was relativ klar ist: Das Triebwerk hat für seine Schubklasse ein relativ schlechtes Schub/Gewichtsverhältnis, ist also relativ schwer.  Der Quotient liegt bei 80,6:1 bei der Trockenmasse. Beim NK-33 liegt er bei 112,7 zu 1, obwohl es nur ein Viertel des Schubs aufweist. Der Quotient steigt aufgrund der physikalischen Gegebenheiten an, wenn ein Triebwerk schubstärker wird.

Auch die Energieausbeute war bei dem Brennkammerdruck von 70 Bar nicht überragend. Allerdings gibt es im US-Arsenal auch kaum besseres. Merlin 1C und RS-27 liegen auf gleichem Niveau. Das Merlin 1D soll besser sein, doch sind die Werte mit Vorsicht zu genießen, wie alle angaben von SpaceX vor der Einsatzreife. Die meisten russischen Triebwerke mit derselben Treibstoffkombination sind besser, allerdings verwenden diese auch das Hauptstromverfahren, das kein US-Triebwerk jemals für LOX/Kerosin nutzte,

Betrachtet man allerdings, dass das Triebwerk für die erste Stufe gedacht ist, so entkräftet sich beides. Würde die Saturn V Triebwerke mit den Leistungsdaten des NK-33 einsetzen, so würde dies das Abtrenngewicht gerade mal um 2% ändern und die Geschwindigkeit um etwa 260 m/s. Das sind Werte die die Nutzlast vielleicht um 6% absenken. Deswegen lohnt sich keine Neuentwicklung.

Die nächste Frage ist, die ob man die Produktion wiederaufnehmen könnte und ob es nicht besser wäre ein neues Triebwerk zu bauen, das optimiert für die Produktion ist.

Natürlich ändern sich Technologien. Wir reden hier zwar vor allem von Metallbearbeitung, aber auch hier gibt es Änderungen. In den Sechzigern verschweißte man z.B. Tanksegmente mit Rollnähten, heute mit dem Rührreibschweißverfahren. Dazu kommt, dass sich Materialen ändern, allerdings weniger bei den Triebwerken um die es hier geht, als bei den Strukturen, dort zogen leichtere Aluminiumlegierungen und CFK Werkstoffe ein. Triebwerke stellt man damals wie heute aus Hochtemperaturfesten Legierungen wie Nickelstahl her.

Auf der anderen Seite haben wir es nicht mit einer Serienproduktion zu tun, sondern der Fertigung von maximal einem Dutzend Triebwerken pro Jahr. Bei einer individuellen Fertigung ist es sowohl möglich auf ältere Verfahren zurückzugreifen, wie auch, wo das nicht benötigt wird neue anzuwenden (wenn eine Schweißnaht hält ist es eigentlich egal nach welchem Verfahren sie gesetzt wurde).

Mag sein, dass ein neues Triebwerk in der Produktion billiger ist. Doch wie oft wird es produziert? Wenn man die erhöhten Produktionskosten für wenige Exemplare dadurch reinbekommt, dass man keine entwicklungskosten hat, dann hat man einen gewinn.

Kommen wir aber zum Hauptpunkt. Es geht um bemannte Raumfahrt.

Bemannte Raumfahrt zeichnet sich durch eines aus: sie ist teuer. Sie ist aus vielen Gründen teuer, aber bei Raketen sind es die Sicherheitsstandards und 50 Jahre bemannte Raumfahrt haben bei der NASA die Anforderungen eher steigen als sinken lassen. Die NASA lehnte für den Transport der Orion Delta 4 und Atlas V ab, sie wären nicht sicher genug, dabei handelte es sich um eingesetzte Träger. Stattdessen wollte sie die Ares I, weil sie rechnerisch sicherer sei.

Und hier kann das F-1 punkten. Das F-1 ist das am intensivsten getestete Triebwerk. Bis zur Zertifizierung gab es 2471 Tests mit einer Gesamtdauer von 239.124 Sekunden. Zum Vergleich: Der Nachfolger das SSME absolvierte 730 Tests und ein RS-68 180 Tests, das ist auch eine typische Zahl für andere Triebwerke die in unbemannten Raketen stecken wie das Vulcain. Selbst wenn man ein neues Triebwerk nicht so intensiv testen wird, wie das F-1, so wird man sicher mehr Tests machen als bei einem unbemannten Einsatz und dies kostet Geld. Der Test eines Triebwerks ist der Punkt der die Entwicklung teuer macht und es steht zu befürchten, dass man diese Summen durch niedrige Produktionskosten wieder hereinbekommt. Wenn es Probleme gibt so wird es noch teurer: Probleme bei der Entwicklung des SSME nachten einen NASA-Nachtragshaushalt nötig und verzögerten den Erststart um mehr als ein Jahr. Die F-1 Entwicklungskosten wurden auf 1,77 Milliarden Dollar (1991 wert) geschätzt. Das wären heute 3,05 Milliarden Dollar. Wenn dann ein Triebwerk 50 Millionen Dollar teurer in der Fertigung ist (und das ist schon ein hoher Wert), dann holt man diese Summe erst nach 61 Triebwerken wieder herein. Bei ATK, das den Vorschlag macht sie erneut einzusetzen sollen je zwei Triebwerke zwei Booster antrieben, also würde man erst nach 15 Flügen die Kosten wieder reinholen. Bei geringeren Aufpreisen wären es sogar noch mehr Flüge. Wie viele Flüge wird wohl die SLS absolvieren? Ich glaube kaum, dass sie 15-mal eingesetzt werden wird.

Vor allem gibt es Sicherheit: Das F-1 ist getestet, es ist sicher, es hat so große Reserven, dass ein F-1 bei der Saturn V vor dem Start dreimal getestet wurde (einmal einzeln und zweimal in der Stufe) und dabei länger betrieben wurde als später im Flug.

Man mag es für übertrieben halten und meiner Meinung nach wäre die Kombination von Fluchtturm und einem bewährten Triebwerk wie dem RS-68 oder RD-180 ausreichend, aber die Leute von Manned Spaceflight Center haben eine andere Denke. Es gibt ja noch das nicht ableugbare Restrisiko, dass die SLS wieder gekippt wird und in diesem Falle ist es besser wenn man nicht zu viel in ein Triebwerk investiert hat das nie fliegen wird, denn einen Bedarf für ein Triebwerk mit 6670 kN Schub gibt es nicht. (Ein F-1 hat mehr Schub als 12 Merlin 1D oder 15 Merlin 1C…).

Was es auch spart ist Zeit: Selbst die „schnell“ Entwicklung des RS-68 dauerte fast 5 Jahre. Die des SSME acht Jahre. Bei der SLS sollen nach derzeitiger Planung ja nur Triebwerke zum Einsatz kommen die schon existieren oder von denen zumindest Vorläufer existieren (wie beim J-2S). Würde man ein neues Triebwerk entwickeln (wofür man übrigens derzeit nicht das Geld hat), so wäre es sicher erst in 8 Jahren einsatzreif.

Also wenn man die SLS angeht, dann wäre ich für das F-1!

12 thoughts on “Das F-1: eine Alternative für die SLS?

  1. Na ja, ob ein seit 40 Jahren nicht mehr produziertes Triebwerk sich so von heute auf morgen wieder bauen lässt, darf bezweifelt werden. Selbst, wenn es auf Anhieb funktioniert, besteht die Gefahr, dass die alten Unarten des F-1 wieder auftauchen, allen voran die Verbrennungsinstabilitäten. Die haben bei Rocketdyne garantiert mindestens ein Dutzend verschiedene Pläne für das F-1 rumliegen, für die unterschiedlichen minimal veränderten Versionen des F-1, die man gebaut hatte, um der Probleme Herr zu werden. Aber welche waren die finalen? Oder wurden gegen die Instabilitäten gar zusätzliche Teile eingebaut, die nicht in die Pläne eingezeichnet wurden?

    Dennoch wünsche ich der NASA viel Glück beim Reaktivieren des F-1. Die bisher budgetierten 200 Mio. US-$ für die Erforschung von flüssigtreibstoffgetriebenen Boostern erscheinen aber doch sehr wenig.

    Kai

  2. Ich hatte mich auch schon gefragt, ob die Raktivierung des F-1 Triebwerks für das SLS nicht die beste und logischste Lösung wäre. Ich freue mich, dass ich damit nicht alleine war! Ob die NASA dem Pfad der Logik und Vernunft folgen wird, wage ich allerdings zu bezweifeln. Zumindest wäre es ein ziemliches Novum, ein 40 Jahre altes Triebwerk zu reaktivieren.

    Eine vielleicht interessante Ergänzung: Die Chinesen arbeiten auch an einem „richtigen“ Schwerlastträger, da sie Mitte der 20er Jahre eine bemannte Mondlandung anpeilen. Die „Langer Marsch 9“ soll in der gleichen Gewichtsklasse wie das SLS liegen, aber schon früher verfügbar sein (die Schwerlastversion des SLS ist erst für 2030 geplant).
    Für die „Langer Marsch 9“ soll ein mit Kerosin und Sauerstoff betriebenes Zweikammertriebwerk mit 650 Tonnen Schub entwickelt werden, das YF-650 (womit es gleich groß wie das F-1 dimensioniert wäre). Ersatzweise ist auch eine Version nur mit Wasserstoff-Sauerstoff Mischung geplant. Diese Variante wird mit nur einem Triebwerkstyp betrieben, dem YF-220 mit ca. 200 Tonnen Schub (irgendwie muss ich dabei an das Shuttle SSME denken). Für weitere Details siehe hier: http://www.americaspace.org/?p=22881

    Zweiter Zusatz: Es gab eine Studie, das F-1 Triebwerk zum F-1A weiterzuentwickeln. Dieses wäre mit knapp 8,1 Tonnen leichter gewesen als das F-1 (8,35 Tonnen), hätte aber mit 910 Tonnen erheblich mehr Schub geliefert. Siehe hier: http://www.astronautix.com/engines/f1a.htm

  3. Die NASA hat sogar schon in den sechziger Jahren Dokumentenmangament betrieben und ihre eigenen Pläne und ist nicht auf Rocketdyne angewiesen. Von dden Plänen her gibt es keine Probleme die letzte Einsatzversion erneut zu produzieren. Es gibt sogar noch über 30 Stück, was bei den Abbildungen immerhin für 8 SLS Flüge ausreichen würde…..

    Den Unterschied zum NK-33 das auch so alt ist, nun eingesetzt wird und dessen Produktion erneut aufgenommen wurde kann ich nicht erkennen. Dort klappts doch auch. Warum sollte es nicht bein der NASA klappen?

  4. Was ist mit dem F-1a, darüber findet man kaum Daten. Es hätte aufs Gewicht bezogen viel mehr Leistung. Nachteile wären aber wahrscheinlich wie bei allen anderen Triebwerken: Neuentwicklung nötig, keine Tests gemacht usw…

  5. Ich finde die F1 Triebwerke sollten wieder als Hauptstufentriebwerke
    eingesetzt werden.Auch wenn Sie nicht so Hochgezüchtet sind wie moderne Triebwerke.Soweit ich weiß treten in dieser Größenklasse Verbrennungsschwingungen auf,der Grund für die solide etwas schwerere Bauweise und die ausführlichen und teuren Tests damals.
    zum Thema Effizienz:
    Wie Effizient war denn das Space Shuttle,man schafft 120tonnen (Shuttle Nutzlast) in eine niedrige Umlaufbahn,setzt lediglich <30tonnen an Nutzlast aus,und nimmt 90tonnen wieder zur Erde zurück.Erinnert irgendwie an eine Busfahrt,einmal Strecke besetzt und dann eine Leerfahrt zurück.
    Man setzte ende der 70iger auf Wiederverwendbare Raumfahrzeuge,weil man glaubte pro Flug weniger Kosten zu haben und den Nutzlastpreis zu senken.Ich weiß jetzt nicht den genauen Preis pro Flug,war aber glaube ich nicht viel billiger.

  6. Jetzt die Produktion des F-1 wiederaufnehmen zu wollen, wird nicht gehen.
    Wer damals als Lehrling an der Saturnrakete arbeitete, ist heute im Pensionsalter, das Know-how ist also endgültig verloren.
    Beser wäre es gewesen, das Wissen zu erhalten, und z.B. das F-1 Triebwerk für die Space Shuttle Booster zu verwenden, und es fortlaufend zu verbessern. So hätten wir heute ein zuverlässiges Triebwerk der 1’000- t Klasse, was es bis heute nicht gibt.

  7. Mich wuerde etwas ganz anderes interessieren. Waere es nicht viel besser die sturn v komplett zu reaktivieren? Nicht so wie sie damals war, sondern „upgedated“ auf den neusten stand der verfahrenstechniken (leichtere tanks / F1x / j2x) etc. Die saturn schaffte damals 110 t in den leo oder irre ich mich. mit der modernisierung muessten mindestens 130 t drinnen sein (mit zusaetzlichen boostern (fest / fluessig egal) sogar wesentlich mehr. man wuerde endlich evolution anstatt staendiger umschwenker betreiben. man koennte dann doch sogar den lander „weiterentwickeln“ und wieder auf dem mond landen (was ja bei sls nicht geplant ist da kein lander budget. Mich wuerde bernds meinung da interessieren???

  8. Ja, und den Armstrong budeln wir auch noch aus damit wieder alles beisammen ist. Wenn die Amis nichts Neues zustande bringen, dann bitte gleich den Chinesen ueberlassen.

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